Dschingis-Khan von Ozanam / Carrion

[Zardoz]

Dschingis-Khan ist ein sehr spezieller Comic, der vermutlich nicht jedermanns Geschmack trifft. Ich dagegen liebe ihn. Für mich ist er der (Splitter-)Comic des Monats, trotz der überragenden New York Cannibals, des wunderbaren Ghost Kid oder der schönen Serien wie TERRA, Tango oder Ythaq.
Etwas Besonderes, das zeichnerisch und inhaltlich abweicht vom alltäglichen.

Zum Inhalt nur soviel: Es beginnt mit der mystischen Zeugung von Temudjin. Die Mutter stirbt bei der Geburt. Er wächst auf bei dem Schamanen Ozbeg, erlebt eine glückliche Kindheit, spricht mit den Geistern der Verstorbenen und muss nach dem Tod des Ziehvaters seinen Weg finden. Er würde gerne ein großer Schamane werden, allerdings fühlt er, dass sein Weg ein anderer sein wird. Ist er Dschings Khan? Oder ist nur ein Krieger, dem vorherbestimmt ist, die Stämme der Mongolen zu vereinen wie vor ihm Dschingis Khan? Ist der feindliche Bogenschütze, der Temudjin anschießt, der aber von ihm begnadigt und zu einem Unterführer gemacht wird, dem er den Namen „Jebe“ gibt, der historische General gleichen Namens? Die Lebenswege ähneln und überschneiden sich, scheinen dann aber wieder auseinanderzugehen. Der Autor jongliert mit diesem Motiv. Es geht mal in die eine, mal in die andere Richtung. Splitter fasst es auf seiner Internetseite sehr schön zusammen (https://www.splitter-verlag.de/dschingis-khan.html):

»Dschingis-Khan« spielt mit der Biografie des mächtigsten Kriegsherren der Geschichte. Zwischen Historie und Fantasie, zwischen weltlicher Eroberung und mystischer Reflektion erzählt diese Graphic Novel die Geschichte eines Namens, der die Jahrhunderte überdauert, auf vollkommen neue Weise.“

Inhaltlich lässt sich die Graphic Novel nur schwer fassen. Es ist keine Abenteuer- oder Kriegsgeschichte, wenngleich es auch Kämpfe und Schlachten zu sehen gibt. Es ist auch keine Biographie. Gezeigt wird der innere Kampf eines Menschen, der auf der Suche nach seinem Platz in der Welt und in der Geschichte ist, der seine Bestimmung erst finden muss. Hin- und hergerissen zwischen seinen Vorstellungen, Neigungen und Pflichtgefühlen zieht er sich mehr und mehr in seinen „Gedankenpalast“ zurück, um einmal Sherlock zu zitieren. Dort findet er vermeintlich Hilfe und Trost, merkt aber auch irgendwann, dass er sich von diesen Geistern lösen muss, um seinen eigenen Weg zu gehen.
Am Schluss der beiden Teilen werden in Erzählform Hinweise geboten, die den Inhalt zugänglicher machen und Deutungshinweise liefern.
Erzähltechnisch werden die Mythen der Mongolen als Geschichten in der Geschichte vorgetragen. Die Geister ihrer Vorstellungswelt bestimmen die Gedanken von Temudjin und tauchen als ständige Begleiter auf.

Aber alles das, was ich bisher geschrieben habe, ist keine wirkliche Erklärung dafür, warum mich der Comic so fasziniert. Es ist auch schwer, dafür Worte zu finden. In meinen Augen ist er reine Poesie. Die wunderbaren Zeichnungen und die Colorierung mit gedeckten, überwiegend blassen Farben erzeugen in erstaunlicher und eindringlicher Weise ein Stimmungsbild, das die einerseits harte, aber anderseits im wahrsten Sinne zauberhafte Welt der Schamanen und des Steppenvolkes wiedergibt. Es sind diese Stimmungen die mich auch künftig bewegen werden, immer mal wieder einen Blick in den Band zu werfen, um zurückzukehren zu der Magie, die von den Bildern ausgeht.

Übertrieben? Vielleicht. Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob ihm diese Graphic Novel etwas gibt oder nicht.

[Largo Beutlin]

Danke für die Rezension. Werde ich aber auslassen. Nachdem mich Shangri-La auch nicht so überzeugt hat, hab ich mal genug von solchen Experimenten