weisshahn
30.04.2002, 10:37
Hallo allerseits,
aus dem von mir beiläufig erwähnten und vom Scheuch dankenswerterweise gestartenen Thema Das Alter und die DDR-Comics (http://www.comicforum.de/comicforum/showthread.php?s=&threadid=36793) möchte ich hiermit gern eine Diskussion über die Qualität der DDR-Comics aus heutiger Sicht anstoßen, zu der eifrige Beitragschreiber ebenso wie Gelegenheitsbesucher eingeladen sind. Hier erst einmal eine persönlich eingefärbte Vorrede eures Moderators ;):
Leute, die mit den DDR-Comics aus Frösi, Atze und Mosaik aufgewachsen sind, haben sie als Kind oder Jugendlicher mit der für das jeweilige Alter typischen Wahrnehmung konsumiert. Ich erinnere mich, dass ich beim Entdecken einer großen Frösisammlung (ca. 66-73) bereits Präferenzen bezüglich der Ungarn-Nachdrucke hatte, und mich Atomino nicht so sehr interessierte. Damals war ich vielleicht 12, 13 oder so. Ohne etwas von den Mechanismen und typischen Stilmitteln des Mediums Comic zu kennen, sondern mit der Intuition des "naiven" und jungen Lesers sprachen mich Basil oder die Matufflis mehr an als Käptn Lütt oder Rolf und Robert.
Heute motivieren zwei Dinge meine Sammelleidenschaft: Einerseits natürlich Nostalgie, denn man kann sich als Erwachsener, für den die Zeit immer schneller zu verrinnen und die Umwelt immer weniger kontrollierbar zu sein scheint, dem melancholisch angehauchten Reiz der "heilen" Kindheit psychologisch kaum entziehen. Das ist zumindest meine Hypothese.
Andererseits hat sich mein Horizont als Comicleser nach dem Fall der Mauer natürlich stark erweitert. In einer zwei Jahre dauernden Blitz-Comic-Sozialisation (Mauerfall => Fix & Foxi => Garfield => Lucky Luke & Asterix) holte ich die (in meinen Augen) prototypische westdeutsche Comic-Kindheit nach. 1992 geriet ich dann an ein Schnäppchen der ersten vier V FOR VENDETTA-Bände von Alan Moore, und dann war es ein vorprogrammierter Weg über Schwermetall bis zu meiner heutigen viele Boxen umfassenden US-Comics-Sammlung, die noch bis Herbst im feuchten Keller darben muss. (Ich gebe zu, dass ich mich über ZACK hinaus bisher kaum für den europäischen, besonders frankobelgischen Markt erwärmen konnte.)
Mit diesem neuen Erfahrungshintergrund hat sich meine Sicht auf viele der DDR-Comics, die ich seit ein paar Jahren wieder verstärkt sammle, schon spürbar verändert. Inzwischen entdecke ich Andreas J. Muellers Vorliebe für Crumb in der "Knolligkeit" und Skurrilität seiner Basil-Serien oder erkenne den dramaturgisch effizienten Einsatz filmischer Mittel in fast allen Comics von Reiner Schwalme, besonders Rolf und Robert, und rangiere ein 15-Jahre-Epos wie Knote und Karli in meiner persönlichen Rangliste weit vor früheren Favoriten, weil wie bei Krazy Kat die Konsequenzen einer stabilen asymmetrischen Konstellation der Haupthelden gekonnt und einfallsreich variiert werden.
Dennoch glaube ich, dass meine persönlichen Präferenzen immer noch weit von einer kritischen oder zumindest zeitgemäßen Rezeption der DDR-Comics entfernt sind. Zu vielen der damals erschienenen Sachen kann ich auch nicht mehr sagen als "genial" oder "finde ich gut" oder "toll gezeichnet", wie das die Beitragenden im ursprünglichen Thema (http://www.comicforum.de/comicforum/showthread.php?s=&threadid=36793) und im gegenwärtig laufenden Atomino-Thread (http://www.comicforum.de/comicforum/showthread.php?s=&threadid=35472) auch tun. Was genau die Comics gut (oder kritisierbar) macht, kann ich vor dem oben beschriebenen Erfahrungshintergrund und mit gehöriger nostalgischer Verzerrung nicht erfassen, geschweige denn artikulieren. Das wird vermutlich auch ein Manko auf der Netzseite bleiben.
Ich denke schon, dass insbesondere Leute, die mit jugendlichen Augen Comics lesen, aussagefähig darüber sind, welchen Gebrauchswert sie heute haben, ob sie über das historische Flair anderer Stile und anderer gesellschaftlicher Hintergründe hinaus begeistern können, weil sie anregende Geschichten gekonnt erzählen.
Insofern möchte ich meine Einladung zu einem inhaltlichen Diskurs zu diesem Thema an alle Alt-DDR-Comic-Fans und alle jüngeren Besucher der Webseite bzw. des Forums erneuern.
Vorschläge für inhaltlich und stilistisch breit gefächertes Referenzmaterial zum Lesen auf der Netzseite:
- Atomino (http://www.DDR-Comics.de/atomino.htm) oder Ferri (http://www.DDR-Comics.de/ferri.htm)
- Matufflis (http://www.DDR-Comics.de/matuf.htm)
- Basil (http://www.DDR-Comics.de/basil.htm)
- Der Schatz von Finkenrode (http://www.DDR-Comics.de/ferien.htm)
- Waputa die Geierkralle (http://www.DDR-Comics.de/magazin.htm)
- Knote und Karli (http://www.DDR-Comics.de/knote.htm)
- Münchhausen (http://www.DDR-Comics.de/nbijank.htm) oder Rolf und Rudi (http://www.DDR-Comics.de/nbijank.htm), sowie
- Dorothy im Zauberland (http://www.DDR-Comics.de/ungtrom.htm) oder Der Graf von Monte Christo (http://www.DDR-Comics.de/ungtrom.htm) als kontrastierende Ungarn-Importe.
Natürlich fehlen hier noch wichtige Vertreter, wie Otto und Alwin, Comics von Horst Alisch oder Heinz-Helge-Schulze, die aufgrund der Rechtslagen (noch) nicht zur Verfügung stehen, da muss ich auf Eure Sammlungen bzw. Erinnerungen setzen.:)
Soviel zu dieser langen Einstimmung, nun heisst es: Lasst die Postings kommen!
aus dem von mir beiläufig erwähnten und vom Scheuch dankenswerterweise gestartenen Thema Das Alter und die DDR-Comics (http://www.comicforum.de/comicforum/showthread.php?s=&threadid=36793) möchte ich hiermit gern eine Diskussion über die Qualität der DDR-Comics aus heutiger Sicht anstoßen, zu der eifrige Beitragschreiber ebenso wie Gelegenheitsbesucher eingeladen sind. Hier erst einmal eine persönlich eingefärbte Vorrede eures Moderators ;):
Leute, die mit den DDR-Comics aus Frösi, Atze und Mosaik aufgewachsen sind, haben sie als Kind oder Jugendlicher mit der für das jeweilige Alter typischen Wahrnehmung konsumiert. Ich erinnere mich, dass ich beim Entdecken einer großen Frösisammlung (ca. 66-73) bereits Präferenzen bezüglich der Ungarn-Nachdrucke hatte, und mich Atomino nicht so sehr interessierte. Damals war ich vielleicht 12, 13 oder so. Ohne etwas von den Mechanismen und typischen Stilmitteln des Mediums Comic zu kennen, sondern mit der Intuition des "naiven" und jungen Lesers sprachen mich Basil oder die Matufflis mehr an als Käptn Lütt oder Rolf und Robert.
Heute motivieren zwei Dinge meine Sammelleidenschaft: Einerseits natürlich Nostalgie, denn man kann sich als Erwachsener, für den die Zeit immer schneller zu verrinnen und die Umwelt immer weniger kontrollierbar zu sein scheint, dem melancholisch angehauchten Reiz der "heilen" Kindheit psychologisch kaum entziehen. Das ist zumindest meine Hypothese.
Andererseits hat sich mein Horizont als Comicleser nach dem Fall der Mauer natürlich stark erweitert. In einer zwei Jahre dauernden Blitz-Comic-Sozialisation (Mauerfall => Fix & Foxi => Garfield => Lucky Luke & Asterix) holte ich die (in meinen Augen) prototypische westdeutsche Comic-Kindheit nach. 1992 geriet ich dann an ein Schnäppchen der ersten vier V FOR VENDETTA-Bände von Alan Moore, und dann war es ein vorprogrammierter Weg über Schwermetall bis zu meiner heutigen viele Boxen umfassenden US-Comics-Sammlung, die noch bis Herbst im feuchten Keller darben muss. (Ich gebe zu, dass ich mich über ZACK hinaus bisher kaum für den europäischen, besonders frankobelgischen Markt erwärmen konnte.)
Mit diesem neuen Erfahrungshintergrund hat sich meine Sicht auf viele der DDR-Comics, die ich seit ein paar Jahren wieder verstärkt sammle, schon spürbar verändert. Inzwischen entdecke ich Andreas J. Muellers Vorliebe für Crumb in der "Knolligkeit" und Skurrilität seiner Basil-Serien oder erkenne den dramaturgisch effizienten Einsatz filmischer Mittel in fast allen Comics von Reiner Schwalme, besonders Rolf und Robert, und rangiere ein 15-Jahre-Epos wie Knote und Karli in meiner persönlichen Rangliste weit vor früheren Favoriten, weil wie bei Krazy Kat die Konsequenzen einer stabilen asymmetrischen Konstellation der Haupthelden gekonnt und einfallsreich variiert werden.
Dennoch glaube ich, dass meine persönlichen Präferenzen immer noch weit von einer kritischen oder zumindest zeitgemäßen Rezeption der DDR-Comics entfernt sind. Zu vielen der damals erschienenen Sachen kann ich auch nicht mehr sagen als "genial" oder "finde ich gut" oder "toll gezeichnet", wie das die Beitragenden im ursprünglichen Thema (http://www.comicforum.de/comicforum/showthread.php?s=&threadid=36793) und im gegenwärtig laufenden Atomino-Thread (http://www.comicforum.de/comicforum/showthread.php?s=&threadid=35472) auch tun. Was genau die Comics gut (oder kritisierbar) macht, kann ich vor dem oben beschriebenen Erfahrungshintergrund und mit gehöriger nostalgischer Verzerrung nicht erfassen, geschweige denn artikulieren. Das wird vermutlich auch ein Manko auf der Netzseite bleiben.
Ich denke schon, dass insbesondere Leute, die mit jugendlichen Augen Comics lesen, aussagefähig darüber sind, welchen Gebrauchswert sie heute haben, ob sie über das historische Flair anderer Stile und anderer gesellschaftlicher Hintergründe hinaus begeistern können, weil sie anregende Geschichten gekonnt erzählen.
Insofern möchte ich meine Einladung zu einem inhaltlichen Diskurs zu diesem Thema an alle Alt-DDR-Comic-Fans und alle jüngeren Besucher der Webseite bzw. des Forums erneuern.
Vorschläge für inhaltlich und stilistisch breit gefächertes Referenzmaterial zum Lesen auf der Netzseite:
- Atomino (http://www.DDR-Comics.de/atomino.htm) oder Ferri (http://www.DDR-Comics.de/ferri.htm)
- Matufflis (http://www.DDR-Comics.de/matuf.htm)
- Basil (http://www.DDR-Comics.de/basil.htm)
- Der Schatz von Finkenrode (http://www.DDR-Comics.de/ferien.htm)
- Waputa die Geierkralle (http://www.DDR-Comics.de/magazin.htm)
- Knote und Karli (http://www.DDR-Comics.de/knote.htm)
- Münchhausen (http://www.DDR-Comics.de/nbijank.htm) oder Rolf und Rudi (http://www.DDR-Comics.de/nbijank.htm), sowie
- Dorothy im Zauberland (http://www.DDR-Comics.de/ungtrom.htm) oder Der Graf von Monte Christo (http://www.DDR-Comics.de/ungtrom.htm) als kontrastierende Ungarn-Importe.
Natürlich fehlen hier noch wichtige Vertreter, wie Otto und Alwin, Comics von Horst Alisch oder Heinz-Helge-Schulze, die aufgrund der Rechtslagen (noch) nicht zur Verfügung stehen, da muss ich auf Eure Sammlungen bzw. Erinnerungen setzen.:)
Soviel zu dieser langen Einstimmung, nun heisst es: Lasst die Postings kommen!