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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Grenzfälle: Wann ist eine Bildergeschichte ein Comic???



Scheuch
19.05.2002, 06:08
Es soll hier mal um die Abstimmungsschwierigkeiten bei der Zuordnung gehen. Wahrscheinlich müssen wir bei dieser Diskussion verstärkt mit Bildmaterial arbeiten – aber das wird sich zeigen.

Also meine erst provokative Frage: Warum sind „Weltberühmte Geschichten in Bildern“ und die Erich Schmitt Sachen „eindeutig“ Comics, während z.B. die Bücher von Elizabeth Shaw (http://www.artshaw.com/artshaw/index.htm) (u.a. „Der kleine Angsthase“ und „Zilli, Billi und Willi“) oder aber auch das bereits vorgestellte (http://www.comicforum.de/comicforum/showthread.php?s=&threadid=37633) „Wie Mauz und Hoppel Freunde wurden“ als Nicht-Comics angesehen werden?

Es ist sicher niemandem geholfen, wenn Erich Schmitt aufgrund gleicher Kriterien genau wie Wilhelm Busch auf alle Zeit aus dem Comicbereich „verbannt“ würde. Aber die Frage ist doch, was zeichnet die Bildergeschichte / den Comic der DDR aus? & Wann (Einzelfalldiskussion) ist eine bebilderte Geschichte ein Comic. Als erste Beispiele sollten uns hier vielleicht Mauz und Hoppel (http://www.ddr-comics.de/forum.htm) und Zilli, Billi, und Willi (http://www.artshaw.com/artshaw/kinderbuecher/selbstgeschrieben/zilli.htm) dienen.

weisshahn
19.05.2002, 09:38
(Ich liebe dieses Thema;).)

Ich wette, dass darüber irgendwo in den Tiefen des Forums schon mehrfach diskutiert wurde, vielleicht haben ja ein paar Experten mit theoretischem Comic-Wissen dazu etwas zu sagen?

Hier jedenfalls ein paar Gedanken von mir, die zugegebenermaßen nicht ganz unbeeinflusst von Scott McClouds formaler Definition des Mediums als "in einer Folge von Bildern erzählte Geschichte" ist, über die man sich ja bekanntlich außerordentlich gut streiten kann. Außerdem denke ich, dass es sich bei dieser Definitionsfrage nicht um ein DDR-Comic-spezifisches Thema handelt, aber die Beispiel geben natürlich eine gute Grundlage.

Mein Vorschlag: McClouds "Sequenz von Bildern" als Basis der Definition. Damit schließen wir zunächst keins von Scheuchs Beispielen aus. Diese Bildfolge sollte, ohne oder unterstützt von Text, einen inhaltlichen und (?) chronologischen Zusammenhang aufweisen.

Wenn dann der Anteil des begleitenden Textes zunimmt, ist es vermutlich eine Ermessensfrage, wann der Comic zu "illustrierten Geschichte" wird. Vielleicht dann, wenn der Textanteil alle Informationen liefert und man die Bilder "weglassen" könnte. McCloud sieht möglichst geringe Redundanz (und statt dessen starke gegenseitige Ergänzung) als Qualitätsmerkmal an (wenn ich mich korrekt erinnere, ich habe das Buch nicht zur Hand). Wer ein Beispiel lesen möchte, bei dem diese Komplementarität maximal umgesetzt ist (was den Comicleser echt herausfordert), dem empfehle ich die fünfseitige Kurzgeschichte SHOTS aus der Serie KANE des Briten Paul Grist, die es komplett online auf meiner Kane-Seite (www.weisshahn.de/kane/comic.htm) zu lesen gibt. Alan Moore ist in seinen komplexeren Werken (z.B. dem Beitrag im 9-11-Band von DC/Indies) ein Meister in der völligen Vermeidung von Redundanz.

Nehmen wir zum Beispiel den von Scheuch vorgeschlagenen Erich Schmitt. Dass es sich bei Karl Gabel um eine Comicserie in Reinform handelt, ist wahrscheinlich unstrittig: Bildfolge, Text in Sprechblasen usw. qualifizieren diese Serie dazu. Schwester Monika, Zirkus Alberto, Tierfänger Ede sind klassische "stumme" Comic Strips in Reinform. Schwieriger wird es bei seinen langen Epen, wie Arche Noah, Nixi usw. Die einzelnen Bilder sind Karikaturen, also singuläre Gags, bei denen sich Bild und Text ebenfalls ergänzen (und ohne einander nicht existieren könnten), aber zusätzlich wird über alle Bilder hinweg eine Entwicklung der Figuren und der Geschichte gezeigt. Deshalb würde für mich auch das als Comic gelten.

Bei den anderen Beispielen, die Scheuch vorschlug, ist mir eher nach "reich illustrierter Geschichte", denn die Texte würden auch ohne Bilder die Geschichte vollständig transportieren. Vielleicht sollte man es dann dennoch als Comic durchgehen lassen, wenn auch die Bilder allein die Story vollständig und verständlich transportieren. Dann liegt eben nur maximale Redunanz vor, aber zumindest die Shaw-Bücher würden qualifizieren. Die Weltberühmte Geschichten in Bildern müsste man dahingehend nochmal prüfen, und was das für die politischen Titelstories in Atze, Wilhelm Busch und Fix und Fax bedeutet, darüber denke ich nach Pfingsten nach, wenn ich mir die Sachen dabei ansehen kann.

Nur mal ein paar erste Gedanken. Bin auf die Gegenargumente schon sehr gespannt...:p

Scheuch
19.05.2002, 10:07
Demzufolge wären ein Großteil der in der DDR herausgegeben Pappbücher für (Klein-)Kinder Comics! - ???

bleiben wir bei MAUZ und HOPPEL --- das ganze Buch (16 Seiten) ist aufgebaut wie das Bildbeispiel auf Deiner Seite.

Die Bilder erzählen die Geschichte selbsständig --- auch ohne Text!

Der Text aber erzählt die Geschichte ähnlich --- & ist auch ohne Betrachtung der Bilder voll aussagefähig.


Da also die Bilder die Geschichte auch allein wiedergeben ist MAUZ und Hoppel laut Deiner Schlussfolgerung ein Comicbook.

Was aber nun ist mit Fuchs und Elster (http://www.ddr-comics.de/forum.htm) ?

Es gilt dasselbe wie für Mauz und Hoppel Gesagte - nur dass ich nie auf die Idee gekommen wäre --- Fuchs und Elster als Comic anzusehen, ähnliches gilt für Der kleine Angsthase .


"Weltberühmte Geschichten in Bildern" erfüllt nach dem oben Geschriebenen keineswegs die Voraussetzungen eines Comics. Die Bilder dienen [IMO] lediglich der Illustration. Aufnahme in diverse Comickataloge etc. haben die Hefte wohl nur gefunden, eben weil es sich um Hefte (nicht um Bücher) handelt! Andererseits ist die Geschichte dieser "Klassiker" auf 16 Seiten so stark reduziert, das unklar ist, ob ohne Kenntnis der Geschichte diese überhaupt transportiert werden kann.

Scheuch
19.05.2002, 10:10
Fix und Fax sind wohl eindeutig Comics --- ganz ohne Bilder wäre der Text nicht voll aussagefähig.

weisshahn
19.05.2002, 15:08
Original geschrieben von Scheuch
Demzufolge wären ein Großteil der in der DDR herausgegeben Pappbücher für (Klein-)Kinder Comics! - ???

Warum auch nicht? Ist doch ein tolles Medium für jemanden, der (noch) nicht lesen kann.



bleiben wir bei MAUZ und HOPPEL --- das ganze Buch (16 Seiten) ist aufgebaut wie das Bildbeispiel auf Deiner Seite.
...
Da also die Bilder die Geschichte auch allein wiedergeben ist MAUZ und Hoppel laut Deiner Schlussfolgerung ein Comicbook.

Yup. Was spricht dagegen?



Was aber nun ist mit Fuchs und Elster (http://www.ddr-comics.de/forum.htm) ?

Es gilt dasselbe wie für Mauz und Hoppel Gesagte - nur dass ich nie auf die Idee gekommen wäre --- Fuchs und Elster als Comic anzusehen, ähnliches gilt für Der kleine Angsthase .

Fuchs und Elster als Figuren werden ja nicht automatisch "an sich" zum Comic, weil mal eine Geschichte das Medium Comic nutzt.


"Weltberühmte Geschichten in Bildern" erfüllt nach dem oben Geschriebenen keineswegs die Voraussetzungen eines Comics. Die Bilder dienen [IMO] lediglich der Illustration. Aufnahme in diverse Comickataloge etc. haben die Hefte wohl nur gefunden, eben weil es sich um Hefte (nicht um Bücher) handelt! Andererseits ist die Geschichte dieser "Klassiker" auf 16 Seiten so stark reduziert, das unklar ist, ob ohne Kenntnis der Geschichte diese überhaupt transportiert werden kann.
Ähnliche Bauchschmerzen hatte ich selbst bei der Klassifikation dieser Hefte als "Comics", als ich sie vor einem dreiviertel Jahr das erste Mal in den Händen hatte.

Jedenfalls eine diskussionswürdige Abgrenzungsfrage, und ich selbst bin eher für eine "breite" Definition, das tut dem Medium nicht unbedingt schlecht.

Scheuch
20.05.2002, 18:30
Original geschrieben von weisshahn
Fuchs und Elster als Figuren werden ja nicht automatisch "an sich" zum Comic, weil mal eine Geschichte das Medium Comic nutzt.

Die Frage ist jedoch, ob die auf Deiner Webseite im Auzug dargestellte Geschichte nun analog "Mauz und Hoppel" als Comic gewertet werden kann?

Ich halte das für zu weit gegriffen.

Scheuch
22.05.2002, 16:15
Was ist eigentlich der Unterschied zwieschen einem Cartoon und einem kurzen Comic?

weisshahn
22.05.2002, 18:27
Original geschrieben von Scheuch
Was ist eigentlich der Unterschied zwieschen einem Cartoon und einem kurzen Comic?
Formal ist das meiner Ansicht nach einfach zu erklären.

Der Cartoon (die Karikatur) ist ein Bildwitz im klassischen Sinne: EIN einziges Bild transportiert eine Pointe.

Der Comic hingegen muss (siehe oben) eine Geschichte über mehrere Bilder hinweg erzählen. Dabei will ich mich nicht darüber streiten, ob das schon bei zwei Bildern, drei oder erst vier beginnt. Der klassische "kurze" Comic ist der Comic Strip, wie man ihn in vielen Tageszeitungen heute noch findet: Ein Streifen mit mehreren Bildern, über die sich die Handlung erstreckt und in denen sich Wort und Bild ergänzen. (Man wird sicher nicht darüber streiten können, dass Peanuts oder Calvin & Hobbes Comic Strips sind, auch wenn Schulz und Watterson hin und wieder nur ein einziges Bild brachten.)

Natürlich kann in der Form des Comic Strip auch eine "nicht komische" Geschichte in Fortsetzungen erzählt werden.

Dies sind auch die drei häufigsten Erscheinungsformen der DDR-Comics. In den Zeitschriften der 50er und 60er findet man überwiegend Comic Strips, die 70er und 80er weisen eine deutliche Übermacht von größeren und längeren Fortsetzungscomics auf. Comic Strips waren in dieser Zeit nur noch selten zu finden.

Scheuch
22.05.2002, 18:54
Dann wären ja auch einige der Titelbilder NEUES LEBEN aus den 80ern für Dich interessant?

weisshahn
22.05.2002, 20:05
Original geschrieben von Scheuch
Dann wären ja auch einige der Titelbilder NEUES LEBEN aus den 80ern für Dich interessant?
Stimmt. Schleusings Comic Strips auf der Titelseite des nl. Dabei fällt mir wieder auf, dass man manchmal gar keine Comics mehr sieht, wo doch eigentlich welche sind...

gbg
22.05.2002, 20:33
um nicht schon wieder ein neues thema erstellen zu müssen, da die themen doch sehr schnell und unübersichtlich werden, hier also eine kleine neuigkeit

ein interessanter beitrag gerade über karikatur und pressezeichnung von 1980 von michael knuth, beinhaltet auch einige bilder darüber und insbesondere der "für-dich-komik" basil im regenbogenland, der sehr positiv für die ddr-konsumenten sein soll.
wenn eine kopie gewünscht, sende ich mal einen scan zu, oder stelle es auf meine homepage als pdf-datei, ist sicherlich sinnvoller

ach so, heft bildende kunst ca. 1980
bekomme bald das heft, dann genaueres

Michael aus Rostock
23.05.2002, 09:06
Ich suche alles, jeden Basil-Schnipsel, den ich kriegen kann.
Würde mich über den Scan sehr freuen!

phönix
26.05.2002, 17:42
welche bildende kust ist es denn :confused:

gbg
28.05.2002, 11:39
Original geschrieben von phönix
welche bildende kust ist es denn :confused:

nr 10-80, wenn du noch eine haben willst, eine hätte ich noch!

Michael aus Rostock
28.05.2002, 13:21
Und Scheuch wird sich ärgern, ist doch ein langer Elizabeth Shaw-Artikel im Heft.

Scheuch
28.05.2002, 13:38
Kann mir den mal bitte jemand einscannen???

Scheuch
28.05.2002, 13:45
zum Thema Ärgern:

Gestern wurde von einer Malerfirma endlich ein Teil der Wasserschäden behoben. Anschließend fiel uns im Bad fast der 80LiterBoiler von der Wand - hatte sich wohl jemand aufgestützt!

gbg
30.05.2002, 00:37
scheuch, ich kann dir das heft auch noch geben, da mir eine kopie reicht, wenn du möchtest und bitte mal auf die mail antworten;)

Scheuch
30.05.2002, 06:48
Antwort habe ich schon geschickt! Das Heft dann bitte auch mitbringen.