Die Grundidee der Handlung
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Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Was Walt Disney für den Comic, bedeutete der 1989 verstorbene Osamu Tezuka für den Manga – ein Urgestein der Branche. Mit mehr als 700 Titeln begründete er in Japan den Begriff des modernen, anspruchsvollen Manga für Erwachsene, wie wir ihn heute kennen. „Barbara“ entstand 1973. Nach eigenen Worten wurde Tezuka durch Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ zu diesem Werk inspiriert. Die Optik in „Barbara“ ähnelt allerdings mehr einer herkömmlichen, schwarz-weiß gezeichneten Graphic Novel als dem, was wir uns gemeinhin unter einem Manga vorstellen, zumal die Zeichnungen in dieser Ausgabe komplett gespiegelt sind, um sie unseren Lesegewohnheiten anzupassen. Osamu Tezukas Strichführung ist kraftvoll, dynamisch, variantenreich und sehr ausdrucksstark.
Seinen Figuren verpasst er überwiegend ein westliches Äußeres, wobei sein Hauptprotagonist Mikura mit buschigen Augenbrauen, markanten Gesichtszügen, krummer, langer Nase, schwarzer Sonnenbrille und Zigarette im Mund den Inbegriff des intellektuellen, elitären Schriftstellers darstellt. Wenn Mikura dem Leser seine verborgene, „abartige sexuelle Triebstruktur“ gesteht, wuchern im Hintergrund haarige, eklige Pflanzenranken, während sein Gesicht schwarz überschattet ist und die Pupillen geweitet und starr ins Leere blicken (Seite 10).
Barbara mit spitzem Stupsnäschen, einem wilden, wuscheligen Pagenschnitt, hautengen, vor Schmutz starrenden Stretchhosen, die ihre langen Beine und makellosen Rundungen vorteilhaft unterstreichen, ist optisch genauso super getroffen, um ihren frechen, nachlässigen, sexuell aufreizenden Charakter hervorzuheben.
Besondere Gedanken machte sich Osamu Tezuka über das Aussehen von Barbaras Mutter. Da diese Metapher für die griechische Göttin Mnemosyne ist, hat er ihre Gestalt genauso rund und wallend wie die berühmte „Venus von Willendorf“ – eine der ältesten Darstellungen einer Frau – wiedergegeben.
Die irren bzw. wirren Geschehnisse spiegeln sich zumeist in einem verzerrten, schiefen Strich oder in karikierten Darstellungsformen wider; so bestehen die Köpfe der umstehenden, schnatternden Menschenmasse bei einer Preisverleihung beispielsweise nur noch aus übergroßen Mündern (Seite 25). Als weitere Ausdrucksform bedient sich der Mangaka der Panels, die – je haarsträubender und turbulenter die Handlung – langgezogen wie ein Negativ-Filmstreifen sein können oder auch von mosaikförmiger Zusammensetzung (Seite 130).
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Aufmachung des Manga
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Fazit
In „Barbara“ schließen sich Anspruch und Unterhaltung zum Glück nicht gegenseitig aus. Wer eine Vorliebe für durchgeknallte, groteske oder skurrile Plots hat, ist hier goldrichtig. Eine Beziehungsgeschichte im eigentlichen Sinne – wie der Klappentext vermuten lässt – darf man jedoch nicht erwarten. Zu meinem Leidwesen wurde der Manga komplett gespiegelt, um ihn unseren Lesegepflogenheiten anzugleichen, ansonsten ist seine Aufmachung aber hervorragend und lässt keine Wünsche offen.
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