Spirou - Die Hoffnung Teil 1
Obwohl (oder vielleicht gerade weil) ich seit meiner Kindheit großer Fan der Abenteuer von Spirou und Fantasio bin, habe ich bislang einen Bogen um diesen Vierteiler von Emile Bravo gemacht. Das ernste Nazi-Thema ging für mich bislang einfach nicht mit den doch eher leichten und unschuldigen Abenteuern des Hobbie-Pagen und seines tolpatschigen aber liebenswerten Freundes zusammen. Nun bin ich aber auch großer Fan von Emile Bravos "Paul" und war doch irgendwie gespannt darauf, was Bravo aus Spirou herauszuholen vermag.
Nun glänzte Emile Bravo ja in Erlangen mit seiner Anwesenheit, und weder war eine schöne "Paul" (HC) Ausgabe am Carlsen Stand greifbar, noch hatte ich meine eigenen Schlabber-Alben mit. Aber auf so eine schöne, mir persönlich mit warmen Worten gewidmete Zeichnung, von einem original Spirou Zeichner, kann ich doch unmöglich verzichten, also biss ich in den vermeintlich sauren Apfel und griff mir kurzerhand eines dieser Spirou und die Hoffnung Schlabber Alben vom Carlsen Stand (bezahlt habe ich natürlich auch) und stellte mich froher Erwartung in die zu diesem Zeitpunkt noch nicht existente Schlange. So war ich denn nach erfolgreichem Würfelergebnis (ich hatte zu hause natürlich kräftig geübt) auch tatsächlich die Nummer eins, die an diesem Tag eine Zeichung von Emile Bravo ergattern konnte. Mein erklärter Spirou Lieblingscharakter ist der etwas tolpatschige Fantasio, also wünschte ich mir eben diesen für mein gerade erworbenes Album. Stolz erwähnte ich Emile gegenüber (ich nenne ihn "Emile", weil wir sind ja jetzt best Buddies), dass ich Fantasio so sehr mag, weil er mich an mich selbst erinnert. Emiles irritierten Blick konnte ich zunächst ncht deuten. Viel Zeit zum darüber nachdenken blieb mir nicht, denn der erste Schock folgte zugleich, als Emile das Album mit viel Schwung erstmal richtig aufgeschlagen hat. Und mit "richtig" meine ich "richtig"! Soviel sei gesagt: Ich stand kurz vorm Herzkasper (natürlich und glücklicherweise nur im übertragenen Sinne!). Bis ich mich wieder beruhigt hatte war alles schon vorbei und der Schock machte der Verwunderung über den mir grenzdebil aus dem Album entgegenwinkenden Fantasio platz. Was zur Hölle...?
Jetzt also begebe ich mich in die dunklen Zeiten, als Spirou noch nicht Spirou war, sondern ein doch sehr junger Page im Hotel Moustique in Brüssel. Ich erinnere mich noch vage an die „Vorgeschichte“ im „Tor“, verzichte aber auf eine nochmalige Lektüre dieses. Die Stimmung in der Hoffnung ist erwartungsgemäß alles andere als heiter und unschuldig. Die Deutschen stehen vor der Tür, aber zum Glück ist Belgien ja neutral und die Alliierten werden die deutschen schon in ihre Schranken weisen. Spirous „Freund“ Fantasio hat seine Anstellung als Reporter verloren und ist Soldat. Überall hersscht Unsicherheit, aber auch Zuversicht. Diese Zuversicht endet spätestens mit der Bombardierung Brüssels nd dem Einmarsch der Nazis. Nach nur wenigen Seiten wird mir schlagartig klar, warum Emile Fantasio so grenzdebil aus dem Album winken ließ. Fantasio ist in dieser Geschichte, man kann es leider nicht anders sagen, ein Volltrottel. Ich fühle mich ebenfalls wie ein Idiot, habe ich Emile gegenüber doch erwähnt, dass ich mich in Fantasio wiedersehe. Also passt das ja.
Man folgt den Protagonisten durch ihren vom Schrecken und Hunger gezeichneten Alltag, immer auf der Suche nach Essen und etwas Geld, um die Miete bezahlen zu können. Wir begeben uns mit ihnen auf die Flucht aus Brüssel und wieder zurück und schließlich landet Spirou auch noch bei den Pfadfindern. Die Bedrohung ist in der Erzählung nicht direkt zu fasssen. Die Nazis treten selbst kaum auf und wenn, werden sie als schwarze, undefinierte Schemen darestellt. Spirou trifft immer mehr Kollaborateure und so langsam wird ihm bewusst, dass die Gesellschaft sich ändert und die Nazis ganz gezielt Hass und Zwietracht sähen. Gleichzeitig erfährt Spirou, dass Juden und Kommunisten willkürlich verhaftet werden, oder fliehen und er versteht einfach nicht warum. Der wahre Schrecken bleibt in diesem ersten Band noch verborgen.
Bei all der Schwere bleibt trotzdem noch Raum für Humor. Für den sorgt vor allem Fantasio mit seinen völlig aus dem Ruder laufenden Aktionen. Aber auch im kleinen findet sich immer wieder ein Funken Humor, der die Hoffnung hochhält und der diesen Band lesenswert macht.
Zu meinem Leidwesen legt Emile Bravo meinen „geliebten“ Fantasio wie den kleinen/großen Bruder von Paul an, auch die optische Ähnlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen, wodurch Fantasio für meinen Geschmack zu unsympatisch und zuweilen nervig rüberkommt.
Vom eigentlichen Krieg und den Ereignissen an der Front wird in der Geschichte nur geredet, der Leser ist auf dem gleichen Wissensstand wie die Figuren, was die Geschichte für mich enorm intensiv und nachfühlbar macht. Das Erzähtempo ist eher gemächlich, wie bei Emile Bravo üblich, einen ausgefeilten Spannungsbogen gibt es nicht. Wahrscheinlich wäre das für die erzählte Geschichte auch unpassend gewesen.
Mein Fazit: Obwohl ich nicht begeistert bin und es immer noch unpassend finde, so unbelastete fröhliche und klassische Funny-Abenteuer Figuren wie Spirou und Fantasio, die einen normalerweise aus dem Alltag entführen, in die düstere Nazi-Zeit zu versetzen, so kann ich diesen Ansatz aber durchaus nachvollziehen, weil die Geschichte genau daraus ihre Intensität zieht. Ich glaube nicht, dass das mit neuen, unbekannten Figuren so gut funktioniert hätte.
Nur knapp von einem Meisterwerk entfernt:
4/5 Cousin-Frisuren
Nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen:
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