Monster - Band 4 (Naoki Urasawa)
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Richard ist trockener Alkoholiker. Was für den getrenntlebenden Vater einer Tochter, die ihn nicht sehen möchte, wahrlich nicht immer einfach ist. Außerdem ist er Privatermittler, seit er von einigen Jahren seinen Job bei der Polizei verlor, nachdem er unter Alkoholeinfluss einen jungen Verdächtigen in einer Mordserie erschoss. In dieser Funktion ist er für Hans Georg Schuwald tätig, einen zwar an den Rollstuhl gefesselten, aber finanziell und gesellschaftlich äußerst mächtigen Mann, den sogenannten „Vampir von Bayern“. Der beauftragte Richard damit einige Studenten zu überprüfen, die ihm regelmäßig vorlesen, denn einer davon behauptete Schuwalds unehelicher Sohn zu sein.
Wie es das Schicksal so will war aber gerade der andere Junge, der es lieber für sich behielt, Schuwalds wahrer Sohn. Dass der vermeintliche Erbschleicher Vahlen kurz bevor das herauskommt Selbstmord begeht ist schon ein äußerst seltsamer Zufall. Dennoch will Schuwald, dass Richard die Ermittlungen beendet, davon wurde er wohl von seinem persönlichen Assistenten überzeugt, der ihm auch seinen wahren Sohn vorgestellt hat. Doch der ehemaliger Polizist ist jetzt trocken, sieht die Dinge viel klarer, hat starkes detektivisches Gespür und ermittelt auf eigene Faust weiter. Er ist nicht davon überzeugt, dass es sich bei Vahlens Ableben wirklich um Selbstmord handelt, und wer ist eigentlich dieser geheimnisvolle Assistent von Schuwald, dieser Johann?
Die „Ballade“ um den Ex-Cop Richard, seinen Weg raus aus dem Alkohol und zurück zu altem Scharfsinn ist ein kleines Meisterstück innerhalb der Reihe, welches sowohl fesselt als auch berührt. Gerade als Familienvater leide ich mit dem Mann mit, wenn er voller Hoffnung auf ein Foto oder eine Nachricht seiner Tochter wartet. Ich verspüre die Enttäuschung, wenn er mal wieder eine Abfuhr erhält und mein Herz macht einen Sprung, wenn es einen Schritt vorwärts geht.
In der zweiten Hälfte des Buches steht dann Richards Therapeut im Fokus, den Richards Erzählungen ebenfalls aufhorchen ließen. Ganz langsam fallen einige Puzzleteile an ihren Platz und der alte Professor erinnert sich an zwei seiner ehemaligen Studenten. Einer ist heute ein anerkannter Kriminalpsychologe, der Andere war lange ein als Genie gefeierter Gehirnchirurg, bis er zum Hauptverdächtigen in mehreren Mordfällen wurde. Die Rede ist natürlich von den Doktoren Rudi-Ulrich Gillen und Kenzo Tenma. Letzterer ist Johann immer dichter auf der Spur und hadert mit sich selbst, ob er tatsächlich fähig ist ein Leben zu nehmen, nicht nur zu retten. Parallel gerät auch Tenma immer mehr in Bedrängnis, denn BKA-Ermittler Runge rückt ihm immer dichter auf die Pelle.
Grandiose detektivische Ermittlungsarbeit, eng verstrickte Story mit psychologisch glaubhaften Charakteren, deren Wege sich oft unverhofft kreuzen und actionreiche Entladungen an der Spitze bis zur Unerträglichkeit gesteigerter Spannungsmomente. Bis in kleinste Nebenrollen perfekt geschrieben, gelingt es Urasawa selbst erst kürzlich eingeführten Charakteren Tiefe zu verleihen und mit deren Hilfe intensive Emotionen zu wecken, ähnlich wie es Jeff Lemire manchmal hinbekommt. Bislang perfekt konstruiert und ausgearbeitet.
9/10
VG, God_W.