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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Liebe zum Detail | Diskussion



Timon
04.03.2007, 00:14
Wir befinden uns in einem Disney-Trickfilm-Forum und nennen uns alle Disneyfans. Doch was ist eigentlich ein Disney-Trickfilm? Ich frage nicht nach einer Definition, sondern nach der Konsistenz. Was genau ist ein Zeichentrickfilm? Was genau ist Filmkunst? Ist es eine bestimmte Zeit, die wir vor dem Fernseher oder Popcorn kauend im Kino verbringen, uns amüsieren und danach wieder in den Alltag einsteigen.
Ich habe mir neulich eine Pizza bestellt. Und als ich sie gegessen habe, hat sie nach Pizza geschmeckt. Wer ist sich aber dabei noch bewusst, welche verschiedenen Zutaten dazu beschafft werden müssen? Wie viele Arbeitsschritte allein im Teig stecken?
Das war jetzt vielleicht ein blödes Beispiel, aber übertragen wir es einmal auf den Zeichentrickfilm. Wo treffen so viele Kunstformen zusammen wie hier? Bildende Kunst, Musik, Literatur, darstellende Kunst ... und neben Kunst auch noch Technik.
Wir sagen immer die Animation ist toll/schlecht. Animation sind aber tausend Bilder. Aber es fänft schon viel früher an. Vom Storyboard über das Grob-und Feinzeichnen bis zur fertigen Animation sind viele Künstler am Werk. Und oftmals werden Modelle extra angefertigt, die als Vorlage dienen. Außerdem ist eine Story wichtig. Ein Drehbuch muss entstehen, meistens sind mehrere Schreiber tätig. Und auch ein Drehbuch wird nicht so einfach runtergeschrieben. Eine klare Handlung ist ebenfalls so wichtig wie die einzelnen Dialoge. Auch die Songtexte müssen gedichtet werden. Hier kommt hinzu, dass der Text in verschiedene Sprachen übersetzt werden muss, inhaltlich, lippensynchron und rhythmisch. Was wären Disneyfilme ohne Musik? Ich rede nicht nur von den Musicalfilmen, wo Sänger mitwirken, auch ein Soundtrek besteht aus vielen Noten. Nicht nur die Sprecher und Synchronsprecher sind Schauspieler, sondern genaugenommen auch die Zeichner, die Bewegungen vom menschlichen Körper aufs Papier übertragen.
Aber wie viel ist uns davon bewusst, wenn wir einen Film sehen? Achten wir nur auf den Gesammteindruck oder versuchen wir zu verstehen warum er so gut ist? Oder versuchen wir es bewusst nicht, weil man dann den Film gar nicht mehr genießen kann? Ich weiß es nicht.
Wenn Schneewittchen durch den Wald rennt, erkennen wir die Surrealität, die verschiedenen Tricks der Künstler und die Farben, die die Stimmung geben. Warum finden wir Bambi so niedlich? Achten wir darauf, dass die Künstler die Gesichtszüge von Kindern auf die Tiere übertragen haben? Wann Sprechen wir von einem guten Schauspielern? Reicht eine markante Stimme oder achten wir darauf, wann er mit der Stimme hoch und runter geht, schneller wird etc.. Sind wir uns bewusst, dass wir bei einer Synchronisation nur einen Teil der von den Schöpfern gewollten Aussage hören? Und das man mit einer Sprache nicht exakt das sagen kann, was eine andere wieder gibt?
Ist es lobenswert oder pingelig, wenn man so anspruchsvoll ist? Inwieweit sehen wir Filme überhaupt noch als Kunst? Oder sind sie reine Unterhaltung? Sicher muss das jeder für sich selbst beantworten.
Fragen über Fragen, ...

Sir Donnerbold
04.03.2007, 09:18
Bei mir ist diese Suche nach der Liebe zum Detail, das Filmverständnis als akribische Kunstform und somit mein Selbstverständnis als leidenschaftlicher Betrachter von durchaus auch sehr anspruchsvoller Kunst von Film zu Film unterschiedlich. Dies gilt für Filma allgemein und natürlich auch für die Disney-Filme.

Bei jedem Film ist es mir allerdings zunächst wichtig, dass er mich unterhält. Wenn er dies nicht erfüllt, dann sehe ich die Zeit, die ich mit ihm verbracht habe als verschwendet an. Ich muss dabei jedoch hinzufügen, dass mich Dramen und Dokumentationen ebenso unterhalten können wie Komödien oder Actionfilme. Man sagt ja bei Gesprächen schließlich nicht umsonst unabhängig vom Inhalt, man habe eine Unterhaltung geführt. Es ist gleich, ob man sich zu zweit über das rosa Pullöverchen seiner Sitznachberin lustig machte oder aber die soziokulturellen Probleme immigrierter Amerikaner diskutiert.
Laut Kommunikationsmodell findet bei jeder Art von Text oder Bild ebenfalls eine Unterhaltung statt. Der Sender möchte dem Empfänger etwas vermitteln... Das kann ernst, aber auch kurzweilig sein.
Und so kann mich Scary Movie genauso unterhalten wie Citizen Kane.

Hat ein Film es über diese Hürde der Pflicht zur Unterhaltung geschafft entscheidet sich, ob ich auch auf das Detail achte (und darauf wie sehr) oder ob das Gesamturteil das einzige bleibt (und dabei die Story gesondert gewichtet wird).

Wie sich dies entscheidet kann ich selber nicht sagen. Aber sicher ist, dass es mehrere Stufen gibt: Manche Filme sehe ich im Grunde genommen auch nur zur Unterhaltung, jedoch achte ich besonders auf ein Element, dass mir sehr gefiel. Meistens ist es die Darstellung eines Schauspielers oder die Musik im Hintergrund. Bei Trickfilmen lässt sich die Darstellung mit der Charakteranimation gleichsetzen, aber auch mit einer herausragenden Sprecherleistung.

Etwas mehr auf das Detail achte ich bei Zeichentrickfilmen vor allem dann, wenn sie mir besonders gefallen haben und ich sie schon öfter gesehen habe. Da achte ich immer mehr auf die Farbgebung einer Szene und manchmal auch auf die Kameraführung. Hintergrundwissen ist in diesem Falle sehr förderlich, denn ältere Zeichentrickfilme haben ja aus heutiger Sicht eher weniger beeindruckende Kamerafahrten, doch mit dem nötigen Hintergrundwissen sind sie umso beeindruckender.

Bei manchen Filmen schließlich schaltet sich bei mir ein kleiner Hebel um, und ich sehe sie bei manchen Sichtungen sehr kunstanalytisch. Ob zum Beispiel Der König der Löwen oder Der Schatzplanet, manchmal muss ich einfach jede längere Einstellung genauer begutachten. Ich kann diese Filme jedoch genauso gut nur zum Spaß gucken. Doch es ist auch geschehen, dass ich solche Filme nur geguckt habe, um auf die Kamerafahrten zu achten.

gaaleks
04.03.2007, 12:29
Ich denke, dass einem beim betrachten eines Films die vielen Details oft nicht auffallen.
Aber,sind die Details gut gemacht, macht dies, einen guten Film aus...ein gutes Beispiel hierfür ist "Titanic" .Hier lebt der Film zum größten Teil von den üppigen und überaus realistisch dargestellten Details.

Wie schon gesagt gehören eine ansprechende Textverfassung, gute Synchronstimmen, eine, die Menschen berührende Story und gute und passende Musik bzw. Lieder die Ohrwurmcharakter haben, dazu.
Ich denke, dass gilt für jeden Film, gleich ob Spielfilm oder Zeichentrickfilm.

Allerdings gibt es auch Ausnahmen.
Hier nenne ich mal "Die Bettwurst".
Ein grausam und primitiv gemachter Film, der, wie mein Sohn immer sagt, soo blöd ist, dass er schon wieder sehenswert ist...miese Story, miese Schauspieler, Texte auf unterstem Niveau, ohne ansprechende Musik.
Aber gegen alle Logik der guten Filmkunst ist er ein Kultklassiker geworden.

Wild Bill Kelso
05.03.2007, 00:20
Beim Film ist es wie beim Kochen. In dem fertigen Produkt findet man nicht jede Zutat wieder heraus. Aber man bemerkt in der Regel wenn von irgendetwas zu viel oder zu wenig vorhanden ist, weil das dann den eigenen Geschmack stört. Auch ein Dinner im Sternerestaurant muß mir subjektiv nicht besser schmecken als Mutters Eintopf.
Und das Wissen, wie etwas gemacht wird, ist zum Genießen auch nicht erforderlich. Meine Frau und ich hatten zur Hochzeit einen Rolls Royce mit Chauffeur spendiert bekommen. Aber habe ich mir da Gedanken gemacht von welchen Tieren das Leder war, auf dem wir saßen? Interessierte mich der Spritverbrauch oder der Umstand, dass diese Autos in Handarbeit hergestellt werden? Oder habe ich einfach nur das Gesamtpaket genossen?

Dinah
05.03.2007, 09:13
Ich bin jedes mal fasziniert davon wie viele eigentlich an so einem Film arbeiten. Egal ob es Zeichentrick oder Realfilm ist. Ich seh mir gerne den Abspann an, weil man da erst die Fülle der Menschen sieht, die daran mitarbeiten.
Mich interessiert sowieso unheimlich was immer hinter dem Film steckt. Deswegen schau ich mir auch immer gerne Making Of's an.
Bei Disneyfilmen ist das besondere, dass sie so eine unglaublich lange Entwicklungsphase haben und da soviel Ideen und Gedanken drin stecken. Also zumindest bei den älteren Filmen.
Also ich denke gerne über die Details eines Films nach. Sei es schauspielerische Leistung, Musik, Ton, Kameraführung, Hintergründe und und und..
Aber das mach ich natürlich schon erst beim zweiten oder dritten Mal, wenn ich einen Film anschaue.

Oliver_L
06.03.2007, 14:50
In diesem Zusammenhang kann man wohl mal den Wagner'schen Begriff des Gesamtkunstwerkes auf die (klassischen) Disney-Filme anwenden: Erst alle Komponenten wie Zeichnungen, Regie, Text, Sprecher, Musik usw. zusammen ergeben das Gesamtkunstwerk, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Was ich bei Disney dabei besonders bewundere (besser vielleicht: bewundert habe), ist die Stilsicherheit: Jeder der großen Filme hat seinen eigenen, höchst eigenständigen Stil. Das ist nur selten so auffallend wie etwa bei "Dornröschen"; meistens registriert man es erst, wenn man etwa Figuren oder Szenen aus verschiedenen Filmen nebeneinander sieht: So würde etwa eine Figur aus "Aladdin" in "Schöne und das Biest" schon optisch völlig deplatziert wirken, und umgekehrt, um ein beliebiges Beispiel zu nennen. Innerhalb der einzelnen Filme herrscht dagegen eine erstaunliche Stilreinheit.

Um ein Beispiel für fehlende Stilsicherheit zu nennen: Da fällt mir auf Anhieb (leider!) Don Bluth's letzter Film "Titan A.E." ein, wo comicartige Elemente, relativ realistische Figuren und aufwendige Computeranimationen unintegriert nebeneinander auftauchen.
:p