Lost Johnny
08.12.2001, 15:57
Vanishing Point
Es gibt zwei Filme dieses Titels, einer davon ist - wie sollte es anders sein - ein Remake des anderen. In den deutschen Titeln unterscheiden sie sich allerdings: Das Original heißt "Fluchtpunkt San Franzisko", das glattgebügelte TV-Remake "Höllenjagd nach San Francisco".
Das Original stammt von 1971, mit Barry "Petrocelli" Newman in der Hauptrolle. Der Film handelt von einem heruntergekommenen Kurierfahrer namens Kowalski, der ohne besonderen Grund wettet, innerhalb einer kurzen Frist einen weißen '70er Dodge Challenger nach San Francisco zu überführen, und ist streckenweise schon beinahe surrealistisch zu nennen. Kowalski, der quasi permanent unter Amphetamin-Einfluß steht, kommt bei seinem Vorhaben natürlich schnell mit der Polizei in Konflikt (vielleicht ist dieser Film das Vorbild für die Gumball-/Cannonball-Rennen und -Filme, die Ende der 70er und anfangs der 80er leider mehr und mehr in den Klamauk abdrifteten; und Smokey and the Bandit hätte es ohne ihn vielleicht auch nie gegeben ...) und trifft auf seiner Flucht mit zahlreichen anderen seltsamen Figuren am Rande der amerikanischen Gesellschaft seiner Zeit zusammen: Mitten in der Wüste begegnet er Schlangensammlern, fanatischen Hippie-Christen und Einsiedler-Rebellen, die seinen Trip mehr oder weniger wohlwollend unterstützen. Eine weitere wichtige Rolle spielt ein blinder, schwarzer Radio-DJ (als ob eine Minderheitenzugehörigkeit nicht genug wäre ... ;) ), der mit seinem Piratensender in erster Linie wirklich hervorragende Musik auflegt, aber auch dank des abgehörten Polizeifunks Kowalskis Reise dokumetiert, als sein *ähem* spiritueller Berater fungiert und ihn nebenbei zu einer Art Volksheld gegen die Staatsgewalt stilisiert.
Kowalski stirbt schließlich als Märtyrer für den Freie Fahrt für freie Bürger-Gedanken, indem er mit Höchstgeschwindigkeit (und mit voller Absicht) in zwei von der Polizei als Straßensperre aufgestellte Bulldozer rast. Dadurch (und durch den wie erwähnt guten Rock & Blues-Soundtrack) erhielt der Film in Motoristen-Kreisen einen enormen Kultstatus, der in diesem Ausmaß sicher nicht gerechtfertig ist. Eine gewisse unikale Ausstrahlung kann man Vanishing Point aber keinesfalls absprechen.
Der Kowalski des Remakes von 1996 (Viggo Mortensen; demnächst sicher sehr berühmt als Aragorn im Herrn der Ringe) macht ebenfalls Überführungsfahrten und sitzt wie sein Vorbild in einem weißen '70er Challenger. Diesmal hat man ihm jedoch einen Vornamen gegeben ("Jim") und einen Grund für seine überhöhte Geschwindigkeit ins Drehbuch geschrieben: Seine am anderen Ende des Landes im Hospital liegende Frau hat überraschend die Wehen bekommen, und es zeichnen sich Komplikationen bei der Geburt ab. Kowalski ist also durch und durch der Gute - ergo langweilig. :rolleyes:
Dazu wird noch eine Privatfehde mit einem ebenfalls Muscle Car-bewehrten, reaktionären Sheriff (für Interessierte: '68er Dodge Charger) eingeführt, und die surrealen Momente entfallen gänzlich. Der DJ ist zwar auch da, spielt aber einerseits schlechtere Musik und andererseits mehr die Rolle des Kommentators, der für den von den Produzenten als dumm eingeschätzten Zuschauer die Geschehnisse ausdeutet, da Kowalski diesmal selbst den Polizeifunk abhört und für seinen Heldenstatus eher CNN verantwortlich zu machen ist. Kowalskis Tod findet ähnlich wie in der Vorlage statt - diesmal jedoch, weil er vom Tod seiner Frau erfahren hat und in seinem Leben keinen Sinn mehr sieht.
Fazit: Das Remake ist dank der Bemühungen, die zugegebenermaßen leicht verwirrenden Ecken und Kanten der Vorlage auf der Hobelbank der political correctness abzuschleifen, gründlich daran gescheitert, ein auch nur annähernd würdiger Nachfolger zu sein. Ein paar alte Autos mit dicken Motoren machen allein noch längst keinen guten Film für die PS-Community ...
Ach ja, es ist wohl überflüssig, zu erwähnen, daß die Frau, die im Remake in Bikinioberteil und Hotpants eine Motorradfahrt durch die Wüste unternimmt, im Original splitterfasernackt war.
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Kleiner Nachtrag: Dieser Beitrag hat lange Zeit auf meiner Festplatte geschlummert, da ich davon ausgehe, daß die meisten diese beiden Filme nicht kennen (und sich demnach vermutlich auch nicht sonderlich für sie interessieren). Ich habe ihn jetzt doch noch ins Forum gestellt, und zwar aus zwei Gründen: Erstens hat der Name Viggo Mortensen ja derzeit eine gewisse Aktualität, und zweitens habe ich schon so lange nichts mehr geschrieben, was über einen Einzeiler hinausgeht ... ;)
Der angedeutete Konflikt zwischen political correctness und Qualität darf hier allerdings auch gern weiterdebattiert werden.
Es gibt zwei Filme dieses Titels, einer davon ist - wie sollte es anders sein - ein Remake des anderen. In den deutschen Titeln unterscheiden sie sich allerdings: Das Original heißt "Fluchtpunkt San Franzisko", das glattgebügelte TV-Remake "Höllenjagd nach San Francisco".
Das Original stammt von 1971, mit Barry "Petrocelli" Newman in der Hauptrolle. Der Film handelt von einem heruntergekommenen Kurierfahrer namens Kowalski, der ohne besonderen Grund wettet, innerhalb einer kurzen Frist einen weißen '70er Dodge Challenger nach San Francisco zu überführen, und ist streckenweise schon beinahe surrealistisch zu nennen. Kowalski, der quasi permanent unter Amphetamin-Einfluß steht, kommt bei seinem Vorhaben natürlich schnell mit der Polizei in Konflikt (vielleicht ist dieser Film das Vorbild für die Gumball-/Cannonball-Rennen und -Filme, die Ende der 70er und anfangs der 80er leider mehr und mehr in den Klamauk abdrifteten; und Smokey and the Bandit hätte es ohne ihn vielleicht auch nie gegeben ...) und trifft auf seiner Flucht mit zahlreichen anderen seltsamen Figuren am Rande der amerikanischen Gesellschaft seiner Zeit zusammen: Mitten in der Wüste begegnet er Schlangensammlern, fanatischen Hippie-Christen und Einsiedler-Rebellen, die seinen Trip mehr oder weniger wohlwollend unterstützen. Eine weitere wichtige Rolle spielt ein blinder, schwarzer Radio-DJ (als ob eine Minderheitenzugehörigkeit nicht genug wäre ... ;) ), der mit seinem Piratensender in erster Linie wirklich hervorragende Musik auflegt, aber auch dank des abgehörten Polizeifunks Kowalskis Reise dokumetiert, als sein *ähem* spiritueller Berater fungiert und ihn nebenbei zu einer Art Volksheld gegen die Staatsgewalt stilisiert.
Kowalski stirbt schließlich als Märtyrer für den Freie Fahrt für freie Bürger-Gedanken, indem er mit Höchstgeschwindigkeit (und mit voller Absicht) in zwei von der Polizei als Straßensperre aufgestellte Bulldozer rast. Dadurch (und durch den wie erwähnt guten Rock & Blues-Soundtrack) erhielt der Film in Motoristen-Kreisen einen enormen Kultstatus, der in diesem Ausmaß sicher nicht gerechtfertig ist. Eine gewisse unikale Ausstrahlung kann man Vanishing Point aber keinesfalls absprechen.
Der Kowalski des Remakes von 1996 (Viggo Mortensen; demnächst sicher sehr berühmt als Aragorn im Herrn der Ringe) macht ebenfalls Überführungsfahrten und sitzt wie sein Vorbild in einem weißen '70er Challenger. Diesmal hat man ihm jedoch einen Vornamen gegeben ("Jim") und einen Grund für seine überhöhte Geschwindigkeit ins Drehbuch geschrieben: Seine am anderen Ende des Landes im Hospital liegende Frau hat überraschend die Wehen bekommen, und es zeichnen sich Komplikationen bei der Geburt ab. Kowalski ist also durch und durch der Gute - ergo langweilig. :rolleyes:
Dazu wird noch eine Privatfehde mit einem ebenfalls Muscle Car-bewehrten, reaktionären Sheriff (für Interessierte: '68er Dodge Charger) eingeführt, und die surrealen Momente entfallen gänzlich. Der DJ ist zwar auch da, spielt aber einerseits schlechtere Musik und andererseits mehr die Rolle des Kommentators, der für den von den Produzenten als dumm eingeschätzten Zuschauer die Geschehnisse ausdeutet, da Kowalski diesmal selbst den Polizeifunk abhört und für seinen Heldenstatus eher CNN verantwortlich zu machen ist. Kowalskis Tod findet ähnlich wie in der Vorlage statt - diesmal jedoch, weil er vom Tod seiner Frau erfahren hat und in seinem Leben keinen Sinn mehr sieht.
Fazit: Das Remake ist dank der Bemühungen, die zugegebenermaßen leicht verwirrenden Ecken und Kanten der Vorlage auf der Hobelbank der political correctness abzuschleifen, gründlich daran gescheitert, ein auch nur annähernd würdiger Nachfolger zu sein. Ein paar alte Autos mit dicken Motoren machen allein noch längst keinen guten Film für die PS-Community ...
Ach ja, es ist wohl überflüssig, zu erwähnen, daß die Frau, die im Remake in Bikinioberteil und Hotpants eine Motorradfahrt durch die Wüste unternimmt, im Original splitterfasernackt war.
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Kleiner Nachtrag: Dieser Beitrag hat lange Zeit auf meiner Festplatte geschlummert, da ich davon ausgehe, daß die meisten diese beiden Filme nicht kennen (und sich demnach vermutlich auch nicht sonderlich für sie interessieren). Ich habe ihn jetzt doch noch ins Forum gestellt, und zwar aus zwei Gründen: Erstens hat der Name Viggo Mortensen ja derzeit eine gewisse Aktualität, und zweitens habe ich schon so lange nichts mehr geschrieben, was über einen Einzeiler hinausgeht ... ;)
Der angedeutete Konflikt zwischen political correctness und Qualität darf hier allerdings auch gern weiterdebattiert werden.