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Orginal von Brigitte.de
Bei Filmen, ja, da passiert es mir hin und wieder, bei klassischer Musik auch, aber bei Büchern habe ich noch nie mit den Tränen gekämpft. Und nun ist es passiert. Ausgerechnet bei einem Sachbuch. Kein ergreifender Liebesroman, sondern die Schilderung wirklichen Lebens trieb mir Tränen ins Auge. Die chinesische Radiojournalistin Xinran hat die Schicksale chinesischer Frauen aufgezeichnet, von der Kulturrevolution bis heute, alte und junge Frauen, die sich erst brieflich, später telefonisch in ihrer Radiosendung "Worte im Abendwind" meldeten. Frauen, die von unermesslichem Leid und Elend, von Unterdrückung, Missbrauch und Diktatur berichteten: Das Mädchen, das immer wieder vom Vater vergewaltigt wird und sich nur zu helfen weiß, indem es sich immer wieder selbst verletzt. Denn im Krankenhaus wähnt es sich sicher. Die Müllsammlerin vor der Tür der Radiostation, die dort in Pappkartons haust, nur um allmorgendlich einen Blick auf ihren nichts ahnenden Sohn werfen zu können, wenn er zur Arbeit geht, ein Politfunktionär, dessen Karriere sie nicht schaden will. Frauen, die bei einem fürchterlichen Erdbeben ihre Kinder, Männer verloren; eine hielt 14 Tage lang die Hand ihrer unter Trümmern eingeklemmten Tochter, bis die endlich starb. Frauen, die von der Revolution verheiratet wurden und 45 Jahre lang nach der zurückgelassenen großen Liebe von einst suchen. Xinran lässt diese Frauen erzählen, bringt ihre "verborgenen Stimmen" zu Gehör und macht damit erbarmungslos klar, dass Kriege und Politik nicht nur das Leben einer Generation zerstören. Auch die nachfolgenden Generationen leiden noch unter den Traumata der Vergangenheit. Wer sich das heutige China als aufgeschlossenes Land vorstellt, sollte erst einmal dieses Buch lesen.