Zitat Zitat von arzach Beitrag anzeigen
Ich stimme Eckart zu. Ein Publikumspreis auf der Basis einer Auswahl, bei der das Publikum komplett außen vor blieb, verdient diesen Namen nicht. Insofern wäre Boykott nicht unsinniger als der Preis selbst. (...)
Da sich die Diskussion über den "technischen" Part der Abstimung wohl vor allem auf diesen Punkt konzentriert, möchte ich dazu ein paar Worte verlieren, weil ich an der Einrichtung des Preises nicht ganz unschuldig bin.

Schon seit Jahren gab es immer wieder Überlegungen, in Erlangen eine Kategorie "Publikumspreis" zu installieren. Die Frage war aber immer, wie dieses praktisch umgesetzt werden sollte. Und auch die Vorbilder für so einen Preis sind natürlich Legion. Ich selbst war bereits bei der Etablierung von mindestens zwei Comic-Publikumspreisen aktiv beteiligt.

Ganz grob kann man Publikumspreise in drei Arten vergeben:

1. Komplett offene Abstimmung
Hier gibt es keine Vorauswahl der Titel. In dieser Form wurde zum Beispiel früher der "Goldene Ventilatorknabe" verliehen.
Positiv: Es gibt keinerlei Beschränkungen für die Abstimmenden, sie haben völlige Wahlfreiheit.
Negativ: Das Ergebnis verzettelt sich komplett. Beim "Goldenen Ventilator"-Knabe konnte man einen Preis teilweise mit unter 5 Prozent Stimmanteil abräumen!

2. Eingeschränkte Bestseller-Abstimmung
Hier gibt es eine Vorauswahl der Titel anhand von Bestsellerlisten. In dieser Form wird der "Sondermann" verliehen.
Positiv: Es wird über die Lieblinge des "breiten" Publikums abgestimmt.
Negativ: Gerade auch der "Massengeschmack" bietet immer wieder viel Anlass zur Diskussion - siehe zum Beispiel den neuen "Asterix", der dieses Jahr dann eigentlich schon als Gewinner "gesetzt" sein müsste.

3. Abstimmung über Jury-Vorauswahl
Hier gibt es eine Vorauswahl der Titel anhand einer Jury-Liste. Diese Abstimmungsform ist vor allem bei diversen Film- oder Literatur-Festivals üblich, etwa dem "Filmfestival von Locarno", dem "Fernsehfilm-Festival Baden-Baden" oder den "Tagen der deutschsprachigen Literatur" (Ingeborg-Bachmann-Preis)
Positiv: Es findet eine direkte Verzahnung mit dem Festival und den dort im Mittelpunkt stehenden Titeln statt, was am Ende einen direkten Vergleich mit der Jury-Entscheidung ermöglicht.
Negativ: Siehe oben in dieser Diskussion.

Warum wurde jetzt für Erlangen die dritte Variante ausgewählt? Ich meine das liegt klar auf der Hand:
  • Die erste Variante - die ich aus eigener Anschauung nur zu gut kenne! - schließt sich praktisch von selbst aus.
  • Und die zweite haben wir bereits auf der Frankfurter Buchmesse - wir brauchen doch keinen zweiten "Sondermann"-Preis!

Nein, der Erlanger Publikumspreis muss natürlich wie ein richtiger Festival-Preis verliehen werden. Die zur Auswahl stehenden Titel müssen direkt mit den Ausstellungen, Lesungen, Künstlergesprächen etc. verzahnt sein. Auch die Abstimmung darf erst direkt auf dem Festival enden!
Und die Auswahlliste muss natürlich auch mit derjenigen für die anderen Kategorien identisch sein. Denn sonst wäre der Gewinner des Publikumspreises immer ein "Sieger zweiter Klasse". Der Publikumspreis auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen soll aber eine voll integrierte, gleichrangige Kategorie des "Max und Moritz-Preises" sein - und nicht nur ein Alibi-Anhängsel!

Eine ganz andere Frage ist dann aber die Zusammensetzung der Auswahlliste. Sicher gut 50 Prozent der Titel sind auch aus meiner Sicht im Grunde gesetzt gewesen, aber dann ließe sich viel streiten ... Dirk Rehm etwa hat ja bereits das komplette Fehlen von Titeln aus Amerika angesprochen.