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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie vertreibt man eigentlich ein Fanzine?



Leviathan 64
22.06.2007, 17:19
hallo,
nehmen wir mal an, ich hätte mein Comicheft

http://www.movingtargets.de/titel-72Kopie.html

http://www.movingtargets.de/seite2..html

(könnte auch ganz anders ausehen)
in guter Qualität vorliegen...die Druckkosten sind
noch immer nicht unerheblich...wie bringe ich es nun unter die Leute?
Verwandte und Bekannte, so heist es,wollen auch am liebsten ein Freiexemplar...haben...ich kann es auf meiner Homepage anbieten..vermute aber mal das sich die Anzahl der Besteller in Grenzen hält..
und sonst? Comicläden abklappern? Nehmen die dergleichen überhaupt an?
also einige erwecken nicht gerade den Eindruck...
Sollte man eigentlich eine bestimmte Zielgruppe im Auge haben?
Eure Erfahrungen würden mich wirklich interessieren!!
freundlicher gruss

Peter L. Opmann
22.06.2007, 21:23
Hätte schon beinahe gesagt: Such Dir einen potenten Sponsor aus der Pharmaindustrie. Dann hab ich mir Deine Seite 3 angesehen.

Also ernsthaft: Es gibt kaum Fanzines, die sich gut verkaufen. Im Moment gibt's nur "Hammerharte Horrorschocker" (siehe auch "Weißblech Verlag"), was es in den Pressegrosso, das heißt an die Kioske geschafft hat. Und das ist eigentlich die einzige Lösung für das Vertriebsproblem. Wenn es Dir darum geht, ein Geschäft zu machen, mußt Du Dich auch fragen: Wie komme ich mit meinem Magazin an den Kiosk (dafür braucht man jedenfalls eine Mindestauflage, durchgängig Farbdruck und ein Magazin, dem man ansieht, daß sich viele Leute dafür interessieren)?

Ich mache selbst auch ein Fanzine und denke andersrum: Was will ich publizieren? Welche Comics gefallen mir, welche will ich gedruckt sehen (in meinem speziellen Fall heißt das allgemein: Comics und Grafik von Amateuren)? Ich habe ungefähr 70 Abonnenten, wobei permanent welche abspringen und neue hinzukommen. Aber das bewegt sich in einem so überschaubaren Rahmen, daß ich mit Drucken und Postversand nur geringfügige Verluste mache. Und das ist es mir wert. Wenn man Anzeigen akquiriert (siehe oben), kann man vielleicht sogar mit Plusminus-Null rauskommen.

Wenn Du noch gar keine Leser hast, mußt Du die Dir suchen auf Comicmessen oder durch Anzeigen in Comicmagazinen oder durch Mundpropaganda. Manche verkaufen ihre Fanzines auch auf Rockkonzerten und ähnlichen Szeneveranstaltungen. Das ist freilich eine mühsame Arbeit, und die Käufer und Abonnenten werden nur ganz allmählich mehr. Ich für meinen Teil will aber gar nicht mehr Hefte unter die Leute bringen als die 150, die ich pro Ausgabe drucke. Dann wäre es ja keine Nebenbei-Beschäftigung mehr.

Leviathan 64
23.06.2007, 12:15
vielen Dank für die umfassende Info
ich kann also Comic/PLattenläden so ziemlich ausschließen,
auch wenn mein Produkt deutlich bessere Qualität liefert
als ein paar zusammengetackerte S/W Kopien?
weil die Ladenbesitzer sich auf dergleichen gar nicht einlassen?
Ist klar, dass man kaum gewinn macht.. nur allzuviel draufzahlen
möcht ich auch nicht.. und Vorstellung von Heftstapeln die nur platz rauben
weil sie nicht an die leute kommen gefällt mir halt am allerwenigsten

Peter L. Opmann
23.06.2007, 15:28
Den Aspekt Comicläden habe ich ausgelassen. Aber meine Erfahrung ist schon, daß die meisten ihr Sortiment gestrafft haben und häufig keine Fanzines mehr annehmen, auch nicht auf Kommission.

Bliebe aber immer noch das Problem, wer die Läden alle beliefert und anschließend die Verkaufserlöse einsammelt. Comicvertriebe machen das zwar grundsätzlich schon, aber da kommt man mit einem Fanzine auf jeden Fall auch nicht auf einen grünen Zweig.

FilthyAssistant
23.06.2007, 15:44
bekanntheit kann dir auf jeden fall die rubrik "handgetackert" in der comixene geben. vermutlich musst du da nur ein paar freiexemplare hinschicken, dann wird das heft rezensiert und evtl. auch auf deine homepage hingewiesen.

zumindest für lokale bekanntheit könnte dir eventuell auch eine kleine release-party in einer szene-kneipe, oder vielleicht eine signieraktion in einem/mehreren orten in deiner näheren umgebung helfen oder auch messen/börsen, vielleicht nicht gleichvon der größe erlangen/münchen, sondern mehr a la "heftich".

das alles hilft dir natürlich nur für einzelne hefte und, aber sicher nur im ganz überschaubaren rahmen, für die "backlist". langfristig gesehen sind sicher abonnenten, wie von herrn "PlOp" ;) erwähnt, das einzig wahre. aber auch die musst du ja erstmal ansprechen - eben zB mit oben genannten veranstaltungen.

(wohlgemerkt, mach ich hier grad den navigator: viel reden & schlaue ideen haben, aber nix davon is auf praxistauglichkeit getestet. hab selbstpersönlich noch kein fanzine rausgegeben :weissnix: :D)

Peter L. Opmann
23.06.2007, 16:48
bekanntheit kann dir auf jeden fall die rubrik "handgetackert" in der comixene geben.

...wenn mal wieder ein "Handgetackert" erscheint. Dein Wort in Martin Jurgeits Ohr! Zumindest hat er mir versichert, die Rubrik sei nicht eingestellt. Aber die letzte erschien, wie ich das sehe, in CX # 92.

Mick Baxter
23.06.2007, 23:07
An den Kiosk "schafft" man es nicht, das ist eine Entscheidung des Verlegers (siehe auch hier (http://www.comicforum.de/comicforum/showpost.php?p=2532348&postcount=80)). Das kostet aber eine Menge Geld, da eine sehr hohe Auflage gedruckt werden muß, die nicht verkauften Exemplare vernichtet werden und für die verkauften nur sehr geringe Gewinnspannen anfallen (Zeitschriften leben eigentlich von den Anzeigen, nicht vom Verkaufserlös). Für Fanzine also schlichtweg Unfug.
Comicläden nehmen zwar im Prinzip auch Fanzines (die Erfahrung spricht allerdings zunehmend dagegen), das Problem ist aber der Vertrieb. Der verlangt fürs Vertreiben (eine Akquise findet dabei nicht statt) 50-60% des Verkaufspreises. Da bleiben bei den meisten niedrigauflagigen Publikationen nicht mal die Druckkosten.

Der ICOM hat einen kleinen Etat von 700 Euro für Anzeigen in Fanzines. Die müssen sich allerdings beim Verband melden.

Remory
24.06.2007, 06:33
Ich denke auch, das Comicläden nur bedingt bereit sind Fanzines auf Kommisionsbasis anzunehmen, es sei denn man passt thematisch in das Ladenkonzept hinein, wie das bei dem Berliner Fanzine "Mosa-icke" der Fall war. Das hatte ganz eindeutig eine bestimmte Zielgruppe und war außerdem an eine Art Clubmitgliedschaft gebunden. Die Mitgliederzahl schwankte so zwischen 80 und 100 zahlenden Mitgliedern und war eine stabile Grundlage für einen Teil der Druckkosten. Der andere Teil der Kosten wurde durch Freiverkauf über eine entsprechende Homepage, über ebay und über einen Berliner Comicladen erzielt. Wobei bei der letzgenannten Möglichkeit, die Hefte zu einem geringeren Preis (etwa 40 % weniger) abgegeben werden mussten. Aber bei 30-50 Heften lepperte sich das wieder.
Das schwierigste am Anfang ist es sein Fanzine erst einmal bekannt zu machen. Die Leser stürzen sich da nicht gleich rauf, sondern warten ab, ob das Produkt nicht eine Eintagsfliege bleibt. Beim "Mosa-icke" war das ähnlich. Erst nachdem die Leser merkten, das es mit schöner Regelmäßigkeit weiter ging, stabilisierte sich auch die Käuferschaft. Viele Neueinsteiger kauften dann auch die alten Ausgaben und es wurde zum Schluss immerhin ein recht hoher Preis von 10 Euro für ein 32seitiges Heft akzeptiert. Gewinne haben wir trotzdem nicht eingefahren. Es blieb immer nur das Geld für den nächsten Druck.:D

Remory
24.06.2007, 06:35
gelöscht, wegen Doppelposting.

Leviathan 64
25.06.2007, 16:46
Klasse...so viel info....gleich schnappschüsse gemacht habe..
für mich sollte ein Fanzine eigentlich bemüht sein inhaltlich + formell
Neuland zu betreten..der Kiosk, der ja meistens nicht einmal "bekannte"
Comix führt kommt also weniger in Frage..
mir wärs halt schon am liebsten die möglichen Käufer könnten sich die Sache
kurz anschauen + dann einfach kaufen..
klasse wäre es natürlich auch wenn man gute Qualität günstiger als die grossen Verlage anbieten könnte(Comix sind nun mal ziemlich teuer!!)
Ich hab in diesem Unterforum schon Fanzines gesehen die wohl so dem Punk/Independent etc Umfeld zuzuordnen sind..so für 1.90 frage mich allerdings gibts denn da noch überhaupt eine lebendige Szene?
freundllicher gruss