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Martin 37
20.10.2023, 06:54
Morgen Leute,

ich habe bißchen überlegt, ob ich dies in die Schreibstube oder hier reinpacke. Letztendlich habe ich mich für Lifestyle entschieden, weil es besser passt (und keine Socke / kein Socker hierherfindet :D).

Juristerei: Beruf oder Berufung

1. Teil: Das ist der Weg

Wer hätte gedacht, dass ich ehemaliger "Anarchist", Paragraphenreiter-Hasser, Anti-Spießbürger-Freund, Nihilist, Philosoph etc. zum Juristenberuf komme und da noch meine helle Freude dran habe. Wie und warum ich seit Jahrzehnten diesen Beruf liebe und warum ich mit Leib und Seele Jurist bin, erfahrt ihr hier.

Es war einmal vor langer, langer Zeit da dümpelte ich so ziellos am Gymnasium in der Oberstufe herum. Das liebste waren mir die Freistunden, die echten und die selbsternannten. Ich hing so im Jugendclub ab, während die anderen büffelten. "Lernen - Nein Danke" wäre meine perfekte Anstecknadel gewesen. Schreiben wollte ich, ja klar. Das war mein Leben. So richtig über alle Spießbürger und ihr Dasein ablästern und mich als coole Socke ausgegeben, den das alles nicht interessierte. Doch was sollte man da in der Zukunft so anstellen. Ein wenig Kohle zu haben, wäre schon ganz schick. Meine Kumpels hatten ihre Maschinen oder sogar schon ein Auto. Ich hatte das alte ausrangierte Fahrrad meines Dads, das schon 50 Jahre auf dem Buckel hatte. Cool war was anderes. Wenn man nix Cooles hat, muss man halt versuchen, coole Sachen zu machen.

Nunja, was wäre cool und hätte was mit Schreiben zu tun. Naja, ein Journalist kann sehr gut über die Welt ablästern und seinen Frust herauslassen. Also ab in die Spur und gucken, wie man da dran kommt. Hoppla, mein Opa kannte eine Eliteschule für Journalisten, wo ich schon nach wenigen Augenblicken erkannte, dass ich da ganz und garnicht reinpasste. Mein "Freigeist" wäre da gefangengenommen und kastriert worden. Ne, das durfte nicht sein. Also machte ich da einen großen Bogen drum.

Nächster Schritt, den jeder Schüler gehen muss, der keine Ahnung für seine Zukunft hat: Berufsberatung. "Du willst also Journalist werden, mein Junge. Journalisten sind auch oftmals Juristen." So oder so ähnlich war sein Spruch. "Hey Mann, du hast Recht", hab ich nicht gesagt. Aber ich dachte mir, je länger ich überlegte, dass Anwalt ein absolut cooler Job wäre. Ich dachte an Petrocelli und seinen Kampf für die kleinen, gebeutelten Leute, die er so gerne vertrat. Ein wahrer Kämpfer für die Gerechtigkeit. Mein Ziel war vorgegeben.

Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, und hätte ich es schon gewusst, dann hätte es mir die gute Laune aber so was von verhagelt: Der liebe Gott (oder auch der Gesetzgeber genannt) hat vor dem Anwaltsberuf eine lange, steinige Ausbildung mit Studium und Referendariat gesetzt. Die größten Feinde sind dabei diejenigen, die schon Juristen sind und die dich ausbilden sollen. Die verteidigen ihre Pfründe mit allem, was sie zu bieten haben. Der größte Feind eines Juristen ist der nächste Jurist (einer davon ist mein bester Kumpel seit 35 Jahren).



Bald in diesem Forum: Teil 2: Auf dem steinigen Weg

Gesetzliche Grüße
Martin

Martin 37
21.10.2023, 06:09
Teil 2: Auf dem steinigen Weg

Kurz noch das Abi abgelegt und dann ab zur Uni (Bundeswehr - nein, danke!). Eines Tages saß ich dann im größten Hörsaal (Audimax?) der RUB und hörte so, was die Dozenten so erzählten. Wir waren 700 Erstsemester und noch so ca. 300 "Schwarzhörer", die keinen Studienplatz an ihrem Wunschort bekommen hatten. Rechtswissenschaften, so heißt Jura offiziell als Studienfach, hatte damals keinen Numerus Clausus (Nummern Schloss). Sprich: Jeder Volldödel so wie ich konnte sich auf den Weg machen. Einziges Problem war, an die passende Uni zu kommen. Sorry für alle, die nach Passau verschickt worden sind.

Irgendwann gab es auch mal Vorlesungen. Anders als in der Schule ist bei Studiengängen, insbesondere Jura, nix zwingend vorgegeben (zumindest zu meiner damaligen Zeit). Es gibt natürlich einen "Fahrplan", der empfohlen wird. Und so sucht man sich die Vorlesungen raus, die man gerne anhören will. Es gibt keine Anwesenheitspflicht oder sonstiges. Entweder geht man hin oder nich. Wenn kein Zwang besteht, kann ich mich sogar dazu aufrappeln. Und so wurde ich ein sehr strebsamer Student, der kaum eine/keine Vorlesung verpasste. Manchmal waren aber die Kommilitoninnen (ohne vermeintliches Gender-Sternchen hier) das Interessanteste an den Veranstaltungen. Btw: Früher war Jura fast eine ausschließliche Männerdomäne, zu meiner Zeit war es aber schon fifty zu fifty.

Zurück zur Vorlesung "Einführung in die Rechtswissenschaften". Auf der Bühne stand vor den etwa tausend Leuten ein Dozent, der das Mirko-Kabel so schwang wie Freddie Mercury zu seinen besten Zeiten auf der Bühne. Ansonsten hatte er wenig Ähnlichkeit mit diesem, eher so ein Norbert Blüm-Typ mit Nickelbrille und Halbglatze. Er war Arbeitsrechtlicher, daran erinner ich mich noch. Aber ganz besonders an seine markanten Sprüche, die einschlugen wie Donnerhall:

"Wer bei Jura Gerechtigkeit sucht, ist hier verkehrt. Der sollte zur Theologie oder Philosophie rübergehen. Hier gibt es bei Gericht ein Urteil, aber keine Gerechtigkeit."

Peng!

"Nur jeder Zehnte, der hier sitzt, wird die Ausbildung komplett durchlaufen und tatsächlich Jurist werden."

Motivation sieht anders aus.

"Bis man Jurist ist, dauert es durchschnittlich 9 bis 10 Jahre. Also die sollten jedenfalls eingeplant werden."

Schluck!

Ich Volldödel hatte mich in der Berufsberatung nicht danach erkundigt, wie lange man so als Jurist braucht, um fertig zu werden. Selber schuld, wenn man da nicht nachfragt. Ich hatte so mit drei Jahren gerechnet und dann mit der dicken Kohle. Jetzt hieß es, länger zu darben.

Auch sonst war der Dozent, der die Leute so schön an Jura heranführte, ein Zyniker vor dem Herrn. Seine anderen Sprüche hab ich mir aber nicht gemerkt. Gemerkt habe ich aber schnell, dass die Vorstellungen vom Anwaltsberuf nix mit der Realität zu tun haben.

Wie es doch eine supergeile Zick wurde und warum, lest ihr bald. Jetzt ist Einkaufen am Samstag, wie manche wissen.

Ciao
Martin

PS: Wir zählten sofort jeden Zehnten in unserer Reihe ab, wer von unserer großen Gruppe übrigbleibt. Ich weiß nich, ob ich dabei war. Aber jeder war von sich überzeugt, durchzuhalten. Ene, mene muh und raus bist du. :o :D

Jovis
21.10.2023, 06:34
Wow! Hochinteressant. Wir beide müssen uns zu Schulzeiten sehr ähnlich gewesen sein. Allerdings habe ich dann tatsächlich Philosophie, Geschichte und Theologie studiert, während zwei meiner Freunde sich an Jura herantrauten. Ich weiß aber, dass es ihr Leben nachhaltig veränderte, weil DIE Menge an Lernstoff einfach unglaublich ist. Damals wurde gesagt, dass Jura und Physik Fächer sind, die jegliche Freizeitbeschäftigung komplett unmöglich machen. Und so hat auch nur einer der zwei durchgehalten. Interessant ist, dass auch der mit großen Ambitionen daran ging - und auch ein guter Jurist ist - aber eben schon das Konzept der individualisierten Situationsanalyse erlernen musste, wo es eben nicht immer um Idealismus geht, sondern um Recht haben. Ich glaube aber auch, dass er als Juzrist auch dazu neigt, sich menschlich schlechter hinzustellen als er ist. Ja, mag sein, dass Rechtsverdreherei eine gute Beschreibung für den Job ist (seine Worte), aber ich habe selbst schon mehrfach dsavon profitiert, dass jemand für mich "das Recht auslegt" und fühle mich völlig gut versorgt und "zu meinem Recht gekommen".

PS: Bis heute, wo ich das Elend durch Erzählung meiner Azubis miterlebe, ist Berufsberatung der niedrigste und verachtenswerteste Job überhaupt. DIE machen mal wirklich seit 50 Jahren oder schon immer ihren Job so richtig schlecht. Solche Zitate wie du sie berichtest, wo man wirklich 'an dir dran' ist, sind schon ein echter Ausnahmefall.

Martin 37
21.10.2023, 07:39
Jovis

Großes Hallo und vielen Dank, dass du hier reinschaust und für deinen netten Kommentar.

Manches davon habe ich ja schon in Zwiegespräche im Singular (https://www.comicforum.de/showthread.php?190041-Zwiegespr%C3%A4che-im-Singular) hier im Unterforum Schreibstube vorweggenommen. Es hat auch mich stark verändert und beeinflusst. Wie weit, hat man schon in der Schreibstube gelesen oder wird bald hier kommen.

Exkurs: Die Zwiegespräche handeln davon, wie mein früheres idealisiertes junges Ich mich jetzt als Altes Ich sehen würde. Dabei disst mein früheres Ich mein Altes Ich ganz schön. Aber ich kann teilweise auch kontern. Dann kommen noch Mittleres und Uraltes Ich und geben dazu auch noch ihren Senf ab. Ich weiß nicht, ob du da reinliest, weil du ja keine Fan-Fictions magst.

Ich will hier noch nicht spoilern, was noch kommt. Aber du hast mit deiner Beschreibung schon sehr viel erfasst, was es ausmacht, Jurist zu werden. Zum Glück gibbet bei Juristen verschiedene Sachen, die man machen kann und wie man die machen kann.

Bis bald.
In dubio pro Jurist
Martin

Jovis
21.10.2023, 07:42
Ich hab ja im Moment recht viel Zeit. :D Vielleicht sollte ich da doch mal reingucken.

Martin 37
21.10.2023, 08:26
Das würde mich freuen. Wenn du dann auch mal "Ein gutes Omen" lesen möchtest. Auch in der Schreibstube schreibe ich nicht viel anders als sonst hier. Kennste doch, meinen Stil.

Übrigens gute Besserung.

Ciao
Martin

Jovis
21.10.2023, 09:22
Danke! :)

albert-enzian
21.10.2023, 15:24
Ich hab ja im Moment recht viel Zeit. :D Vielleicht sollte ich da doch mal reingucken.

Lohnt sich auf alle Fälle! :o Ich habe mich dort wirklich köstlich amüsiert. :D
Es war so treffend und man konnte sich oft genug selbst erkennen. :p

Martin 37
22.10.2023, 06:59
Lohnt sich auf alle Fälle! :o Ich habe mich dort wirklich köstlich amüsiert. :D
Es war so treffend und man konnte sich oft genug selbst erkennen. :p

:umarm:

Meinst du wirklich, das von mir Dahingestammelte? Eins der größten Lobe, die ich hier je gelesen habe. Herzliches Dankeschön.

Ich werde hier bald weitermachen, habe mich aber heute zu sehr im Zack-Forum aufgehalten und mich mit der Übersetzungsproblematik von Texten auseinandergesetzt. Jetzt fehlt mir hier die Zeit. :(

Ich wünsche allen einen wunderschönen Sonntag.

Heute verklage ich mal keinen, weil es schön hier ist. :D
Ciao
Martin

Jovis
22.10.2023, 07:08
Da grüße ich gleich zurück. Auch dir - und euch allen - einen schönen Sonntag.

Martin 37
25.10.2023, 05:17
Heute mal ganz auf die Schnelle (ich musste in den letzten Tagen auf vielen Kanälen meinen Senf zur Berufseinstellung vieler Schalker Spieler Stellung nehmen :( :o :p ;) :D und hatte somit keine Zeit für hier).

Im Erstsemester standen so Sachen wie die Methodik der Fallbearbeitung, Kriminologie und Römisches Recht auf dem "Stundenplan". Ob da auch schon Volkswirtschaftslehre (VWL) dabei war, weiß ich gerade nicht mehr.
Ansonsten gab es natürlich Vorlesungen zu den drei Hauptbereichen bei Jura, als da wären Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht.

Zu Anfang hat mir das Römische Recht als alter Lateiner fast am besten gefallen. Na, wer seinen Asterix liebt, ist hier bestens aufgehoben. Mir fällt gerade ein, dass man daraus bestimmt ein Asterix-Album stricken kann.

Manch einer könnte jetzt fragen, warum man bei Jura in die Antike zurück geht. Man studiert hier doch keine Geschichte. Tja, so dumm waren die alten Römer nich. Die haben das europäische Recht, wie so vieles anderes, sehr geprägt.


"Einfluss auf das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch und die europäische Rechtsprechung

Die Römer dürfen sich rühmen, die Ersten zu sein, die es schafften, aus der Gesetzgebung eine Wissenschaft zu machen. So legten sie auch den Grundstein für das positive Recht. Das Bürgerliche Gesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland beruht ganz wesentlich auf überlieferten Rechtsregeln der römischen Antike. Diese allerdings wurden kodifiziert, will meinen, angepasst und zusammengefasst. Herausragend ist, dass das römische Recht die gemeinsame Grundlage der europäischen Rechtsprechung darstellt.

Das römische Recht wurde, anders als andere Dinge, die sie lediglich von den Griechen übernahmen, von den Römern selbst gestaltet. Doch kann man dies dahingehend einschränken, dass doch etliche Argumentationsmuster und Begrifflichkeiten aus der griechischen Rechtsphilosophie übernommen wurden. Die Wissenschaft vom römischen Recht wird Romanistik genannt. Die größte Errungenschaft des römischen Rechts, die 'Ius Civile', kannte bereits die Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum, auch in Sachen Erbrecht und anderen Angelegenheiten des Sachenrechts gab sich das römische Recht ähnlich unseren heutigen Gesetzen."

Quelle: juraforum.de/lexikon/roemisches-recht (https://www.juraforum.de/lexikon/roemisches-recht)


"Ius Civile" (= Zivilrecht) ist also älter, als man so dachte.


Exkurs:

Neben dem Römischen Recht hatte auch der "Code civil" bzw. "Code Napoleon" bis zum Inkrafttreten des BGB zum 01.01.1900 Auswirkungen in Deutschland. Mit Inkrafttreten des BGB war aber damit auch in Deutschland das Zivilrecht/ das bürgerliche Recht in einem umfangreichen Gesetz kodifiziert worden.

Das BGB ist in weiten Teilen bis heute erhalten geblieben. Zwischendurch gab es mal eine Schuldrechtsmodernisierung (2001). Aber Regelungen wie den "Überfall" (§ 911 BGB) gibbet immer noch.



"Der Code civil (Abkürzung CC oder C. civ.) regelt das französische Zivilrecht. Es wurde 1804 von Napoleon Bonaparte eingeführt und in den nachfolgenden drei Jahren durch ein Zivilprozessbuch, den Code de procédure civile, und ein Handelsgesetzbuch, den Code de commerce ergänzt. Zwischen 1807 und 1815 und nochmals zwischen 1852 und 1870 unter Napoleon III. wurde der Code civil offiziell auch Code Napoléon genannt.[1] Napoleon sah die Gesetzessammlung als sein persönliches Werk an und gab ihr ursprünglich den Titel Code civil des Français („Zivilgesetzbuch der Franzosen“).

Der Code civil gilt als ein modernes und bedeutendes Gesetzeswerk der Neuzeit, da es dem Vorbild eines vernunftrechtlich-liberal geprägten Kodifikationsmodell folgt. Im Stil ist das Werk kurz und prinzipienorientiert gehalten. Die Systematik der Gliederung baut auf dem spätantiken Institutionensystem auf. Die Rezeption des Code civil gilt – insbesondere während des 19. Jahrhunderts – als Vorgang von weltgeschichtlicher Bedeutung, da er viele Territorien erreichte. In wesentlichen Teilen ist der Code in Frankreich bis heute gültig. Wie die Zivilrechtsbücher Preußens und Österreichs, gehört der Code zu den sogenannten Naturrechtsgesetzgebungen. Maßgeblichen Einfluss nahmen in der frühen Phase die Rechtsgelehrten der Aufklärung, etwa Hugo Grotius (1583–1645), Samuel Pufendorf (1632–94) und Christian Wolff (1679–1754)."

Quelle: wiki Code civil (https://de.wikipedia.org/wiki/Code_civil)



Fürs Jura-Studium wurde früher empfohlen, dass man das Große Latinum besitzen sollte, um klar zu kommen. Das ist totaler Humbug. Die paar lateinischen Befriffe kann man sich auch so merken.

Wer kennt nicht den Spruch "in dubio pro reo". Ob es meinen Lieblingsbegriff "invitatio ad offerendum" bereits zu Römerzeiten gab, weiß ich übrigens nicht, gehe aber davon aus.

Ave
Martin

PS: Demnächst mehr in diesem Theater.

Jovis
25.10.2023, 06:25
Also ich finde, dass man mindestens das Große Latinum grundsätzlich ganz gut gebrauchen kann. Für mein Philo-Studium brauchte ich das oder das Graecum. Das Große Latinum habe ich aber schon mitgebracht, habe dann aber freiwillig noch das Graecum zusätzlich gemacht und empfinde beides als total wertvollen Beitrag zur Allgemeinbildung. Es hilft allein schon dabei, Synapsen im Kopf zu bilden zwischen Sprache, Geschichte und Lebenswelt. Der Prof bei dem ich Graecum gemacht habe, der konnte von den Unterschieden bei Latein und Altgriechisch auf das Temperament der beiden Völker zurückverweisen und da ganz lange Vorträge drüber halten. Das war ganz toll. Halte ich auch für Anwälte für interessant. Was passiert, wenn man das alles nicht mehr in Verbindung setzen kann, Sprache und Denken, wenn Meinungen nur noch spontan gebildet werden und womöglich noch von emotionalen Ausbrüchen geprägt sind, kann man hier im Internet doch sehr eindrücklich mitverfolgen. :D

EDIT: Und das war kein Hieb gegen das CF! Ich finde nämlich, dass hier im Großen und Ganzen noch sehr wortreich und argumentativ gefochten wird. Das finde ich eigentlich nämlich super am CF.

Martin 37
26.10.2023, 04:58
Jovis

Du hast recht, dass Latein sehr hilfreich ist. Es ist schon allein zum Verständnis romanischer Sprachen mehr als nützlich, wenn man die Ursprünge kennt. Hinzu kommt, dass es einem bei der Grammatik (auch der deutschen) sehr hilft.
Da ich auch immer sehr Geschichtsinteressiert war, traf es bei mir auch einen Nerv.

Was ich aber sagen wollte, ist, dass es bei Jura nicht "überlebensnotwendig" ist, lateinische Sprüche zu verstehen. Auch als Nichtlatainer kann man sich die paar Begriffe gut merken.

Hier die Auflösung zum letzten Post:

invitatio ad offerendum: Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (= Abgrenzung zum Angebot für einen Vertragsabschluss)
in dubio pro reo: im Zweifel für den Angeklagten (kennen wohl die meisten)

Glück auf
Martin

1. Edit: Auch im Schalke-Forum gibbet hochqualifizierte Beiträge :D

2. Edit: Wer Jura studieren will, sollte anstelle von Latein eher das logische Denken wie in der Mathematik beherrschen. Wobei Latein und logisches Denken auch eng verknüpft sind. Ein gewisses Sprachgefühl (für Urteile oder Schriftsätze, beim Plädoyer im Gerichtssaal oder bem Gespräch mit Mandanten etc.) sollte auch vorhanden sein.
Zudem spielt Psychologie eine große Rolle z. B. beim Umgang mit Mandanten etc. Ein Anwalt sollte zudem auch kaufmännische Fähigkeiten besitzen, um den Laden finanziell am Laufen zu halten.

Hab ich watt vergessen? Wenn ja, werde ich es erwähnen.

Ach so: Den Großteil vom oben Genannten kann ich selbstverständlich nicht, sonst wäre ich doch erfolgreich geworden und meinen Namen würde man in der Zeitung mal lesen. :D

3. Edit: Ich freue mich über Rückmeldungen und eigene Erfahrungen in der Ausbildung oder im Beruf.

4. Edit: Eigentlich wollte ich über Kriminologie referieren und was mir dran missfallen hat. Das kommt dann.

Jovis
26.10.2023, 05:48
Der Familienanwalt der Corleones stand bestimmt auch nicht namentlich in der Zeitung und war trotzdem außerordentlich gut. Wenn du mal hier nicht dein Licht unter den Scheffel stellst. :D

Martin 37
26.10.2023, 05:57
Jovis

Hier sind wir wieder bei Luther (siehe Zack-Forum):

"Die Redensart „man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen“ bedeutet, man soll seine Leistungen und/oder Verdienste nicht aus Bescheidenheit verbergen oder die eigene Leistungsfähigkeit geringschätzen. Die Redensart bezieht sich auf das Gleichnis vom Licht unter dem Scheffel im Neuen Testament (Mk 4,21 LUT; Mt 5,15 LUT; Lk 11,33 LUT) in der Übersetzung Martin Luthers; gemeint ist der Korb oder das Gefäß, mit dem die Menge abgemessen wird. Luther wählte „Scheffel“ als Übersetzung für das Hohlmaß griechisch modios, bzw. lateinisch modius, dessen Volumen mit ca. 8,75 l angegeben wird."

Quelle: wikipedia - Scheffel (https://de.wikipedia.org/wiki/Scheffel_(Ma%C3%9Feinheit)#Der_Scheffel_im_Sprichw ort)

Meinen Lebenstraum habe ich übrigens nicht erfüllen können:

Justitiar bei Schalke 04 zu werden :D

Glück auf
Martin

Martin 37
27.10.2023, 05:22
Leute, es wird endlich Zeit, dass wir was ändern. So kann es einfach nicht weitergehen. Lasst uns ein neues Team aufstellen, dem die Zukunft gehört:

Kabadyi links
Kozuki rechts
Lasme und Karaman Mitte
Ouedraogo dahinter auf der 10
Tempelmann und Tauer als Doppelsechs
Murkin links hinten
Matriciani rechts hinten
Cisse und X Innenverteidigung
Heekeren Tor

Und mit diesen 12 Spielern rocken wir dann jedes Spiel. Ihr werdet sehen. (Karaman natürlich alleine als Spitze).

Alle Spieler ab Mitte bis Ende 20 oder gar drüber endlich ins Alterszeit schicken. Vielleicht schaffen Schallenberg, Seguin, Baumgartl, Fährmann es irgendwo noch als Trainer oder Sportdirektor aber nicht mehr als Spieler beim FC Schalke.

Glück auf
Martin

________________________

Upps. Falsches Forum. :o :cool: ;) :D

Also Kriminologie Leute ... Mist, ich habe keine Zeit mehr. Muss arbeiten und ein paar Paragrafen biegen. :D :D :D

Taktische Grüße
Martin

Martin 37
28.10.2023, 06:30
Nach dem Ausflug ins Seriöse (Schalke-Aufstellung) nun zurück ins Fantastsiche:

Kriminologie:

Wie das Römische Recht gehörte Kriminologie zu den Grundlagenfächern (ich glaube die Methodik gehörte auch dazu). Man musste einen Grundlagenschein in einem dieser Fächer schaffen.



Exkurs: Scheine sind in Studiengängen Leistungsnachweise, die man überwiegend durch Klausuren und teilweise auch mit "Hausarbeiten"/Sechswochenarbeiten erlangen kann/konnte. Im Vergleich zum Examen aber sind die Pillepalle, sodass irgendwann Zwischenprüfungen eingeführt wurden, von denen ich gehört habe, dass diese auch nicht so sehr gesiebt haben sollen, wie erforderlich gewesen wäre).



"Die Kriminologie bedient sich verschiedener Bezugswissenschaften wie Rechtswissenschaften und Psychiatrie, Soziologie und Pädagogik, Psychologie, Ethnologie und Anthropologie, sowie in den letzten Jahrzehnten verstärkt der Wirtschaftswissenschaft, um die Erscheinungsformen der Kriminalität zu beschreiben bzw. zu untersuchen."

Quelle: wiki - Kriminologie (https://de.wikipedia.org/wiki/Kriminologie)

Ich kann mich als Aufreger hauptsächlich an die alten Theorien aus dem 18. oder 19. Jahrhundert erinnern, die wirklich schrecklich waren.

Wir hatten die italienische Schule:

"Die italienische (kriminalanthropologische) Schule

Hauptvertreter der kriminalanthropologischen Schule war der italienische Mediziner Cesare Lombroso; er wird weithin als Begründer der Kriminologie angesehen. Obwohl seine frühen Thesen als vollständig widerlegt gelten, war er der erste, der seine theoretischen Aussagen auf Basis von umfangreichen Studien entwickelte und einen strikt erfahrungswissenschaftlichen Ansatz zugrunde legte.[5]

Lombroso glaubte feststellen zu können, dass sich Straftäter in vielen physischen und psychischen Anomalien von anderen Menschen unterscheiden. Er deutete diese als Ausdruck des atavistischen, degenerierten Entwicklungsstandes der Verbrecher. Dieser Entwicklungszustand hindere sie, sich an die Regeln der zivilisierten Gesellschaft anzupassen."

Quelle: s. o.

Und die französische Schule:

"Die französische (kriminalsoziologische) Schule

Von der französischen Schule der Kriminologie wurde der kriminalanthropologische Ansatz abgelehnt und die gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen von Kriminalität in den Mittelpunkt gestellt. Wichtige Impulse für diese Sichtweise kamen von den in vielen europäischen Ländern entstehenden kriminalstatistischen Datensammlungen. Pioniere der Kriminalstatistik waren André-Michel Guerry und Adolphe Quetelet; sie nannten ihre Forschungsdisziplin Moralstatistik.

Führende Theoretiker der französischen Schule waren Alexandre Lacassagne und Gabriel Tarde. Lacassagne vertrat die These, Nährboden der Kriminalität sei das Milieu. Von ihm stammt der Satz: „Jede Gesellschaft hat die Verbrecher, die sie verdient.“ Tarde sah die Hauptursache von Kriminalität in der Nachahmung und postulierte, dass ein Verbrecher nur das nachahmen könne, was andere ihm vorgemacht hätten. Daraus folgerte er: „Jedermann ist schuldig mit Ausnahme des Kriminellen.“"

Quelle: s. o.

Beim Prof. hatte ich stellenweise den Eindruck, dass er teilweise diesen alten Theorien hinterhertrauerte und nicht vehement genug widerlegte. So guckten wir uns alte Fotos an, wonach früher Menschen nach ihrem Aussehen als Kriminelle verdächtigt (und verurteilt?) wurden. Mir ist klar geworden, warum Jack The Ripper damals nicht gefasst wurde. :D

Bevor das jemand in den flaschen Hals bekommt: Kriminologie ist von der Kriminalistik zu trennen:

"Kriminalistik (aus lateinisch crimen Beschuldigung, Vergehen) ist die Lehre von den Mitteln und Methoden der Bekämpfung einzelner Straftaten und des Verbrechertums (der Kriminalität) durch vorbeugende (präventive) und strafverfolgende (repressive) Maßnahmen. Eingeschlossen sind die dazu erforderlichen, am Einzelfall orientierten, rechtlich zulässigen, allgemeinen und besonderen Methoden, Taktiken und Techniken."

Quelle: - wiki - Kriminalistik (https://de.wikipedia.org/wiki/Kriminalistik)

Wir wurden schließlich nicht zum Ermittlungsbeamten bei der Kripo ausgebildet.

Den Rest des Inhalts der Vorlesung habe ich verdrängt. Den Schein habe ich wohl trotzdem gemacht. Muss wohl Multiplichoise gewesen sein, wie in anderen Studienfächern auch. :D Das gab´s dann später nie wieder, außer vielleicht VWL. :(

Krimi- listige Grüße
Martin

Jovis
28.10.2023, 21:52
Ich bin fasziniert. Klingt philosophisch, obwohl die Philosophie, zumindest wie ich sie studiert habe, offiziell die Juristerei nie wirklich berührt hat. Aber deine Inhalte, so wie du sie beschreibst, klingen auf jeden Fall als seien sie philosophischer Natur, was ja im Grunde bei einem so umfassenden und lebensweltübergreifenden Metier wie der Juristerei sich von selbst versteht.

Martin 37
29.10.2023, 12:12
Jovis

Ich komme erst jetzt dazu hier reinzuschauen. Zuvor musste ich ja Asterix, Soda (Piredda Forum) und die Fan Fiction abarbeiten.

Danke für deine Faszination. Da es sich um Grundlagenfächer handelte war der Einstieg da breiter gestreut als es dann in der Juristerei tatsächlich gebraucht wird. Es ist eher zum Appetitmachen im Studium, dass dann doch eher Richtung Rechtsanwendung und Rechtsauslegung geht.
Eins kan ich aber vorwegnehmen: Als Jurist muss man sich in Lebensbereiche einfinden, die einem nich tunbedingt bekannt sind.

Später aber mehr in diesem Theater. Sonntagsessen ist fertig. Beste Ehefrau von allen ruft (Danke Kishon, mein großes Vorbild).

Schmatzende Grüße
Martin

Grünling
29.10.2023, 21:29
Ohne dir in irgend einer Weise zu nahe treten zu wollen, waren meine Erfahrungen als Mandant mit den mich
vertretenden Rechtsanwälten in allen Fällen negativ. Okay, bis auf eine große Ausnahme, aber mit dem war
ich quasi befreundet. Die sonstigen Anwälte waren eigentlich nur an ihrem Honorar interessiert.
Sorry, aber so hab ich's empfunden. Ich hab allerdings auch nicht oft einen Anwalt gebraucht, zum Glück.
Vielleicht so 6 bis 7 mal in 40 Jahren. Wie gesagt, geht nicht gegen dich, sondern ist einfach mein Eindruck
von den Juristen mit denen ich zu tun hatte.

Aproporz – Kishon mag ich auch sehr gerne. Hier an meinem Wohnort läuft grade wieder ein Bauprojekt.
Meine persönliche Bezeichnung dafür 'Blaumilchkanal'. Du weißt was ich meine. :)

Martin 37
30.10.2023, 07:47
Hallo Grünling

Ach, das tut mir leid für dich. Bedauerlicherweise gibt es von dieser Art sehr viele Anwälte. Während meines Referendariats wurde diese Problematik auch von einem Anwalt als Dozent angesprochen. Wie verhält man sich gegenüber seinem Mandanten? Insoweit muss sich das jeder Anwalt überlegen, was er macht. Sagt er seinem Mandanten, dass er keine Erfolgsaussichten hat oder streicht man die Anwaltsgebühr ein und macht ein wenig auf Schau. Bei Mandanten, wo man die Hoffnung hat, dass sie wieder kommen, wird das erste gelten. Bei den einmaligen Mandanten macht man wahrscheinlich jeden Mist und bringt unbedingt eine Klage vors Gericht. Da verdient man dann mehr. Möglichst noch den Streitwert in die Höhe treiben und dann richtig absahnen. Da es meistens kein Erfolgshonorar gibt, ist es auch egal, wenn man in Bausch und Bogen aussem Gericht fliegt. Der Anwalt hat jedenfalls ein üppiges Honorar eingestrichen. Dann wird über den Richter/die Richterin/ die Kammer etc. abgelästert, dass die alle keine Ahnung haben und man eigentlich hätte gewinnen müssen und macht sich dann mit seinem Ferrari/Jaguar/Maserati aus dem Staub, und zwar ganz flott, damit der Mandant nix mehr fragen kann.

In meinem Berufsleben habe ich soviele Anwälte kennengelernt, die wirklich sehr wenig Ahnung von der Materie hatten und trotzdem grotzkotzig aufgetreten sind. Ich hatte es gerade in einen anderen Thread angeführt. Die beleidigen einen, unterstellen einem einen Betrug und lügen, dass sich die Balken biegen, weil sie in der Sache nicht dagagen ankommen. Alles schon erlebt. Deshalb mein großer Groll gegen solche Sachen ( Hallo Jovis, hier nur noch mal zu Erklärung, warum ich bei sowas abgehe wie Frettchen). Manche Anwälte verfallen dann in die große Unsachlichkeit. Das bekommt man als Mandant nicht mit, findet aber den Anwalt dann super, weil er es der Gegenseite mal so richtig gezeigt hat.

Du siehst, ich habe unendlich viel Erfahrung mit einer Masse an Anwälten.



Ich wollte es eigentlich nicht vorwegnehmen. Ich hasse den Anwaltsberuf und hätte den nur ergriffen, wenn ich ansonsten unter einer Brücke hätte schlafen müssen. Ich bin vielmehr als Justitiar im öffentlichen Dienst tätig und wahre die Rechtmäßigkeit der Verwaltung. Dabei bin ich nur an Recht und Gesetz gebunden und setze dies vehement um, ob in der Verwaltung, bei den Bürgern oder vor Gericht. Nur der "Gerechtigkeit" habe ich mich unterworfen!

Dazu aber viel später mehr.

Besonders zu den "dumben" Anwälten beim Verwaltungsgericht habe ich viele Storys auf Lager.



Anti-Anwaltliche Grüße
Martin

PS: Der Blaumilchkanal ist super!

Jovis
30.10.2023, 08:29
Ich habe eigentlich nur gute Erfahrungen mit Anwälten gemacht. Die notarielle Copyright-Beglaubigung meiner Kurzgeschichten hat ein Notar immer total liebevoll gemacht, mit Zertifikat mit Bändchen in die handschriftlichen Kladden eingearbeitet. Total schön. Anwälte, die sich in einem anderen Betrieb eingekauft haben, zum Beispiel die Anwälte bei der ARAG, die sind immer etwas sehr unengagiert. Eher Geschäftsleute. Auch der Anwalt, den ich in meinem Betrieb erstmalig konsultiert habe, Fachbereich Arbeitsrecht und Teilhaber einer größeren Firma, hat uns tatsächlich falsch beraten und war offenbar auch moralisch eher der Gegenseite zugeneigt. Aber aus Unwissenheit heraus. Das war sehr unschön und da habe ich jetzt jemanden gefunden, die nicht Teilhaberin ist, sondern selbstverantwortlich arbeitet.

Alle Anwälte, die ich privat konsultieren musste, sind aber immer völlig in Ordnung und hilfreich gewesen. Teilweise sogar witzig. Ich hatte mal vergessen mich nach Umzug umzumelden, musste dann Strafe zahlen und bekam dann eine zweite Rechnung ein Jahr später, die VIEL höher ausfiel. Da hat mein Anwalt die Stadtverwaltung verschmitzt lächelnd der "Doppelverfolgung" beschuldigt und mit Anzeige gedroht, woraufhin man mir eine Entschuldigung geschrieben hat. Sowas erlebt man natürlich nur, wenn man im Rechtsschutz ist, den man mal ausprobieren wollte. :D Normalerweise nimmt man sich für sowas keinen Anwalt sondern ruft bei der Stadt an und klärt es selbst.

Ich werde aber in Kürze nochmal gegen eine Angestellte in einer sehr schwierigen Sache meine neue Anwältin brauchen. Da muss sie zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt ist.

Grünling
30.10.2023, 09:40
Ich bin vielmehr als Justitiar im öffentlichen Dienst tätig und wahre die Rechtmäßigkeit der Verwaltung.

Jetzt hab ich's begriffen. Ansonsten vielen Dank für deinen längeren Eintrag, und genau so hab ich's empfunden.
Wirklich geholfen haben mir im Leben nur zwei Anwälte –
der eine war angestellter Anwalt bei einem Schutzverein und
mit dem zweiten war ich befreundet und leider ist er viel zu früh verstorben.
Die Frage ist für mich weiterhin, wie findet man einen guten Anwalt zu seinem jeweiligen Anliegen?

Martin 37
30.10.2023, 17:46
Hallo Grünling,

erstmal muss ich dich noch mal sehr loben, dass du so "mutig" warst, dass Thema "Anwalt" hier aufzumachen. Ich habe natürlich den Threadtitel mit "Juristerei" schon bewusst gewählt (und nicht Anwalt: Beruf oder Berufung). Ich weiss schließlich, watt ich arbeite. Aber du konntest es ja nicht ahnen und dachtest, du würdest mich indirekt auch kritisieren. ;)

Dass mit deinem befreundeten Anwalt tut mir leid.
Um einen guten Anwalt für seine Sachen zu finden, hilft am besten Mundpropaganda, auch wenn diese mit großer Vorsicht zu genießen ist. Anwälte dürfen nach dem Anwaltsehrenkodex nicht werben. Es gilt also ein Werbeverbot für Anwälte. Anwälte locken somit Mandanten, wenn sie sich als Fachanwälte für bestimmte Rechtsgebiete auszeichnen. Dann kann man wenigstens davon ausgehen, dass die in ihrem Leben schon mal mit der Rechtsmaterie zu tun hatten (die müssen in ihrer Kanzlei schon mehrere Rechtsfälle in diesem Rechtsbereich gehabt haben). Dann müssen die eine "weitergehende" (mündliche) Prüfung ablegen, um sich Fachanwalt zu nennen. Anwälte, die das nicht erfüllen, geben dann Schwerpunktgebiete an, die keiner besonderen Prüfung unterliegen. Da kann ein Anwalt dann reinschreiben, was er will.

Ich persönlich habe in meinem Leben privat nur einmal einen Anwalt gebraucht (klar, ich kann mich ja selbst rechtlich durchsetzen), und zwar bei einer Versicherungssache. Da war ich noch Referendar und es war ein eindeutiger Verkehrsunfall, wo ich nicht schuld war, sondern mir einer rückwärts in die Seite reingefahren ist ("Ich hab kein Auto gesehen, als ich nach hinten geschaut hatte. Also bin ichnicht schuld."). Den Anwalt hab ich vielleicht fünf Minuten gesehen, er hat alles abgewickelt, ich hab mein Geld komplett bekommen und vom Anwalt nie wieder was gehört. Vorschuss wollte der nicht, sondern hat einfach gemacht. So stelle ich mir einen guten Anwalt vor (auch wenn´s rechtlich sehr simpel war).

Hallo Jovis,

du scheinst viel positivere Eindrücke gesammelt zu haben. Ein Notar ist natürlich immer entspannt, weil er grundsätzlich nur unstreitige (einfache) Sachen machen darf und dafür ein Schweinegeld verdient. (Im nächsten Leben sollte ich vielleicht Notar werden - Quatsch, viel zu langweilig). Die Doppelahndung eines einmaligen Vergehens ist natürlich für jeden Anwalt ein Zuckerschlecken, der die ersten paar Semester an der Uni überlebt hat. Gibt´s auch im Arbeitsrecht, dass ein Arbeitsrechtsverstoß entweder durch eine Abmahnung oder durch eine Kündigung geahndet werden darf, aber nicht beides. Ich gehe davon aus, dass die Verwaltung da "geschlafen" hat.

Meine Frau ruft wieder zum Essen. Bis danne.

Ciao
Martin


PS: Ansonsten rede ich hier über den selbständigen Wald- und Wiesenanwalt, der alles annehmen muss, um über die Runden zu kommen. Vielleicht dann irgendwann mal mehr.

Grünling
30.10.2023, 18:14
Ich lerne hier dazu – vielen Dank Martin!


Meine Frau ruft wieder zum Essen. Bis danne.

Hier jetzt auch und ich soll noch einen Salat machen.
–hastig den PC abknips–

Martin 37
05.11.2023, 06:14
Heute geht es endlich hier mal weiter. Das ist das Problem, wenn man neben seiner Arbeit auch hier noch soviel am Köcheln halten möchte.



Zur Zeit macht mir halt die FanFiction zu Asterix "Troubadix und das Orakel von Delphi" so viel Spaß. Zudem überlege ich mir parallel dazu ein echte hardboilded Dtetctive Story mit frei erfundenen Charakteren.



Doch zurück zum Aufbau des Studiums (zu meiner Zeit vor 40 Jahren):

Jura wird in drei große Gebiete unterteilt:

Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht.

Es gibt "kleine" und "große" Scheine in allen Rechtsgebieten, wobei diese selbstverständlich nix mit dem Format zutun haben, sondern mit der Schwierigkeit der Prüfungen.

Hier mal paar Anfänger-Fälle zum Warmwerden:

I. Zivilrecht:

A leiht B ein Buch. B verkauft das Buch an C. Im Buch ist keine Namensangabe, die auf A als Eigentümer hinweist.

Kann A das Buch von C herausverlangen?



A könnte einen Anspruch auf Herausgabe des Buches aus § 985 BGB gegen C haben.

Dazu müsste A Eigentümer des Buches sein und C Besitzer.

C hat die tatsächliche Sachherrschaft über das Buch, sodass er Besitzer des Buches ist.

A müsste immer noch Eigentümer des Buches sein.

A war ursprünglich Eigentümer des Buches. Er könnte sein Eigentum durch die Leihe an B verloren haben.

Bei der Leihe handelt es sich um ein schuldrechtliches Geschäft, bei dem keine Eigentumsübertragung erfolgt (nur der unmittelbare Besitz geht auf B über).

A ist somit auch nach der Leihe weiterhin Eigentümer des Buches.

A könnte das Eigentum am Buch durch die Veräußerung des Buches durch B an C verloren haben.

Auch hier gilt, dass durch den Abschluss des Kaufvertrages als schuldrechtliches Geschäft kein Eigentumsübergang auf C erfolgt ist.

Hier könnte zur Erfüllung des Kaufvertrages aber eine Eigentumsübertragung nach § 929 Satz 1 BGB erfolgt sein.
Dazu bedarf es einer Übergabe der Sache und der Einigung, dass das Eigentum an der Sache übergehen soll.

B hat das Buch C übergeben. B und C waren sich auch einig, dass das Eigentum übergehen sollte.

B war jedoch nicht Eigentümer des Buches, sodass ihm die Verfügungsbefugnis zur Eigentumsübertragung fehlte.

C könnte das Eigetum aber gutgläubig nach § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB erlangt haben.

Ein gutgläubiger Erwerb setzt voraus, dass C im guten Glauben war. C hatte keine positve Kenntnis davon, dass A Eigentümer des Buches war. In dem Buch fehlte zudem ein Hinweis auf die Eigentümerstellung des A, sodass C auch keine grobfahrlässige Unkenntnis von der fehlenden Verfügungsbefugnis des B hatte.

Ein gutgläubiger Erwerb könnte nach § 935 BGB ausscheiden, wenn das Buch dem A abhanden gekommen ist.

Das ist dann der Fall, wenn das Buch gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist.

Hier hat A durch die Leihe bewusst den Besitz am Buch dem B übertragen. Damit ist das Buch dem A nicht abhanden gekommen.

A hat damit nach §§929 Satz 1, 932 Abs. 1 Satz 1 BGB das Eigentum am Buch an C verloren.

A ist damit nicht mehr igentümer des Buches. Er hat keinen Herausgabeanspruch gegen C.

Soweit zu dem absoluten Anfängerfall!

So müsst ihr euch juristische Überprüfungen vorstellen.


Nächstes Mal wird es dann Strafrecht und irgendwan mal Öffentliches Recht geben.

Prüfende Grüße
Martin

Grünling
05.11.2023, 07:10
Um es mit 'Asterix' zu verbinden – 'Verleihnix' ist die Figur der Stunde. :)

Martin 37
05.11.2023, 07:51
:D:lol::klatsch::lol2::lol3:

Martin 37
07.11.2023, 06:59
Kommen wir mal zum Strafrecht. Strafrecht ist das, was ein jeder zu kennen glaubt, aber eigentlich nix drüber weiß. Das Strafgesetzbuch ist ein relativ kleines Gesetz mit sehr wenig Paragrafen. Das müsste doch zu schaffen sein, denkt sich so jeder Hobby-Jurist, der schon mal eine Krimi-Serie im Fernsehen gesehen hat.

Leider nein. Im Strafrecht darf man sich mit zig Theorien auseindersetzen, die später keinen, aber wirklich auch keinen Strafrichter mehr interessieren wird.

Bilden wir mal wieder einen ausgedachten Fall mit frei erfundenen Personen und Geschehnissen. Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen und/oder tasächlichen Geschehnissen ist allenfalls rein zufällig.

Fallbeispiel:

Immer wieder Sonntags trafen sich die Comicforum-Hasser, um die neueste Strategie auszuhecken, gegen fröhliche Poster im Forum so richtig Stunk zu machen: als das wären: der verkalkte Lassie, der murrige Ellen, der unspaßige Witzbold und der ImGehirnistderStromausgegangen. Habe ich einen unspaßigen Gesellen vergessen? Denkt den hinzu!

Martinus hatte da mal was vorbereitet. Er war als Mördergeselle bekannt und plante seinen nächsten Coup. Er hatte in seinem Garten den tödlichen Fingerhut angebaut. Jetzt war Erntezeit. Hä,hä!
Also flux das Kraut zerkleinert. Er verkleidete sich als Sklave der oben genannten und servierte einen Tee. Natürlich mit Fingerhut versetzt. Aber nur einen, weil er zunächst das ausprobieren wollte. So tat er bei ImGehirnistderStromausgegangen ein wenig Fingerhut hinein. Doch oh Schreck. ImgehirnistderStromausgegangen tauschte seinen Tee mit dem murrigen Ellen. Als dieser den Tee trank wabbelte er diesmal nicht vor lauter Arroganz durchs Forum, sondern tat seinen letzten Atemzug.

Halten wir also fest: Martinus wollte ImGehirnistderStromausgegangen um die Ecke bringen. Getroffen hat es den murrigen Ellen.

Der Hobby-Strafrechtlicher kennt natürlich die Lösung:

Zu prüfen ist der Mord gemäß § 211 StGB an dem murrigen Ellen.

Nach § 211 Abs. 2 StGB ist Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.

Der objektive Tatbestand des Mordes ist erfüllt. Hier liegt Heimtücke vor.

Fraglich ist aber, ob auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist. Martinus wollte ImGehirnistderStromausgegangen töten. Ihm fehlte der Vorsatz bezüglich der Tötung vom murrigen Ellen.

Da aber sowohl objektiver als auch subjektiver Tatbestand erfüllt sein müssen, liegt hier kein Mord vor.

Es könnte eine fahrlässige Tötung vom murrigen Ellen gemäß § 222 StGB vorliegen. Martinus hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, indem er Gift in Umlauf gebracht hat.

Ihm fehlte auch der Vorsatz. Und so ist er zu einer Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft zu verurteilen.

Martinus könnte sich auch des versuchten Mordes an ImGehirnistderStromausgegangen schuldig gemacht haben.

Martinus hat mit dem Inverkehrbringen des vergifteten Tees einen Versuch gestartet, ImGehirnistderStromausgegangen zu töten.

Von diesem Versuch ist er aber rechtzeitig vor Eintritt des Erfolges zurückgetreten. Damit ist er insoweit straffrei.

Ergebnis der Prüfung: Martinus wird zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt (er ist natürlich arbeitslos und bei ihm ist nix zu holen. Seine Comicsammlung hat er zuvor verschenkt.).

Und das nächste Mal lernen wir, wie man den unspaßigen Witzbold und den verkalkten Lassie um die Ecke bringt, ohne bestraft zu werden.



Alle, die ein wenig Gerechtigkeitssinn im Leibe haben, werden es gemerkt haben, dass das natürlich voll in die Hose gegangen ist. Prüfungsergebnis werden so ca. 2 bis 3 Punkte (= mangelhaft) sein.

Im Bereich des Mordes ist der Irrtum in der Person (error in persona) unbedeutend. Es ist egal, wen ich umbringen will (Beispiel Amokschütze, der blind in die Menge feuert). Da kennt die Justiz kein Erbarmen.

Unspaßige Gesellen muss man halt dan doch anders rankriegen. :D:D:D



In Freiheit lebende Grüße
Martinus

Martin 37
09.11.2023, 06:07
Eigentlich wollte ich ja heute was zum Staats- und Verfassungsrecht schreiben (Aufbau des Staates, Gesetzgebungsverfahren, Grundrechte), aber aus aktuellem Anlass noch einmal Strafrecht:

Die Beleidigung nach § 185 StGB wird häufig mit der Verwendung von Schimpfwörtern gleichgesetzt. Das ist nur ein sehr kleiner Bereich der Beleidigungen. Letztendlich ist jedes Verhalten, dass andere in der Ehre verletzt, ein Beleidigungstatbestand.

"Eine Beleidigung ist die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung einer Person. Eine Kundgabe kann auf vielfältige Weise erfolgen, beispielsweise verbal, schriftlich, bildlich, durch Gesten oder mittels einer Tätlichkeit."

Quelle: wiki

Zum Glück gibbet im Anwaltsberuf/in der Juristerei einen Rechtfertigungstatbestand, der zur Straffreiheit bei Beleidgungen führt:


"Ein weiteres Gebiet, in dem § 193 StGB Anwendung findet, sind Äußerungen von Rechtsanwälten im Rahmen der Ausübung eines Mandats. Auch diese sind, soweit es die Wahrnehmung des Anwaltsberufs erfordert, als Wahrnehmung berechtigter Interessen auch dann weitgehend straffrei, wenn sie eine Ehrverletzung darstellen.

Im Kampf um das Recht müssen durchaus starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte hingenommen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass ein Rechtsanwalt in eigener Sache tätig wird. An ihn dürfen keine höheren Anforderungen gestellt werden als an andere Rechtsanwälte im Rahmen der Wahrnehmung von Mandanteninteressen."

wiki: Wahrnehmung berechtigter Interessen (https://de.wikipedia.org/wiki/Wahrnehmung_berechtigter_Interessen)

Also folks, wenn ich mich hier juristisch mit flotten Sprüchen verteidige, dann ist das gerechtfertigt. :p

Ciao
Advocatus Diabolo

Dritter Kalenderspruch:

Alle sind gleich, aber zum Glück bin ich gleicher.

Jovis
09.11.2023, 06:18
Es gibt aber doch bestimmt auch einen Angemessenheitstatbestand? Den USA sagt man ja nach, dass ALLES vor Gericht landen kann. Und es tut. Während hier ja durchaus der gesunde Menschenverstand noch umzusetzen versucht wird. Stichwort Maschendrahtzaun.

Ich denke jetzt ans Forum, oder auch allgemein das Internet. Wobei bezogen auf das gesamte Internet die Internationalität die Dinge angenehm schwierig macht. Aber hier werden ja täglich Dinge gesagt, und Rückmeldungen gegeben, die jemand auch tatsächlich als Beleidigung auffassen könnte und tut. Die den Gang der Welt aber wiederum nicht maßgeblich beeinflussen. Wenn ich zum Beispiel jemandem zur Antwort auf eine abschätzige Bemerkung antworte: "Ach, was kümmert's den Baum, wenn der Hund ihn anpinkelt." Und wenn ich dann auf Nachfrage ganz konkret antworte: "Ich bin der Baum und du bist ein Hund." dann könnte das durchaus den Straftatbestand der Beleidigung erfüllen, ne? Wie verhindert das Strafrecht, dass wegen so einer blöden Sch**** Gerichte ihre Zeit vergeuden?

Martin 37
09.11.2023, 13:19
...Während hier ja durchaus der gesunde Menschenverstand noch umzusetzen versucht wird ...



Wir reden hier über Juristerei, also fang jetzt bitte bloß nicht mit dem "gesunden Menschenvestand" an. Das darfst du einem Juristen nicht antun. Ich schreibe hier über Gesetze, Rechtsprechung und Juristen. Also bitte nicht gleichsetzen mit Mensch und dann noch mit Verstand. Klaro. :rakete:

"Angemessenheitstatbestand" heißt in deutscher Amtssprache Strafgericht. Letztendlich entscheidet das Gericht, ob es als Beleidigung ausreicht oder nicht.

Maschendrahtzaun ist die Verballhornung eines Nachbarschaftsstreits, der seinen Ursprung im Nachbarschaftsrecht hat und alltäglich tausendfach in Deutschland vorkommt. In manchen Ländern gibt es dazu Nachbarschaftsgesetze, was an der Grundstücksgrenze gebaut oder/und gepflanzt werden darf. Dann gibbet dazu noch Bebauungspläne, die weiteres festsetzen können.

Internet wird von vielen als rechtsfreier Raum betrachtet, weil man vermeintlich anonym unterwegs ist. Das ist man beileibe halt nicht. Aber wie sich aus meinem Thread im sehr allgemeinen Teil ergibt, ist es schwierig, Sachen zu ahnden, weil man scho nicht ohne weiteres an Daten kommt.

Der Spruch mit dem Baum und Schwein bzw. Hund ist eine weit verbreitete Metapher für die Aussage, dass es einen nicht kümmert, was der andere von einem hält, weil diese Meinung einem nicht wichtig ist und/oder die Person kein Gewicht in der öffentlichen Meinung repräsentiert, die sie gerne hätte. Die Aussage, dass einem die Meinung eines anderen nicht interessiert, ist keine Beleidigung nach meinem Verständnis.

Meine verwendeten Metaphern der "Schmarotzer" und "Blutegel" geht natürlich in die gleiche bildhafte Sprache. Damit kritisiere ich Personen in der Form, dass sie keine eigenständigen, inhaltlichen Posts bringen, sondern es ausnutzen, sich über die Beiträge anderer auszulassen und/oder die betreffenden User. Sie profitierien und profilieren damit von Beiträgen anderer User. Aus dem Tierberecih sind das halt Lebewesen, die einen anderen Wirt brauchen, um existieren zu können.

Bei Beleidigungen ist es zudem so, dass es natürlich immer einen subjektiven Anstrich hat. Man kann Leute, die man gut kennt, selbstverständlich tiefer treffen, als unbekannte Personen. Jetzt kommen wir aber eher ins psychologische. Was für den einen eine Beledigung ist für den anderen ein Kompliment ("Aye du alter Schweinehund" - was besseres fällt mir spontan nicht ein).

Beleidigung ist ein Antragsdelikt, wird somit grundsätzlich nicht von Amts wegen verfolgt. Da muss man als Betroffener somit erstmal tätig werden. Dann kann die Staatsanwaltschaft die Sache einstellen (wahrscheinlich bei einfachen Beldeidigungen der Regelfall) und auf die Privatklage verweisen. Spätestens da würde einem doch die Lust vergehen.

Ein prominenten Fall der Ehrverletzung läuft gerade bei Gericht an, und zwar ein Fall der vermeintlichen Verleumdung von Gil Ofarim, der behauptet hat, als Jude mit seinem Judenstern diskriminiert worden zu sein. Wäre es kein Prominenter, würde das ja auch unter dem Radar laufen.

Grundsatz:

Ich bin großer Fan vom Rechtsstaat und den gültigen Regeln. Das wird man mir nicht mehr austreiben können. Im Forum würde mir aber eine Netiquette ausreichen. Ich kenne es z. B. aus dem Schalke-Forum, in dem schnell einer mal eine Ermahnung erhält und dann auch gesperrt wird. Hier gibt es kaum eine Moderation. Deshalb greife ich entgegen meines freundlichen Gemüts vielleicht jetzt öfters zur "Selbstjustiz". Das sind wohl wieder alle anderen die "netten" und ich der unfreundliche. Aber du kennst den Spruch mit Baum und Schwein.

Ciao
Martin

Martin 37
10.11.2023, 07:19
Okay, auf vielfachen Wunsch heute noch mal Strafrecht: Strafrecht hat mich inhaltlich weder im Studium noch im Referendariat besonders interessiert. Während des Studiums hab ich Zivilrecht favorisiert, im Referendariat dann Öffentliches Recht. Dass ich niemals im Bereich Strafrecht tätig werde, war mir schnell bewusst (und zum Glück habe ich die Wahl und bin nicht als Anwalt verpflichtet, jeden "Quark" anzunehmen, damit ich ausreichend Geld verdiene).

Doch eins muss ich hier mal wirklich lobend erwähnen, was mir voll den Kick gebracht hat:

Im Referendariat durften wir Referendare nach einer kurzen Einarbeitungszeit von ca. 3 oder 4 Wochen, selbständig die Anklage für die Staatsanwaltschaft vor dem Strafrichter vertreten. Sitzungen gab es für uns meistens so eine pro Woche mit so ca. 8 bis 10 Fällen pro Sitzungstag.

Vor dieser Strafrechtsstation hat man als Referendar am meisten Respekt. Man wird da komplett allein bei Gericht gelassen und muss über echte Fälle verhandeln, während man noch in der Ausbildung ist. Ich hatte zudem einen obercoolen schon etwas älteren Oberstaatsanwalt als Ausbilder, der mir komplett freie Hand vor Gericht ließ. Andere mussten dann teilweise während der Verhandlung den Ausbilder anrufen, um den um Rat zu bitten. Das kam bei mir nicht vor. Er meinte nur, ich solle mal machen. :D

Da gab´s dann z. B. Diebstahl, Unterschlagung, Betäubungsmittelvergehen (= Drogen), Fahren ohne Führerschein etc. (Beleidgungsfall hatte ich übrigens nicht).

Verhandlung läuft nach meiner Erinnerung so ab (für alle nicht RTL II Gucker):

1. Personalien vom Angeklagten

2. Verlesen der Anklageschrift durch den Staatsanwalt (bzw. hier dann als Vertreter des Staatsanwalts durch den Referendar)

3. Einlassung des Angeklagten zur Anklage (mit Zeugnisverweigerungsrecht)

4. Beweisaufnahme (ins. Zeugenvernehmung)

5. Schlussplädoyers des Staatsanwalts und des Verteidigers (mit letztem Wort für den Angeklagten)

6. Urteilsverkündung mit Begründung

Das spannende an den Terminswahrnehmungen war, dass man zur Vorbereitung der Termine keine komplette Akte hatte, sondern ausschließlich eine Anklageschrift. Es war somit auch eine Wundertüte, wie es dann in der Verhandlung lief. Bei Anklageverlesung und dem Schlussplädoyer darf man übrigens stehen. Die freie Rede sollte man vor Menschen schon beherrschen können, um da nicht gänzlich negativ aufzufallen.

"Die Verhandlung hat erwiesen, dass sich der Angeklagte eines Diebstahls nach § 249 StGB schuldig gemacht hat. Er hat das Service im Laden X ohne Bezahlung eingesteckt und hat damit den Laden verlassen. Rechtfertigungs- oder Strafmilderungsgründe hat er dabei nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Aufgrund des einmaligen Vergehens kann hier auf eine Geldstrafe abgestellt werden. Ich beantrage deshalb eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu 50 €."

Die Plädoyers sind natürlich wenig spektakulär. Man zaubert da nicht plötzlich sonstige Sachen aus dem Hut, insbesondere nicht die Verteidigung. Also Perry Mason hätte sich gelangweilt. Aber für jemanden, der sich noch in der Ausbildung befand, war das eine große Sache, endlich mal was "Ordentliches" bei Gericht zu machen.

Dabei habe ich aber gemerkt, dass mein Betätigungsfeld bei Gericht sein muss. Da ging es wirklich spannend zu.

Demnächst mehr in diesem Kino.

Ciao
Martin

PS: Gerichte, Staatsanwaltschaften etc. sind absolut überlastet. Die Klagefreudigkeit der Menschen nimmt nicht ab. Ein paar Stellschrauben wurden in den vergangenen Jahrzehnten schon eingeführt, um die Überlastung zurückzuschrauben. Aber soviel hat es nicht genutzt. Beim Verwaltungsgericht ist die Verfahrensdauer selten unter einem Jahr, beim Oberverwaltungsgericht dauert es sogar mehrere Jahre.

Martin 37
11.11.2023, 05:04
Noch´en Nachschlag:

Körperverletzungen, Unfallflucht, Alkoholfahrten und Sachbeschädigungen als häufigere Delikte habe ich noch vergessen. Eine Sexualstraftat hatte ich zum Glück nur einmal als Anklageschrift vorzubreiten. Den Sachverhalt so aufzuschreiben, dass es nicht wie ein Porno klingt, ist schon schwierig.

Die Sitzungstermine wurden übrigens mit dem Ausbilder im Nachhinein immer ausgewertet bzw. der gestellte Strafantrag mit dem darauf ergangenen Urteil verglichen. Es war also immer Ziel, möglichst nah am Richterspruch zu landen. Meistens pendelte der sich aber so zwischen Antrag der Anklage und der Verteidigung ein. Das hatte aber auf die Note am Ende der Ausbildungsstation keinen großen Einfluss.

Ein Richter, den ich zu Anfang der Sitzung stark verärgert hatte (der wollte mich im ersten Fall zu einem konkreten Strafantrag verleiten, den ich dann aber so doch nicht gestellt habe - ein wenig Gewissen war mir verblieben), wich dann bis zum letzten Fall explizit immer von meinen Anträgen ab: Beantragte ich Freiheitsstrafe, gab es eine Geldstrafe. Beantragte ich eine Geldstrafe, gab es eine Freiheitsstrafe. Im letzten Fall war er dann wieder etwas gnädiger mit mir. Es ist schon blöd, wenn Angeklagte den Ärger vom Richter abbekommen, wenn sie nix dafür können.

Es gab in all meinen Fällen nur einen einzigen Freispruch. Das war was Besonderes und musste im Nachhinein auch besonders beim Ausbilder begründet werden. In dem Fall war der Gerichtssaal auch mal mehr gefüllt als sonst. Der Verteidiger machte schon anfangs Ärger wegen der Anklageschrift, die zu unbestimmt sei. Lehnte der Richter aber ab. Dann änderten zwei Zeugen ihre Aussage in der Verhandlung. Als Anklägervertreter kriegt man da Schaum vor den Mund. Meine bösen Blicke und meine Fragen im Kreuzverhör konnten da nix mehr dran ändern. Die wären ja auch blöd gewesen, weil sie sonst wegen Falschaussage dran gewesen wären. Und so konnte ich die beiden nur ärgerlich angucken. Ich hoffe, die grämen sich deshalb bis heute.
Also aufgestanden und schweren Herzens das Pladöyer für einen Freispruch gehalten. Der Verteidiger grinste sich eins und schloss sich meinen Ausführungen uneingeschränkt an. Na toll.

Das durfte ich dann beim Oberstaatsanwalt noch mal darlegen, wie es dazu kam. Er verstand aber, dass in einem solchen Fall nix mehr zu retten war, für die Anklage.

Ach so in der weiteren Ausbildung hatte ich übrigens einen Staatsanwalt als Arbeitsgemeinschaft-Leiter, der für das organisierte Verbrechen zuständig war. Der erzählte uns auch mal paar Storys. Heute sind die Storys über Mafiastrukturen in manchen Bereichen natürlich nur noch Pillepalle. Aber damals fand ich es faszinierend.

Mit Grüßen, die ihr nicht ablehnen könnt
Martin

Mort Cinder
11.11.2023, 10:47
Erst mal danke für Deine Beiträge, Deine Mühe und so … und ich bitte schon vorab um Verzeihung, wenn ich mich hier als Neuling ungebührend und frech verhalte. Ich setze bei Dir ein dickes Fell voraus und was mich angeht, so kannst Du gern fett austeilen. Also, diesen Satz hier:



…Wer Jura studieren will, sollte anstelle von Latein eher das logische Denken wie in der Mathematik beherrschen….
hört man oft von Juristen … allein, ich glaube es nicht, die Aussage deckt sich überhaupt nicht mit meiner Erfahrung aus 60 Lebensjahren.

Oder braucht Ihr das „logische Denken“ nur fürs Jurastudium und tötet es danach ab, wie man eine lästige Fliege mit der Klatsche vernichtet?
Oder habt Ihr Juristen eine eigene, nur für Euch, Definition des „logischen Denkens“?
Oder ist das nur ein Marketingspruch?

Wenn ich etwas bei vielen Juristen (Anwälten, Richtern, Staatsanwälten, Justitiaren, Notaren usw.) vermisst habe, dann „logisches Denken“ und gesunden Menschenverstand. Sowohl mit den eigenen Juristen-Verwandten (allein 3 Cousins von mir sind Juristen), als auch bei der Arbeit und bei privaten Geschäften und Auseinandersetzungen.

Beispiel:
Gegeben ist ein abgeschlossener „Raum“ von Ereignissen. Diese beschreiben z.B. Schäden. Es gibt den „Standardschaden“, der in 90% der Fälle auftritt, nennen wir ihn „a“. Und es gibt 20 Ausnahmefälle, nennen wir sie b1, b2 … bis b20.

Kannst Du mir folgen, lieber Mitflorist?
Eine von einem Juristen aufzusetzende Satzung soll diese a- und b-Fälle jeweils den Kategorien A und B zuordnen, weil sie nach einem A- oder B-Algorithums abgerechnet werden müssen.
Was macht der Justitiar?
Er beschreibt in einem Paragraphen im ersten Satz seitenweise zunächst die b1 - b20 - Fälle und schreibt zu jedem Fall einzeln dazu, dass diese nach dem B-Algorithmus abgerechnet werden.
Im zweiten Satz des Paragraphen schreibt er: Alle anderen Fälle werden nach A-Algorithmus abgerechnet.
Den Fall a, den Standardfall, beschreibt er noch nicht mal eingehend!

Was schreibt dagegen der Informatiker in den Quellcode?

If a then A,
Else B.

Als Nichtjurist liest Du den Text einmal … kopfkratz … he? … wo sind die a-Fälle? Worum geht es hier? Dann liest Du nochmal … dann vielleicht ein drittes Mal, bis endlich der Groschen fällt.
Ihr verwendet auch eine Geheimsprache. Im Gesetzestext finden wir, statt des einfachen %-Zeichens den Zungenbrecher: „Vomhundertsatz“ … aber das ist nur witzig.

Martin 37
11.11.2023, 18:34
Mort Cinder

Nixfürungut. Dickes Fell, aber auch Austeilen gehört beim Juristen dazu. Aber im Hobby-Bereich und in der Freizeit halt bißchen weniger oder lieber gar nicht.

Gesunder Menschenverstand habe ich oben ja schon verneint. Die juristische Logik, ist für den Juristen logisch, aber für den Laien weniger. Trotzdem bedarf es der Gleichung, wenn a dann folgt daraus b. Und wenn c dann d. (etc. pp.).

Ich hab in meinem Leben schon viele Satzungen geschrieben und beim Verwaltungsgericht erfolgreich verteidigt. Insoweit scheinen es zumindest die Verwaltungsrichter zu verstehen. Für Nichtjuristen ist es, das gebe ich zu, häufig schwer nachvollziehbar. Aber deshalb muss man halt auch lange studieren und dann noch ein Referendariat danach absolvieren. Und perfekt ist man dann immer noch nicht.

Also nix für ungut, wenn für mich der folgende Maßstab als Justitiar gilt: Gewinne vor dem Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht und im Zweifelsfall noch beim Bundesverwaltungsgericht. Das ist mein Gradmesser und kein Nichtjurist.

Nixfür ungut
Schönes Wochenende
Martin

Martin 37
11.11.2023, 21:36
Jetzt ist in mir der Ehrgeiz geweckt, ein wenig die Systematik von formellen Gesetzen, Rechtsverordnungen und Satzungen euch näher zu bringen. Dazu nehme ich als Beispiel eine der einfachsten Satzungen aus dem kommunalen Bereich: Die Hundesteuersatzung. Wir sollten als Referendare eine Hundesteuersatzung formulieren und sind alle sehr kläglich gescheitert. Wir habens nicht für voll genommen und haben eher einen Witz draus gemacht: Differenzieren wir die Steuer nach Größe oder Art des Hundes? Wir haben uns wirklich köstlich amüsiert, aber nix Ordentliches auf die Reihe bekommen. Ich habe mal die Hundesteuersatzung der Stadt Gelsenkirchen rausgesucht. Letztendlich sind die aber fast alle gleich.

1. Steuergegenstand

Man fängt damit an, wofür man datt Steuer will = Steuergegenstand.

Gegenstand der Steuer ist das Halten von Hunden im Stadtgebiet.

2. Steuerpflichtiger

Wer muss datt zahlen = Steuerpflichtiger

Steuerpflichtig ist der Hundehalter.

3. Steuerhöhe

Wieviel mutte pro Hund blechen = Steuerhöhe

Die Steuer beträgt jährlich, wenn von einem Hundehalter oder von mehreren
Personen in einem Haushalt gemeinsam
a) nur ein Hund gehalten wird, 129,-- EURO,
b) zwei Hunde gehalten werden, 147,-- EURO je Hund,
c) drei oder mehr Hunde gehalten werden, 168,-- EURO je Hund,
(gefährliche Hunde gibbet auch, lass ich mal weg)

4. Steuerbefreiung

Gibbet Situationen oder Dinge, wo man nix zu zahlen hat? = Steuerbefreiung

Steuerbefreiung wird auf Antrag gewährt für ... (Blindenhunde, Diensthunde etc.)

5. Dauer der Steuerpflicht

Wann mutte dafür blechen, ab wann, wie lange? = Entstehung und Beendigung der Steuerpflicht

6. Festsetzung und Fälligkeit

Wie wird dir gesacht, wann du watt zu zahlen hast? = Festsetzung und Fälligkeit

7. Kontrolle der Zahlung

Mutte dich melden und tust ne Hundemarke abkriegen. Tuste umme Hund hängen

8. Ordnungswidrigkeiten

Biste nicht brav und tust du nicht, wie befohlen, gibbet Haue = Bußgeld

_________________

Ich werde mal so eine überarbeitete, verständliche Satzung schreiben und bei Gericht einreichen. Mal sehen, ob die watt zu Lachen haben.

Bellende Grüße
Martin

frank1960
11.11.2023, 22:16
Wie isses, wenn ein Hundeweibchen Mama wird. Müssen die Welpen auch schon Steuern zahlen oder erst, wenn sie erwachsen sind? Oder ist der zeugende Rüde verantwortlich für die Steuern.

Martin 37
12.11.2023, 05:10
Wie isses, wenn ein Hundeweibchen Mama wird. Müssen die Welpen auch schon Steuern zahlen oder erst, wenn sie erwachsen sind? Oder ist der zeugende Rüde verantwortlich für die Steuern.

Muss natürlich alles genau geregelt werden. Hundehalter werden es bestimmt kennen:

§ 6
Beginn und Ende der Steuerpflicht
(1) Die Steuerpflicht beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Hund
aufgenommen worden ist, bei Hunden, die dem Halter durch Geburt von einer von
ihm gehaltenen Hündin zuwachsen, jedoch erst mit dem Ersten des Monats, in dem
der Hund drei Monate alt geworden ist. In den Fällen des § 1 Abs. 3 Satz 2 beginnt
die Steuerpflicht mit dem Ersten des Monats, in dem der Zeitraum von zwei Monaten
überschritten worden ist.
(2) Die Steuerpflicht endet mit dem Ablauf des Monats, in dem der Hund veräußert
oder sonst abgeschafft wird, abhanden kommt oder eingeht.
(3) Bei Zuzug eines Hundehalters aus einer anderen Gemeinde beginnt die
Steuerpflicht mit dem Ersten des auf den Zuzug folgenden Monats. Bei Wegzug
eines Hundehalters aus der Stadt Gelsenkirchen endet die Steuerpflicht mit Ablauf
des Monats, in den der Wegzug fällt.

Gesetze etc. werden komplexer, weil sie alle möglichen Fälle erfassen müssen, damit keine Gesetzeslücken entstehen. Das macht es dann schwerer zu lesen.

Ergänzende Grüße
Martin

Martin 37
12.11.2023, 05:33
Der Jurist - Das verstaubte Wesen - Aufzucht, Vorkommen, Aussehen und Vermehrung

1. Aufzucht

Der Jurist, manchmal auch die Juristin, wird in dunklen Höhlen, Hörsäle genannt, aufgezogen. Frühzeitig werden sie vom Sonnenlicht entfernt gehalten, damit sie sich daran gewöhnen können. Kontakt nach Außen gibt es selten. Sie wachsen ausschließlich unter ihresgleichen auf, sodass man sie für scheue Wesen halten könnte. Jedoch werden sie zu Raubtiere herangezogen, die ihre Beute zerfetzen können, ohnen selber Reißzähne zu haben. Die Schwächsten von ihnen werden gnadenlos eliminiert. Da kennt das JPA (Juristen-Prügel-Anstalt) keine Gnade. Denn nur gnadenlose Exemplare werden unter ihresgleichen geduldet. Jeder von ihnen wird in Form pyschologischer Folter zu einem rücksichtslosen Instrument der willkürlichen Herrschaft des Unverstandes gemacht.

2. Vorkommen

Der Jurist, manchmal auch die Juristin, ist Bewohner eines verstaubten kleinen Raumes, der vollgestellt mit Akten, Büchern und alten gammligen Lebensmitteln ist. Es riecht nach abgestandenen, kalten Kaffee. Oftmals ist er vor lauter Qualm schwerlich hinter seinen Büchern auszumachen. Auch hier ist Sonnenlicht selten erwünscht. Aufgrund seiner Lebensweise ist er oftmals Einzelgänger. Nur bei der Jagd trifft man ihn in Rudeln an.

3. Aussehen

Der Jurist, manchmal auch die Juristin, ist ein blasser, oftmals an einen Vampir erinnerndes, Individuum. Neben seiner blassen Haut besitzt er oftmals eine dicke Hornbrille, die ihm durch das ständige Lesen in Büchern mit sehr kleiner Schrift schon in jungen Jahren verpasst werden musste. Die Muskeln sind degeneriert. Bewegung schadet diesem Lebewesen. Um in sein Jagdgebiet zu gelangen, nutzt er ausschließlich Hilfsmittel, um seine schwachen Beine zu schonen. Beim Sitzen fällt meistens der sehr schwere Kopf immer nach Vorne herüber, sodass er vom ständigen auf die Tischplatte fallen eine platte Stirn hat. Haare sind dort selten noch anzutreffen.
Er erscheint damit generell älter als je ein Mensch zuvor gewesen ist. Mitte 40 könnte er dann schon aufgrund seines Aussehens Rente beantragen. Jeder würde ihm abnehmen, dass er bereits über 70 ist.

4. Vermehrung

Die Vermehrung erfolgt bei Gericht. Dort sind Ansammlungen dieser Gattung häufig anzutreffen. Zwar wird dort heftigst darum gerungen, wer hier überleben darf. Doch meistens gehen diese Rudeltreffen nur mit leichteren Blessuren zu Ende, wovon der Jurist, manchmal auch die Juristin, sich schnell wieder erholt.


Artgerechte Grüße
Martin

Martin 37
24.11.2023, 07:32
Strafrecht und Zivilrecht habe ich sehr kurz hier angesprochen. Doch kommen wir nun zu meinem Hauptgebiet: das öffentliche Recht. Dazu gehört zum einen das Staats- und Verfassungsrecht, auf der anderen Seite das (allgemeine und besondere) Verwaltungsrecht. Dies ist den Bürgern meistens weniger geläufig (und auch den Rechtsanwälten), es sei denn man hat verstärkt Kontakte zu Behörden. Aber wer will die schon haben.

Zu den bekannteren Themen aus dem Verfassungsrecht gehören die Grundrechte, auf die oftmals Bezug genommen wird. Meinungs- und Kunstfreiheit bis hin zur Zensur fallen da oftmals auch im Comicbereich. Aber was bedeuten eigentlich Grundrechte? Wie weit reichen die? Darf ich dann alles machen, was der freien Entfaltung der Persönlichkeit dient? Natürlich nicht. Die Grundrechte gelten nur gegenüber dem Staat, nie unmittelbar gegenüber Privatpersonen. So darf man wohl seine Meinung gegenüber seinem Chef vehement vertreten. Aber der Chef darf dazu dann auch eine Meinung haben, vielleicht, dass man im Betrieb doch nicht so unersetzlich ist. :o
Löscht ein Youtuber oder ein Forenbetreiber einen Beitrag, ist das kein Eingriff in die Meinungsfreiheit und keine Zensur im verfassungsrechtlichen Sinn. Das ist sein gutes recht als Betreiber der Plattform.

Zudem darf jedes Grundrecht eingeschränkt werden. Dann erfolgt die Prüfung, ob das Grundrecht zurecht eingeschränkt worden ist. Besonders beliebt bei Profs und Studenten sind die Prüfungen im Rahmen der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG (inhaltliche Berufsregelungen, subjektive Zugangsbeschränkungen wie z. B. Numerus Clausus und objektive Zugangsbeschränkungen, auf die man selber keinen Einfluss hat, wie z. B. Zulassung als Notar*in oder Apotheker*in).

Alltagsrelevanter sind dabei aber das allgemeine und besondere Verwaltungsrecht. Das Straßenverkehrsrecht kennt jeder. Ebenso das Melderecht (ihr habt euch doch bestimmt auch mit eurem Wohnsitz angemeldet?). Wer gebaut hat, kennt noch mehr Rechtsgebiete wie das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht. Asylrecht ist auch in aller Munde. Über das Abgabenrecht brauchen wir auch nicht zu diskutieren. Wer zahlt keine Abgaben an den Staat? Wer ein Gewerbe betreibt, weiß, was da alles zu beachten ist. Aber das alles ist nur die Spitze des Eisbergs, der in den Tiefen lauert. Seit froh, wenn ihr damit nicht kollidiert. Die Verwaltung braucht für jedes Handeln eine Rechtsnorm. Ohne dies geht es nicht. Denn es gilt: Erst muss der liebe Herrgott (das Parlament) ein Gesetz geschaffen haben, das durch die Untertanen (sprich: Verwaltung) in die Tat umgesetzt werden muss. Wer also über die Verwaltung meckert, sollte dies doch eher über die Gesetzgeber tun. Die Verwaltung tut doch nix!

Das ist für heute ein schöner Schlusssatz. In diesem Sinne: Schönes Wochenende!

Faule Grüße
Martin

Martin 37
26.11.2023, 09:17
Heute will ich noch mal kurz aufgreifen, wie das so abläuft, wenn Juristen Gesetze oder Verträge gestalten:

Politiker 1: Hey Leute, wäre es nicht toll, wenn wir mal watt für die Bevölkerung machen?

Politiker 2: Ja watt denn?

Politiker 3: : Weiss auch nich. Aber wie wäre es mal mit der Anpflanzung auf den Gartengrundstücken.

Politiker 1: Tolle Idee. Alle haben ihren Garten fein säuberlich zu gestalten.

Politiker 2: Quatsch! Da muss ein Urwald herrschen, um die Tierwelt zu retten.

Politiker 3: Und nun? Ey, Jurist schreib uns mal ein Gesetz zu unseren Vorstellungen auf.


Gesetz über die Bepflanzung von Hausgärten

§ 1 Gegenstand

Dieses Gesetz gilt für die Bepflanzung von Hausgärten.

§ 2 Erfasste Hausgärten

Erfasst werden Hausgärten, die sich in unmittelbarer Nähe zu anderen Gärten befinden.

§ 3 Festsetzungen

Abs. 1: Hausgärten sind so zu gestalten, dass sie keine nachteiligen Auswirkungen auf die angrenzenden Gärten und Bewohner haben. Die gilt sowohl für ungewollten Samenflug als auch hinsichtlich des optischen Eindruckes.

Abs. 2: Hausgärten sind zudem so zu gestalten, dass sie der Tierwelt ausreichend Lebensgrundlage bilden.

_____________

Ich will hier nur zeigen, dass Juristen aus dem "Blödsinn", den sich andere ausdenken, was machen sollen. Sie gestalten dann aus und haben natürlich das Recht zu sagen, dass manche Regelung nicht so ganz funktioniert. Aber Politiker sind auf diesem Ohr manchmal taub.

Ein anderes Beispiel: Ihr wollt ein Testament machen. Betrifft wohl den Notar, ist aber das Gleiche in Grün. Auch hier gibt der Jurist Hilfestellung und schreibt euch nicht den Inhalt vor:

Ich vererbe mein Vermögen an Tante Frieda. Meine Comics vermache ich Onkel Donald, mit Ausnahme des Micky Maus Heftes in der Reprint-Version von 12.05.1987. Meine Spielesammlung geht an Enkel Paul, der aber das nur bekommt, wenn er wöchentlich davon ein Spiel spielt...

Und so weiter und so fort.

Dass Politiker nicht immer auf Juristen hören, sieht man am Haushaltsdebakel. Ich glaube nicht, dass da nicht ausreichend Leute vor gewarnt haben, die sich da auskennen.

Prof. Dr. Driehaus wurde als Spezialist (ehemals tätig beim Bundesverwaltungsgericht und Herausgeber einschlägiger Literatur) mal in einen Landtag eingeladen. Die haben den so zur Weißglut gebracht, dass er nie wieder in ein Parlament wollte. Er stieß da auch noch einige Beleidigungen wegen der Dummheit der Politiker aus. Der war richtig bedient.

Schönen Sonntag
Martin

Martin 37
04.12.2023, 10:50
Zwar habe ich gerade ein wenig Urlaub (muss schließlich im Kalenderjahr wech), trotzdem kurz was Rechtliches. Unter der Rubrik "Die größten Rechtsirrtümer" gab´s letzte Woche zum wiederholten Mal das Thema "verdeckter Mangel" bei einem Werkvertrag (z. B. Hausbau ist da besonders beliebt).

Rechtslaie: Wenn ich Jahrzehnte nach der Übergabe einen Fehler beim Produkt entdecke, handelt es sich um einen "verdeckten Mangel". Weil ich den vorher nicht gesehen habe, beginnt erst nach dem Auftreteten bzw. Entdecken des Mangels die Frist zur Geltendmachung. Auch 20 Jahre nach Ablauf der Frist mache ich also den Fehler bei meiner Baufirma geltend. Die müssen dafür schon haften. Oder?

Besserwisser: Dass besondere Regeln für einen ("verdeckten", also bei der Übergabe nicht offensichtlichen) Mangel, den ich nicht sofort gesehen habe, bestehen, ist eine nicht ausrottbare Annahme, die leider nicht stimmt. Der Gesetzgeber hat eindeutige Fristen für die Geltendmachung der Gewährleistung bei Mängeln ins Gesetz geschrieben. Damit wird ein Interessensausgleich geschaffen zwischen Verkäufer und Erwerber. Irgendwann kann man auch nicht mehr nachweisen, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt der Übergabe existierte. Doch das ist Voraussetzung für die Gewährleistung. Eine Garantie kann da weiter gehen. Das ist aber etwas anderes. Ein Verkäufer soll also nicht für ewig gegenüber dem Erwerber haftbar bleiben. Manche denken ja, dass in den Geräten eine Uhr eingebaut ist, wonach die einen Tag nach Ablauf der Gewährleistungsfrist kaputt gehen. Buhuuuu, buhuuuu ....

Eine Ausnahme gilt aber, wenn mich der Verkäufer/Hersteller arglistig über das Vorhandensein eines Fehlers getäuscht hat. Viel Spaß beim Nachweis der Arglist, wenn ihr glauben solltet, dass das hilft.

Paranoide Grüße
Martin