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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Digedags und Religion



Theoretiker
08.03.2001, 15:52
Die DDR war zwar ein durchaus atheistisch geprägtes Land, doch gab es Eurer Meinung nach Anzeichen, das im Mosaik auf das Thema (in sowohl positiver als auch ablehnender Haltung) eingegangen wurde?

Fachwerk
08.03.2001, 16:42
Meiner Meinung nach war die Religion kein Thema.

Reniarenail
08.03.2001, 20:17
An manchen Stellen fällt eine ablehnende Haltung gegenüber Aberglauben und Scheinheiligkeit auf. Aber obwohl die Digedags zumeist mit Klugheit ans Werk gehen, können sie ohne eine Menge Glück ihre Ziele einfach nicht erreichen. Und es heißt ja: Gott hilft denen, die sich selber helfen. Anders hätten sie all die verfahrenen Situationen gar nicht meistern können. Naja, und in dem sie zusätzlich für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen, befolgen sie auch biblische Ideale, obwohl man dies vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennt! :)

Theoretiker
09.03.2001, 00:00
Ich denke da zum Beispiel an die erste Begegnung mit Coffins. Der stellt zwar als Bösewicht eher ein negatives Bild eines Geistlichen dar, aber von den Digedags kommen Sätze wie "Einem Pregiger kann man ja vertauen". Zudem scheinen sie in etwa mit den Augaben eines Predigers vertraut zu sein, wenn sie darauf hinweisen "Whisky? Sie haben doch bestimmt oft dagegen gepredigt?".
Und Runkel heitatet ja auch eindeutig kirchlich.

Wido Wexelgeld
09.03.2001, 14:14
Das war aber 1284 so üblich.

Bhur
09.03.2001, 20:31
Der islamische Geistliche kommt aber in den Heften 134, 135 auch gar nicht gut rüber. Als ob alle Geistlichen Gauner sind, in der Beziehung passt er gut zu Coffins. Mir ist eigentlich kein Geistlicher welcher Religion auch immer aus den Digedagheften bekannt der mit positiven Eigenschaften besetzt wurde, abgesehen von Minirollen wie dem Pfarrer von Möhrenfeld.
War nicht auch der böse Professor dem die Digedags die Perücke mopsten Theologe?

Reniarenail
10.03.2001, 07:56
Der Ausspruch: "Einem Prediger darf man schon trauen!" fußt eher auf der manchmal durchschimmernden Naivität der Digedags, so wie sie auch in #48 ihrem schurkischem Gefährten Kuno blind vertrauten. Und sowohl der Muezzin in #134/135 wie auch Coffins sind ja keine ernstzunehmenden Geistlichen sondern nur Ausdruck von Scheinheiligkeit. Ein anderer - der russische Pope in #45 - verkörpert geistige Beschränktheit, als er Ziolkowskis Elektrisiermaschine als Teufelswek verdammt. :rakete:

Bhur
10.03.2001, 08:06
Ein weiterer verschlagener Geistlicher ist der Medizinmann in den Heften 9/10.
Auch im Heft 1 treffen wir schon auf einen Muezzin. Durch ihre Religiösität werden die Steuertreiber abgelenkt und verlieren das eingetriebene Geld. Man kommt also auch hier schon zum Schluss das Religion etwas Unnützes ist.

Wido Wexelgeld
10.03.2001, 16:22
Hat hier schon jemand die Götzen in Amerika erwähnt?!

Reniarenail
10.03.2001, 17:02
Immerhin wurde dabei "der Zorn der Götter" entfacht, es erhob sich ein eisiger Wind, und eine Schlange erschien. Ganz im Gegensatz zur Götzenanbetung und dem Voodoo-Zauber auf der Südseeinsel in #11! Dieser rief nämlich nur Käpt'n Kümmels Papagei auf den Plan, welchen die Ureinwohner für den Gott Sambamba hielten! :asthanos:

Reniarenail
11.03.2001, 06:16
In Heft 193, glaube ich, um die Zeit wo Coffins "verunglückte", trat auch beim Indianerstamm des Häuptlings Rote Wolke ein Medizinmann auf. Er warf ein Gemisch aus Knochen und Federn auf ein Stück Leder, betrachtete es eingehend und schlußfolgerte: die Digedags haben noch einen dunklen und steinigen Weg vor sich, erleben aber bald eine Wende, die ihnen das Licht wiederbringt! - Es stimmte, denn die drei waren in dem zugeschütteten Labyrinth, aus dem sie bald darauf herauskrabbelten. ... :geist:

Reniarenail
11.03.2001, 07:14
In #65 begegnen Dig und Dag einem Scharlatan, der angeblich zaubern kann, doch in Wahrheit nur als Betrüger sein Geld verdient. In Nr. 78 in Prag taucht ein Pseudomagier auf, der mit Tricks unechte Geister erscheinen läßt, erinnert sei noch an den "Fakir", der in #142 bei Digedag auch nur mit Tricks arbeitet, und an den falschen Propheten und Kartenleger Horos Kopos. In Heft 50 kommt eine Wahrsagerin vor. Sie liest dem Grafen Kunz von Kuckucksberg aus der Hand und prophezeit: "Du wirst gewinnen und verlieren, kommen und gehen, halten und lassen und alles kommt so, wie es muß!" - Also das stimmt immer, doch dann setzt sie fort: "Gib mir einen Taler für die Weissagung, gütiger Herr!" In Nr. 29 versuchen sich Kaffeetanten als Traumdeuter: "Mir traumte neulich von Heuschrecken, das bedeutet liebe Gäste!" oder "Sie sind bestimmt bei der Eisenbahn, sie haben so regelmäßige Züge!" - Na, und der Astrologie- und Sterndeutertick von Mrs. Jefferson und Colonel Springfield während der Amerikaserie wird auch schön durch den Kakao gezogen: "Da ging doch der Mars [Kriegsgott] ins Haus des Wassermanns, und gleich darauf wurde unsere Truppe in die Sümpfe gejagt!" (C.S. um #153) Andererseits glaubt Häuptling Rote Wolke an die Kraft der "weißem Squaw", das Toltekengold aufzuspüren, und in der Tat, sie hat Erfolg. Unbestritten ist auch Digs Kunst zu hypnotisieren (Heft 6, 198) und Dags Fähigkeit, mit einer Wünschelrute umzugehen (Heft 7, 65). Es gibt also Für und Wider. :spin:

[Dieser Beitrag wurde von Reniarenail am 11. März 2001 editiert.]

Predantus
11.05.2003, 17:01
Dem wären sicherlich noch die Priester im alten Ägypten und der Pope aus Heft 45 anzufügen. Aber auch hier kommen die Vertreter Gottes, bzw. der Götter (wie man ja für Ägypten sagen muß) nicht allzu gut weg. Eine recht neutrale Rolle nimmt der Muezzin in Heft 127 ein, der die Ankunft der Teufelsbrüder meldet. Und ein paar Seiten weiter, im selben Heft sieht man einen betenden Dorfbewohner, dessen gebet im vollen Wortlaut wiedergegeben wird.
Die Antworten hier zeigen, daß man das Thema Religion nicht ganz umging, aber an den irdischen Vertretern göttlichen Glaubens oftmals kein guten Haar ließ, wobei auffällt, daß man sich offenbahr leichter damit tat, bei alte und nistchristliche Religionen die im Heft vorkamen, diese vielleicht auch etwas neutraler darzustellen als bei Vertretern oder Pseudovertreten (Coffins) des Christentums. Selbst der Burgkaplan der Runkel traut ist an seiner Nase als eine Figur erkennbar, die irdischen Genüssen, sprich Wein, nicht abgeneigt scheint, womit man auch bei seiner Figur wenigstens ein kleines Haar in die Suppe geworfen hat. Das dagegen der Muezzin aus dem von mir angesprochenen Heft 127 nicht ebenfalls als Schurke entlarvt wird könnte allerdings auch damit zusammenhängen, daß die kindlichen Leser eh nicht wußten, was ein Muezzin ist. Dies dürfte sich zwar auch bei dem perlenraubenden Muezzin in den Heften 135/136 nicht geändert haben, doch trägt der dortige Muezzin schon wieder entscheidend zur Handlung bei.
Halt, da fällt mir noch zum Abschluß noch zwei kirchliche Würdenträger ein der im Heft 119 mit verzückten Blicken vor dem kaiserlichen Brautpaar herstolzieren, als der Hochzeitszug die Hagia Sophia verläßt. Doch die sind wohl lediglich als Statisten zu werten die im historischen Kontex an dieser Stelle zwingend notwendig waren.

Bhur
11.05.2003, 20:40
In Heft 42 wird ein Tempel in die Luft gesprengt und der Tempelschatz zerstört. Dem Häuptling wir dann erzählt das er sowieso wertlos war.

Bhur
11.05.2003, 20:42
Das war glaube ich der einzige Hinweis auf Religion auf dem Neos, wahrscheinlich gibt es dort sowas nur noch im Großneonischen Reich.

Wonderworld
12.05.2003, 02:57
Original geschrieben von Bhur
War nicht auch der böse Professor dem die Digedags die Perücke mopsten Theologe?

Astrologe. :licht:

Predantus
12.05.2003, 06:23
Den Medizinmann aus Heft 10 kann man sicher auch in die Kategorie schurkischer Priester rechnen.

Predantus
12.05.2003, 06:26
Original geschrieben von Bhur
Das war glaube ich der einzige Hinweis auf Religion auf dem Neos, wahrscheinlich gibt es dort sowas nur noch im Großneonischen Reich.

Aber nur wenn man den antiken Nasengott aus Heft 39 nicht mitrechnet. :D:D

Bhur
12.05.2003, 08:14
Gut, gut aber der war eben antik und nicht zeitgenössisch. Die Kräfte des Proletariats haben solchlei Irrglauben mitlerweile aber offensichtlich abgelegt. :D

Wonderworld
12.05.2003, 08:43
Den Popen aus Heft 45 und den Medizinmann aus Heft 10 hatten wir weiter oben, glaube ich, bereits erwähnt. :lehrer:

Uhrviech
12.05.2003, 12:32
Ich bin von meinen Eltern, die mosaikgeschichtlich gesehen "jungfräulich" waren, doch in dessen atheistischem Geist erzogen worden. Will heißen, man wußte um Kirche und Glaubensfragen, hat es aber nicht thematisiert, sondern ignoriert. Dass eine staatlich verordneten "Ersatzreligion" existierte, bekamen (wie bei jeder Religion), die wenigsten Betroffenen mit und spiegelte sich im Mosaik erfreulich wenig wieder. Ich denke aber, daß für die Autoren doch ein gewisser Spielraum vorhanden war, zumindest die eigene Sicht in Wort und Bild anzudeuten. Offene Angriffe gegen die Kirche waren, genau wie deren Huldigung, unerwünscht. Die kleinen Seitenhiebe auf Kirche und Kirchenvertreter kommen ja im aktuellen Runkelbuch zur vollen Blüte (bis hin zum heiligen Vater), wodurch ich untermauert sehe, dass es primär die Autoren mit ihrer Selbstzensur fertigbarchten, das Thema Kirche und Religion aus den Geschichten herauszuhalten (obgleich es sich durch Ort und Zeit vielfach geradezu aufgedrängt hätte).
:licht: Doch die Digedags (bzw. Dag) hatten auch einmal einen hautnahen Kontakt zu den 12 Aposteln, als Dig und Dag in der Golemgeschichte während der Reparatur der Rathausuhr in's Räderwerk geraten:
Dag: "Nun schlägt's dreizehn! Wie komme ich denn auf einmal mitten unter die zwölf Apostel? Verzeihen Sie bitte, meine Herren..." "... ich wollte Sie nicht stören. - Halt, halt, bleibt doch stehen!" Aber das Räderwerk der Uhr ist dermaßen durcheinandergeraten, daß die Apostel nicht wie sonst zur vollen Stunde, sondern schon sieben Minuten vor halb neun losmarschieren.
Auch wenn Dag hier die Apostel direkt "angesprach", geschah das in einem verzeihlichen Schockzustand. Die Apostel selbst hatten den Mund zu halten und blieben (wie DDR-typisch), möglichst ein Kunstwerk, ein technischer- oder kulturhistorischer Gegenstand. Und damit kann ich sehr gut leben. :D