Zitat:
Für die BILD ist die Welt traditionell schlicht zu deuten: „Linker Hass“ sei für den „G20-Terror in Hamburg“ verantwortlich. Ins gleiche Horn bläst auch CDU-Nachwuchshoffnung Jens Spahn, der auf Facebook von „vermummten Linksfaschisten“ fantasiert, die „Applaus von den Linken“ bekämen. ....
Wer genau die Täter waren, die im Hamburger Schanzenviertel wüteten, ist nicht zu 100% geklärt. Zahlreiche Befragungen von Anwohnern und Gipfelgegnern, die vor Ort waren, zeichnen jedoch ein ungefähres Bild, das sich mit den allermeisten Reporterberichten in den klassischen Medien ergänzt. Den harten Kern der Gewalttäter bildete offenbar eine mehrere hundert Mann starke Gruppe schwarz gekleideter und vermummter Autonomer, die zu einem großen Teil aus dem Süden Europas kamen. Vor allem Griechen, Italiener und Franzosen sollen hierbei zu den Rädelsführern gehört haben. Unterstützt wurde dieser harte Kern von einer zahlenmäßig größeren, sehr heterogenen Gruppe oft sehr junger Randalierer – meist vermummt und oft in teuren Markenklamotten, darunter den meisten Schilderungen zufolge sehr viele junge Frauen. Die interessante Frage ist: Kann man diese beiden Gruppierungen tatsächlich der politischen Linken zurechnen?
Bei den gut organisierten Autonomen ist die Beantwortung dieser Frage nicht so einfach. Einige von ihnen sind weitestgehend apolitisch, viele sympathisieren aber auch mit Ideologien wie dem „Insurrektionalismus“, einer gewalttätigen Strömung des Anarchismus, bei der die Rebellion im Vordergrund steht. Klassisch linke Interessenvertretungen wie linke Parteien oder Gewerkschaften werden von dieser Form des Anarchismus genauso abgelehnt wie klassisch linke Politik. Ob man diese Strömungen überhaupt der politischen Linken zurechnen kann, ist selbst unter Politikwissenschaftlern mehr als umstritten.
Noch verworrener wird das Bild, wenn man sich die „Krawall-Kiddies“ anschaut. In der Tat spielen einige von ihnen auch mit „linker Symbolik“, echte politische Ziele sind ihnen jedoch in der Regel fremd. Meist geht es den gelangweilten Kindern aus „besserem Hause“ eher um eine perverse Triebbefriedigung durch Randale und Gewalt. Hamburg war für sie eher ein Abenteuerspielplatz, der G20-Protest ein „Event“; apolitisch und inhaltsleer. So sinnvoll es wäre, diese moderne Gewaltkultur näher zu betrachten, so sinnlos ist es, sie pauschal ins „linke Lager“ zu verschieben. Denn was ist bitteschön links daran, wenn ein junger Schnösel am Wochenende zum Randale machen nach Hamburg fährt und dort Kleinwagen anzündet und Geschäfte verwüstet? Noch nicht einmal der Randalierer selbst denkt im Traum daran, dass die Welt gerechter wird, wenn er einen Twingo ansteckt. Warum aber stecken ihn Teile der Medien dann in die „linke Schublade“?
.....
Dafür spielen Teile der Politik und der Medien bereits verrückt und skandieren, „die Linke“ solle sich doch viel stärker von Gewalt distanzieren. Da scheint bei den Kollegen aber einiges durcheinanderzugeraten. Oder haben Sie jemals auch nur im Ansatz mitbekommen, dass Sahra Wagenknecht, Dietmar Bartsch, Bernd Riexinger, Katja Kipping, Gregor Gysi oder auch Toni Hofreiter, Katrin Göring-Eckardt, Martin Schulz oder Sigmar Gabriel (so man sie zur erweiterten politischen Linken zählen will) sich mit derartiger Gewalt solidarisiert hätten? Warum soll man sich von etwas distanzieren, mit dem man sich nie solidarisiert hat? Haben Horst Seehofer und Peter Altmeier sich eigentlich schon mal von den Rechtsradikalen distanziert, die Flüchtlingsheime anzünden? Nein und das müssen sie auch nicht; genau so wenig, wie die politische Linke sich von verwirrten Teilen der autonomen Szene und Krawall-Kiddies distanzieren muss
Wenn man schon unbedingt einen Vergleich anstellen und eine Schublade suchen muss, dann findet man sie wohl am ehesten beim Hooligan-Problem des Fußballs. Niemand käme auf die Idee, den Familienvater, der sich mit Sohnemann und Töchterchen ein Fußballspiel im Stadion anschaut, direkt oder indirekt für Ausschreitungen verantwortlich zu machen, die gewalttätige Hooligans im Umfeld des Spiels anrichten. Auch den Hooligans geht es nur um die Gewaltgeilheit und die pure Lust an der Zerstörung. Damit haben wir uns unwillig abgefunden. Dass Hooligans keine Fans sind und den Fußball nur als Mittel zum Zweck missbrauchen, ist heutzutage größtenteils akzeptiert. Warum machen wir diese Unterscheidung dann aber nicht auch bei den Krawallen im Umfeld politischer Demonstrationen? Hat der DFB eine bessere politische Lobby als die Gipfelgegner? Oder zählen Gipfelgegner ohnehin nicht zu den Merkel-Wählern, Fußballfans jedoch schon?
Quelle: