... und man stelle sich auch noch vor, wir hätten in Deutschland mindestens 500 Veröffentlichungen pro Jahr, die im fünstelligen Bereich verkaufen. Die "Massentauglichkeit"-Quote unter den Max und Moritz-Preis-Gewinnern ist zumindest um ein Vielfaches höher als bei den Veröffentlichungen im Gesamtmarkt – scheint ja ein richtiger Mainstreampreis zu sein![]()
Glaubst du, dass Länder außerhalb Deutschlands bei ihren Preisvergaben der "Gesamtmarkt" interessiert?
Die interessieren auch nur die Eigenproduktionen.
Oder habe ich dich nicht richtig verstanden?
Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.
Ich meinte schon alle Veröffentlichungen auf Deutsch, denn viele Diskutanten hier zielen ja vor allem auf die beim Max und Moritz-Preis weniger präsenten Titel aus Franko-Belgien und Amerika ab.
Aber dich wird es vielleicht freuen, dass drei der von mir gemeinten Titel oben deutsche Eigenproduktionen sind ("Die drei ??? – Das Dorf der Teufel", "Herbst in der Hose", "Nick Cave – Mercy on me").
Bevor wir wieder eine ellenlange Diskussion über den Begriff massentauglich oder nicht führen: Ihr könnt einfach nicht wegwischen, dass - sogar wenn man das so definiert wie die Pro Fraktion - 4 von 22 sehr wenig und damit unterrepräsentiert ist. Das ist einfach Fakt auf Basis der Zahlen.
Wenn das so gewollt ist OK, dann kann man es ja auch so belassen oder leicht modifizieren oder was auch immer, aber Fakten anders darzustellen als sie sind, ist halt nicht zielführend.
Und Apokalyptische Vorhersagen wie da gewinnt ja jedesmal Asterix oder das LTB entbehren jeder Grundlage, weil es in den letzten Jahren bei den Nominierungen der Publikumstitel auch nicht so war. Solche Aussagen entspringen entweder einer bewussten Abwehrhaltung in Kenntnis der eigenen Fehlargumentation oder erheblichen Schwierigkeiten im Erfassen der Realität.
Natürlich stimmt das im Prinzip. Aber höchst wahrscheinlich auf ganz andere Weise, als viele hier wahrhaben wollen. Denn aus dem Bereich der Comics aus Frankreich, Belgien, den USA etc. kommen derzeit ja gerade fast gar keine wirklich massentauglichen Comics – ausgenommen mal ein, zwei Handvoll Titel wie "Asterix", "Lucky Luke", "The Walking Dead" oder "Deadpool".
Was tatsächlich stark unterrepräsentiert ist beim Max und Moritz-Preis, das sind die Mainstream-Mangas. Doch genau hier stoßen wir auch an die Grenzen dessen, was dieser Preis wohl noch aushalten kann. Denn viel weiter als bis Urasawa werden wir hier wohl nicht kommen, allenfalls ab und zu beim Publikumspreis wäre noch mal ein Shōjo- oder gar Boys-Love-Titel als Gewinner drin. Alles andere würde den Max und Moritz-Preis in seiner Ausrichtung komplett umkrempeln.
Die Publikumsnominierungen der letzten Jahre waren klar nicht oder nur in Ausnahmefällen Mainstream. Über die dahintersteckende Dynamik, die viel mit dem Motivierungswillen der jeweiligen Macher und Fankreise zu tun hat, kann man lange reden - es läuft auf das gleiche hinaus, was uns im Internet als gesamtgesellschaftliche Debatte derzeit überall begleitet: Minderheiten simulieren Masse, um die Mehrheit zu ändern. Ein tatsächlich am Mainstream andockender Publikumspreis dürfte viele Titel gar nicht erst zulassen, da sie von der reinen Verbreitung her reine Nischenprodukte sind. Deswegen bin ich übrigens gegen eine solche Mainstream-Ordnung.
Die Tatsache, dass keine deutschen Comicverkaufszahlen regelmäßig und auf breiter Basis öffentlich gemacht werden (und ich meine Zahlen, nicht nur Rangreihenfolgen), bewirkt, dass wir in breiter Masse kein Bewusstsein dafür haben, was sich wie gut bzw. wie schlecht verkauft. Infolgedessen fühlen sich viele Leser als Teil eines Comicmainstreams, aber nur wenige sind es auch tatsächlich. Der eigentliche Mainstream ist von der Titelzahl her recht dünn, in Relation zur Masse an Erscheinungen. Das klingt paradox, erklärt sich aber aus dem Problem des Long Tail, dass hundert Titel á 1.000 Verkäufen eben auch hunderttausend Verkäufe machen, und damit immerhin knapp die Hälfte von dem, was ein einzelnes LTB umsetzt. Der deutsche Comicmarkt (genau wie der amerikanische übrigens) hat einen extrem langen long tail. Anders als der amerikanische Markt haben wir aber dafür in der Mitte ein paar wirklich mächtige Whopper, die auch regelmässig Nachschub liefern UND in der zeitlichen Länge verkaufen. In den USA wird fast ausshcließlich über die Breite verkauft, also über viele einzelne Titel, die alle ein bißchen Umsatz machen. Hierzulande teilen sich Breite und Tiefe (also einzelne Titel mit sattem Ab- und Umsatz) den Markt.
Ich glaube übrigens, dass vieles, was Menschen über andere behaupten, eigentlich nur Aussagen über sich selbst sind - in der Psychologie nennt man das Projektion. So oder so tun persönliche Abwertungen Debatten selten gut.
Massentauglich oder Möchtegern-Massentauglich?
Da einige Beiträge vorher Meryl Streep als Beispiel genannt wurde:
Steven Spielberg hatte 2018 zwei Filme in den Kinos: Einmal den massentauglichen "Ready Player One". Und dann "Die Verlegerin" fürs Arthouse-Publikum. "Die Verlegerin" hatte in Deutschland 1,1 Mio. Zuschauer, "Ready Player One" hatte 600.000 Zuschauer.
Weil der Film in den Arthouse-Charts war:
http://www.insidekino.com/DTop10/18/DTop18MAE1.htm (nach unten scrollen)
Gegen Manga hat ja auch die Hella schon gestänkert. Viel wichtiger sind da nämlich die Autobiographien und beziehungsgestörten Lebensbeichten von ehemaligen und dauerverfolgten Punks.
Vielen Dank für die ernsthafte und interessante Diskussion! Wir werden uns mit den Argumenten gerne auseinandersetzen. Drei Punkte aus den letzten Stellungnahmen würden wir gerne noch einmal aufgreifen:
1. Zu wenige Frauen werden als beste deutschsprachige Comic-Künstler/innen ausgezeichnet? In den letzten zehn Jahren haben wir in dieser Kategorie vier Frauen (Barbara Yelin (2016), Ulli Lust (2014), Isabel Kreitz (2012) und Anke Feuchtenberger (2008)) und zwei Männer (Reinhard Kleist (2018) und Nicolas Mahler (2010)) ausgezeichnet.
2. Mainstream oder massentaugliche Comics werden nicht angemessen berücksichtigt? Tatsächlich liegt diesem Argument zumindest teilweise eine Fehleinschätzung zu Grunde, mit welchen Comics heute tatsächlich noch die Massen erreicht werden. Auch wenn die Erkenntnis schmerzhaft ist, jenseits von Asterix, LTB, Mosaik und Manga gibt es keinen Comic-Massenmarkt mehr in Deutschland. Wenn man die eben erwähnten außen vor lässt, sind 95 Prozent aller deutschsprachiger Comic-Novitäten nicht massentauglich. Da sind dann 25 Prozent in der Nominierungsliste sogar ein relativ hoher Anteil. Auch wenn nie jemand behauptet hat, dass der Max und Moritz-Preis am Massengeschmack orientiert wäre ...
3. Wenn man den Publikumspreis ganz vom Max und Moritz-Preis trennen würde, dann wäre es erst ein echter Publikumspreis und würde den Mainstream repräsentieren? Defakto ist der Publikumspreis ja ganz unabhängig. Wir nehmen die Short-List des Publikumspreises ja einfach nur in die Nominierungsliste auf. Aber das nimmt dem Publikum doch nichts von seiner Unabhängigkeit: In der ersten Runde kann das Publikum jeden beliebigen Comic vorschlagen (auch Manga, LTB, Asterix ...), es entsteht so eine Longlist. Aus dieser Liste wird in der zweiten Runde eine Short-List von drei Titeln gewählt. In der dritten Runde kann das Publikum aus diesen drei Titeln seinen Publikumspreis bestimmen. Die einzige Verbindung zum Jury-Preis ist, dass das Publikum in Runde drei theoretisch auch einen der anderen 22 Nominierungen wählen könnte, was aber noch nie passiert ist. Trotzdem haben den Publikumspreis in den letzten Jahren sehr selten Mainstream-Titel gewonnen. Die dahinterstehende Dynamik hat L. N. Muhr ja treffend beschrieben.
Nunja, Kulturamt Erlangen, ihr ganzer Post liest sich ehrlich gesagt ja auch so, als hätte ihn L.N.Muhr unter Pseudonym geschrieben. Irgendwie gruselig.
Die drei von ihnen verteidigten Punkte, sind welche, die ich gar nicht als großes Problem sehe. Auf alle wirklich interessanten Kritikpunkte wird natürlich nicht eingegangen. So bringt eine Diskussion einfach niemandem was.
Excelsior
Lieber Ben82, wir schreiben schon selbst. Ich verstehe den Vorwurf nicht. Was wäre daran verwerflich, sollten L.N.Muhr und wir hier und da mal ähnliche Positionen vertreten? Die von uns aufgegriffenen Punkte waren uns wichtig. Manchmal kann man sich Kritikpunkte aber auch anhören, darüber nachdenken und muss nicht gleich alles verteidigen. Auf welchen Kritikpunkt hätten wir aus Deiner Sicht denn unbedingt eingehen sollen? Ich versuche es gerne!
Meine Güte, jetzt wirds lächerlich. Ich denke man kann eine ganze Reihe Kritikpunkte und Vorschläge von diversen Leuten herauslesen, wenn man dies möchte. Das muss ich jetzt nicht nochmal zusammenfassen. Hier wird wirklich aneinander vorbeigesprochen.
Excelsior
Ich fände es gut, wenn der Publikumspreis ausdifferenzierter würde, also z. B. für den besten Manga, den besten Web-Comics etc. Wenn eine der drei Gattungen sich nach einer Publikationsform "Album" nennt und darin dann Comics jeglicher Veröffentlichungsform gestattet sind, also auch z. B. Webcomics, dann widerspricht sich der Preis bzw. die Durchführung von Anfang an selbst.
Ist es eigentlich auch einfach nur mal möglich, Jurys und vergebene Preise einfach so hinzunehmen oder muss immer jeder einzelne Milimeter zerredet und zerfleddert werden? Es wird immer welche geben, die mit bestimmten Dingen nicht einverstanden sind, aber es ist schon sehr frustrierend, dass sich immer mindestens zwanzig Leute finden, die was zu meckern haben. Bei beiden Preisen übrigens. Das schadet den Preisen im Übrigen manchmal mehr als es diese verbessert.
Oder man kann diese Preise einfach ingnorieren und sich seinen Lieblingscomics widmen.
Wen interessiert denn außerhalb der Jury und den Nahestehenden wirklich wer da gewinnt?
Ich fahre wunderbar damit.![]()
Naja. Hier nun auch noch den Sinn oder Unsinn von Kulturpreisen aufzudröseln würde doch etwas weit führen. Das sind reichlich grundsätzliche Dinge. Wenn ein dino1 sie schon präventiv mit einen "Das interessiert mich eigentlich gar nicht" vom Tisch wischt, lohnt es sich wohl kaum darauf einzugehen. Wenn es einen nicht interessiert, sollte man aber vielleicht auch nichts zum Thema sagen, oder?
Ich finde eben, dass Preise etwas schwierig sind.
Klar, wenn Künstler X eine Menge Y an Comics verkauft kann man das messen. Danach hört es auf. Sehe das ja im Forum, dass eben viele sehr verbissen sind und von ihren Meinungen nicht abrücken.
Deshalb spare ich mir dann so Preise sondern teste für mich was mir zusagt.
Zu Huxley: Der Vergleich mit der Nobel-Preis-Jury ist unangemessen und beleidigend. Da ging es um Korruption, um Juroren, die seit Jahren an keiner Sitzung mehr teilgenommen haben usw. Die Juroren der Max und Moritz-Jury beschäftigen sich ehrenamtlich wochenlang mit den Publikationen der letzten zwei Jahre und versuchen dann in zwei anstrengenden Sitzungstagen verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Wir bitten deshalb um ein wenig Respekt.
Geändert von ARTOKI (09.12.2018 um 20:39 Uhr)
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