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Mark O. Fischer
13.03.2006, 15:08
Ein Satz aus COMIXENE 92 geht mir nicht aus dem Kopf:
"Hier bestätigte sich mehr als eindrücklich, dass neue Leserschichten kaum noch vom Fachhandel erreicht werden können."
Woran liegt das und wie kann man das ändern? Oder soll man das so hinnehmen und was wären die Konsequenzen?
Der Comic-Fachhandel ist doch entstanden, weil das wachsende Comic-Angebot vom Buchhandel nicht mehr umfassend aufgenommen werden konnte. Daraufhin schrumpften die Comic-Abteilungen in den Buchhandlungen. Wenn der Fachhandel jedoch keinen Nachwuchs anlockt, wird der Comic-Markt insgesamt schrumpfen. Und was heißt das für die Verlage, die auch für den Nachwuchs produzieren wollen? "Buchhandel als Rettung" funktioniert aus dem Fachhandel-Entstehungsgrund nur begrenzt für Ausnahme-Titel, die meistens auch nur für Erwachsene sind, die im Buchhandel danach fragen. Jugendliche in der Orientierungsphase fragen nicht gezielt, sondern schauen sich um, was es so gibt, entdecken gerne Sachen, von denen sie schon mal gehört haben. Doch wenn inzwischen schon sogar der Fachhandel teilweise nur noch auf Nachfrage bestellt, wo soll das hinführen?
Die Jugend muss in die Comic-Shops, wo sie nicht nur ein großes Angebot, sondern auch für sie interessante Titel finden (unabhängig von Format oder Herkunftsland).

Martin Jurgeit
13.03.2006, 16:39
Und was heißt das für die Verlage, die auch für den Nachwuchs produzieren wollen? "Buchhandel als Rettung" funktioniert aus dem Fachhandel-Entstehungsgrund nur begrenzt für Ausnahme-Titel, die meistens auch nur für Erwachsene sind, die im Buchhandel danach fragen.
Das betrifft aber lediglich den "klassischen" Albenbereich. Das Manga-Angebot führen inzwischen in aller Ausführlichkeit selbst Buchhandlungen, die noch vor zwei, drei Jahren so gut wie gar keine Comics im Angebot hatten. Und die Mangas liegen in den Buchhandlungen selbstverständlich für ein jugendliches Publikum aus und nicht für Erwachsene.

Wolle Strzyz
13.03.2006, 17:28
Das betrifft aber lediglich den "klassischen" Albenbereich. Das Manga-Angebot führen inzwischen in aller Ausführlichkeit selbst Buchhandlungen, die noch vor zwei, drei Jahren so gut wie gar keine Comics im Angebot hatten. Und die Mangas liegen in den Buchhandlungen selbstverständlich für ein jugendliches Publikum aus und nicht für Erwachsene.

Das stimmt! Gerade in Gesprächen mit "normalen" Buchhandelsazubis an der Buchhändlerschule bekomme ich immer wieder mit, dass sich Manga in Sortimentsbuchhandlungen - gerade auch in kleineren und mittleren Städten - ziemlich gut und vor allem bis zu einem bestimmten Grad von allein verkaufen, weil die Kids in der Regel genau wissen, was sie wollen. Also wären die Buchhandlungen ja blöde, wenn sie Manga nicht ins Sortiment nehmen würden, zumal sie die Käufer sonst ja nicht als Kunden hätten. Und damit fallen die mehr oder weniger für Comic-Fachbuchhandlungen weg. Jedenfalls solange sie Manga-Leser sind.

Was für die Manga-Verlage also durchaus wünschenswert ist, nämlich möglichst viele Verkaufsstellen (und damit höheren Absatz zu haben), ist gleichzeitig ein Nachteil für die Comicläden. Denn die Grenze verkaufter Comics ist endlich, das Geld ebenso, die Interessen sind nicht ausschließlich auf Comic-Lesen gerichtet.

Dazu kommt, dass viele der "älteren" Leser, die den klassischen Albenbereich eigentlich tragen sollten, einfach irgendwann mal aufhören zu kaufen, weil sie ihre Prioritäten verändern. Und dass es in diesem Bereich einen Nachwuchsmangel gibt, wissen wir ja nicht erst seit gestern. Aber das heißt natürlich nicht, dass wir das einfach so hinnehmen sollten...

JFK
13.03.2006, 20:36
Dass es mit den Mangas im Buchhandel gut läuft, finde ich ja klasse. Ich finde es bloß erschreckend, dass ich bei der Buchandlung um die Ecke außer Mangas bestenfalls noch den neuen Asterix im "Comicsortiment" finde und bei Nachfrage nach weiteren Titeln nur Achselzucken ernte.

SvenT
13.03.2006, 21:00
Hier in HH gibt es alle wichtigen Neuerscheinungen auch im Buchhandel. Neben den üblichen Mangas findet man auch "Sin City", Werke von Eisner, Satrapi und Co. dort, wo man auch seine Zeitschriften und Bücher kauft. Nicht unpraktisch.
Fachhandel, sprich Comicshop, benötigt man im Prinzip nur um Spezialitäten wie ausländische Comics, Comics von Kleinverlagen oder Vergriffenes zu erwerben. Und natürlich jede Menge Alben aus dem Ramsch. Letzteres schmerzt schon fast, wenn man sich den Preisverfall durch den Kopf gehen lässt.

Stefan
14.03.2006, 06:51
Oh? In Hamburg werden jede Menge tolle Alben zu Billigpreisen verramscht? Wo? Das interessiert mich. Der Normalpreis für Alben liegt nämlich mittlerweile in einem Bereich, der heftiges Auswählen notwendig macht. Wollte ich nur mal wieder erwähnt haben, hat ja länger niemand mehr gesagt! :D
Ich glaube aber weniger, dass Marks ursprüngliche Forderung "Nachwuchspublikum in die Comicfachhandlungen" so einfach funktionieren kann. Eher erfolgversprechend schiene mir "Alben dahin, wo der Nachwuchs einkauft". Für den Fachhandel sehe ich eigentlich nur diese Chance: Wenn Fachhändler beim neuen Publikum Erfolg haben wollen, müssen sie von diesem wahrgenommen werden können, und das wird vielen kaum möglich sein, schon allein von der Lage in den Städten her. Ausgehend von den Interessen des Nachwuchspublikums muss der Fachhandel dieses dann auch mittels jener locken. Und zwar muss er glaubwürdig vermitteln, dass es dort besser bedient wird als im Buchsupermarkt. Das ist eigentlich ein alter Hut: Der Fachhandel muss seine Beratungskompetenz ins Rennen werfen und auch damit werben, dass er ggf. Sachen beschaffen kann, die der Buchsupermarkt eben nicht hat. Dann stehen die Kiddies schon im Comicladen und sehen, dass Franka eigentlich auch etwas sehr feines ist. Im Idealfall. So könnte es jedenfalls funktionieren, muss aber nicht.

eis
14.03.2006, 09:31
@Stefan: Aber die junge Generation ist Internetberatung gewöhnt und hat nicht die Erfahrung, wie gut gute Beratung ist. Vor diesem Hintergrund kann die alte Rechnung gute Beratung = Geschäftserfolg funktionieren. Der Comichandel muss andere Wege gehen. Gute Beratung im Internet zum Beispiel durch Bücherlisten seiner Stammkunden vielleicht. Das breitere Angebot hat ohnehin der Buchsupermarkt im Internet, und das meistens ohne Versandkosten. Wie kriegt man also die Kunden in den Laden? Das heidelberger Fun-Fiction bietet sich für Comic-Treffen an und veranstaltet Manga-Zeichen-Wettbewerbe. Ich denke, das ist der richtige Weg, ob der aber Erfolg hat, wird sich noch zeigen müssen. Ich drück die Daumen!

jakubkurtzberg
14.03.2006, 13:30
Momentan kann ich mich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. Aber ich bin ja auch kein Händler...

Die letzten Exemplare von DAS SAGTE NUFF! Nr. 2 gingen vorhin an INFINITY. Damit ist auch das zweite Heft vergriffen.

1:1 Nachdruck (von denselben Druckplatten) für Ende Mai/Anfang Juni - zusammen mit Nr. 4 - in Planung.

L.N. Muhr
14.03.2006, 13:45
... ist aber auch die frage, wie hoch da die auflage war. und ob ein verleger von sowas leben könnte.

500 - 800 stück kriegt man direkt über den fachhandel wahrscheinlich von fast allem los.

Lola65
14.03.2006, 15:29
Ein Satz aus COMIXENE 92 geht mir nicht aus dem Kopf:
"Hier bestätigte sich mehr als eindrücklich, dass neue Leserschichten kaum noch vom Fachhandel erreicht werden können."
Woran liegt das und wie kann man das ändern? Oder soll man das so hinnehmen und was wären die Konsequenzen?



wenn sich wirklich was ändern soll, müssen verlage und fachhandel endlich hand in hand arbeiten und was aushecken. die art von großer werbung die ihre konkurrrenten (pc spiele, dvds usw.) eben auch machen. geld hin geld her.

auch aus der bild und faz aktion hätte man mehr draus machen müssen.

Huckybear
14.03.2006, 16:28
Der Comichandel muss andere Wege gehen.Wie kriegt man also die Kunden in den Laden? Das heidelberger Fun-Fiction bietet sich für Comic-Treffen an und veranstaltet Manga-Zeichen-Wettbewerbe. Ich denke, das ist der richtige Weg, ob der aber Erfolg hat, wird sich noch zeigen müssen. Ich drück die Daumen!

Denke das Produkt muss nur interessant ("hip") genug sein.

Mal eine Frage an die Kleinverleger :
Wären die denn "bereit" und "gerüstet" in die Bresche zu springen, wenn z.B ein Franka, Betelgeuze oder Golden City Film mit Erfolg in die Kinos kommen würde ?
Bei Sin City und Hellboy funktionierte so etwas ja bestens, bei From Hell und LOEG wohl eher mittelprächtig und bei Bluthochzeit, Jeremiah, Blueberry,Michel Vaillant und wohl auch Sky Fighter dagegen aus den unterschiedlichen Gründen ja wohl eher nicht.
Mir ist jetzt auch klar das europäische Produkte in Hollywood nicht so angesagt sind und entsprechend uninteressanter in den Medien bewertet werden.
Daran das ein Film kein Erfolg wird , dafür kann der jeweilige Verlag sicher nichts.
Er kann sich höchstens im Vorfeld bei der Selektion seiner Comics-Lizenzen auf seinen richtigen Riecher verlassen.
Aber kann er auch im Erfolgsfall einer tollen Steilvorlage als Kleinverleger auch immer etwas bei der Vermarktung tun ?
Meine eigentliche hypothetisch Frage ist dagegen auch : ob z.B ein Verlag wie Epsilon im seltenen Erfolgsfall einer gelungenen FB-Verfilmung, gewappnet wäre, diesen dann auch sofort und schnell ausnützen zu können.
(Logistik,Promotion,Produktion etc.).
Bei Cross Cult z.B klappt dies dagegen ja bereits vom Vorfeld der Comic-Auswahl des Programms bis zur End-Promotion ja bestens.

Eine andere Frage die sich mir immer stellt, wie schaffen es selbst kleine bis kleinste Buchverlage ,ganz im Gegensatz zu den Comicverlagen in den gut sortierten größeren Fachhandel zu kommen ?
Bei den klassischen Comics sind dagegen immer nur diegrößeren Verlage und vereinzelt Exoten die sonst nicht Comics vertreiben und Cartoon Bücher vertreten.
Liegt das wirklich immer nur alles nur an den Vertretern ?

Klassische Comics werden auch immer nur als Einzel-Event im Buchhandel wahrgenommen und gekauft.
Ein übergreifendes Kaufinteresse, über das eigentlich gekaufte Produkt hin zu ähnlichen, findet dagegen zu selten statt. So bleibt es nur beim neusten Asterix, Goethe, Schiller, Maus usw..
Ganz im Gegensatz zu den Manga, wo neben dem "In-Faktor" dieses Kaufinteresse so haufenweise praktiziert wird.

Das mit den Zeichner-Wettbewerben finde ich genauso wie Autorenveranstaltungen auch einen ein guter Ansatz für den Fachhandel.

L.N. Muhr
14.03.2006, 16:41
Mal eine Frage an die Kleinverleger :
Wären die denn "bereit" und "gerüstet" in die Bresche zu springen, wenn z.B ein Franka, Betelgeuze oder Golden City Film mit Erfolg in die Kinos kommen würde ?
Bei Sin City und Hellboy funktionierte so etwas ja bestens, bei From Hell und LOEG wohl eher mittelprächtig und bei Bluthochzeit, Jeremiah, Blueberry,Michel Vaillant und wohl auch Sky Fighter dagegen aus den unterschiedlichen Gründen ja wohl eher nicht.

eben: aus den unterschiedlichsten gründen.

die filmverleiher haben da wohl das wichtigere wort mitzureden.

bei LOEG und from hell hat es verkaufstechnisch ganz grossartig geklappt. nur mal so angemerkt.


Eine andere Frage die sich mir immer stellt, wie schaffen es selbst kleine bis kleinste Buchverlage ,ganz im Gegensatz zu den Comicverlagen in den gut sortierten größeren Fachhandel zu kommen ?

indem sie keine comics produzieren. wenn ich mir die geschichten anhöre, dass es praktisch unmöglich ist, einen craig thompson im buchhandel zu positionieren ...

eis
14.03.2006, 17:19
Der klassische Buchhändler wird während der Ausbildung zum Kulturbewahrer, und erst dann zum Händler ausgebildet. Comics sind aber leider für die meisten keine Kultur, und für den Händler nicht lukrativ genug. Somit nimmt der normale Buchhändler nur das in den Laden, was sich besondres gut verkauft (Stephen King und Mangas ;0), oder was kulturell Wertvolles - oder was er dafür hält. Und somit versinkt der Comic in der Unbekanntheit.

dinter3
14.03.2006, 17:21
Mal eine Frage an die Kleinverleger :
Wären die denn "bereit" und "gerüstet" in die Bresche zu springen, wenn z.B ein Franka, Betelgeuze oder Golden City Film mit Erfolg in die Kinos kommen würde ?
gerüstet schon, bereit nur bedingt.
bei zwerchfell geht es uns z.b. vorrangig darum, deutsche zeichner aufs gleis zu hieven. lizenzthemen sind da nicht von so hohem interesse.

Lola65
14.03.2006, 17:22
Der klassische Buchhändler wird während der Ausbildung zum Kulturbewahrer, und erst dann zum Händler ausgebildet. Comics sind aber leider für die meisten keine Kultur, und für den Händler nicht lukrativ genug. Somit nimmt der normale Buchhändler nur das in den Laden, was sich besondres gut verkauft (Stephen King und Mangas ;0), oder was kulturell Wertvolles - oder was er dafür hält. Und somit versinkt der Comic in der Unbekanntheit.

dann müssen die ausbilder zu comicfreaks umgepolt werden :D

L.N. Muhr
14.03.2006, 18:11
ein schöner satz.

aber bleiben wir sachlich, ich seh den navigator eh schon wieder um die ecke preschen.

eis hat leider völlig recht. und dieses "kulturbewahrertum" lässt sich nicht so einfach ausschalten. comic ist, egal, um was es geht, bäh & pfui. nur gut zum geldverdienen.

Mark O. Fischer
14.03.2006, 21:40
Mal eine Frage an die Kleinverleger :
Wären die denn "bereit" und "gerüstet" in die Bresche zu springen, wenn z.B ein Franka, Betelgeuze oder Golden City Film mit Erfolg in die Kinos kommen würde ?
Aber kann er auch im Erfolgsfall einer tollen Steilvorlage als Kleinverleger auch immer etwas bei der Vermarktung tun ?
Meine eigentliche hypothetisch Frage ist dagegen auch : ob z.B ein Verlag wie Epsilon im seltenen Erfolgsfall einer gelungenen FB-Verfilmung, gewappnet wäre, diesen dann auch sofort und schnell ausnützen zu können.
(Logistik,Promotion,Produktion etc.).Die über den Film berichtende Presse auf das Comic-Original aufmerksam zu machen, wäre sicher nicht das Problem, besonders wenn die Serie bereits komplett vorliegt. Am Nachdrucken und Ausliefern sollte die gestiegene Nachfrage auch nicht scheitern, das wäre ja noch schöner. Die Vertriebe für Fachhandel und Buchhandel funktionieren einwandfrei. Sollen die 100.000 Bestellungen pro Titel nur kommen! Problematisch würde es, wenn man in der Hoffnung auf den Mega-Erfolg zu viel produzieren und dann darauf sitzen bleiben würde.
Das richtige Timing ist alles. Sin City gab es ja auch schon bei Carlsen und Schreiber & Leser. Cross Cult hat die Rechte zur richtigen Zeit und profitiert von der originalgetreuen Verfilmung, die auch noch comicmäßig beworben wurde. Das schlimmste sind Verfilmungen, die so umgeschrieben werden, dass sie nur noch im entferntesten mit dem Original zu tun haben (Blueberry, Jeremiah). Und was nützen uns Verfilmungen, die wir hierzulande gar nicht zu sehen kriegen (Isnogud) oder deren Produktion gar nicht vollendet wird (Bob Morane)? Sollen die gelungenen FB-Verfilmungen nur kommen! Doch solange deren Vermarktung selbst nicht funktioniert, können die Comics davon auch nicht profitieren. Da ist selbst die rechtzeitige Entscheidung für eine Comic-Serie, die angeblich verfilmt werden soll, ein Risiko. Da bleibe ich lieber beim Auswahlkriterium Qualität. Wenn denn dann mal eine Serie, die man im Programm hat, mit Erfolg in die Kinos kommen würde, wäre das sicher ein Glücksfall, für den ich "bereit" und "gerüstet" wäre.

LeGuy
15.03.2006, 08:53
Mal ganz subjektiv aus meiner eigenen Erfahrung: Neuleser kriegt man nicht über den Fachhandel. In den Fachhandel geht man, wenn man was sucht (und sei es nur eine Empfehlung für den nächsten Kauf). Zum "Umschauen und Entdecken", wie Mark ganz oben geschrieben hat, sind die meisten Comicläden zu dezentral gelegen, und oft auch ein bisschen einschüchternd für Leute, die noch nie da waren.

Amigo
15.03.2006, 10:04
Denke das Produkt muss nur interessant ("hip") genug sein.

Wir bei Cross Cult legen unser Augenmerk genau darauf. Wir haben nie Marketing oder PR studiert, wie die Spezialisten bei den großen Verlagen. Sind was das angeht also völlig unbeleckt. Aber oft genügt es einfach, wenn man den Selbst-Test macht: "Ist das Thema/die Story oder der Autor/Zeichner cool und hip genug, dass ich für diesen Comic 20 meiner schwer verdienten Euro springen lassen würde?". Dafür braucht man nun wirklich kein jahrelanges Studium. Der Erfolg unserer verfilmten Comics und der dadurch aufgebaute Presseverteiler hilft uns dann auch bei klassischen Comics ohne "Filmhype". Ein Vorteil als Kleinverlag ist auch, dass wir, wenn es darauf ankommt, innerhalb kürzester Zeit entscheiden können, ob wir eine Serie bringen wollen oder nicht. So flexibel sind die größeren Verlage sicher nicht. Andererseits kommen wir an viele interessante Lizenzen aber auch nicht ran, weil die "Kriegskasse" der großen Verlage unsere bei weitem übersteigt ... das ist dann wiederum ein Vorteil von Konzernen wie Egmont, Carlsen oder Panini.

Zum Thema "Fachhandel in der Krise": Mir persönlich sind Comicläden viel lieber als Buchhandlungen (mit ihrem oft arroganten Verhalten gegenüber Comics) oder Amazon (unpersönlicher Konzern). Aber ein Besuch in Berlin vor gut einem Jahr hat mir zu denken gegeben: In einem von Berlins bekannteren Comicshops lag gerade mal ein Exemplar unseres ersten "Sin City"-Bandes irgendwo ganz oben im Regal - damit es auch ja keiner aus Versehen in die Hand nimmt. Ein paar Ecken weiter in einer Hugendubel-Filiale lagen hingegen 20 (!) Exemplare des neuesten Sin City-Bandes fein säuberlich nebeneinander, bestens positioniert, direkt am Eingang, eifrig begutachtet von interessierter Kundschaft. Verkehrte Welt ... Und auch mit Amazon habe ich mich mittlerweile angefreundet. Dort haben wenigstens alle Titel eine gleich gute Chance auf einen Verkaufserfolg, weil Amazon praktisch eine unendlich große Verkaufsfläche hat - die besten Plätze sind nicht belegt von Mangas, Mangas und noch mehr Mangas, wie im Buch- und teilweise auch im Comicfachhandel. Kein Wunder, dass die klassischen frankbelgischen-Comics aus den Programmen der großen Verlage verschwunden sind. Das haben wir vor allem dem Platzbedarf der Comics aus Fernost zu verdanken (die aber natürlich auch ihre Existenzberechtigung haben - sind ja nicht alle schlecht und sie erschliessen neue Leserschichten).

Stefan
15.03.2006, 10:23
Na, die Internethändler - noch findet man dort einigermaßen gut nur das, von dem man vorher schon weiß, dass man es sucht. Zum stöbern und neues entdecken sind die ungeeignet. Da wären wieder nur besondere Werbeaktionen denkbar. Die sind wiederum nur vorstellbar, wenn man vorher schon weiß, dass es sich auch lohnt. Also wieder das Material aus Japan und Sachen, die sich mit Filmen in Verbindung bringen lassen.

Amigo
15.03.2006, 11:27
Amazon hat ja ein ganzes System mit Querverweisen, Lieblingslisten, Empfehlungen, Rezensionen, Hilfen beim Stöbern, Bestsellerlisten, Werbemails mit Infos über Neuerscheinungen, die für den Empfänger evtl. interessant sind, (Text-)Leseproben, Bilder aus dem Innenteil ... Das ist viel mehr als ein normaler Comic- oder Buchladen leisten kann. Amazon hilft ja nicht nur hervorragend beim Stöbern und gezielt Kaufen (neu oder gebraucht, deutsche und englische Bücher, CDs, DVDs uvm.), auch der Bestellvorgang ist extrem einfach und man bekommt die Ware kostenfrei nach Hause geschickt. Das macht Amazon ja so "gefährlich" für den traditionellen Buchhandel. Die müssen mit Lesungen, Signieraktionen, Comicstammtischen, persönlicher Beratung und was ihnen sonst noch so einfällt dagegenhalten, sonst haben sie bald nur noch die unter 10 und die über 60jährigen als Kundschaft, die mit dem Internet nicht so zu recht kommen (jetzt mal überspitzt formuliert) ...

Geier
15.03.2006, 12:13
Amazon dürfte für die meisten Leute die einzige Möglichkeit sein überhaupt an die Sachen ranzukommen, es wohnt schließlich längst nicht jeder in oder bei einer Großstadt wo es entsprechende Läden gibt.

Nö, die Frage für mich ist eher wozu man überhaupt noch Fachläden braucht bw wovon die leben sollen. Außer Mangas und Merchandising geht ja nichts mehr + das bekommt man überall ohne ein Fachgeschäft suchen zu müßen. Die paar Alben und Indie-Sachen die noch produziert werden halten keinen Laden am laufen - nicht mal die Verlage.

dinter3
15.03.2006, 12:40
Zum "Umschauen und Entdecken" ... sind die meisten Comicläden zu dezentral gelegen, und oft auch ein bisschen einschüchternd für Leute, die noch nie da waren.
und eben oft auch sauschlecht eingerichtet.
genau wie amigo sagt:

In einem von Berlins bekannteren Comicshops lag gerade mal ein Exemplar unseres ersten "Sin City"-Bandes irgendwo ganz oben im Regal - damit es auch ja keiner aus Versehen in die Hand nimmt.
bei der produktpositionierung hat man oft den eindruck, die händler hätten nur zufällig einen comicladen, aber keine verbindung zu den comics und auch keinerlei interesse, beim kunden kaufinteresse zu wecken.

Stefan
15.03.2006, 12:43
Nu ja, die Lieblinglisten der Amazon-Mitglieder, klar kann man sich durch die durchklicken, wenn man die Geduld dazu mitbringt. Was aber die gezielte Promotion von den Amazon-Betreibern selbst angeht, die kann nur dann laufen, wenn von vornherin abzusehen ist, dass ein gewisser Verkaufserfolg auch tatsächlich eintritt. Anderenfalls wäre es zu teuer, diese Sachen bereitzustellen. Das personalisierte Käuferprofil, das Amazon von mir hat, hat mir schon manches Schmunzeln entlockt...

Ländliche Regionen sind da ein ganz anderes Thema, da sind Versandhändler schon immer die einzige Quelle. Früher hatten die mal gedruckte Kataloge, heute Internetseiten. Das ist tatsächlich etwas flexibler und ausführlicher.

L.N. Muhr
15.03.2006, 12:47
bei der produktpositionierung hat man oft den eindruck, die händler hätten nur zufällig einen comicladen, aber keine verbindung zu den comics und auch keinerlei interesse, beim kunden kaufinteresse zu wecken.


es gibt eben keinen ausbildungsberuf "comichändler". dass die meisten deutschen händler aus der fan-ecke kommen und entsprechend agieren, merkt man dann halt.

es gibt zum glück auch ausnahmen.

Clint Barton
15.03.2006, 13:01
Nö, die Frage für mich ist eher wozu man überhaupt noch Fachläden braucht bw wovon die leben sollen.
Außer Mangas und Merchandising geht ja nichts mehr

Card Games, RPG und das ganze Zeug, Anime DVDs (die zum Glück noch nicht alle bei den Preisunterbietern gelistet/erhältlich sind oder bzw. zum fast gleichen Preis wie auch im Fachhandel) .
Superhelden sind trotz allem noch nicht ganz tot und der Trend geht wieder zu den Alben bzw. den Tradepaperbacks.

Aber ja, natürlich machen die Manga mittlerweile wohl bei fast allen den Hauptumsatz aus. Aber auch das wird einmal verebben, sei es durch das Übrangebot, oder den nervigen Lizenzkrieg, der derzeit entbrennt und letztendlich dem Markt nur schaden kann (welcher Hirni kam nur auf die Idee, daß Exklusivlizenzen was gutes sind?).

Zudem führt nicht jeder Buchladen auch jede der 3 Trillionen Manganeuheiten, die mittlerweile pro Monat erscheinen (alleine aus Platzgründen werden wohl nur Topseller angeboten und sicherlich so einiges rausgefiltert, was sich nur durchschnittlich verkauft) und so kann sich auch hier ein geschickter Fachhändler eine Nische aufbauen.


es gibt eben keinen ausbildungsberuf "comichändler". dass die meisten deutschen händler aus der fan-ecke kommen und entsprechend agieren, merkt man dann halt.

es gibt zum glück auch ausnahmen.

Yep. Nur sind das mit Sicherheit die Minderheiten. Andereseits sollte auch ein Fachhändler genau das sein - und den Kunden fachkundig beraten können.
Hier schietern ja die Buchhändler schon an den simplesten Fragen, weswegen man sich vermutlich auch nur noch die Manga ins Regal legt - weil das Zielpublikum weiß, was es will und gegenfalls mal fragt, ob Bd. X von Serie Y mal da ist oder warum Bd. A von Serie B nicht wie angekündigt mitkam, was man heutzutage schnell im Computer nachschauen kann.
Fragen wie "ist schon geplant, ob Serie Z erscheint" kommen zwar auch vor, aber wohl weit geringer als das es einen FACHhändler zwangsläufig erfordert.

Bei den Alben etc ist es nicht so, da kommen Fragen über Fragen, sei es durch gezielte Kundenverwirrung, wenn man einen Titel für April ankündigt und der dann mit etwas Glück im Dezember erscheint oder weil das Zielpublikum nur mal "schnuppert".
Zudem helfen Berichte in Zeitungen wie der FAZ ungemein, weil dann die Nicht-Comicshop-Kunden sich in ebensolche oder wenigstens die nächste Buchandlung begeben, um dann nach "F ist die perfekte Zahl" oder "Jenseits der Zeit" zu fragen.

Amigo
15.03.2006, 13:26
Yep. Nur sind das mit Sicherheit die Minderheiten. Andereseits sollte auch ein Fachhändler genau das sein - und den Kunden fachkundig beraten können.

Gerade viele altgediente Comichändler scheitern ja leider auch, wenn jemand etwa über Mangas oder andere neue Serien wissen möchte. Die können dann auch kaum gezielt "gute" Serien einkaufen, sondern ordern das, was die Verlage als "gut" bewerben. Ein Vorteil der "Altgedienten" ist, dass sie die frankobelgischen Alben nicht ganz vergessen. Leider verschlafen sie aber auch oft aktuelle Themen (wie eben Sin City oder aktuell V for Vendetta) oder kümmern sich viel zu spät darum ...

Der beste Comic-Fachhändler ist ein "Alleskönner": Liebhaber und Kenner aller Comics und Mangas, jemand der immer ein Auge auf neue Trends hat und trotzdem das Altbewährte nicht vergisst, der aktiv ist, was Werbung und Aktionen aller Art angeht und der seinen Laden kundenfreundlich und effizient einrichtet ... Solche Händler haben, vorausgesetzt ihr Laden liegt nicht ganz in der Einöde, sicher gute Chancen wirtschaftlich zu Überleben. Aber, zugegeben: So einfach wie die Theorie ist die Praxis sicher nicht ... ;)

L.N. Muhr
15.03.2006, 13:44
der beste comicfachhändler hat auch gute mitarbeiter, die ihn beraten. ;)

Mick Baxter
16.03.2006, 00:24
Eine andere Frage die sich mir immer stellt, wie schaffen es selbst kleine bis kleinste Buchverlage ,ganz im Gegensatz zu den Comicverlagen in den gut sortierten größeren Fachhandel zu kommen ?
Von den über jährlichen 80.000 Neuerscheinungen schaffen es die meisten auch nicht in die Buchläden, sondern sind nur auf Bestellung zu bekommen. Allerdings spielt bei normalen Büchern die Gelegenheit, sie vorher in Augenschein zu nehmen, bei weitem nicht die Rolle wie bei Comics.

Stefan
16.03.2006, 07:00
Die Frage ist auch ein wenig, wenn es ein paar beste Comicfachhändler gibt, die sich behaupten können und einige nicht beste, die untergehen - ab wann sind die übrig gebliebenen besten Comicfachhändler nicht mehr ausreichend, dass sich dieser Vertriebsweg noch lohnt?

Frank7
17.03.2006, 17:36
Hat schon mal ein Fachhändler, der einen gut eingerichteten Online-Shop hat, versucht ein Affiliate-Programm aufzulegen?!

Hat da jemand Erfahrungen mit?

Frank