Crossed 5 – Wish you were here
Das Zombiegenre erfreut sich, nicht erst seit dem Erfolg von The Walking Dead, größter Beliebtheit. Ein paar Überlebende irren durch eine postapokalyptische Welt, und werden von den wandelnden Leichen gejagt. Alles weitere sind Details. Denkt man.
Garth Ennis hat die Thematik der Überlebenden, die durch eine feindlichen Umgebung ziehen, auch für die Serie „Crossed“ benutzt, die er gestartet hat. Doch in der Welt von „Crossed“ gibt es keine Zombies, sondern Gefirmte, die an einem Kreuz auf ihren Gesicht zu erkennen sind, und nichts im Sinn haben außer Fressen, Sex und Folter – gern auch in Kombination. Wie bei Ennis zu erwarten, wurden diverse Grenzen überschritten, speziell bei der Darstellung der Gefirmten, die sich gern mit diversen Körperteilen schmücken, aber auch bei deren Foltermethoden. Nachdem die Serie mit Band 2 von David Lapham übernommen wurde, kehrte Gart Ennis in Band 4 zurück. Schnell kam der Vorwurf auf, daß die Serie nur mit Schockmomenten arbeiten würde.
In diesem Band gibt es nun einen neuen Autor: Simon Spurrier, der neben diversen Romanen auch Comics für 2000AD und Marvel geschrieben hat. Mit Janvier Barreno wurde ihm ein Zeichner zur Seite gestellt, der bereits bei der 2. Crossed Miniserie beteilig war.
Die Herangehensweise unterscheidet sich von den üblichen Fluchtgeschichten. Spurrier erschuf ein Szenario, in dem sich die Überlebenden verschanzen, statt ständig auf der Flucht zu sein, und beginnen, eine Art Gesellschaft aufzubauen, in der jedes Mitglied seinen Teil leisten muß. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Shaky, einem ehemaligen Autor für Comics. Nicht gerade der praktischste Beruf in einer postapokalyptischen Welt, denn dort sind Handwerker und Kämpfer gefragt, keine Schreiberlinge.
Die kleine Gruppe hat sich auf einer kleinen Insel vor der Küste Schottlands verbarrikadiert, und versucht sich mit Landwirtschaft, Fischen und gelegentlichen Ausflügen auf das von Gefirmten bevölkerte Festland zu ernähren. In seinem Tagebuch hält Shaky jedes Detail seines Lebens seit dem Erscheinen der Gefirmten fest. Seine Flucht aus London, seine Ohnmacht, die erste Gruppe mit der er durch die verwüstete Welt zog, aber auch seine Erlebnisse auf der Insel, und der Aufbau der Mikro-Gesellschaft, in der die Gruppe (über-)lebt. Doch ein dunkles, offenes Geheimnis hängt über den Überlebenden wie ein Damoklesschwert.
Fazit:
Der Wechsel von der mobilen Lage in eine statische ist gelungen und logisch. So haben die Überlebenden die Chance, sich für ihren Kampf gegen die Gefirmten zu rüsten, und das Schlachtfeld für ihre Sache zu nutzen. Aber die Kämpfe sind hier nur Nebensache. Viel interessanter ist, was innerhalb der Gruppe abgeht.
Dabei hat es Spurrier geschafft, eine glaubwürdige Atmosphäre mit allen Höhen und Tiefen des menschlichen Zusammenscheins zu zeigen, ohne daß der bösartige Spaßfaktor verloren geht, und ist dabei um einiges gefälliger als Ennis oder Lapham. Das mag auch daran liegen, daß die Geschichte zunächst als kostenloser Webcomic erschien, bei dem Spurrier sich austoben konnte, und mehr Zeit hatte, Figuren einzuführen und zu charakterisieren. Um das ganze noch zu toppen gibt es etwas, was es vorher bei Crossed noch nicht gab: Überlebende am Ende des Bandes!
Ich freue mich jedenfalls schon auf den nächsten Band aus der Feder von Spurrier, der es geschafft hat, Crossed eine neue Richtung zu geben. Und jetzt entschuldigt mich, ich muß zu meinem Psychiater, und das Bild mit dem armen, armen Delphin aus meinem Kopf kriegen.
Dial H- Bei Anruf Held 2 - Scheibenkleister
Eine der größten Überraschungen der New 52 (also des Neustarts des DC-Universums) ist die Serie Dial H.
Schon zu alten Ehapa-Zeiten war die Serie „Wähle H für Held“ etwas besonderes für mich. Die Serie war als Zweitgeschichten in einigen Serien enthalten, und handelte von Teenagern, die mittels einer Wählscheibe in zufällige Helden transformiert wurden – ob die Kräfte des jeweiligen Helden gerade paßten oder nicht.
Doch der Neustart hat bis auf das Konzept der Wählscheibe wenig mit dem Klassiker zu tun. Dort wurden, wie ich in dem passenden Nachdruck gelesen habe, immer 1-2 Heldenidentitäten durchprobiert, um den Schurke der Woche zu schlagen. Etwas naiv war der Klassiker dabei auch. Stattdessen wird dem Leser hier etwas geboten, was es an Abgefahrenheit die Neustarts von Animal Man und Swamp Thing locker übertrifft.
Im ersten Band lernten wir Nelson kennen. Er ist der typische Verlierer; fett, nikotinsüchtig und einfach gestrickt. Als er jedoch seinem Freund zu Hilfe eilen möchte, der von Verbrechern zusammen geschlagen wird, kommt ihm der Zufall zur Hilfe. Er flüchtet in eine dreckige alte Telefonzelle. Bei dem Versuch, Hilfe anzurufen, wählt er versehentlich die Zahlenkombination für das Wort „HELD“ - und verwandelt sich auf der Stelle in einen ebensolchen! Dies war sein erster Kontakt mit der seltsamen Wählscheibe, und viele Verwandlungen sollten folgen. Dabei lernte er Roxie kennen, eine ältere Dame, die ebenso wie er die Wählscheibe nutzt, um sich zu verwandeln.
In „Scheibenkleister!“ kommen Roxie und Nelson den Geheimnissen der Scheiben mehr und mehr auf die Spur. Roxie hat sich schon Jahrzehnte mit der Thematik auseinandergesetzt, und dabei herausgefunden, daß der Wechsel in andere Heldenidentitäten auch bewirken kann, daß man sich in der Identität verlieren kann, wenn man nicht gefestigt ist. Eine große Gefahr für Nelson, der die Verwandlung und die Heldentaten mittlerweile braucht wie ein Junky seinen Stoff. Und eine weitere Gefahr droht den Helden. Ein fieser Agent namens „der Tausendfüßler“ jagt die beiden. Doch was will er mit den Wählscheiben?
Fazit:
Dial H bereichert die DC Dark-Reihe als innovative, psychedelisch Serie jenseits der üblichen Superheldenkost.
China Miéville hat seine Geschichte weiter gesponnen. Er ist ein Fantasyautor, der seine mehrfach prämierten Arbeiten (z.B. Perdido Street Station, Stadt der Fremden, UnLonDun) gern als Weird Fiction bezeichnet. DIAL H ist seine 2. Arbeit im Comicbereich, nach einer Kurzgeschichte für Hellblazer.
Als Zeichner hat er sich David Lapham (Stray Bullets) und Alberto Ponticelli (Superagent Frankenstein, Animal Man) ins Boot geholt.
Die Serie lebt von den schrägen Vögeln, in die die Wählscheibe den Wählenden transformiert.
Man könnte das ganze nun als Persiflage begreifen, doch China Miéville hat einiges mehr zu bieten als die obligatorische Comedy. Waren im ersten Band noch einige Anleihen des Klassikers zu finden, hat Miéville die Serie nun quasi neu erfunden. Die Frage, woher die seltsamen Helden eigentlich kommen wird ebenso beantwortet wie die Frage, welche Konsequenzen das Prozedere haben kann und sogar das große Ganze dahinter wird ein einem unglaublich bizarren Finale abgefeiert.
Finale? Leider hat DC diese wohl kreativste Serie des Relauches mit der Nummer 15 eingestellt. Sehr schade daß dieses Kleinod nicht genug Leser gefunden hat. Nichtsdestotrotz hat Miéville es geschafft, die Serie zu einem sinnvollen Ende zu bringen, mit dem er aber auch zeigt, was noch alles an coolen Ideen und Möglichkeiten in der Serie schlummerte.
Dial H gehört in des Regal jeden Lesers, der Geschichten jenseits des Superhelden-Mainstreams
genießen möchte.
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