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Comic! Jahrbuch 2005
Wenn man die diversen Vorgängerprojekte mitzählt, dann kann das vom Interessenverband Comic eV. ICOM herausgegebene Comic!Jahrbuch bereits auf eine fast zwanzigjährige Historie zurückblicken. Denn bereits 1986 etablierte der langjährige COMIXENE-Chefredakteur Andreas C. Knigge das damals von UIIstein im Taschenbuch-Format gedruckte Comicjahrbuch, das er später im Großformat bis 1991 bei Carlsen weiterführte. 1992 und 1993 folgten dann zwei Jahrbücher unter dem Herausgeber Joachim Kaps bei Comicpress, bevor seit 2000 der ICOM das Jahrbuch herausbringt. Verglichen mit den frühen Ausgaben hat sich in den letzten Jahren – aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – der Fokus sehr viel stärker auf die heimische Comicszene konzentriert. Geblieben ist der Anspruch, vor allem die aktuellen Entwicklungen im Jahrbuch zu dokumentieren, was insbesondere mittels zahlreicher Interviews geschieht, die allerdings in Umfang und Tiefe sehr unterschiedlich ausfallen. Höhepunkte sind die Werkstattgespräche, da sie viel über die Arbeitsweise der Künstler verraten und mitunter auch über das Medium Comic hinausreichen, wenn Volker Sponholz etwa auf seine Erfahrungen beim Trickfilm eingeht. Sehr interessant ist es auch, die Entwicklungen und Diskussionen rund um den Erlanger Comic-Salon zu verfolgen, die Martin Frenzel Jahr für Jahr in zahllosen Interviews mit den Beteiligten dokumentiert. Dass er dabei nicht selten auch eigene Ambitionen im Hinblick auf das von ihm angestrebte Comic-Museum in Erlangen durchblicken lässt und sich im letzten Jahr beim Scheinduell ,,Erlangen vs. Hildesheim“ veritabel vergaloppiert hat, sei in diesem Zusammenhang mal geschenkt. Doch in erster Linie finden sich auch im Jahrbuch 2005 wieder Gespräche mit einer Unmenge deutscher Comic-Künstlern – allen voran den aktuellen Gewinnern des lCOM-lndependent-Preises wie UI Oesterle, Michael Vogt, Mawil oder Reinhard Kleist. Über die Jahre dürfte so wirklich jeder Künstler in den Bänden auftauchen, der irgendwie für die deutsche Comicszene von Bedeutung ist. So entsteht eine wahrhaft einmalige Dokumentation des zeitgenössischen deutschen Comics. Was man aus den ersten Jahrbüchern nicht übernommen hat, sind die Themenschwerpunkte, die früher in Form umfangreicher Dossiers aufgearbeitet wurden. Vielmehr zeigt sich, dass die Zusammenstellung der Beiträge unabhängig von ihrer oftmals hohen Oualität häufig nicht einer inhaltlichen Konzeption entspricht, sondern im Grunde gedruckt wird, ,,was rein kommt“. Da auf der anderen Seite aber ein durchaus hochkarätiger Mitarbeiterstab dem Jahrbuch zuarbeitet, sollte durch Herausgeber Burkhard Ihme unbedingt der Versuch unternommen werden, noch stärker durch Themenvorgaben Einfluss auf die lnhaltsstruktur zu nehmen. Lücken nimmt man etwa im internationalen Teil mit den Länderberichten wahr, wo vor allem immer noch Japan fehlt. Überhaupt finden Mangas im Comic! Jahrbuch 2005 in nicht einem einzigen Beitrag statt – wenn man einmal von einigen Absätzen in den Berichten über die amerikanische und spanische Comicszene absieht. Das entspricht natürlich überhaupt nicht dem Gewicht dieser Comic-Form in der derzeitigen nationalen wie auch internationalen Szene. Aber halt! Auf dem Cover findet sich zumindest ein Selbstbildnis von Jamiri mit dem bezeichnenden Ausspruch: ,,Manga?!? Keine Ahnung. Irgendwas mit rohem Fisch?! Hören Sie, ich bin Comiczeichnerl“ Doch das soll keineswegs die großen Verdienste schmälern, die das Comic! Jahrbuchs hat. Gerade für die deutschsprachige Comicszene sind die Bände von unschätzbarer Bedeutung, denn nirgendwo sonst wird derart dezidiert die heimische Comic-Produktion in den Mittelpunkt gestellt.
Martin Jurgeit
Anzumerken ist allerdings: Auch wenn ComicPress der Verlag des langjährigen ICOM-Vorsitzenden und damaligen ICOM INFO/COMIC INFO-Herausgebers Gerd Zimmer ist, besteht zwischen den alten Jahrbüchern und dem aktuellen nicht mehr Zusammenhang als bei Fernsehprogrammzeitschriften (die Inhalte und die Aufteilung nach Wochentagen sind überall gleich).