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Thema: Die des Lebens ...

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    Die des Lebens ...

    Die des Lebens Überdrüssigen

    kratzten sich an ihren Köpfen,
    schon jahrelang, von Minute
    zu Minute, machten es sich
    nicht leicht, gruben
    die Nägel tief in die Haut.
    Sie grübelten, worüber sie gedacht.
    Die Oberfläche auf ihren
    Köpfen war eine Kraterlandschaft,
    wie auf dem Mond, nur mit
    blutiger Kruste. Auch ihr
    Ersonnenes verkrustete
    und ihr Haupthaar wich
    der Verkrustung.
    Sie dachten, und sie kratzten; oft
    kratzten sie mehr, als gedacht.

    Seit zwanzig Jahren schon, kurz nach
    Mitternacht, sagte sie:
    “Wieder ein Tag weniger im Leben.”
    Er antwortete jedes Mal:
    “Ein Tag mehr.”
    Schweigend gab sie ihm dann immer
    einen Kuss auf die Stirn und trottete
    ins Schlafgemach. Er folgte eine halbe
    Stunde später. Da schlief sie bereits.

    Er hatte Suizidgedanken.
    Nachts trug er zuweilen
    fantastische Krawatten,
    gefertigt aus selbsterlegter
    Klapperschlange, die Rassel
    dazu verdeckt im Saum.
    Seine Schuhe waren krokodilledern,
    das Jagdmesser mit Griff
    vom Elfenbein aus
    reinen Gedanken.
    Sie waren lichtscheu
    wie blutrünstige Vampire.

    Eines Morgens am Frühstückstisch
    blätterte sie gelangweilt wie immer in
    der Tageszeitung. Er schlurfte
    seinen Rheumatee. Plötzlich fing sie an etwas
    höhnisch zu lachen, sah von der Zeitung auf
    in Richtung ihres Gatten und sagte:
    „Oh, eine neue Sex-Studie. Demnach haben
    die Deutschen vier bis sechsmal die Woche
    Geschlechtsverkehr. Und wir? Garni…“
    Er fiel ihr ins Wort:
    „Daran kannste mal wieder erkennen,
    dass diese Studien nichts taugen.“
    Gleichzeitig verabscheute er es, wie
    sie sich in letzter Zeit gegenseitig hirnlos
    in ihre Köpfe schossen.

    Am Nachmittag zeigte die alte Linde
    vor ihrem Fenster sich angeschlagen – mehr
    ein Baum wie ein Mann als ein Mann wie ein Baum,
    warf sie ihnen beim Lüften ein letztes Blatt auf
    den Küchentisch wie ein Boxer das Handtuch. Abends
    haben sie die Gebrochene hereingeholt an ihren Kamin.

    Nachdem der Alte einige Stunden ins Feuer geschaut und
    einige Flaschen Wein geleert hatte durchbrach er plötzlich
    die knisternde Stille im Raum und sprach so laut, dass
    seine schläfrig im Sessel sitzende Frau aufschreckte.

    Er sagte: „Ich will nicht, dass du mich feuerbestatten lässt
    und alle zum Leichenschmaus berufenen leibeigenen
    Mikroben um ihr Erbe gebracht werden.“ Sie drehte ihren
    Kopf weg und döste weiter. Seine Asche war längst besiegelt.
    Sie wollte sich einen Diamanten draus fertigen lassen.
    Geändert von Epiklord (22.10.2020 um 14:07 Uhr)
    Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
    so, als hätten wir alles im Blick. Epiklord

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