Puh, ich habe gerade einen sehr langen, aber sehr schön geschriebenen Kommentar gelöscht... durch irgendeine versehentliche Tastenkombination, die ich noch gar nicht kannte...
Egal. Ich hätte mich sicher früher eingemischt, aber mein Computer ist getsern abgeschmiert, aber so richtig, und mit Comics drauf und allem. Aber jetzt geht's wieder (bis jetzt).
Was mir beim Drüberlesen aufgefallen ist, sind verschiedene Begriffe von Kunst, die durcheinanderwirbeln, die sich nicht unbedingt ausschließen, aber verschiedene Aspekte von Kunst bezeichnen und deshalb nicht gegeneinandergehalten werden können:
- Kunst als überflüssige Handlung (McCloud, mit den Worten von Brecht)
- Kunst als Erhabenes (Ambros Vater)
- Kunst als Selbsterhaltung.
Brecht hat das Theater mal als überflüssig bezeichnet. Dmit meinte er nicht, daß es abgeschafft gehört, sondern daß es von den Notwendigkeiten des Lebens abgekoppelt zu sein habe, damit es sein kulturelle Potential ausschöpfen kann. So verstehe ich McCloud: eine Handlung, die nicht UNMITTELBAR auf Überleben oder Fortpflanzung ausgerichtet ist. Die auf den ersten Blick zwecklos ist, außer als Selbstzweck.
Ich stimme Ambro zu, daß Kunst etwas lebensnotwendiges ist, aber nicht ganz so, wie er es meint. Es geht darum, gut zu leben, menschenwürdig zu leben, aber nicht: überhaupt zu leben. Dazu brauchen wir die Kunst nicht. Tiere schaffen das ja auch ohne.
Aber das Leben als Mensch erfordert eben mehr als das Überleben des Köroers (essen, schlafen, kämpfen, rennen) oder der Spezies (Fortpflanzung). Dazu gehört eben auch das Überleben des Geistes. Und dazu braucht's Kunst. In der Definition von McCloud.
McCloud benutzt extra einen weiten Begriff von Kunst. Im allgemeinen (deutschen) Sprachgebrauch hat sich der Begriff "Kultur" für das meiste davon eingebürgert. Aber das ist falsch. "Kultur" ist latein und bezeichnet eigentlich Ackerbau, und das ist nun wirklich eine Geste im Dienste des Überlebens. Der UNterschied, den Kultur markiert. besteht darin, dem Überleben und dann eigentlich allem, feste, vom M´nschen entwickelte Formen zu geben. Damit umfaßt es irgendwie auch Kunst, trifft sie aber nciht sehr genau.
Im Englischen gibt es da die Unterscheidung zwischen "art" und "high art". McCloud redet von "art", was "High art" einschließt, aber nicht bedeutet.
Und damit kommen wir zu Ambros Vater. Wenn dieser nämlich über ein Stück Scheiße (ich denke mal, in einem Museum?) sagt, daß sei keine Kunst, meint er damit nicht: das ist kein Ausdruck eines über das Lebensnotwendige hinausgehenden Bedürfnisses", sondern, "dieses Werk verdient es nicht, in einem Atemzug oder auch nur einem Gebäude mit den Werken Rembrandts oder Da Vincis vorzukommen." Er sagt: Dies ist keine "High Art". Mehr nicht.
Kein Diskurs über Kunst spricht dem Werk die Zugehörigkeit zu "art" ab. Die Diskurse drehen sich eher darum, ob es sich um wertvolle Kunst thandelt, also Kunst im Sinne von Ambros Dad, oder nicht, dann wäre es, weil der Kunstbegriff in Deutschland inzwischen von der High Art okkupiert ist, Kunsthandwerk, Kitsch, Schund, aber das alles ist trotzdem "art". Die Besetzung des Kunstbegriffs mit Erhabenem ist übrigens ziemlich neu, sie geht nicht weiter zurück als ca. drehundert Jahre. Davor war Kunst Kunst, und hohe Kunst war halt angesehenere Kunst. Äh, und Schund war auch Kunst, nur halt schlechte.
Eigentlich fallen mir nur zwei Diskurse über Kunstwerke ein, die den Werken den Status als Kunst wirklich abgesprochen haben: in einem lustigen Taschenbuch hängt Goofy aus Versehen seine Jacke an eine Statue. Und: natürlich die legendäre Putzfrau, die Beuys' Fettbadewanne saubergemacht hat. Bei beiden liegt ein Mißverständnis über die Aussage des Werks vor: sie sind nicht eingeweiht in die Kunstwelt und kennen daher den Wert nicht, den dieser den Werken zuspricht, und der Wert transportiert sich nicht von selber.
Kunst liegt im Auge des Betrachters, oder besser: in den Augen der Betrachter, denn dazu gehört nicht einer, sondern irgendwie alle, die sich auf verschiedene Weise zu einem Werk verhalten, aber immer so, als ob es Kunst - etwas überflüssiges, das einem nicht überlebensnotwendigen Bedürfnis entspricht - sei. Duchamp erklärt ein Klo zur Kunst? Da kam er nur durch ,weil er bereits als Künstler galt, uns weil Leute bereit waren, diese Meinung ernst zu nehmen. Tatsächlich besteht die eigentlcihe Kunst bei Duchamps Pissoir nicht im Pissoir, sondern im Diskurs, den Duchamp darüber angezettelt hat, beziehungsweise in Duchamps Leistung, dafür zu sorgen, daß es diesen Diskurs überhaupt gibt.
Fazit: Keiner der Einwände widerspricht wirklich der Definition, die McCloud von Kunst gegeben hat, weil keiner denselben Gegenstand trifft.
Was seine Definition von Comics angeht: die ist ein bißchen zu weit. Nicht seine Kurzfassung, die finde ich in Ordnung, aber:
um sinnvoll von Comics als einer Kunstform sprechen zu können, genügt es nciht, vom Erzählen in räumlich angeordneten Bildern zu reden. Voraussetzung ist meiner Meinung nach, daß es eine gültige Trennung zwischen Bildern und Texten gibt, die vom Comic dann wieder zusammengeführt werden. So leid es mir tut, aber Bilderschriften sind Schriften und keine Comics. Zwar erzählen sie mit Bild-und Textelementen, aber die werden nicht zusammengeführt, sondern gelten von vornherein als untrennbar. Das ist was völlig anderes.
So, ob ich's jetzt gleich wieder lösche?
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