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keine Frage, dass Deine Überlegungen alle richtig und wichtig sind. Aber wenn man alles auf diese Weise hinterfragt, dann kann man doch jeden Publikumspreis ad absurdum führen. Eigentlich sogar jede Form von öffentlicher Befragung, auch wenn es beispielsweise um Politiker oder Casting-Shows geht. Soll man bei einer Umfrage, in der es um die Beliebtheit von Politikern geht, für einen Politiker stimmen, weil er besonders kompetent ist? Oder besonders ehrlich wirkt? Oder besonders sympathisch, aber warum eigentlich? Weil er noch keine Affären hatte, oder, oder, oder ... Aus welchen Gründen soll man eine Sängerin oder einen Sänger bei einer Casting-Show wählen? Nur wegen der Stimme? Aber was ist mit Gesangstechnik, Rhythmus-Gefühl usw.? Und wenn das alles passt, er oder sie aber ein arroganter Depp ist? Es geht wohl eher um so etwas wie ein „Gesamtpaket“. Und so wird wohl auch der Max und Moritz-Publikumspreis verstanden. Jeder wird für sich selbst entscheiden müssen, welche Kriterien für ihn ausschlaggebend sind, dass er oder sie einen Comic, einen Manga besonders mag.
Gerade beim Max und Moritz-Preis, in dessen Jury ja einige der profiliertesten deutschsprachigen Comic-Experten sitzen, wird man sich nicht generell Sorgen machen müssen, dass Preise unreflektiert vergeben werden. In der Jury-Arbeit werden genau die Kriterien, die Du in Deinem Posting einforderst, breit diskutiert: Qualität des Artworks, Dramaturgie der Geschichte, Gründlichkeit der Recherche, Qualität der Übersetzung usw. Nicht umsonst sind es dann ja in der Regel eher Titel der großen Meister wie Jiro Taniguchi, die nominiert und ausgezeichnet werden.
Nicht selten werden die einzelnen Kriterien von den Leserinnen und Lesern aber anders bewertet als von einer Jury. Ein Publikumspreis kann deshalb aus unserer Sicht eine gute Ergänzung und ein Gegengewicht zu einem Jury-Preis sein. Dabei können oder sollen strategische Überlegungen, wie Du sie anstellst, durchaus eine Rolle spielen. Denn sonst könnte man ja – wie Du vollkommen richtig anmerkst – einfach die Verkaufszahlen nehmen. Ein Publikumspreis wie der im Rahmen des Max und Moritz-Preises, gesteht den Leserinnen und Lesern die Kompetenz zu, darüber nachdenken zu können, für welche Bücher, welche Verlage, welche Künstler ein Preis wichtig und hilfreich wäre. Logischerweise sind das nicht unbedingt die, die ohnehin schon die Charts anführen. Insofern können wir Dein Posting nur bestätigen. Das sind genau die inhaltlichen Fragen, die man sich stellen muss.
Mindestens genauso kompliziert sind die Fragen nach der Definition von Reihe, Serie, Anthologie usw. oder die Genre-Zuordnungen. Es ist wohl kaum möglich, jede Frage schon im Vorfeld generell zu beantworten, die Grenzen sind häufig fließend, das eine oder andere wird man im Einzelfall entscheiden müssen. Wie Du ja selbst sagst, es gibt immer wieder Ausnahmen von der Regel. Dafür gibt es die Moderatoren, die sich untereinander abstimmen. (...) Wobei niemand gesagt hat, dass Anthologien ausgeschlossen sind. Wir räumen ihnen beim Max und Moritz-Preis nur keine großen Chancen ein. Gegen Bände mit mehreren Geschichten von ein und dem selben Künstler oder auch der gleichen Künstler-Kombination gibt es aus unserer Sicht überhaupt keine Einwände.
Es klingt kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach. Es werden ja keine willkürlichen Statuten aufgestellt. Wer kann einen Preis bekommen? Ein Band oder eine Serie mit einer einheitliche künstlerischen Linie: ja. Eine heterogene Reihe mit unterschiedlichen Stoffen von unterschiedlichen Künstlern: eher nicht. Genug Informationen, um eine Entscheidung zu treffen?