Das finde ich auch ganz seltsam.
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Sehe ich wie BobCramer. Solange der Nuhr weiterhin regelmäßig seinen "Humor" im Ersten zu guter Sendezeit auskübeln darf, sehe ich keine Cancel Culture. Jul machte sich vor ein paar Jahren in seinem ersten LL über jüdische Bräuche und Marotten lustig. Erinnere mich nicht, dass es da einen Aufschrei gegeben hätte. Deutsche Verlage wie All und Riedl veröffentlichen Neuasgaben alter Serien, die humortechnisch teilweise unter aller Sau sind (Minimädchen, Dany, Bang Bang) mit Witzen über Vergewaltigungen, etc. In den 80ern wurden hingegen Autoren wie Yann & Conrad aus dem Spirou-Magazin rausgeschmissen, weil ihre Figuren einvernehmlichen Sex hatten (ohne pornografische Darstellungen) und ein völig überzeichneter General seine Gegner aufschlitzte (zugegeben, in einem Jugendmagazin war die Serie etwas fehlplatziert).
Wobei Gewaltdarstellungen ja um die Jahrtausendwende nicht mehr so problematisch waren. In den späten Buffy und Angel-Folgen hingen Dämonen mit aufgeschlitzten Bäuchen an der Wand, denen man die Rippen rausgebogen hatte und die Eingeweide hingen raus. Und schon früher waren bei Voyager mehrfach so Wesen mit Freddy Krüger-Köpfen und die Folgen waren ab 6. Es ist doch meistens so, dass moralisch-ethische Sachen die empörtesten Reaktionen bekommen.
Die Zeiten ändern sich eben. Das Humorverständnis ändert sich. im Übrigen stand "Asterix" schon zu Goscinnys Zeiten in der Kritik und wurde als gaullistisch / bürgerlich / etc. bezeichnet. Humoristische Hervorbringungen können eben scharfe gesellschaftliche Kontroversen hervorrufen, im Interentezeitalter sowieso. Und warum sollte nicht auch der klassische "Asterix"-Kanon aus heutiger Sicht in ideologisch/weltanschaulicher Hinsicht diskussionswürdig sein? Bei aller erzählerischen und graphischen Brillanz haben Goscinny und Uderzo eben viele Klischees, Vorurteile, Stereotype verbraten. Man erinnere sich nur mal an die bizarre Darstellung der "Jugend von heute" in "Asterix und die Normanen" in Form des unsäglichen Taugenichts` Grautvornix. Oder an die Darstellung der Goten/Germanen/Deutschen, die nur als durchgeknallte, größenwahnsinnige Kommisköppe auftreten.
Oder man erinnere sich an die gestern verstorbene Ingrid Steeger. Die musste in den 70er Jahren die gehirnamputierte Klischeeblondine spielen, und ganz Deutschland fand es lustig (ich damals auch). Wäre es heute noch möglich, zur besten Sendezeit Frauen in einer derart entwürdigenden und blödsinnigen Weise auftreten zu lassen? Das halte ich für undenkbar, denn das waren idiotische Männerphantasien aus der Steinzeit, über die die Zeit hinweggegangen ist (hoffentlich).
Es ist doch grundsätzlich so, dass sich das Humor- und Moralverständnis wandelt, dass sich Geschmacksvorstellungen ändern, dass das, was man früher als "normal" ansah, heute kritisch betrachtet wird. Das hat doch nix mit "Cancel Culture" zu tun. Haben wir eine Cancel Culture, weil heute keine Western mehr gedreht werden, in denen Indianer in John-Wayne-Manier abgeschlachtet werden? Haben wir eine Cancel Culture, weil ein berühmter Agathe-Christie-Roman heute nicht mehr "Zehn kleine Negerlein" heißt, sondern "Und dann gabs keines mehr"? Aber es soll ja Leute geben, die in Rage geraten, weil sie keinen Negerkuss und kein Zigeunerschnitzel mehr erwerben können...
Das hatte Ferri selbst mal im Interview gesagt, dass er seine Witze nicht mehr wie Goscinny seinerzeit machen könne. Darauf bezog sich meine Aussage. Ist für einen Millionenseller heutzutage nicht machbar, andere gegen sich aufzubringen und zu empören.
PS: Habe dazu nur noch diesen Artikel gefunden: https://www.n-tv.de/panorama/Asterix...e22266997.html
Ansonsten: Frohe Festtage!
Over and out
Da muss ich aber zugeben, dass ich Zeit meines Lebens immer Probleme hatte, mich als Goten zu betrachten. :D Während ich die anderen, allen voran die Korsen, immer gut charakterisiert fand, sind mir die Goten total fremd.
Harhar! Zu meiner Kommisszeit war Ich leidenschaftlicher Gote. Hab die Taugenichtse geschliffen, bis ihnen das Blut auf Grundeis gefror. Wurde sogar ne Kaserne nach mir benannt. Offiziere dort erzählen sich noch heute Schreckensgeschichten über mich. Wenn sie an meinem Ehrenportrait vorbeigehn, schlagen sie so n seltsames Kreuz und trinken im Kasino dreimal Schwarzer Kater.
Wenn ich das nächste Mal an einer Sitzbank mit auf Stöcken gestützten Greisen vorbei fahre, bereit mir grimmig hinterherzugucken, dann steig ich aus und frag: "Was glaubt ihr wer ich bin?" und wenn die nicht antworten "Der Jovis aus'm CF." sondern "Ein Gote natürlich." dann werde ich das hier berichten. :D
Äh, reusper, du bist ein Gote!!!
:D
Siehe weiter oben. Es ist aber ja tatsächlich so - WENN wir da jetzt wirklich ernsthaft drüber reden wollen - dass den Deutschen sehr lange Zeit die Identifikation mit einer Nationalität überaus schwer fiel und das charakterisierte sie mehr als alle Zuschreibungen aus dem Ausland. Man hörte ja aus BG, aus NL, aus Frankreich natürlich, immer wieder mal gewisse Rückmeldungen, aber die fand man selbst bei sich eher selten. Ordentlichkeit, Pünktlichkeit und so Zeugs eben.
Und nochmal zu dem Gotenband: was genau dort findet ihr denn an euch selbst wieder? Also ich bin keiner, der dicke Kleidung anzieht, die mich dreimal so viel aussehen lässt wie ich bin. Ich spreche auch nicht komisch oder streife in Horden umher. Wo fühlt ihr euch von Goscinny gut beschrieben? Vielleicht ist es auch so, dass wir in den 60ern kein besonders klares Bild abgeben und deshalb ein eher archaisches Bild vom Goten abgebildet wurde? Ich wusste übrigens als Kind auch sehr lange nicht, dass mit Goten die Deutschen gemeint waren. Das hätte für mich jeder andere sein können.
Der moderne Gote hat mit dem antiquierten Goten aus dem Asterix auch nichts, aber wirklich nichts gemeinsam.
Der moderne Gote trägt auch nicht mehr den wuschigen Vollbart oder den Helm mit Kuhhörnern. Nein, er trägt ein Monokel und einen kleinen grünen Hut mit Feder. Dazu den obligaten Knickerbocker und weisse Socken mit gestickten Blümchen.
Ich habe jetzt gerade mal gegugelt und sehe da, dass sowohl Goten als auch Germanen eher Ursprung des Europäers sind. Während sich anderswo Nationen bildeten, die über Regierungsformen nachdachten, zog das Goten- und Germanenvolk noch sehr lange von Hügel zu Hügel. Das beschreibt ja sogar Caesar schon so. Ich frage daher nochmal etwas genauer: woran machen wir fest, wen Goscinny meint, wenn da Goten vorkommen? Traditionell wird das von niemandem behauptet und eher zwischen den Zeilen als selbstverständlich hingenommen, dass das Deutsche sind. Kann es sein, dass auch Goscinny die Goten als ein obskures Ur-Volk aller anderen beschreibt? Die Goten werden als sehr einflussreich auf die Kultur der Spanier beschrieben. Die aber ja ihren eigenen Asterixband bekommen haben und dabei gar nichts mit den Goten gemein haben. Eher mit den Korsen. Kann es sein, dass Goscinny gar keine Lust hatte, Deutschland im Asterix darzustellen, aus leicht nachvollziehbaren Gründen?
Die Goten siedeln östlich von Gallien in Germanien (steht auf dem Schild am Grenzübergang), also ist schon klar, wer gemeint ist. Auch Dialoge wie "Sie werden sich noch jahrhundertelang untereinander bekämpfen... also kommen sie nicht auf die Idee, ihre Nachbarn anzugreifen" sind doch ziemlich eindeutig. Nicht zu vergessen die gotischen Dialoge in Frakturschrift und das nazihafte Banner, über dem Cholerik in der Arena thront.
Bis 2013 fluchte Rhetorik auch noch wie im Original per Hakenkreuz, dann wurde dasselbe durch eine Faust ersetzt. Auch in "Asterix als Legionär" ist das Hakenkreuz zu sehen, genialerweise aber nur in der Sprechblase des Dolmetschers, der für den gotischen Legionär die Flüche des Zenturios übersetzt! In der MV-Comics-Version von 1969 ist das Hakenkreuz noch zu sehen, im Ehapa-Album von 1971 dann schon nicht mehr. Das alles ist bei Comedix sauber dokumentiert:
https://www.comedix.de/pinboard/viewtopic.php?p=72478
Also es ist schon eindeutig, wer mit den Goten gemeint ist.
Manchmal wundere ich mich etwas…
Goscinny und Uderzo verarbeiten ja in fast allen ihren Werken Klischees und Stereotypen verschiedener Völker, Römer, Deutsche, Spanier, Engländer… und das eben mit diesem typischen Humor der beiden Autoren.
Na klar macht man sich bei den Goten über Nazi und Kaiserdeutschland lustig, eindeutiger geht es doch nicht.
Ich denke mal außer Höcke und Gefolge muss sich da keiner aktuell angesprochen fühlen.
Zur Zeit der Erscheinung aber sicher schon, bedenkt man wie heimelig es sich doch viele der Altnazis in der BRD eingerichtet hatten.
Ja klar sind das die Deutschen im 3. Band, kein Zufall daß der in der Ehapa Veröffentlichungsfolge, als bei den frühen Alben noch nicht chronologisch veröffentlicht wurde, als Letzter der Frühen erschien.
Vor allem ist auffällig daß, abgesehen von den Römern, die Deutschen die einzig Nation ist die nicht liebevoll veralbert wird, die nicht insgesamt positiv dargestellt wird, also die Einzigen die durchweg negativ porträtiert werden. Nun ja, der Krieg lag noch nicht lange zurück ...
Da wir gerade über Goten sprechen, möchte ich die Gelegenheit nutzen um eine ernsthafte Frage zu stellen. Ich war stets der Meinung, dass die grosse Zeit der Goten einiges vor Asterix stattfand.
Oder anders gesagt, bereits um die Zeit von Asterix und Obelix in Gallien war das Land im Osten bereits „Germanien“. Somit hätten die Goten Germanen sein sollen.
Sehe ich das falsch?
Von Goscinny und Uderzo gibt es auch noch einen Asterix-Dreiseiter, der 1977 im "Stern" erschienen ist. Dort werden erneut die dämlichsten Teutonen-Klischees verbraten.
Sieh an, bei den Goten hört der Spaß auf. Seltsam.