Neue globale Eliten - Kulturkampf von oben
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Verkehrte Welt: An der Spitze der Gesellschaft, bei den Besserverdienenden und den neuen Eliten, gibt man sich fortschrittlich, international und weltoffen. Man surft auf den Wellen des Zeitgeistes, begrüßt den gesellschaftlichen und technischen Wandel, die Buntheit der Welt, ihre Diversität. Und natürlich ist man linksliberal und rümpft die Nase über all die angeblich Zurückgebliebenen, die nicht ebenfalls so denken oder fühlen.
In Barcelona ebenso zu Hause wie in Sydney
Diese eigenartige Situation ist das Produkt der sozialen, ökonomischen und kulturellen Entwicklung der vergangenen drei Jahrzehnte. Sie hat ein Milieu der gut Ausgebildeten und international Flexiblen hervorgebracht, derjenigen, die ein paar Semester im Ausland studiert haben und deren Karriere sie schon nach London oder Shanghai verschlagen hat. Man arbeitet für einen weltweit agierenden Konzern, besser noch für eine internationale Organisation oder in der Medien- und IT-Branche, also dort, wo es besonders leicht fällt, Wohlstand und linksliberale Gesinnung gleichzeitig zur Schau zu stellen und als Lifestyle zu präsentieren.
Entsprechend kommt es zu einer auf den ersten Blick seltsamen Koalition dieser neuen Eliten mit der akademischen Linken, den Kulturschaffenden und Kreativen. Denn mit ihnen teilt man Lebensstil und Werte, man bewohnt gemeinsam die gentrifizierten Vierteln unserer Großstädte, nicht ohne die Gentrifizierung zu beklagen. Man hat ein Netflix-Abo, konsumiert mit Kennermiene den neuesten amerikanischen Serienhype im Original, bucht bei Airbnb und liest den New Yorker. Vor allem aber wähnt man sich als Träger einer neuen, globalen Kultur und Avantgarde, die in Barcelona ebenso zu Hause ist wie in Sydney. Man definiert sich nicht über lokale Verortung, sondern über die sozialen Netzwerke der Gleichgesinnten.
Sehnsucht nach Bruch mit der eigenen Herkunft
Getragen wird dieses Milieu im Kern von einem enormem Emanzipationsbedürfnis, der Sehnsucht nach einem möglichst radikalen kulturellen und intellektuellen Bruch mit der eigenen Herkunft, da die Welt der Eltern und Großeltern mit ihren Überlieferungen und lokalen Verortungen als einengend und selbstverwirklichungsfeindlich empfunden wird.
Also befindet man sich in einem andauernden Krieg gegen die eigene Vergangenheit und Herkunft, die überhaupt kein Manko ist, aber als solches wahrgenommen wird.
Da aber die Kontaminierung mit dem Gestrigen und Rückständigen an jeder Ecke lauert und die eigene Unsicherheit groß ist, schottet man sich ab und bewegt sich konsequent in einer Welt, die man für bunt hält und vielschichtig, in der aber letztlich alle gleich sind: konfektionierter Individualismus.
Die kulturelle Abschottung dieser Offenen und Toleranten führt zu einer Verengung ihrer Perspektive: Man verfällt dem Irrtum, das eigene Leben sei der normative Goldstandard, man wähnt sich auf der Höhe der Zeit. Schlimmer noch: Aufgrund der Fehleinschätzung, dass das eigene Emanzipationsprojekt das einzig legitime und moderne sei, schaut man mit Verachtung auf jene, die an diesem Projekt und der ihm implantierten Ideologie nicht teilhaben können oder wollen.
Offene Konfrontation zwischen Funktionsträgern
Seitens der linken Intellektuellen, der Künstler und Kreativen führt das zu einem Verrat historischen Ausmaßes: man kritisiert nicht mehr die Herrschenden, sondern vielmehr die Beherrschten. Man macht sich gemein mit Silicon Valley und den Steve Jobs und Mark Zuckerbergs dieser Welt, da man hier instinktsicher nicht nur das Geld zur Verwirklichung eigener Projekte sieht, sondern zugleich die Ikonen des eigenen Lifestyles. Das man sich damit zum nützlichen Idioten macht, ist offensichtlich egal.
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Das Ergebnis ist eine offene Konfrontation zwischen den Funktionsträgern der Globalisierung und ihren linksliberalen Ideologielieferanten einerseits und den jeweiligen lokalen Gesellschaften andererseits. Da zudem die eine Seite im Zeichen ihrer persönlichen Emanzipation das Liberalismusmonopol für sich in Anspruch nimmt und damit Liberalität ad absurdum führt, bekommt diese Konfrontation eine unversöhnliche Schärfe.