Zitat von
efwe
Nachdem das neue "Zack" bereits an die Abonnenten ausgeliefert wurde und ab 31.5. auch am Kiosk erhältlich sein wird, gibt es an dieser Stelle - in guter alter Tradition - wieder einmal das Editorial, da es womöglich zu Diskussionen einlädt:
Liebe Leserinnen und Leser,
geht es dem deutschen Comic-Albenmarkt gut? Fragt man Verlagsvertreter, dann muss eitel Sonnenschein herrschen. Schaut man sich die Verlagsprogramme an, kommen einem Zweifel am guten Wetter. Manche der Vorschauen haben schon etwas von Verzweiflung an sich. Beim Berliner Verlagshaus Ehapa dreht sich fast alles nur noch um Mäuse, Enten, Gallier und den lonesome Cowboy. Die Hamburger Kollegen verkaufen dagegen die ollen Agenten Clever und Smart – die Serie entstand 1958 in Spanien – als den heißesten Scheiß und konzentrieren sich des weiteren im Großen und Ganzen auf Altbewährtes und Gesamtausgaben. Und der Bielefelder Splitter Verlag hält es mit dem Gießkannenprinzip: Bei ca. 15 Novitäten pro Monat wird schon etwas dabei sein, was sich einigermaßen verkaufen lässt. Dabei stellt sich die – wie ich meine – berechtigte Frage, wer das alles kaufen soll. Zwar haben Carlsen und Ehapa die Menge an Novitäten reduziert, greifen mit hochpreisigen Gesamt- und Sonderausgaben aber besonders tief in die Geldbeutel der werten Leserschaft. Gesund erscheint mir das Ganze nicht. Darf man doch nicht vergessen, dass es neben den drei Platzhirschen auch noch Angebote von Panini, Salleck, Finix etc. gibt, die ebenfalls ihre Käufer haben und damit Kaufkraft aus dem Markt ziehen. Die große Anzahl hochpreisiger Comics spricht nun auch nicht für einen Anstieg der Auflagen, sondern erzählt eher das Gegenteil. Vom Massenmarkt ist man dann doch Universen entfernt. Erleben wir gerade einen schleichenden Niedergang der Comics hier in Deutschland? Denn das zigste Wiederkäuen von Klassikern in immer neuen Editionen – Softcover, Hardcover, Gesamtausgabe, Sonderausgabe, fest, biegsam, abwaschbar, unzerstörbar – zeugt nun nicht von einem Zukunftsmarkt. Die letzte erfolgreiche Neuerung, mit der junge Leser gelockt werden konnten, die Manga, liegt nun auch bereits über 20 Jahre zurück. Und selbst hier gibt es bereits Wiederveröffentlichungen in neuer Ausstattung, um die Kunden der ersten Stunde erneut zur Kasse zu bitten. Ein weiterer Versuch, die graphic novels, wurde in den letzten Monaten still und leise zu Grabe getragen, da das positive Echo eher von den Marketingabteilungen der Verlage und der Presse, die sich über teure Rezensionsexemplare freuen durfte, befeuert wurde. Vom Leser ist das Genre mit seinen zumeist „sehr künstlerischen“ Zeichnungen und existenziellen Themen eher ungoutiert geblieben.
Was bleibt, ist das ungute Gefühl, Zeuge eines langsamen Sterbens zu sein. Die Generation, die die Hoch- und Glanzzeiten der Comics erlebt hat, wird die Neunte Kunst als Massenmedium womöglich auch zu Grabe tragen. In Zeiten, in denen die Jugend lieber dem Unboxing des neuesten Star-Wars-Mechandise folgt, YouTuber die neuen Helden sind (was ist eigentlich aus dem guten, alten McGyver geworden?), Snapchat und Instagramm spannender sind als das wahre Leben, in diesen Zeiten muten Comics eher archaisch an und finden bald keinen Platz mehr im öffentlichen Bewusstsein. Möglicherweise wird man einst seinen Enkeln von Zeiten erzählen, als man allein und offline in seinem Zimmer saß, bunte Bilder anschaute, die sich nicht bewegten, auf Papier geschriebene Buchstaben zu Worten kombinierte, um Sprechblasen (Opa, was ist das?) zu entziffern, damit man den Leerraum zwischen den einzelnen Bildern mit der eigenen Fantasie auffüllen konnte.
Aber bis zum Comic-Armageddon ist zum Glück noch etwas hin, und so lange sollten wir u. a. das aktuelle ZACK in all seiner altmodischen Pracht genießen.
In diesem Sinne
Georg F.W. Tempel
(Chefredaktion)
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