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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hermann Burger "Schilten"



M von W
08.06.2004, 00:11
Ein schon etwas älteres Buch, von 1976, weswegen es einigen wohl nicht so bekannt sein durfte, ich selbst habe es auch eher zufällig (beim Stöbern im elterlichen Bücherregal) entdeckt.
Was soll ich sagen, es ist grossartig, ein Monstrum, daß sich einer Kategorisierung entzieht.

Die Story, in den Worten von Amazon erzählt:


Der Roman mit dem Untertitel "Schulbericht zuhanden der Inspektorenkonferenz" vermischt Fiktion und authentisch Erlebtes. Das Schulhaus Schilten (real: Schiltwald) kannte der Autor seit seiner Kindheit, die pädagogischen Depravierungen als Dorflehrer hatte er selbst erfahren.

Nach zehnjähriger Tätigkeit als Lehrer einer »Einheitsförderklasse«, die Schüler verschiedener Jahrgänge und (Un-)Fähigkeiten zusammenfasst, schreibt der 30-jährige »Scholarch« Peter Stirner unter dem Pseudonym Armin Schildknecht an die ferne Behörde, die ihm wegen seiner eigentümlichen Didaktik die Entlassung angedroht hat.
Sein Rechtfertigungsbericht, den er den Schülern wortreich in ihre »Generalsudelhefte« diktiert, gerät immer mehr zu einer Beschreibung seiner privaten und institutionellen Hoffnungslosigkeit, die geprägt ist von der unmittelbaren Nähe des Schulhauses zum Friedhof: Die Turnhalle dient zu Begräbnisfeiern, die Pausenklingel vermischt sich mit der Totenglocke und der widerborstige Hausmeister Wiederkehr ist gleichzeitig Totengräber, dessen Handwerk als Realitätseinbruch in die künstliche Schulwelt sorgfältig registriert wird. Heimatkunde wird zur Todeskunde.
Am Harmonium komponiert Schildknecht den Verstorbenen ihren vergangenen Lebenslauf und improvisiert seine Unterrichtsstunden als musikalische Etüden. Winterlicher Nebel lässt die Menschen »verschellen«. Als Verschollener beendet Schildknecht, dem die Schüler entzogen werden, einsam seine Schulkarriere.

In 20 »Quartheften« schildert der überdimensionale Brief das Dasein im Schulhaus. Thematische Schwerpunkte machen die meisten dieser Kapitel zu kleinen Abhandlungen, z. B. über Architektur, Wetter, Kommunikations- und Verkehrswesen, den Scheintod, das Präparieren von Vögeln, Instrumentenkunde oder Begräbnisrituale.
Was zunächst als objektiver Lehrstoff erscheint, gerät im Genauigkeitswahn zwischen Scheinleben und Scheintod immer mehr zum selbstbezüglichen Irrsinn, der sich im letzten Quartheft in der Vision einer orgiastischen Karnevalsnacht entlädt.
Ein kurzes Nachwort des Inspektors, an den der Brief gerichtet ist, verspricht dem aus der Rolle und der Weltordnung gefallenen Schulmeister psychiatrische Hilfe.
Der Roman erregte vor allem wegen seiner sprachlichen Virtuosität Aufsehen und gehört zu den wichtigsten Werken der modernen Schweizer Literatur.

Mehr kann man dazu nicht sagen! Wahrlich kein Buch, daß man an einem sonnigen Tag lesen sollte (Ich tat es trotzdem und das habe ich nun davon!).
Eher ein Buch für verregnete, für neblige Tage ("Der Stoff für diese Lektion, für diesen Schulbericht ist aus dem Nebel gegriffen"). Dazu dann noch And One oder Residents hören und man möchte sich erhängen!

Ich würde gerne noch ein Zitat aus dem Buch hier posten, aber dazu fehlt mir gerade die Energie.
Daher nur den wundervollen Satz:

"Es ist nicht leicht, neben einem Präzisionsuhrwerk zu existieren."