Cambridge, Massachusetts, Freitag, ca. 16:15 Uhr
„Das hier ist persönlich!“ Felinas Tonfall war ruhig aber bestimmt. Sie hatte ihren Blick nicht von Sergio abgewandt, während dieser sprach. Für einen Moment sah sie wieder den Lehrer vor sich, mit dem sie seit Irland tiefes Vertrauen und Freundschaft verbanden. Der Aufenthalt an der dortigen Schule war durch große Gedächtnislücken im besten Fall bruchstückhaft in ihrer Erinnerung. Immer noch plagten sie nachts Alpträume, von denen bei Erwachen nichts als ihre Panik zurückblieb; auf ihren Lippen stets ein gewispertes, hervorgepresstes, geschrienes „Corri!“. In den wenigen Momenten, an die sie sich wirklich klar erinnerte, war Sergio fast immer in der Nähe. Als sie in J.C.s Hinterzimmer aufwachte, hatte er ihr von den Methoden der Schulleitung und seiner Intervention berichtet. Damals hatte ihre ohnehin schon sanfte Zuneigung zu dem Südländer einen drastischen Schub in Richtung Bewunderung bekommen. Auch jetzt, da er wie ein Teenager mit grünen Ohren vor ihnen stand, war seine Autorität zumindest für sie unanfechtbar. Doch offenbar ging es den anderen Anwesenden nicht so. Überrascht wandte sie ihre Aufmerksamkeit zu J.C. und obwohl seine Worte ihr nicht gefielen, musste sie ihm bis zu einem gewissen Punkt zustimmen. Sie konnten nicht erwarten, dass jeder leichtfertig sein eigenes Wohl und die eigene Sicherheit riskierte. Kannte der Barkeeper ihren Freund überhaupt? Sie wusste es nicht, aber es war für sie wenig relevant. Ihr Gesicht verriet keinerlei Emotionen, als sie ihre Baseballkappe abnahm und die Haare glatt strich, sodass ihre aufgestellten Ohren deutlich zu sehen waren.
„Das hier ist persönlich! Natürlich können wir nicht jeden retten. Wir sollten auch nicht kopflos wie die Suppenhühner losrasen, geschweige denn, uns mit der Regierung anlegen. Aber Jason gehört zu uns, ist einer von uns – Famiglia.“ Die Art wie sie dieses Wort aussprach, konnte einem einen Schauer über den Rücken jagen. Nach einem kurzen Moment fuhr sie in nicht weniger sachlichem, jedoch deutlich weniger bedrohlichem Tonfall fort: „Der einzige von uns, der aktuell mobil ist, ist Andrew mit seiner Maschine. Wenn ihr mir mein Telefon und etwa 10 Minuten gebt, organisiere ich uns noch ein weiteres, unauffälliges Transportmittel, welches ich sogar steuern kann. Außerdem kenne ich jemanden mit Augen und Ohren im Hafen. Eine derartige Eskalation wird nicht unbemerkt bleiben, einige Minuten machen jetzt keinen Unterschied mehr. Ich kann mitkommen und Verletzte notversorgen, vielleicht können wir auch den ein oder anderen in Sicherheit bringen. Für eine Konfrontation stehe ich nicht zur Verfügung – nicht, weil ich Angst habe, sondern weil ich es für wichtiger halte, dass wir uns und dieses Schutzhaus nicht in Gefahr bringen. Falls ich mitfahre, bräuchte ich jedoch jemanden, der hier die Stellung hält. Im Laufe des Tages soll noch eine Gruppe Flüchtiger eintreffen, die mindestens einen Verletzten bei sich haben.“
Sie sah von einem zum anderen und seufzte dann leise. „Ich bin echt kein Fan von dem Hund, aber er kann nichts dafür. Bisher hatte ich immer Glück, dass niemand auf meinen Kopf schaut, wenn ich mich bücke um den Hut aufzuheben, den der Wind ab und an trotz aller Vorsicht erwischt. Zum Glück habe ich kein Fell, aber nicht jeder kann sich so leicht verstecken. Das da im Hafen hätte ich sein können. Das hätte Sylvain sein können. Jeder von uns…“ Inzwischen war auch der Kanadier, im Wohnzimmer angekommen. Völlig unbewusst suchte Felina sofort seine Nähe, wie sie es schon in Irland immer getan hatte. Obwohl sie den Anschein von Kampfgeist mit der verzweifelten Kraft einer wunden Löwin aufrecht hielt und ihre Stimme auch bei der letzten Anmerkung kaum merklich leiser geworden war, tobte in ihr ein Kampf. Ihre unausgesprochene Frage geisterte durch den Raum. Würdet ihr auch mich im Stich lassen?
Murrays Corner, New York State Road NY33-E
"Scheiße!", zischte Daniel. Der Junge geriet in Panik und schien gar nicht mitzukriegen, dass Lilli ihn bereits zu beruhigen versuchte. Ihr Ansatz, dem Jungen das Wichtigste, Verletzung und Versorgung, sofort zu erklären, war klug gewesen, doch sie schien nicht zu ihm durchzudringen - vielleicht verstand er auch kein Englisch? Was war das, was er von sich gab? Arabisch? Daniel hatte keine Ahnung, für seine Ohren hätte es auch Kindergebrabbel sein können.
Dann spürte er die Schwere, die er vor einigen Stunden schon einmal erlebt hatte. Seine Augen weiteten sich - wenn er die Kräfte des Jungen richtig einschätzte, konnte das Auto jeden Augenblick zu einer tödlichen Falle werden. Er überlegte, rasch abzubremsen, wollte aber vermeiden, dass ein zu ruppiges Manöver den Jungen erst recht die Kontrolle verlieren ließ. Also beschloss er, den Wagen sanft ausrollen zu lassen.
"Er manipuliert die Schwerkraft", raunte er Lilli zu und sie konnte die Anspannung in seiner Stimme hören. "Wenn wir ihn nicht beruhigen können, müssen wir so schnell wie möglich aus dem Auto raus. Halt Dich bereit!" Es war ihr Glück, dass beide ihre Kräfte sie auch in letzter Sekunde noch retten konnten. Doch er wollte den Wagen noch nicht zu früh aufgeben - ohne würden sie in der Pampa festsitzen.
Verzweifelt überlegte er, wie er an den Jungen rankommen sollte. Er hatte keinen Schimmer von Arabisch, nicht einmal fluchen konnte er darin. Sprach man in Nordafrika nicht auch Französisch? Nicht, dass er das beherrschte, aber zumindest ein paar Brocken hatte er von Pandora aufgeschnappt und ein paar verdankte er seiner kanadischen Herkunft ... einen Versuch war es wert.
"Calme-toi!", sprach er, laut und bestimmend aber nicht aggressiv. Er blickte in den Rückspiegel zu dem Patienten und achtete auf die Schwere, die er spürte, um im Notfall reagieren zu können. Noch war es nur ein Ziehen. Sein Gefahrensinn summte leicht. Er warf Lilli abermals einen besorgten Blick zu.
Spielleitung: Indian Falls, früher Morgen
Ohne große Mühe hatten Kimberly Ihre Schwester aus dem Auto heben können. Sie war Ihr dabei leichter vorgekommen als früher. Augenscheinlich hatte Brittany an Gewicht verloren, auch wenn an Ihrem Körper keine Spuren irgendeines Trainings erkennbar waren, dass diesen Gewichtsverlust hätte bedeuten können. Der Rollstuhl quietschte ein wenig als Kimberly ihn in Richtung des Diners schob. Der Umstand, dass Brittany keine Schuhe trug, fiel angesichts der Länge Ihrer Hose auf den ersten Blick gar nicht so stark auf. Bei näherem Blick würde man es aber sicherlich bemerken. Die Auto-Tür stand hinter Brittany noch offen, so dass Pandora durch die gleiche Tür aussteigen konnte, oder sich eine andere Tür aussuchen konnte.
Vor dem Diner angekommen, konnte Kimberly sehen, dass die Tür bereits aufgeschlossen war. Durch die Fensterscheibe war ein eher großer, hell erleuchteter Raum zu erkennen. Der typische Tresen aus den 50ern dominierte das Diner. Vor diesem waren verschiedene Barhocker, die neueren Datums waren. Vor der Fensterscheibe und im hinteren Teil des Diners waren die klassichen Sitzgelegenheiten, die eine kleine 2sitzige Bank an jeder Seite und einen Tisch, also insgesamt Raum für 4 Personen enthielten. Der Platz davor war - zumindest an der Fensterseite - groß genug um einen Rollstuhl davor zu platzieren.
Hinter dem Tresen war eine ältere Frau, sie musste um die 50 Jahre sein, von größerem Körperumfang, die gerade etwas umständlich an einer Kaffee-Maschine herumfummelte. Am hinteren Ende saß ein junges Päärchen an einem der Tische und tuschelte aufgeregt, während sie sich immer wieder über den Tisch beugten um einen schnellen Kuss auszutauschen. Direkt am Tresen saßen zwei Personen. Ein Mann mittleren Alters, sowie eine Frau, die wohl knapp 30 sein musste und warteten gerade auf Ihren Kaffee.
Cambridge, Massachusetts, Freitag, ca. 16:15 Uhr
Schweigend hörte Sergio den anderen zu und zwang sich, nicht jedem (nicht mehr gewohntem) jugendlich-ungestümen Impuls zum Widerspruch zu folgen, sondern die Freunde ausreden zu lassen. Natürlich hatten J. C. und Andrew alles Recht der Welt, die Situation anders zu beurteilen, auch wenn es ihm selbst schwer fiel, ihre Sichtweise nachzuvollziehen. Felina war augenscheinlich ihm Zwiespalt, doch schien letztendlich dazu zu neigen, etwas zu unternehmen.
Sergio schloss für einen kurzen Moment, der kaum jemandem auffallen sollte, ihm selbst aber ewig erschien, die Augen und besann sich. Er wollte am liebsten auf jeden der Sätze, die hervorgebracht worden waren, antworten, darlegen, weshalb dies für ihn nicht die richtige Sichtweise war. Doch das wäre falsch. Jeder hatte das Recht, selbst zu bestimmen, inwiefern man einfach sein Leben leben wollte und in welchem Ausmaß man aktiv werden wollte - Sergio selbst war einst auch so gewesen, bis er damals sein Visum verloren hatte. Seither war es sein Ziel, dass zumindest die nächste Generation an Mutanten ein normales Leben würde führen können, ohne ihre Identität geheim halten zu müssen.
"OK", sagte er schließlich, "ich denke, es hat keinen Sinn, das auszudiskutieren. Jeder sollte machen, was für ihn das Richtige ist. Aber genau deshalb muss ich persönlich etwas tun. Solche Terroristen sind der Grund, weshalb ich den irischen Widerstand verlassen habe und weshalb ich ... nun, weshalb ich nicht mehr mein altes Selbst bin. Ich habe dort nicht zusehen wollen, wie der Radikalismus die einzige Antwort auf die Unterdrückung ist und ich werde es auch hier und jetzt nicht. Wenn niemand den Mittelweg geht, dann überlässt man den zerstörerischen Enden das Feld."
Er hielt inne und bemerkte Sylvain, der zu ihnen gestoßen war und musste trotz der angespannten Situation lächeln ... das also war der Grund für die Unruhe, die ihn ergriffen hatte. Er hatte schon immer sensibel auf Empathen reagiert. Dann aber fuhr er fort: "Wie gesagt, wir können 'heute Abend' niemanden irgendwo rausholen, wenn wir nicht wissen, wen und wo. Wir brauchen jetzt einen Hebel, mit dem wir ansetzen können. Es geht mir nicht darum, mich mit irgendwem im Hafen anzulegen, im besten Falle bleibe ich so gut wie unsichtbar. Es geht mir darum, akut und unauffällig etwas Schaden abzuwenden, wo es geht, und vor allem genügend in Erfahrung zu bringen, um ein weiteres Vorgehen sinnvoll planen zu können - bevor alle Spuren verwischt sind. Ich erwarte nicht, dass irgendwer das aktiv unterstützt und dabei zu viel riskiert, ich erwarte nur, dass mir niemand in den Rücken fällt." Er sah von einem zum anderen. Sein Blick ließ keinen Zweifel daran, dass er gehen würde, egal wer mitkäme oder hierblieb.
Schließlich blieb sein Blick auf Felina haften, da sie die einzige war, von der er sich noch tatsächlich aktive Hilfe erwarten durfte: "Ich bräuchte 20 Minuten mit dem Rad, vielleicht weniger, wenn ich richtig reintrete. Das müsstest Du auch schaffen. Was immer du als Transportmittel auftreiben kannst, sind wir damit schneller, vor allem wenn wir es in zehn Minuten zur Verfügung haben? Wir haben schon viel Zeit verloren ..."
Spielleitung: Boston, Hafen
"Das ist eine mittlere Katastrophe!", rief der untersetzte Mann hektisch in sein Telefon: " Welcher Idiot hat das verbockt? Wieso ist das gottverdammte FBI hier? Wir wollten keine Aufmerksamkeit, bis es soweit ist, und jetzt das? --- Jaja schon gut - wir kümmmern uns darum", meinte er und legte auf.
"Hast Du es?", meinte er zu zu dem größeren, der daraufhin ein Gerät unter der Jacke hervorzog. Es sah einem kleinen Generator ähnlich und hatte eine Kordel an der Seite, durch die man eine Art Motor zum rotieren bringen konnte. Der vermeintliche Bodygard nickte und sie liefen in die Richtung von wo aus die Razzia im Gange war.
Jason hatten Sie nicht entdeckt, dafür hatte er alles mithören und das Gerät sehen können.
"Schmerz... Verletzung nicht.... echt", brachte Whitmann hervor ehe sie erneut aufstöhnte und beinahe das Bewusstsein zu verlieren drohte. Ihr Körper begann zu zittern, was für die Art der Verletzung die sie eigentlich haben sollte untypisch war. Sie blickte Jason aus großen, beinahe flehentlich an.
Als Rick rematerialisierte, es war nahe des Zugangs zum Hafenbereich zwischen zwei Containern, hatte sich seine Begleitung verändert. Aus dem verkohlten Körper war der Körper des unverletzten aber bewusstlosen Agent Whinthorpe geworden. Nichts deutete darauf hin, dass er sich Verbrennungen oder auch nur irgendeine andere schwerere Verletzung zugezogen hatte. Selbst die Atmung war normal und entsprach der eines bewusstlosen Menschen.
Alarmiert von den Rufen stoppte Ben. Er duckte sich und versuchte zu erkennen, woher sein Name gerufen wurde. Zumindest brachte Ihn das voerst in Sicherheit was die Kugeln betraf. Wenngleich das Feuer ihn dadurch schneller erreichen würde. Schließlich entdeckte er William, der unter in seine Richtung kam. In einiger Entfernung war ein zweiter Kran.
"Hey, weg da. Bring Dich in Sicherheit. Da ist die Hölle los", schrie Ben hinunter.
"Ich versuche den Kran zu erreichen", meinte er und deutete mit dem Arm auf den zweiten Kran. Sein Ausleger würde zu Ben's Standort herüber reichen und des Führerhaus war weit genug vom Feuer entfernt um Ben einen gefahrlosen Abstieg zu ermöglichen. Aber irgendjemand musste den Kran bedienen, damit der Ausleger auch nah genug an Ben's derzeitigem Standort zu schwenken.
Spielleitung: Indian Falls, früher Morgen
Die gute Laune, die die junge Frau, nein vielmehr das junge Mädchen ausstrahlte steckte die korpulente Frau an.
"Natürlich Schätzchen", meinte sie, während sie den beiden am Tresen je eine Tasse Kaffee einschenkte.
"Sucht euch einfach einen Platz aus, ich bin dann gleich bei Euch", meinte Sie: "Wenn Ihr vorher telefonieren wollt - wir haben einen Münzsprecher um die Ecke. Für was neueres konnte sich der Besitzer noch nie durchringen."
Deutlich war Ihrem Tonfall anzumerken, dass sie nicht viel von den altmodischen Vorstellungen oder der Sparsamkeit des Besitzers hielt und einen Internet-Zugang für durchaus zeitgemäß hielt, auch wenn sie nicht damit dienen konnte.
"Aber besser als gar nichts, und Eure Eltern könnt Ihr damit auch anrufen", meinte Sie mit einem Lächeln.
Mürrisch blickte der Mann am Tresen sich um. Es war offensichtlich, dass er mit der guten Laune des Mädchens so gar nichts anfangen konnte, doch blickte er bald wieder auf seinen Kaffee und zu der korpulenten Frau hinter dem Tresen.
"Was ist jetzt mit meinen Eiern, oder soll ich warten bis sie die Mädchen bedient haben", meinte er mürrisch.
"Jaja, schon gut", meinte Sie und rief nach hinten in die Küche: "Hey, Saul... was ist mit den Eiern.... und mach mal. Wir haben neue Kundinnen."
Das Päärchen schien davon unbeeindruckt und hatte immer noch nur Augen für einander, so hatten die drei jungen Frauen freie Auswahl was die Plätze anging, während die Bedienung hinter der Theke sich anschickte Ihnen Kaffeee zuzubereiten und die Karte herauszusuchen, während sie wartete welchen Platz die drei sich aussuchen würden.
Sie musterte die drei und fand sie irgendwie niedlich, wenngleich Ihr auffiel, dass das blonde Mädchen im Rollstuhl keine Schuhe trug, was ihr etwas seltsam vorkam...
Indian Falls, früher Morgen
Der Duft von frischem Kaffee drang in Brittany's Nase ein - liess sie einen Augenblick lang an die angenehmen Dinge des Lebens denken.
Sie freute sich auf ein erstes Frühstück seit langem - ein Frühstück mit anderen Menschen zusammen. Freunden. Ihrer Schwester. Es war etwas anderes als die Einsamkeit, in der sie sich so lange befunden hatte -etwas besseres. Ein lächeln stahl sich auf Ihre Lippen, ließ sie freundlicher wirken, weniger kalt, aber damit auch das was sie vermeiden wollte - hilfebedürftiger.
Aber in diesem Moment war das egal.
Sie überliess Kimberly und Pandora die Auswahl des Tisches. Sie selbst hatte keine Vorliebe, und die beiden würden besser wissen, von welchem Tisch aus, sie das Diner überblicken und zur Not schnell verschwinden konnten. Sie selbst ließ Ihren Blick durch den Raum schweifen, von der Frau hinter dem Tresen, hin zum Durchgang zur Küche, hinter dem sich wohl ein Koch - Saul - zu befinden schien, über die beiden Kunden am Tresen hin zu dem jungen Päärchen und schließlich zurück zu Ihrer Schwester und Pandora, denen sie unbewusst, aber dennoch für beide gut sichtbar, ein unbeschwertes Lächeln präsentierte.
Spielleitung: einige Meilen nach Murrays Corner, New York State Road NY33-E
Daniel und Lilli spürten bereits wie die Schwerkraft sie stärker in den Sitz drückte und von Sekunde zu Sekunde stärker zu werden schien. Der Unterboden des Fahrzeugs senkte sich immer mehr dem Asphalt der Straße entgegen und für die beiden unbemerkt schien das Gewicht dass die Gravitation auf die Reifen ausübte diesen den Rest zu geben. Es würde sicher nicht mehr lange dauern, bis die Reifen durch den Druck Ihren Geist aufgeben würden und der Wagen dann auf seinen Felgen fahren müsste.
Für die beiden Insassen war jedoch das Problem, dass sich Ihr eigenes Körpergewicht sowie das Dach des Fahrzeugs in eine bedrohliche Falle verwandelten.
Im selben Moment begann das Telefon von Daniel zu klingeln. Der Klingelton deutete auf eine unbekannte Nummer hin, auch wenn ein Blick auf das Display offenbaren würde, dass es kein anonymer Anruf, sondern lediglich einer von einer nicht eingespeicherten Nummer war.
Ohne genauere Recherche würde Daniel jedoch nicht herausfinden, woher die Nummer war, wenngleich dies derzeit das kleinste Problem der beiden Mutanten war.
Indian Falls, früher Morgen
"Danke", meinte Brittany knapp, als Kimberly Ihr die Karte des Diners reichte. Bevor Sie dieselbe aufklappte, warf Sie einen Blick zu Pandora, versuchte die Regungen in Ihrem Gesicht zu deuten. Eine Spur von Neid machte sich in Ihr breit. Pandora wollte Daniel anrufen. Er war ihr wichtig. War sie selbst auch jemandem wichtig? Pandora wichtig? In dem Krankenhaus hatte es den Anschein gehabt, zumindest soweit Brittany sich daran erinnern konnte - aber hier: auf der Straße - hier schien es anders zu sein. Immerhin war die Kim, ihre kleine Schwester. Der Gedanke erschien ihr auf einmal absurd. Kleine Schwester... sicherlich Kimberly war die jüngere von beiden, aber derzeit schien es eher umgekehrt zu sein. Kimberly war es mehr, die sich um sie kümmerte und nicht umgekehrt, wie es wohl hätte sein sollen. Das lag sicherlich an ihrem Zustand... aber lag es nur daran? Sie riss sich zusammen, um nicht in ein Wirrwar von melancholischen Gedanken abzudriften, stattdessen schenkte sie Pandora ein Lächeln, und wünschte Ihr Glück: "Ich hoffe, er geht ran", meinte sie laut genug, damit Pandora es hören konnte, aber nicht so laut, um das ganze Diner mithören zu lassen.
Schließlich wandte sie sich der Karte zu, war sich aber unschlüssig was sie bestellen sollte.
"Ich.. ich habe keine Ahnung was wir bestellen sollen", meinte sie zu Kimberly. "Es.. ist schon etwas länger her, dass ich etwas gegessen habe. Mir scheint, du hast etwas mehr Hunger", sagte sie mit einem neckischen Verweis auf den knurrenden Magen Ihrer Schwester. Obwohl die Erinnerung an den Umstand, dass sie durch ein Tropf und nicht durch Essen am Leben gehalten wurde alles andere als angenehm war, konnte die Anwesenheit von Kimberly und die Erinnerung an ein Frühstück in Ihrer früheren Kindheit sie ein wenig aufmuntern.
Sie schien ein wenig zu grübeln.
"Tee... oder doch ein wenig Kaffee? Meinst Du ich sollte es mit einem Kaffee versuchen? Ich würde gerne wieder ein Tasse trinken, weiss aber nicht ob ich als erstes Getränk so gut daran tue. Was meinst Du Kim?"
Spielleitung: Indian Falls, früher Morgen
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die Frau hinter dem Tresen hatte schließlich die vorhandenen Bestellungen aus der Küche erhalten und die Kunden zufrieden gestellt, kam sie schließlich an den Tisch der drei Mädchen. Ihr Gang in den hohen Schuhen war ungelenk und es bedurfte keinen geschulten Blicks um zu erkennen, dass die Schuhe mit Absatz nicht sehr vorteilhaft für ihre Arbeit waren. Sie warf Pandora einen kurzen Blick zu, beachtete sie aber nicht weiter, als sie bemerkte, dass sie am Telefon hing, und darauf wartete dass am anderen Ende der Leitung jemand abnahm.
Sie lehnte sich an die Rückenlehne der Bank neben dem Tisch, und drehte sich Kimberly und Brittany zu.
"Na habt Ihr euch schon entschieden was Ihr haben möchtet?" Sie wirkte freundlich und interessiert.
Der Mann an der Theke war mit seinem Essen beschäftigt und das Päärchen hatte sich inzwischen auf der gleichen Seite der Sitzbank abgesetzt und war sich dabei noch etwas näher gekommen, als sie es zuvor gewesen war.
Währenddessen hielt ein gelber Bus in Sichtweite des Diners an. Dem äußeren Anschein nach war er bereits als Oldtimer zu bezeichnen. Vom Diner aus war nicht zu erkennen., ob das Fahrzeug Insassen hatte oder nicht. Die Tatsache, dass Busse eigentlich nicht von alleine fuhren, schon gar keine diesen Baujahrs ließ den Rückschluss auf zumindest einen Fahrer zu.
Derweil sprang das Telefon eine gefühlte Ewigkeit nachdem Pandora die Nummer gewählt hatte, es schien fast so als hätte jemand in der Vermittlung die Leitung erst stecken müssen, endlich an. Ein Freizeichen ertönte und deutete darauf hin, dass das Telefon des angerufenen klingeln musste.
Cambridge, Massachusetts, Freitag, ca. 16:15 Uhr
Überrascht und dankbar blickte Sergio zu Sylvain und nickte ihm aufrichtig zu. Er spürte, dass sein Puls sich beruhigte ... eine Wirkung, die allen Anschein nach von dem Empathen ausging, wie er bemerkte. Er war dankbar dafür. Meist führten telepathische oder empathische Einflüsse in Kombination mit seinen Wahrnehmungs- und Adaptionskräften zu Interferenzen, doch in diesem Fall erfüllte es seinen Zweck, auch wenn es vielleicht gar nicht ihm gegolten hatte.
"OK", meinte er schließlich, "zu dritt brauchen wir in jedem Fall ein Gefährt, es sind nur zwei Fahrräder unten im Keller." Erwartungsvoll blickte er zu Felina, die eben noch ein Transportmittel in Aussicht gestellt hatte.
Cambridge, Massachusetts, Freitag, ca. 16:15 Uhr
Bei Sylvains entschlossenen Worten fuhr Felina überrascht herum. Einen Augenblick lang weiteten sich ihre Pupillen vor Entsetzen als ihr bewusst wurde, dass sich sowohl der junge Kanadier als auch Sergio sofort in die Schlacht stürzen wollten. Doch im nächsten Moment breitete sich in ihr absolute Ruhe aus. Zugleich fasste sie einen Entschluss: Eher fror die Hölle zu, als dass sie die beiden alleine losziehen ließ. Den besonnen Anführer aus Dublin erkannte sie in seinem jugendlichen Ungestüm kaum wieder. Er brauchte definitiv ein wachsames Auge und weder Andrew noch J.C. waren an Bord. Überraschenderweise traute sie Sylvain dies zu, denn die Jahre waren auch an dem einstigen Küken der Viererclique nicht spurlos vorübergegangen. Sie wusste nicht so recht, was sie von dem jungen Mann zu halten hatte, der nun neben ihr stand – gerade erst angekommen, noch nicht im Bilde und trotzdem spontan bereit für einen Freund in die Bresche zu springen. Sie wusste jedoch sicher, dass sie ihn nicht gehen lassen wollte, zumindest nicht alleine. Sie könnte ohnehin keinen klaren Gedanken fassen, wenn sie sich um beide sorgen musste.
Wortlos trat sie zu Sergio und nahm ihm das Handy, um das sie zuvor bereits gebeten hatte,aus der Hand. Ihre Finger eilten über den Touchscreen, als sie offenbar aus dem Gedächtnis eine Nummer wählte. Es klingelte einmal. "Pronto!" klang es aus dem Hörer, den sie wohlweislich nicht an ihr Ohr hielt. Stattdessen hielt sie das Micro an den Mund und für die nächste Minute ergoss sie sich in einem Schwall italienischer Ausdrücke, die an dieser Stelle aus Gründen der Altersfreigabe nicht wiederholt werden. Es sei nur so viel gesagt, als dass es für jeden mit begrenzten Italienischkenntnissen zumindest oberflächlich den Anschein hatte, sie habe eine Pizza Diavolo für vier Personen bestellt und sei dabei unfassbar unhöflich gegenüber dem Boten aufgetreten, der nur anfänglich einen kurzen Protestversuch gestartet hatte und sich dann wohl schweigend seinem Schicksal ergab. Erst als das Katzenmädchen zum Ende kam, äußerte er sich erneut. Diesmal offensichtlich mit einer Zustimmung, denn sie fuhr in deutlich versöhnlichem "Si, grazie zio Luigi. Bacione contro zia Maria. A fra poco!"
Langsam ließ sie die Hand mit dem Handy sinken und hob den Blick, bis sie dem Spanier direkt in die Augen sah. "In maximal zehn Minuten ist er da. Ich ziehe mich jetzt schnell um. Zeigst du Sylvain solange, wo er sich frisch machen kann?" Sie wandte sich zu dem Freund. "Deine Sachen kannst du am besten erst einmal hier stehen lassen, wenn wir zurückkommen, suchen wir dir ein passendes Zimmer aus." Trotz der Anspannung schlick sich bei seinem Anblick erneut ein Lächeln auf ihr Gesicht. Insgeheim hoffte sie, dass sie bald Gelegenheit hatten, sich ausführlicher zu unterhalten. Zu gerne wollte sie erfahren, was er in Boston tat und wer sein Begleiter war und.... Dopo!, schalt sie sich selbst und war schon halb aus der Tür, als ihr noch etwas einfiel... "Andrew, J.C., kann einer von euch hier die Stellung halten? Wir sehen uns gleich noch in der Küche, bevor es losgeht..." Fast hätte sie hinzugefügt, dass sie es sich ja noch einmal überlegen konnten, doch sie schluckte den Satz hinunter und sprang davon, ohne eine weitere Reaktion abzuwarten.