"Die ökologistische Linke, also die Grünen und der ergrünte Rest, ist
als Propagandist der windgeborenen Elektrizität und Ausrufer des Global
warming natürlich nur sehr schemenhaft gekennzeichnet. Gebürtig
war die Bewegung aus Milieu und Zeitgeist der 68er, der Generation des
»Booms«, der Ken Wilber eine neuartige Ideenkrankheit diagnostiziert,
die er aufgrund der ätiologischen Befunde »Boomeritis« nennt. Die Boomeritis-
Erkrankten sind ein gemischt-generationelles Phänomen der 68er
und der nachfolgenden Generationen X und Y, entstanden in den späten
60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, einer Zeit, die den Boden dadurch
bereitete, daß sie die Welt mit arbeitsfähiger Energie flutete und damit
in eine Art Schlaraffenland-Modus versetzte. Es war eine schismatische
Bewegung, und das Schisma galt dem gesamten bisherigen Weltverständnis,
den Tugendtafeln der Vergangenheit, den Erfahrungsvorräten
aus Menschenaltern und dem daraus destillierten Common sense oder
dem »gesunden Menschenverstand«, den ich hochschätze als eine wenig
tiefsinnige, aber in Alltagsdingen klarsichtige Urteilskraft, die ihre Einsichten
bar jeder Rabulistik vorlegt.
Es ist eine Generation
?? der Erben, die nichts von dem, was ab den 60ern an »Wohlstand«
über sie hereinbrach, selbst erdacht, vorbereitet, aufgebaut, noch weniger
erarbeitet hätte. All das verdankt sie den drei bis vier Generationen vor
ihr, die sie aber mit penetrantem Haß verfolgt;
?? die sich qua konstruktivistischem Kopfkino eine Welt vorspiegelt,
in der niemand ein Schicksal zu erleiden, zu ertragen oder zu überwinden
habe. Schicksal ist Unrecht, und deshalb immer ein Vergehen Dritter.
Dieser schuldige Dritte war zunächst die »Gesellschaft«, wurde dann
aber schnell der Staat, der auch insofern der bessere Adressat war, als er
mit der ihm eigenen Kasse für allerlei Wiedergutmachungen, Vor- und
Nachsorgeleistungen und für die Finanzierung ganzer Helferheere in Anspruch
genommen werden konnte. Außerdem stellte er mit dem Bundesgesetzblatt
ein einflußreiches Periodikum zur Verkündung guter, noch
besserer und allerbester Absichten zur Verfügung. Das Nähere regeln immer
die Gerichte;
?? die eine stets sich steigernde Benevolenz pflegt gegen alles und jedes,
was lebt und webt, was kreucht und fleucht, was wächst und wurzelt –
mit der allerdings entscheidenden Einschränkung, daß es als »schwach«
erscheinen muß und insofern als Opfer eines Stärkeren gelten kann. Diese
Neigung zu uferloser Benevolenz ist mit der inzwischen etablierten Marke
des Gutmenschen richtig getroffen. Der feminine Einschlag ist deutlich,
was daran erinnert, daß klügere Epochen die Frauen auf einen Wirkungskreis
verwiesen, in dem ihr Hang zu unentwegter Betüddelung von Petitessen
allenfalls angebracht ist: die Familie.
Die weiteren Charakteristika der ökologistischen Weltsicht, soweit sie in
Zusammenhang mit unserem Thema stehen:
Sie pflegt einen »Kult des Individuums« und will es schützen vor der
Beschädigung durch alle Zuschreibungen, die seine Freiheit der Wahl einschränken
könnten: sein Geschlecht, seine Familie, Religion, Volk oder
Nation. Die »Weltunmittelbarkeit« des einzelnen ist den Ökologisten eine
Herzensangelegenheit, was dazu führt, daß die ehemals basisdemokratischen
Grünen in den Reihen jener Finanzkreise mitlaufen, denen die Nationalstaaten
mit den ihnen noch verbliebenen ordnungspolitischen Möglichkeiten
ein Dorn im Auge und ein Hindernis im Wege sind. Ob Nationalstaaten
eine überlebte, geschichtlich kontingente Organisationsform
und eigentlich ein Irrtum sind, wird die Geschichte klären mit der Antwort
auf die allein entscheidende Frage: Wer sagt »Wir« zu sich? Ein solches
WIR stellt sich spätestens unter widrigen Umständen ganz organisch
her, aber es läßt sich allem konstruktivistischen Ehrgeiz zum Trotz nicht
synthetisieren, wie alle politischen Grenzwillkürlichkeiten in der Nachfolge
der Kriege des 20. Jahrhundert gezeigt haben. Das WIR der 1. Person
Plural entsteht auf jeder Ebene, wenn sich dort ein IHR als eine 2. Person
Plural findet, gegenüber dem es eine abgrenzende Identität bildet. Und
wegen der wechselseitigen Bedingtheit von WIR und IHR wird es auch
kein Welt-WIR geben, das nicht sofort wieder zerfiele – jedenfalls nicht,
bevor den Erdbewohnern aus dem Star-Trek-Universum die Klingonen als
ein IHR entgegenkommen. Das ist derzeit nicht abzusehen. Deshalb soll
das vorgeblich menschengemachte Gobal warming als Ersatzschrecken
dienen, der aber die beabsichtigte Wirkung schon deshalb verfehlen muß,
weil er nicht Verteidigungsbereitschaft, sondern Schuldgefühle zu wecken
bestimmt ist.
Das Ego auf der Borderline: Aber auch nach innen, in Richtung auf
das Individuum, stiftet der boomeritische Haß auf alle gruppenbezogenen
Identitäten und Loyalitäten nur Verwüstung: Die ursprüngliche Ich-Zentriertheit
des Neugeborenen ist eine Naturnotwendigkeit. Doch im Laufe
einer gelingenden Sozialisation ist jede sich bildende Wir-Identität, jede
»Gruppenzentriertheit« von der Familie bis zum Volk in der Lage, den Ich-
Vektor des menschlichen Individuums aufzufangen und abzufedern und
dafür Bausteine zur Identitäts- und Charakterbildung zurückzuliefern.
Wo diese Wir-Instanzen aber abgeräumt sind, entsteht ein leerer Raum,
in den sich dann der nicht mehr »eingefangene« Narzißmus wie eine Flut
ergießt. Der leere Raum – auch das sieht man mit bloßem Auge – wird
langsam zur Klapse, denn der vor stützenden Wir-Gefühlen »bewahrte«
Mensch wird nicht zum befreiten »postkonventionellen« Individuum, sondern
über den Umweg der Aufgeblasenheit zu einem Häufchen Elend.
Feminisierung: Die mit Vorfahrtsberechtigung erfolgende, forcierte
Einschleusung von Frauen in die wirtschaftlichen, halbstaatlichen und
staatlichen Institutionen verändert deren Charakter grundsätzlich. Jede
leistende Institution braucht, wenn sie funktionieren soll, einen »Geist«
und ein Anspruchsethos und muß selbstverständlich an und von ihren
Mitgliedern zehren. Der sichtlich nicht umkehrbare Anspruch der Frauen
aufs »Versorgtwerden« (und ihre darauf basierende »Ethik der Fürsorge«)
macht aus Leistungsinstitutionen Sozialwerke, wie man nicht nur an der
Aufrüstung der Bundeswehr mit Kindertagesstätten sieht. Die Dysfunktionalität
einer Institution (Schule, Universität, Justiz, Medizin, Presse)
ist zum Grad ihrer personalen und mentalen Feminisierung proportional.
Bildung für alle: Das Ziel der boomeritischen Bildungsreform der
70er Jahre war durchaus ehrenwert: die Dummen durch mehr Bildung
klüger zu machen, was der eine von exakt zwei möglichen Wegen zur Minderung
von Unterschieden und der Mehrung von Gleichheit ist. Als dieser
erste alsbald an sein natürliches Ende kam, wurde der zweite beschritten:
die Klügeren dümmer zu machen. Dieses allgemeine Dumbing down ist
durchschlagend gelungen: Jeder Absolvent der achtjährigen Volksschule
(die 1964 abgeschafft wurde) war kulturtechnisch lebenstüchtiger als jeder
Abiturient heute, dessen Schulzeit von zwölf oder 13 Jahren in nicht
unbeträchtlichem Maße dazu verwendet wird, ihn mit boomeritischer
Lebensweisheit vollzustopfen. Und es ist bezeichnend komisch, daß die
Resultate dieses Verdummungsprojekts, bei dem jeder Schuljahrgang seit
30 Jahren schlechter für die Berufsausbildung gerüstet ist als der vorherige,
zur Begründung dafür dienen, es unter Einsatz von noch mehr Geldmit-
teln weiterzutreiben. (Mehr Bildung, Bildung, Bildung, …!) Der boomeritische
Unverstand ist zu einem Innehalten schlicht nicht in der Lage. ..."