Es war November. Ein kalter Wind blies durch die Straßen Gotham Citys, trieb Laub, Papierfetzen und anderen losen Unrat umher. Die Nacht war hereingebrochen und auf den Straßen waren kaum mehr Menschen unterwegs. Die normale Bevölkerung hielt es klugerweise so, sich in der Dunkelheit nicht mehr auf die Straßen zu wagen und wenn, dann zumindest nicht allein und unbewaffnet.

Jedoch war der Tag noch nicht für alle zuende, sondern fing für diese erst an. Im Schutze der Dunkelheit erwachten die wahren Herren Gothams zum Leben. Sie entschieden über das Schicksal der Stadt, im ewigen Kampf gegeneinander, bemüht, ihr eigenes Utopia als einzig gültiges durchzusetzen.

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„Das ist zu eng!“
„Ach, Unsinn! Es ist nur neu, da kommt sowas vor.“
„Du bist einfach zu dick!“
„Na, vielen Dank auch!“
„Jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt, Selina.“ Holly seufzte. „Aber du mühst dich jetzt schon zehn Minuten ab, nur um ein Bein in dieses Monstrum von Hose zu zwängen.“
„Das Kostüm ist neu.“ Selina ließ sich nicht beirren und weitere Geräusche, die nach Kampf mit Kevlar-verstärktem Stoff klangen, erreichten Bruce im Schlafzimmer.

„Na also,“ kam Selinas triumphierende Stimme von nebenan.
Bruce hatte sich gerade die Maske übergezogen als er das leise Quietschen der Schlafzimmertür vernahm. Als er herumwirbelte, konnte er gerade noch sehen, wie eine kleine Gestalt von der Tür weghuschte. Lian.
Batman wandte sich um und sah nochmal nach, daß er auch nichts vergessen hatte. Reine Routine natürlich, denn er vergaß selten etwas.

Zwei Kommoden, deren Schubladen sich nicht völlig schließen ließen, eine windschiefe Schrankwand, zwei uralte Stühle und ein Doppelbett mit abgeschlagenen Kanten und langen Kratzern im Holz nahmen den Raum ein. In einer Ecke stapelten sich Bücher und Hefte und erinnerten ihn daran, daß er noch ein weiteres Regal zimmern mußte. Als letztes vervollständigte eine grüne Wandtafel die Einrichtung. Auf der Tafel notierten entweder Bruce oder Selina, was sie besorgen oder was getan werden mußte. Papier für diese Listen zu verwenden, wäre Verschwendung gewesen.

Im Wohnzimmer erklärte Selina Holly inzwischen lang und breit, was sie alles bei den Babies zu beachten hätte, während sie sich ihre Stiefel anzog. Auch das Wohnzimmer war mit drittklassigen Möbeln bestückt: Ein Sofa und zwei Sessel, jedes mit anderen Mustern und Flicken, ein wackeliger Couchtisch, weitere Stühle, teilweise mit Farbklecksen verziert, und ein Schreibtisch, in dessen Platte jemand ein riesiges Herz und die Inschrift „HQ+J forever!“ geritzt hatte. Die Wände verschwanden fast hinter den Bücherregalen (die meisten von Bruce gezimmert, andere aus den Überbleibseln anderer Regale zusammengeschraubt), die mit Büchern, Heften, technischen Gimmicks und alltäglichem Kleinkram vollgestellt waren.

In der anderen Wärterwohnung hatten sich Stepahnie, Connor und Tim einquartiert, bei denen es ähnlich aussah.

Batman trat ins Wohnzimmer. Catwoman wandte ihm ihren Kopf zu. „Ich bin fertig. Ich mach mich gleich auf den Weg zu unserem Kontaktmann.“ Sie grinste leicht.

„Du kümmerst dich um den neuen Bürgermeister?“ erkundigte sich Holly bei Batman.

„Ob er es will oder nicht,“ erwiderte der Dunkle Ritter. „Wir brauchen ihn, auch wenn ihn uns Luthor geschickt hat. Sollte der Bürgermeister sterben, bevor er überhaupt vereidigt ist, könnte das grausame Konsequenzen für die ganze Stadt haben.“

„Ja, und die Stimmung ist bereits explosiv genug. Irgendwas liegt in der Luft, wenn ihr mich fragt,“ meinte Catwoman. Dann trat sie kurz zu Batman und drückte ihm einen Kuß auf die Wange (ein angeekeltes „Iiiih!“ von Lian kommentierte diese zärtliche Geste), dann trat die schwarzgekleidete Frau zurück. „Paß auf dich auf, mein Schatz. Bis später, Holly, Lian.“ Damit verließ sie die Wohnung und machte sich auf in Gothams Nacht.

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Robin eilte schnell durch die dunklen Gassen, immer auf der Hut, nicht entdeckt zu werden. Immerhin befand er sich im Gebiet von Onyx und Orpheus und das Gebiet des Jokers lag von ihm aus gesehen ungefähr zwei Meilen westlich. Zwar hatte der Joker bis jetzt keinen Angriff gegen seine Nachbarn unternommen, aber niemand wußte, wie lange diese Ruhe noch halten würde.

Mal abgesehen davon traf Robin sich mit Sarah Essen, Gordons Frau, und das sollte am besten niemand mitbekommen, schon gar keiner von Gordons Untergebenen. Eigentlich war das Routinesache, schließlich traf Robin sich seit Monaten regelmäßig mit Sarah, aber heute war es einfach anders. Vielleicht war es die Geschichte mit dem Bürgermeister, die ihn so beunruhigte. Schließlich konnte das auch in einer Katastrophe enden.

Endlich bog der Wunderknabe in die Seitengasse ein, in der er sich mit Sarah treffen sollte. Diese war auch schon da und neben ihr...stand Robin!? Ein anderer Robin! Die zwei unterhielten sich. Wie bizarr!

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Am Hafen im Pinguin-Gebiet landete Nightwing mit einem kaum hörbarem Geräusch hinter Harvey Bullock. Der beleibte Polizist merkte erst etwas von der Anwesenheit des Vigilanten als dieser ihm auf die Schulter tippte. Mit einem ärgerlichen Grunzen drehte Bullock sich um und musterte Nightwing, Huntress, Arsenal und Cassandra.

Arsenal konnte sehen, wie Cassandra ihn von der Seite musterte. Es schien als würde sie merken, daß er in einer verzwickten Lage steckte.

„Das wurde auch Zeit,“ brummte der Cop inzwischen und kaute auf einem Zahnstocher herum. Tabakwaren waren unbezahlbar geworden. „Das SWAT-Team ist schon da.“ Mit dem Daumen deutete er auf ein Dutzend schwerbewaffneter Männer in Schwarz, die nervös die Blicke schweifen ließen. Drei schwarze Army-Jeeps und ein ebenfalls schwarzer Kleinwagen standen daneben.

„Der Plan ist wie gehabt: Der Bürgermeister kommt mit dem Schiff hier am Hafen an. Wir setzen ihn in diesen schicken, kugelsicheren Kleinwagen, der die amerikanischen Steuerzahler ein Vermögen gekostet hat, und verlassen das Pinguin-Gebiet durch die Water District Tunnel. Danach ziehen wir durch das Fledermaus-Reservat, Poison Ivys Park und Thornes Mafialändle in unser Gebiet zum GCPD. Dabei müssen wir alles tun, damit niemand den Bügermeister tötet. Alles klar oder gibt’s noch Fragen?“

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Der Boden seines Palastes (Na ja, eigentlich war es nur eine heruntergekommene Fabrik, aber wer war denn heutzutage wählerisch!) war mit bunten Bonbonpapierchen übersät, das Kingsize-Bett strahlte in violetter Satinpracht und auf unzähligen Tischen lagen Pistolen neben buntem Spielzeug, blubberten teuflische Tränke über Bunsenbrennern und in einem Aquarium schwammen Piranhas. Zwar mit dem Bauch nach oben, aber immerhin schwammen sie. Es war ein skurriller Alptraum, das Aufeinandertreffen eines Kinderzimmers mit dem Labor eines wahnsinnigen Professors. Eine Wand wurde außerdem mit einer Karte Gothams geziert. Karikaturen waren darauf eingezeichnet, dennoch ließen die präzise gesetzten Stecknadeln unterschiedlicher Farben, die bestimmte Gebiete abgrenzten, darauf schließen, daß die Karte nicht nur zum reinen Vergnügen hier hing.

Groucho und Charlie Chaplin (laut Geburtsurkunden eigentlich Max Wright und Burt Meyers) knieten jetzt schon seit zwei Stunden auf dem Boden und schraubten an Dem Stuhl herum. Angeblich käme heute Besuch und für diesen müßte Der Stuhl bereit sein. Sie hatten dem Joker nicht widersprochen und sich sofort an die Arbeit gemacht. Sie hatten das Holz überprüft, die Ledergurte geölt, alle Schrauben nochmal nachgezogen, besonders die, welche die Stuhlbeine mit dem Fußboden verbanden...Kurz: Der Stuhl war fertig und bereit für des Jokers nächstes Opfer.

„Boss, wir sin’ fertich,“ sagte Groucho schließlich und stand mit leisem Ächzen auf. „Brauchen Sie sons’ noch was?“ fragte er vorsichtig nach und sah zwischem dem Joker und Harley Quinn hin und her, die auf dem Bett saßen.

Man-Bat hing daneben kopfüber von der Decke und wartete, daß der Joker endlich sagen würde, was er sich jetzt schon wieder ausgedacht hatte. Warum sonst hätte der Clownprinz des Verbrechens ihn und Harley zu diesem Meeting (Ja, der Clown hatte tatsächlich dieses Wort benutzt.) bestellt?

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Scarecrow, Anarky, Riddler, Firefly und Spellbinder hatten gerade die Landbrücke überquert, die The Rip überspannte. Ihr Ziel, das Gefängnis Blackgate, war nur noch einen Steinwurf entfernt. Schon von hier aus konnte man den Schein mehrerer Feuer ausmachen und Kampflärm drang an die Ohren der kleinen Schar Eroberer.

„Sieht so aus, als hätte der Spaß schon ohne uns angefangen,“ sagte Scarecrow.

„Dann wollen wir mal mitmischen!“ Firefly grinste. „Gegen uns haben die doch keine Chance. Wir nehmen die Insel im Sturm, einem Feuersturm, versteht sich.“

„Wir wollen von hier aus unser kriminelles Weltreich errichten. Dafür sollte die Insel schon noch bewohnbar sein,“ rügte Anarky Firefly streng. „Ich schlage vor, wir bleiben erstmal verdeckt und...“

Doch da wurde das Feuer auf die Schurkengruppe eröffnet.

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Speedy und Arrowette hüpften und sprangen, wichen den Schlägen der vier Schmalspurganoven problemlos aus und lenkten sie ab. Wildcat konnte stolz auf sich sein, er hatte den beiden Mädchen in den letzten Monaten ganz schön was beigebracht. Green Arrow (sen.) stand hinter dem Boxer und nahm sich die Muße, ordentlich zu zielen, bevor er auf einen der Plünderer einen Trickpfeil abschoß. Ein grünes Netz wickelte sich um den Mann und er fiel zu Boden.

Sie befanden sich in Azraels Gebiet. Der Himmel allein wußte, warum Ollie sie hierher geschleift hatte, aber er hatte gesagt, es sei wichtig. Wahrscheinlich wollte der verrückte Kerl sich mit Azrael und seinen Spießgesellen schlagen. Ein schriller Pfiff von Speedy warnte Wildcat. Einer der Plünderer ging gerade mit der Brechstange auf ihn los und zielte auf seine Knie.

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Black Mask saß in seinem Ohrensessel vor dem Kamin. Auf seinen Knien lagen diverse Berichte über alle Gebietschefs: Die Mafia, die Triaden, unzählige Banden von klein und unbedeutend bis groß und mächtig, die Vigilantengruppen. Natürlich auch über Leute wie Batman, den Pinguin oder den Joker.

Myriaden von Möglichkeiten seinen Einflußbereich zu vergrößern und seine Konkurrenten zu vernichten boten sich Black Mask. Sein Plan war narrensicher. Die anderen bevorzugten es, über Unterhändler zu kommunizieren und ließen sich aufgrund ihrer Uninformiertheit hereinlegen, was er wunderbar würde ausnutzen können. Er aber würde sich nicht hereinlegen lassen. Er würde selber direkt mit den jeweiligen Anführern verhandeln und sie hereinlegen. Die einzige Frage war bloß: Welchen Anführer sollte er zuerst aufsuchen?

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James Gordon saß an seinem Schreibtisch und studierte nochmal den Brief, den er vorgestern von Luthor erhalten hatte. Ein Bürgermeister, ein erstes Symbol für eine Rückkehr zur Normalität. Bullock und einige der Vigilanten würden dem Bürgermeister Geleitschutz geben. Der Glockenturm sollte dem neuen Bürgermeister Gotham Citys als Rathaus und Unterkunft dienen.

Gordon legte den Brief zurück in eine Schreibtischschublade. Er hatte genug gelesen. Er stand auf und verließ sein Büro. Er mußte noch alles für den Empfang und die Vereidigung des Bürgermeisters vorbereiten und ein Auge darauf haben, daß der Konvoi problemlos das GCPD erreichte. Außerdem wollte er nochmal im Glockenturm nach dem Rechten sehen. Vielleicht konnte er es danach noch schaffen, an dem Einsatz gegen Mr. Freeze teilzunehmen. Lock-Up kam sicher gut zurecht, aber Gordon wäre einfach zu gerne dabei, wenn sich seine hart erarbeitenden Pläne auszahlten und sie ein weiteres Stück Gotham vom Verbrechen befreien konnten.

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Carmine Falcone saß hinter seinem riesigen Mahagoni-Schreibtisch und studierte den Zettel, den er heute bekommen hatte. Ein Konvoi, der einen neuen Bürgermeister nach Gotham schaffen sollte. Keine angenehme Sache. Es blieb abzuwarten, ob sich das als vorteilhaft für den Mafioso erweisen würde.

Smith, der Sekretär, klopfte dezent an und betrat dann das Arbeitszimmers seines Herrn. „Sir, eine Miss Head ist da, die Sie sprechen möchte. Sie sagte, es sei wichtig. Wollen Sie sie heute abend noch empfangen?“

Ah ja, Miss Head! Sie gehörte zu einer der Gruppen, mit denen Falcone sprechen wollte.