Das ist nicht so leicht zu benennen. Aber ich denke, daß die Menschen früher kultivierter, wohlerzogener und weniger ich-bezogen waren. Außerdem hatten sie mehr Stil. Die Gesellschaft war homogener und besaß allgemeingültige, annerkannte Werte.
Auf die Literatur bezogen: die Bücher waren meist sprachlich eleganter und formvollendeter. Die Autoren gaben sich mehr Mühe, und hatten mehr Zeit, die Verleger hatten Bücher nicht im Halbjahresrhytmus ausgestoßen und mußten keine sechsstelligen Vorschüsse al "Top-Autoren" mit minderwertigen Büchern wieder hereinholen. Mit anderen Worten: es wurde sorgfältiger produziert und gab weniger litterarischen Müll, als heute. Heute darf jeder halbwüchsige Teenager, den man früher lachend nach Hause geschickt hätte, publizieren. Und so kommen viele Bücher heraus. Es gibt zu viel - von allem.
Durch die extreme Masse an "Wegwerfliteratur" (Jedes Jahr kommen mehr als hunderttausend Neuerscheinungen auf den Markt), hat Literatur extrem an gesellschaftlicher Bedetung verloren. Nur der Dünkel der elitären Autoren ist gleich geblieben. Als befähigte einen die Tatsache, ein dünnes Romänlein geschrieben zu haben, gleich, sich zu Gott & der Welt und der Politik öffentlich zu äußern, als befände man sich im Besitze einer höheren Wahrheit.
Da es so viele Bücher gibt, werden sie von immer weniger Menschen gelesen. Und damit sinkt die wahre Bedeutung und die Wirkung derselben. Und die Bücher, die massenhaft gelesen werden, sind meist bedeutungslos. (Oder haben 400 Millionen "Harry Potter"-Bücher irgend eine geistige, oder kulturelle Entwicklung beeinflußt?)
Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Karl May hat seinerzeit vordergründig spannende, Reise- und Abenteuer-Romane geschrieben; tatsächlich ging es in allen seinen Büchern aber immer auch um Völkerverständigung, um Religion und Toleranz, Weltfrieden und um hohe menschliche Werte, die nicht selten in Opposition zu der Staatsführung standen. Heute würde man solche Dinge in modernen Unterhaltungsromanen vergeblich suchen. Es gibt elitäre Autoren, die solches thematisieren, aber die werden nicht von Millionen gelesen und entfachen somit im Volke keine Wirkung. Und ich denke, selbst wenn ein moderner Autor so einen Roman schriebe, könnte er ihn nicht verkaufen, weil die Verleger aufgrund ihrer Finanzstrukturen darauf angewiesen sind, prestigiöse Projekte mit kommerziell erfolgreichen querzusubventionieren. Was dazu führt, daß es eilitärer AutorNarren- künstlerische Freiheit gemießt, weil sein Buch von vornherein nicht auf Gewinn ausgerichtet ist, wohingegen ein populäres Buch inhaltliche und sprachlich so glatt und mainstream-geeignet wie möglich sein muß, um möglichst bestsellertauglich zu sein. Daher gibt es in diesem Bereich (zumindest in der deutschen Literatur) kaum neues. Praktisch alle Impulse und neue Trends kommen aus dem Ausland, wo man im Bereiche der U-Literatur durchaus experimentierfreudiger ist, bzw. die Grenzen zur elitären Literatur weniger scharf sind als hierzulande.
@ Comicfreak: E (= elitär, nicht elektronisch :) ) Sicher gibt es auch heute noch gute Bücher. Aber im Gegensatz zum Schund, hat sich ihre Zahl nicht im gleichem Maße vervielfacht, so daß sie in der Masse untergehen. Ich habe keines der von dir genannten Bücher gelesen, noch kenne ich einen der Autoren. Und das ist auch symptomatisch für die modere Literatur. Es gibt von allem zu viel. Hunderttausend neue Bücher = hunderttausend Autoren, und jeder hat nur einen sehr begrenzten Bekanntheitsgrad. Heinrich Heine mag nicht jeder gelesen haben, aber jeder hat schon mal von ihm gehört. In der heutigen Zeit, istes (von Harry-Potter & Co. mal abgesehen) unwahrscheinlich, jemanden zu treffen, der das gleiche Buch gelesen hat und mit mit dem man darüber sprechen könnte.