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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was kommt zuerst: Wille oder Wahn?



Karl Nagel
09.06.2004, 15:12
Was war zuerst? Henne oder Ei? Was geht in des Illustratoren Rübe ab, soll ein leeres Blatt Papier verschönert werden? Wie genau ist die Vorstellung des Bildes, das gezeichnet wird? Einfach schon mal loslegen, obwohl man eigentlich noch NICHTS weiß? Oder sich erst mal auf die Couch legen und sich ein Szenario erträumen?

Klar, das ist eine sehr theoretische Angelegenheit, genauso klar, daß jeder Zeichner das anders löst. Umso mehr interessiert mich aber, WIE denn nun.

Von Jack Kirby z.B. wird berichtet, daß er immer schnell völlig fertige Bilder im Kopf hatte, die er dann regelrecht "durchpauste". Bei mir ist's umgekehrt: Gähnende Leere... am Anfang null Vorstellung. Dann einfach eine kleine Stoffsammlung aus Strichmännchen, Stichworten, Überlegungen, wer sowas schon mal gemacht hat und wo man klauen könnte. Bringt das alles nichts, dann eben die Filmsammlung durchforsten (am PC-Movieplayer) und nach einer kompositorisch passenden Szene suchen.
Bin ich für all das zu faul (leider viel zu oft), krakel ich irgendwelche Figuren aufs Papier, die meist dämlich in der Landschaft herumstehen. Ist dann meist nicht so befriedigend und landet im Papierkorb...

Ok, soweit mein Erfahrungsbericht. Wie - und wie FRÜH! - enstehen bei Euch die Szenarien im Kopf und dann auf dem Papier? Zu welchem Zeitpunkt wißt Ihr wie viel? Wie genau sieht Euer Schaffensprozeß aus? Wie füllt Ihr die Leere? Was wißt ihr vom Rest des Bildes, wenn Ihr den ersten Strich aufs Papier setzt? Wann werden Referenzen eingesetzt? Reicht der Wille, IRGENDEIN Bild zum Thema zu machen, oder muß es GENAU DIESES sein, das da im Kopf herumspukt? Wie stark unterscheidet sich das fertige Bild von dem, was ihr einmal im Kopf hattet, und wann gebt Ihr auf, dieses "mentale Ideal" doch noch zu erreichen?

Bei Comics und Illustrationen läuft sowas zwar verschieden ab, aber es gibt auch viele Überschneidungen. Die ganze Geschichte verschärft sich noch mal, wenn man keinen externen Autoren hat, also z.B. einfach mal auf 'nen Abend oder zwei ein wenig zeichnen will und am Anfang vielleicht noch nicht mal ein Thema hat.

Das ist jetzt mal eine ordentliche Hirnschmalzaufgabe, nicht wahr? Mal schauen, wer vor Euch das eigene geistige Chaos in verständliche Worte fassen kann. Ich kriegs ja selbst kaum zusammen. Ein Erfahrungsbericht über den besten Bleistiftanspitzer geht natürlich leichter von der Hand.

Aber ich dachte mir, ein wenig Kreativitätstheorie kann nicht schaden...

Gromit
09.06.2004, 15:27
also, wenn ich ein panel z.b. für ein comic male, dann kenne ich inhalt der geschichte und auch die dialoge, daher hab ich meist egrob ein bild schon im kopf, aber durchpausen kann ich das nicht, so gut bin ich nicht :)
dann beginne ich das bild aufzubauen:
-ich achte darauf, was ist wichtig, dass man es im bild sieht, was ist eher unwichtig (=was kann man weglassen). vermeide dagegen auch, dass dinge genau in der mitte des panels stehen, weil so das bild langweilig wird, ebenso parallele linien zu den panel-linien.
-ich stelle mir vor, was im vordergrund des bildes ist, was im hintergrund zu sehen ist. vordergrund und hintergrund überschneiden sich, was das bild interessanter macht. beim colorieren ist es dann ebenfalls dankbar, wenn man dinge im vordergrund eher warm/dunkel einfärbt, dinge im hintergrund kalt/hell, was aber nicht die regel ist :)
-versuche zu vermeiden, dass leere stellen im bild entstehen, die keine aussage haben.

also, bei mir ist das bild im kopf vor dem bild auf dem papier

Mephisto
09.06.2004, 21:31
wenn ich wirklich gezielt versuche etwas zu zeichnen geh ich immmer durch einen wechsel- ich zeichne zufällig, probiere aus, nehmeideen ausmeinem kopf,ein immerwährender wechsel. Wenn ihc nur am scribbeln bin geht es anders-
Ich zeichne zufällie linien-oftmals ohne klares ziel-dann entstehen ausden linien in meinemkopf figuren,zufällige formen bekommen charakter und es entstehen sachen-so entstehen die meisten meiner figuren-häufig gibt es eine linie mit der alles anfängt.
Um die Fiuren wiederzu benutzen weise ich ihnen 3dimensionalen raum zu-gebe ihren zweidimensionalen körpern einen 3dimensionalen unterbau-ein skellett das mir hilft sie in neue posen zu setzen...

parole-ae
09.06.2004, 23:06
also, ich fahr jezz ers´ma nach erlangen, und danach is´der kopp wieder so voll und das poatmonäij so leer das ...naja, am end alles vor tatendrang und schaffenslust platzt,...oder alles so depremiert und runtergezogen hat ,das ich mich wieder klaglos in meine drückerkolonne einreih´... :wurm:

nique
10.06.2004, 10:05
Hi Rentner, das was du da beschreibst kenne ich zur genüge. Ich habe Jahrzehntelange Erfahrungen mit dem berühmten Loch im Kopf.
Aber: ich habe festgestellt, das ich prima die Geschichten anderer Leute umsetzen die mir quasi schon eine Geschichte liefern oder mir sagen was ich denn malen soll wenn das Loch da ist. Vielleicht hilft es dir wenn du *ganz Kopfgesteuert* deinen idealen Comic im Kopf enstehen lässt: Das heisst was wäre dein*Traumcomic*(Inhaltlich) entwirfst.(was will ich der Menschheit sagen?) Dann scribblest du, nach dem du das ganze grob umrissen hast(texlich) die Seitenaufteilung. (Mir hilft es auch, erst mal kurze Comics zu machen) frustration ist nicht so gross)
Bei grösseren Projekten ist es echt sinnvoll sich einen Detailierten Plan zu machen.
Der Vorteil ist du kannst in der Mitte oder Hinten anfangen...mit dem was dir grad am besten gefällt;) viele Grüsse aus Harburg:P*hinthint*

Karl Nagel
10.06.2004, 10:34
@vanilla
>deinen idealen Comic im Kopf enstehen lässt
Da bin ich leider etwas schizophren: Wenn's ums Zeichnen geht, habe ich eher Spaß an naiven Themen, also Monster, Helden, Weltraum. Da habe ich dann allerdings keine echten Geschichten zu im Kopf. Irgendwie alles schon mal dagewesen. Das gerät dann manchmal zu einer echten Tortur, trotzdem den Barbaren zu zeichnen, der gerade seine Gegnern vermetzelt. Hirnabschaltung geht gar nicht so einfach. Am besten, man hat einen externen Autoren, Vorscribbler etc.

Die Dinge, die in meinem eigenen Kopf herumspuken, sind eher persönlicher oder auch analytischer Art. Wie halt die Menschen funktionieren und die ganze Welt drumherum, das interessiert mich. Darüber habe ich schon enorm viel geschrieben (und gerade arbeite ich wieder an nem verdammt langen Text), aber es fehlt der Kick, das ganze in Bilder umzusetzen. Einerseits, weil es eben keine wirkliche Geschichte ist, und andererseits, weil sowas dann schnell zu ner künstlerischen Nummer ("oh Weltenschmerz...") gerät, und das möchte ich eigentlich nicht.

Also zäume ich das Pferd mal von vorne, von hinten, von links oder von rechts auf, um mich den Bildern, die irgendwo ja in mir drin sind, zu nähern. Ist manchmal direkt unheimlich, dieses enorm starke Bedürfnis zu zeichnen, und auf der anderen Seite dieser Berg von Steinen, den man erst beseite räumen muß, um auch nur was halbwegs anständiges aufs Papier zu kriegen...
Grüße aus Altona
- Dein Opi

Jarell
10.06.2004, 11:46
Hmm also bei mir ist das meistens so, dass ich eine Idee habe. Ich setz mich dann hin und versuche meine Gedanken aufs Blatt zu bekommen. Doch dann stell ich oft fest: „Ne warte mal, dass sieht ja total Beschissen aus,… aber warte mal wenn ich das ein bisschen mehr so und das da ein wenig mehr so mache dann,…“ na ja und im Endeffekt kommt meistens was total anderes dabei aufs Blatt als ich eigentlich vorhatte.

Doch das liegt bei mir denk ich mal daran, das ich beim zeichnen einfach immer wieder an meine Grenzen stoße und dann versuche noch das beste daraus zu machen.

Ach ja, gegen die zu Beginn herrschende Leere in meinen Kopf verwende ich meistens Musik. In letzter Zeit höre ich z.B sehr gerne den Soundtrack von The Last Samurai. Da sprudeln die Ideen nur so aus meinem Hirn

nique
10.06.2004, 12:43
Ach Opi(LOOL)

Ich kenn das doch auch. Das problem ist, das die schönen bunten Bilder die du da im Kopf hast weit entfernt davon sind ein comic zu werden. Das (ist zumindest bei mir) eine art *trieb* bis daraus allerdings ein comic werden kann...so spätestens wenns du an eine Zeichnerische Grenze stösst kein Trieb mehr ist sondern arbeit.(Das vergesse ich in so einer Anfangsphase auch immer) und diese arbeit kann es einem hin und wieder echt verleiden und man denkt:Son scheiss. Prinzipiell erwarte ich von einem comic auch eher *schöne* Themen und vielleicht nicht unbedingt Weltliteratur dennoch solltest du dir schon ein wenig gedanken um story machen und halt straight und organisiert an solche Dinge herangehen. Denn auch ein Barbar haut anderem den Kopf ab ist selbst im minimalstil schon aweng Arbeit.
So solltest du ihm auch einem Grund geben. Ich will nicht sagen das meine Herangehensweise das einzig wahre und non plusultra ist(sonst würde ich vermutlich keine doofen Schaufensterbeklebungen herstellen oder Werbeträger Comics sondern wäre reich und berühmt mit meiner supercoolen Serie.(JK!!!) Ich weiss das ich mit einem Schreiber gute Ergebnisse erziehle, ich aber nicht so befriedigt bin weil es nicht *meine *Story ist.
Mache ich meinen Scheiss komme ich nicht zu Potte. Ich arbeite geschlagene 10 an einem Konzept das ich mit mir herumtrage, aber ich bekomme einfach nicht eine Story hin die meinen Ansprüchen genügt. Aber ich habe auch noch immer die Vorstellung ich könnte meine Ansprüche mit meinen Comicvorlagen kreuzen(:O)
Hallo Jarell: Lass dich bloss nicht davon ins bockshorn jagen wenn du es nicht zeichnen kannst was du im kopf hast. Ich kenne keinen der nicht damit zu kämpfen hat. und versuch eher das Umzusetzen was du im kopf hast auch wenn es lange dauert und du dein Ergebnis hast:)

Jenny
10.06.2004, 12:58
Ich zeichne nur noch, wenn das Bild schon fertig um Kopf ist. Früher habe ich mich auch ganze Nachmittage über leere Blätter gesetzt und sie irgendwie gefüllt. Dass ich heute fast nur noch zeichne, wenn ich ziemlich genau weiß, was ich will, hängt auch damit zusammen, dass ich nichtm ehr so viel Zeit zum Zeichnen habe--da haben die Bilder die Tendenz, sich in meinem Kopf regelrecht anzusammeln! ;)

Manchmal habe ich ein Bild derart lange fertig im Kopf und komme nicht dazu, es zu zeichnen, dass ich es irgendwann lasse--ich kenn es ja schon!

Gromit
10.06.2004, 13:14
ich kenn es ja schon!

du schon, aber wir nicht! :)

Hyperink
10.06.2004, 14:24
Aaalso... ich weiss immer ziemlich genau, was ich zeichnen will, aber überhaupt nicht, wie das Bild wirklich aussieht, d. h. welche Bestandteile es im einzelnen hat und wie genau die arrangiert sind. Ich mache dann ohne Ende möglichst schnell und ziemlich klein (ca. 2x3 cm) jeweils Skizzen des gesamten Bildes, wo ich layouttechnisch verschiedene Sachen ausprobiere. Wenn mir eins davon halbwegs gefällt, lege ich ein Transparentblatt drüber und zeichne das Bild darauf so ordentlich, wie es in dieser Grösse geht. Das Ergebnis vergrössere ich auf 200%, lege wieder ein... usw bis zum Endformat... das hilft zumindest schon einmal gegen das grosse leere Blatt!

Und was das Thema angeht: Du musst aus Deiner "politischen" Zeit doch Berge von prägnantesten Bildern, Situationen und Szenerien im Kopf haben. Ein Schatz, um den Dich viele Deiner "Enkel" hier beneiden müssten! Die Du dann ja eigentlich in jedem beliebigen "Naivitätsgrad" (Deine Wortwahl!) umsetzen oder in ein futuristisches, mittelalterliches, mystisches wasauchimmer Setting übertragen kannst, oder?!?

martin1
11.06.2004, 15:04
ich versuch das seitn paar monaten ungefähr so wie jenny, sich wirklich erst zu konzentrieren, sich zu überlegen, was will ich zeichnen, wie soll die figur aussehen, so bewahre ich mich auch hin+wieder vor langweiligen posen(der figuren), weil ich halt gedanklich versuche, das bild aufzubauen. frankfrazetta hat in den büchern TESTAMENT und LEGACY auch n paar sehr interessante sachen zu dem thema geschrieben, kann die bücher nur empfehlen. :)

m

Karl Nagel
11.06.2004, 21:41
> Und was das Thema angeht: Du musst aus Deiner "politischen" Zeit doch Berge von
> prägnantesten Bildern, Situationen und Szenerien im Kopf haben. Ein Schatz, um den
> Dich viele Deiner "Enkel" hier beneiden müssten! Die Du dann ja eigentlich in jedem
> beliebigen "Naivitätsgrad" (Deine Wortwahl!) umsetzen oder in ein futuristisches,
> mittelalterliches, mystisches wasauchimmer Setting übertragen kannst, oder?!?

Da ist natürlich was dran, habe mir auch schon derartiges überlegt. Aber es sträubt sich irgendwas in mir, zum jetzigen Zeitpunkt biographische Dinge in die Zeichnerei einfließen zu lassen. Das muß damit zu tun haben, daß mir viele Dinge echt bis zur Halskrause stehen und ich das Zeichnen wohl auch als Flucht in eine vermeintlich heile Kindheit (das war sie definitiv NICHT!) benutze. Also lieber irgendwelche spinnerten Dinge (Monster, Mumien und Mutanten) als den ganzen ECHTEN erlebten Irrsinn graphisch verarbeiten. Mag sein, daß sich das wieder ändert, wenn ein wenig Abstand da ist. Den suche ich z.Zt. in zurechtgezimmerten Reservaten, Oasen (z.B. hier). Momentan macht es mir einfach mehr Spaß, über Zeichnerhirne zu spekulieren und zu sinnieren als darüber, wieso irgendwer wem anders die Fresse eintritt.
Daneben arbeite ich aber trotzdem gerade an einem Buch (50.000 Worte sind schon geschrieben...), das sich mit Erlebtem befasst, und da geht's dann teilweise schon ziemlich rund. Natürlich spukt schon die Idee im Kopf rum, Bilder dazu zu machen. Aber die Gefahr ist immer groß, daß sowas zu peinlicher Möchtegernkunst ausartet ("Oh Weltenschmerz...! - Keiner versteh mich!"). Und deshalb mache ich das nur, wenn ich's humorvoll und trashig hinkriege. In Worten ist das kein Problem für mich, aber in Bildern? Das kann noch dauern...

Mick Baxter
14.06.2004, 00:57
Bei einem Comic kommt es ja nicht nur drauf an, was auf einem Bild ist, sondern auch, wie es sich zu dem Bild davor und dem danach verhält. Das kann man sich im Kopf nur schwer klar machen, da helfen Scribbles wesentlich besser weiter. Denn die Auswahl der Ausschnitte und Einstellungen entspricht ja einer Kamerafahrt oder Schuß-Gegenschuß-Monatage im Film. Das sollte schon gut geplant sein.