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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : APPARAT (Warren Ellis)



#churchi
08.01.2020, 14:32
https://abload.de/img/imagesgjzh.png


Da die Reihe nun komplett bei DANTES vorliegt eröffne ich hier mal einen Thread dazu.


Zum Konzept von Apparat:



Szenarist Warren Ellis [u.a. Transmetropolitan, Gravel, James Bond] hatte eine Idee: Wie, so fragte er sich, würden Comichefte in den USA heute aussehen, wenn das Superheldengenre nicht alle anderen Genres an den Marktrand gedrängt hätte?


Seine These: Die Tradition der Abenteuererzählung, wie sie aus den Pulps und Groschenheften bekannt war, würde in den Comics fortgeführt worden sein. Statt Außerirdischen oder mutierten Muskelmännern in Latexstramplern würden Geschäftsmänner und -frauen mit übergroßen Egos, fetten Bankkonten, Unternehmergeist und fragwürdiger Moral vielleicht nicht ins Weiße Haus eingezogen sein, sie würden aber die Seiten der Comichefte bevölkern – mitsamt des einen oder anderen Drogenproblems und einem unkontrollierbaren Hang zur Gewalt.


Zugegeben: Das klingt nach einem derart Erfolg versprechenden Marketingkonzept, dass niemand Warren Ellis ernsthaft vorwerfen kann, es sofort selbst realisiert zu haben. So kam der fiktive Apparat-Verlag in die Welt.


Im richtigen Leben ist Apparat ein Serienlabel der Avatar Press, unter dem Ellis sieben in sich abgeschlossene Kurzgeschichten [„graphic novellas“] veröffentlicht hat – jede in einem anderen Setting, jede von einem anderen Zeichner oder einer anderen Zeichnerin umgesetzt. Jede „Novella“ erhebt den Anspruch, Teil eines größeren, potenziell unendlichen Handlungsuniversums zu sein, welches das Publikum allerdings nie zu Gesicht bekommt.


Die folgenden Besprechungen gab es auch schon mal, habe sie nur etwas überarbeitet und in die richtige Reihenfolge gebracht. Sorry für das Chaos mit den Doppelpostings, aber damit soll dann hier auch Schluss sein… :floet:


Also alles passende zum Thema hier rein :D

#churchi
08.01.2020, 14:33
APPARAT – VIER SINGLES

(US Avatar / Apparat 2004)

https://abload.de/img/apparat15bk4z.png

(Dantes Verlag / 2019)

Warren Ellis


Die Apparat Titel sind inspiriert von Pulp Magazinen der 1930er und sind Ellis Vorstellung wie heute moderne Comics ohne den Einfluss von Superhelden aussehen würden.

Warren Ellis zieht dabei eine Analogie zu (Pop) Singles die sich mit einem Thema befassen, in knackigen 3 ½ Minuten auf den Punkt kommen und ohne Vorwissen genossen werden können.


Willkommen im Singles Collectors Club :rock:



Angel trampelt Zukunft (Angel Stomp Future)
Artwork: Juan José Ryp

Ellis präsentiert uns hier eine surreale und morbide Cyberpunk Zukunft.
Der Kulturschock ist vorprogrammiert, wenn Angel (eine…ähhmm… Ärztin im knappen Latexfummel) über Mem-Komplexe philosophiert und nebenbei dem Leser erklärt,
dass die Zukunft genauso abgefucked ist wie die Gegenwart.
Die menschliche Natur ändert sich nicht wegen modifizierten Bodyupgrades, bizarren Sex-Fetischen oder öffentlichen Abtreibungsvorrichtungen.

Die Gier bleibt immer dieselbe.

Die visuelle Darstellung ist verstörend, José Ryp ("Frank Miller's RoboCop", "Black Summer") ist die Geschichte auf dem Leib geschrieben.
Das Artwork ist überladen, wie das Wimmelbild eines hyperakitven Hirnes und ist manchmal schwer zu dechiffrieren.
Ellis geht als Autor zu seinen Wurzeln zurück, als er noch für britische Underground Magazine ("Lazarzus Chuchyard" & Co) schrieb.

Krankes, kleines Biest bei dem die Idee von Sci-Fi ernst genommen wird, bis auf ein paar coole Einfälle verläuft es sich dann aber ins Leere.

Angel entschwindet aus dieser bizarren Zukunftsvision und lässt den Leser mit fragenden Blicken zurück…

https://abload.de/img/angelf2k33.jpg


Frank Ironwine
Artwork: Carla Speed McNeil

Die Handlung könnte genauso gut als Pilot für ein Fernsehserie funktionieren.
Frank Ironwine ist ein schrulliger Detective (so eine Mischung aus Columbo und Sherlock Holmes),
der wohl auch gerne mal einen säuft und dann Morgens in einem Müllcontainer zu sich kommt.

Vom ersten Eindruck sollte man sich nicht täuschen lassen denn im Oberstübchen läuft alles rund.
Nur durch seinen ausgeprägten Spürsinn knackt Frank einen Mordfall.
Dabei verlässt er sich alleine auf seine Beobachtungsgabe und verzichtet komplett auf die ihm so verhasste Spurensicherung.

Die Story überrascht auf mehreren Ebenen und die Dialoge sind wirklich witzig geschrieben.
Ellis huldigt den Pulp-Krimis, allen voran Chandler und Hammett.

https://abload.de/img/frankironwinekyjk9.jpg


Stadt der Aussteiger (Quiet City) (Quit City)
Artwork: Laurenn McCubbin

Der Regel folgend Abenteuercomics neu zu interpretieren, sind dieses mal die Helden der Lüfte dran.
In der Zeit um den 2. Weltkrieg waren die Flying Aces hoch im Kurs und bildeten ein eigenes Subgenre.
Allerdings stellt Ellis gleich mal die gewohnte Handlung auf den Kopf.

Anstatt ein ein großes Abenteuer zu ziehen kehrt Emma in ihre alte Heimat zurück und hängt ihren Pilotenhelm an den Nagel.
Sie muß sich hier ihrer Vergangenheit aus einem anderen Leben stellen um wieder nach vorne sehen zu können.

Wirkt fast wie ein Slice of Life Drama Happen, das Thema hat mich wie auch das Artwork am wenigsten abgeholt :naja:

https://abload.de/img/qc0wjk6.jpg


Simon Spector
Artwork: Jacen Burrows

Das letzte Kapitel ist wieder eine Hommage an die Pulp Helden wie "Doc Savage" und "The Shadow".

Simon Spector ist wie Frank Ironwine ein erfahrener Detective. Damit hört es sich mit den Ähnlichkeiten aber auch schon auf.
Im Gegensatz zu Frank bewohnt Simon ein riesiges Penthouse (inklusive hübscher Leibwächterin), er liebt stilvolle Anzüge und ist auf allen Ebenen hochbegabt.
An Geld mangelt es nicht, nebenbei beherrscht er natürlich noch meisterlich verschiedene Kampfsportarten.

Wenn seinen Klienten niemand mehr haben an den sie sich wenden können, dann übernimmt er den Fall.
Sein letzter Einsatz bringt ihn dann zu einem alten Feind. Was niemand weiß
um über die gesteigerten Kräfte zu verfügen nimmt Simon Pillen, die ihm aber selber im Gegenzug stets eine Woche seines Lebens kosten…
Cooler Action Thriller zum Abschluss der vor allem durch die dynamische Arbeit von Burrows lebt.
Der Prototyp der Antihelden ist alt bekannt und bringt doch frischen Wind.

Mark Millar hat wohl die Geschichte auch gelesen und sich dann an „Prodigy“ gesetzt… :floet:

https://abload.de/img/simonspector02kkkro.jpg

Interessant sind die auch Anhänge zu jeder Ausgabe bei denen Warren Ellis viel Raum für seine Ideen und Inspirationsquellen gegeben wird.

Das Konzept der „Singles“ wird konsequent umgesetzt und man bekommt viel Abwechslung geboten.
Beim lesen wurde ich aber irgendwie das Gefühl nicht los, als hätte Ellis ein paar Entwürfe in seiner Schublade gefunden mit denen er nicht recht was anfangen konnte und dann hier raus gehauen hat.

Seine Liebe für die Groschenheftchen und Pulphelden hat er ja unter anderem in „Planetary“ bewiesen,
in „Transmetropolitan“ oder „City of Silence“ die zum Cyberpunk. Hier wirkt einiges wie eine Fingerübung die dann später
mit „Black Summer“, „Doctor Sleepless“, „Fell“ oder „FreakAngels“ weitergeführt wurde.

Die Sammlung bietet aber trotzdem wunderbare Einblicke in die schräge Welt von Warren Ellis und zeigt wie der Herr so tickt :)

https://abload.de/img/star_rating_3.5_of_5mfkbd.png

#churchi
08.01.2020, 14:34
CRÉCY

(US Avatar / Apparat 2007)

https://abload.de/img/cre1fzk0o.jpg https://abload.de/img/cre262jos.jpg

(Dantes Verlag / 2019)

Warren Ellis & Raulo Cáceres


Eine Geschichtsstunde der etwas anderen Art. Während der ersten Phase des hundertjährigen Krieges im Jahre 1346 begleiten
wir den englischen Langbogenschützen "William von Stonham" bis zu der Schlacht in Crécy.

Wobei William jetzt nicht der einfühlsame Geschichtsprofessor ist, sondern ein xenophober Hooligan
der uns erklärt warum Engländer so einen Hass auf die „Scheiß Froschfresser“ haben.
Der derbe Ton wird von Ellis auf die Spitze getrieben man sollte sich schon mal an das Wort Fotze gewöhnen.
Kann durchaus verstehen wenn das jemandem zu viel wird :D

Die Engländer marschieren plündernd durch Frankreich. Während dessen erzählt William erzählt von historischen Ereignissen
und zeigt auch die (schmutzige) Kriegsführung in dieser harten Zeit auf.
Hauptaugenmerk liegt auf dem Kampf mit dem Bogen und Verwendung der verschiedenen Pfeilaufsätzen.

„Kommt euch wahrscheinlich primitiv vor. Macht aber nich’ den Fehler uns für dämlich zu halten“.
Wir sind genauso schlau wie ihr. Wir haben nur nicht soviel Wissen angehäuft wie ihr,
Unsere Schlauheit ist an unsere Mittel angepasst.“

Ellis verzichtet dabei meist auf Dialoge (sind dann eh nur gegenseitige Beschimpfungen) sondern lässt den Proll
in direkter Ansprache an den Leser seine Sicht der Dinge darlegen.
William glänzt dabei mit Sprache und Wissen, das sich erst über die Jahrhunderte bis zur Gegenwart gebildet haben kann.

Die deutsche Ausgabe bietet viele Anmerkungen und einen Anhang die zur Verständlichkeit beitragen.

„Höhepunkt“ ist dann die namensgebende Schlacht um „Crécy“ bei der die beiden Heere aufeinanderprallen und eine neue Ära der Kriegsführung einleiten…

https://abload.de/img/cre34rjii.jpg

In Szene gesetzt wird die mittelalterliche Welt von dem spanischen Künstler Raulo Cáceres (Francisco Raúl Cáceres Anillo) in detaillierten schwarz/weiß Bildern.
Ein größeres Format hätte dem Artwork IMO gut getan und wirkt so manchmal etwas gedrungen.

Der Umfang ist mit 48 Seiten gerade richtig. Die Standardausgabe kostet faire 9,- Euro, die limitierte Variante (inkl. signiertem Print von Raulo) gibt es um 18,- Euro.
Wobei mir erstere mit dem Longbowman's Salute etwas besser gefällt :)

Als Überraschung hatte meine limitierte Ausgabe einen kleinen Pencil Sketch von Cáceres im Innenteil. Keine Ahnung ob das bei allen so ist… :kratz:

Crécy steht wohl auch ein wenig für Crazy und ist eher was für große Jungs die schon „300“ mochten und keine ernste Story erwarten.
Oder halt Warren Ellis Fanboys :steine:

Leseprobe (https://www.dantes-verlag.de/leseproben/cr%C3%A9cy/)

https://abload.de/img/35cmjro.png

#churchi
08.01.2020, 14:35
ÄTHERMECHANIK – Eine graphische Novelle

- Aetheric Mechanics – A Graphic Novella- (US Avatar / Apparat 2008) -

https://abload.de/img/thers1jtm.png

(Dantes Verlag / 2019)

Warren Ellis & Gianluca Pagliarani

Äthermechanik ist der sechste (und bis jetzt vorletzte) Band des Apparat Imprints von Warren Ellis.

Dem selbst auferlegten Dogma treu, entführt uns Ellis dieses mal auf eine Alternative Erde / Zeitebene.

Wir schreiben das Jahr 1907 und Brtiannien befindet sich mit dem (fiktiven) Land Ruritania im Krieg.
Durch eine Antigravtionstechnik (Apergy) wird die Schwerkraft ausgetrickst und selbst riesige Schlachtschiffe
schweben wie durch Zauberhand über den Himmel von London.

Ruritianias mächtige Flotte steht kurz davor in Britannien einzufallen und die Schlacht endgültig für sich zu entscheiden.

https://abload.de/img/ther2fokie.jpg

In diesen turbulenten Zeiten lernen wir Captain Robert Watcham kennen, einen Arzt der gerade von der Front zurückgekehrt ist
und als erstes seinen alten Freund Sax Raker aufsucht.

Raker ist ein sehr von sich überzeugter Detektiv, der unübersehbar an Sherlock Holmes angelehnt ist.
Ach Quatsch. Das IST Sherlock Holmes, der gerade über einem seltsamen Fall brütet.
Und zwar über einem „Mann der nicht da war“ und für eine Mordserie an Wissenschaftlern verantwortlich ist.
Also ein Mann der „flimmert“ und sich wohl teleportieren kann.

Mysteriös…

Kurz darauf werden die beiden von der Polizei um Hilfe gerufen.
Eine Leiche wurde ans Ufer der Themse gespült und wohl zum Schema des gesuchten Killers passt.
Mit einer Droschke macht sich nun Sherlock mit Watson… ähmm... Watcham auf den Weg um den Toten zu untersuchen.
Die Spurensicherung könnte dann nicht theatralischer ausfallen :o

https://abload.de/img/ther3xnk1p.jpg

Um den Spaß nicht zu verderben möchte ich dann auch gar nicht mehr vorwegnehmen, außer das Ellis hier bis zum coolen Finale richtig abliefert.

Die Handlung ist dicht gepackt. Faszinierend wie viele Ideen in knapp 40 Seiten untergebracht werden können.
Die steampunkartige Welt wird detailliert von Pagliarani zu Leben erweckt. Ein ähnliches Konzept kennt man von Moore’s „League of Extraordinary Gentlemen“,
Ellis findet aber seinen eigenen Ton und setzt den perfekt um.

Die Dialoge sind witzig und füllen den Band richtig aus. Toll auch wieder die Anhänge mit den ganzen Anmerkungen. Viele Anspielungen hätte ich sonst wohl übersehen.

Glaubt man Anfangs an eine Kriegsgeschichte, ändert die sich zu Murder Mystery und Ellis weiß bis zum Schluss zu überraschen :D

Für mich der bisher beste Apparat Band, aber einer steht ja noch aus…

Leseprobe (https://www.dantes-verlag.de/leseproben/%C3%A4thermechanik/)

https://abload.de/img/45ujkn7.png

#churchi
08.01.2020, 14:35
FRANKENSTEINS SCHOSS

- Frankenstein’s Womb - (US Avatar / Apparat 2009) -

https://abload.de/img/franken1nskdi.jpg

(Dantes Verlag / 2019)

Warren Ellis & Marek Oleksicki

Auf geht es zum (bislang) letzten Output von Ellis Apparat Reihe :)
Wie üblich steht auch diese Geschichte für sich alleine und kann ohne Vorwissen genossen werden.

Wobei es einem der Autor hier gar nicht sooo leicht macht und etwas mit den Erwartungen spielt…


1816

Per Kutsche reisen Mary Wollstonecraft-Godwin, ihr zukünftiger Ehemann Percy Bysshe Shelley zusammen mit
ihrer (schwangeren) Stiefschwester Claire Clairmont quer durch Europa. Ihr Ziel ist der Genfer See in der Schweiz,
wo sie bereits von Lord Byron erwartet werden.

Ihr Weg führt sie auch durch Deutschland, kurz vor Darmstadt kommt es zu einem ungeplanten Halt.
Mary erspäht in der Ferne ein düsteres Gemäuer. Ein näherer Blick offenbart, es handelt sich hierbei um Burg Frankenstein.
Sie fühlt sich wie magisch von der verlassenen Burg angezogen und möchte sie näher inspizieren,
die Mitreisenden haben für die Idee nicht viel übrig und verbringen die Zeit lieber in der Kutsche.

Mary mag gute Spukgeschichten und so betritt sie die unheimliche Ruine eben alleine.
Beim durchwandern der leeren und heruntergekommenen Hallen stößt sie auf eine große, finstere Gestalt die ihr den Rücken zukehrt.

https://abload.de/img/frankbjmj5h.jpg

Erst geschockt, kommt Mary mit dem verunstalteten Mann „ohne Namen“ ins Gespräch.
Große Narben überziehen sein Gesicht und den Hals, nur mit dem Nötigsten zusammengeflickt.
Er bietet sich Mary als Führer durch die Ruine an und sie geht auf sein Angebot ein.

Ab hier beginnt es dann auch seltsam zu werden. Der Mann scheint nicht nur Marys Vergangenheit gut zu kennen,
sondern kann auch über zukünftige Ereignisse ihres Lebens berichten.

Viel mehr möchte ich auch gar nicht mehr vorweg nehmen, die beiden kommen ins philosophieren
und Mary erlebt noch so einige Überraschungen…


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Ellis wagt mit „Frankensteins Schoß“ einen etwas anderen Blick auf die Entstehungsgeschichte des berühmten Romans.
Dabei nimmt er es mit historischen Fakten nicht so genau, was aber nicht weiter stört (die Anhänge und Fußnoten
von Jens sind wieder eine wahre Fundgrube).

Streng genommen ist der Plot ziemlich dünn und erinnert IMO stellenweise an Dickens „Christmas Carol“.
Reizvoll sind die gelungenen Dialoge zwischen Schöpfer und Kreation (oder ist es umgekehrt?).
Der Blick auf die heute banalen Dinge, die man zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch als Wunder empfand
und für die wir mittlerweile blind geworden sind.

Einen ähnlich erhabenen Moment erlebt auch Sir William Gull in „From Hell“

als er die 4. Dimension durchbricht und einen Blick auf die heutige Zeit erhascht.
Es ist auch die Zeitenwende einer neuen Generation. Im Denken und auch der Technik.
Vieles was Mary widerfährt und das „Monster“ offenbart, sind harte Schicksalsschläge,
sie erlebt aber auch viel Liebe.

Die Ideen kreisen um die Themen Schöpfung, Hinterlassenschaften und (Un)vergänglichkeit,
die Mary (aber auch Percy und Byron) auf ihre Art erreichen.

Die sehr detaillierten s/w Zeichnungen von Oleksicki fangen die romantische / Gothic Stimmung wunderbar ein.
Einen besseren Partner hätte Ellis für das Sujet nicht finden können.

Nur Schade, das man von Byron nichts sieht, ansonsten fühlt man sich bei dem Band wie im namensgebendem Schoß :D

Erwartet euch nur keine klassische Horror Story oder irgendeine Action…

https://abload.de/img/404kjdj.png

„Nothing is so painful to the human mind as a great and sudden change.“
- Mary Wollstonecraft Shelley (Frankenstein, or the Modern Prometheus, Frankenstein)

JRN
08.01.2020, 17:21
Kein Grund, sich zu entschuldigen, churchi999 ... außer vielleich dafür, dass Du den Originaltitel von "Stadt der Aussteiger" immer noch falsch schreibst.
Oakland ist auch im Original keine "Stadt der Stille" ["Quiet City"], sondern die "Stadt der Quitter" ["Quit City"].

:aetsch:

Aber im Ernst: Tolle Aktion. Vielen Dank für den Thread und Deine Rezis.
Bin gespannt, ob sich nun noch jemand traut, etwas hinzuzufügen ...

:D

Mit 1000 Grüßen,
JRN

robert 3000
08.01.2020, 17:38
Eigentlich wäre Warren Ellis ja fast mal reif für eine Sonderausgabe der Reddition.

Ich muss gestehen, dass ich, obwohl glühender Fan von Transmetropolitan, nicht so ein Ellis Kenner war. Eigentlich das genaue Gegenteil.
Gravel war mir zu "hart".
Aber den Rest hab ich dann (eigentlich als Verlagsunterstützung gedacht) alles gekauft und auch gelesen.
Und es hat mir echt toll gefallen. Da sind richtig, richtig gute Comics.

Dann hab ich mich ein bisserl reingelesen und festgestellt, das Ellis ja wirklich extrem viel gemacht hat.
Richtig viel.

#churchi
08.01.2020, 17:42
JRN
Sach das doch gleich, bin ja lernfähig brauch wohl nur langsam ne Brille (und Stille mag ich auch) :D

JRN
08.01.2020, 18:43
robert 3000 :

"Eigentlich" gibt es ja eigentlich gar nicht - wie mein alter Herr immer zu sagen pflegte.
Was in die REDDITION kommt, entscheidet Volker ... und eine Ellis-Solonummer wird es in absehbarer Zeit kaum geben [soviel kann ich in Kenntnis seiner üblichen Kriterien sagen]. Das heißt aber nicht, dass ein längerer Artikel über Ellis in einem Themenheft wie z.B. zu "Cyberpunk" oder zu "Britische Szenaristen" [dann im Verein mit Neil Gaiman, Pat Mills usw.] nicht irgendwann kommt.
Geredet haben wir darüber bereits ...

churchi999 :

'tschuldige, mein Fehler. Ich dachte, ich hätte Dich bereits beim ersten Mal darauf hingewiesen ... aber das war dann wohl Wunschdenken ...
Ich seh' schon, ich brauch wieder einen Termin bei Dr. Antimony ...

:twist:

Mit 1000 Grüßen,
JRN

joe ker
14.01.2020, 09:00
Crecy von Ellis und Caceres

Hau mir auf Maul, früher hätte man dem werten William die Seife in eben dieses geschoben. Dieser Mensch hasst alle die nicht das reine Engländer Herz tragen und hat dabei noch eine blühende Fantasy was Beleidigungen angeht! Egal ob Franzosen, Waliser oder Schotten, alle haben ihren Titel weg. Wie sangen schon die alten Australier: "For those about to rock, we salute you", na da schließe ich mich mal an.:D

William, der vorderste Bogenschütze des englischen Königsheeres, nimmt uns mit auf den Weg in die Schlacht bei Crecy, spricht uns dirket an und zeigt eben so seine ganz persönliche Sicht auf diese Schlacht. Kann man ja auch machen wenn man eh gewinnt. Wir dürfen Williams ausschweifenden, mancher würde es weitschweifig nennen, Erklärungen lauschen, was den Umgang mit Pfeil und Bogen betrifft und bekommen nebenbei noch "Die Kunst des Krieges" neu verfasst von von William Ellis frei Haus. Ich war dann doch überrascht das diese Erläuterungen nicht in Langeweile abdriften, liegt aber wohl auch am sehr umgangssprachlichem Ton der vorherrscht. Da trifft Zeitgeist auf Historie und das hebt dann doch sehr die Laune.

Zeichnerisch in s/w gehalten, ist das von Caceras schon ordentlich aufs Papier gebracht worden. Diese Art erinnert fern an Andreas' Cromwell Stone, tausende kliene striche ergeben ein wunderbares Bild. Ich mag diesen Stil sehr. Leider sind die Bilder und auch der doch recht viele Text in diesem Format etwas ungünstig. Die Wirkung welche Caceras Zeichnungen haben, wird meist erst in den größeren Panels sichtbar und den Text konnte ich ohne Lesehilfe (scheiß Alter!) kaum erkennen. Dafür lobe ich den enorm sauberen Druck, und die Aufmachung. Auch die Anmerkungen vom geschätzten JRN waren mir dann etwas zu viel, soviel Nachhilfe in Sachen Geschichte brauch ich nicht, das zieht einen dann doch zuviel aus der Geschichte raus, ist aber auch meine persönliche Ansicht, mancher mag evtl. genau das. Hilfreich ist es allemal. Und wenigstens weiß ich jetzt wie man in England oder Australien auf keinen Fall zwei Bier bestellen sollte:p
Sind Abenteuer Geschichten und "mittelalterliche Ritterstorys" so gar nicht mein Metier, so ist es Ellis Schreibe dafür um so mehr. Und da hat er mit dem Band genau meinen feinen, hintersinnigen und verhaltenen Humor getroffen:D;)

JRN
14.01.2020, 18:48
joe ker :

Dafür gibt's nichts "aufs Maul", sondern 'nen Daumen hoch ... und was mit dem Schild.

:thx:

Das Thema mit der kleinen Schrift hatten wir bei den "Apparat"-Titeln ja schon mehrmals. Ich persönlich bin zwar extrem kurzsichtig, hoffe aber trotzdem immer noch auf schnellen Abverkauf - und dass Josch dann die "von führenden Gerontologen empfohlene" Gesamtausgabe in A3 nachschiebt.
Die werden wir dann an Altenheime, Sanatorien und über Apotheken verticken ...

Mit 1000 Grüßen,
JRN

God_W.
14.01.2020, 20:22
Ich seh schon, über kurz oder lang komme ich an APPARAT nicht vorbei. :rolleyes:

joe ker
25.01.2020, 07:13
Äthermechanik von Warren Ellis und Gianluca Pagliarini

Geht man ganz unvoreingenommen und unbedarft an die Story ran, dann bekommt man zuerst eine Art frühes 20.ten Jahrhundert-Steampunk-London welches sich im Krieg mit dem Gefangen von Zenda Universum befinden. Nach und nach dürfen wir uns dann immer mehr in Richtung Arthur Conan Doyle bewegen, nur um am Ende von irgend so nem Vogel ordentlich eine vor den Latz geknallt zu bekommen.

Dieses Mindfuck Verhalten kenn ich jetzt eher von Morrison oder mal Moore, aber Ellis?
Aber macht er gut. Der Fall des flimmernden Mannes, welcher sich am Ende als die stabile Konstante erweist und gerade deshalb aus der Linie getilgt wird, hat was. eben das was eine gute Comicstory von Warren Ellis ausmacht. Zeichnerisch gibt sich Pagliarini Mühe und der ordentlich, saubere Strich von ihm passt gut zur recht bodenständigen Elseworld Geschichte.
Also halt ein recht bodenständiger Mindfuck was Ellis da abliefert:D gibt's da draußen auch nicht so viel in dieser Richtung.

Deshalb doppelt interessant!

JRN
25.01.2020, 23:59
Eine Kaufempfehlung von joe ker?
Das ... kommt nicht so häufig vor, oder?

:surprise:

Danke. Mit 1000 Grüßen,
JRN

Borusse
26.01.2020, 10:36
Sollte man den Thread-Titel nicht in "...und andere Warren Ellis Titel" umbenennen. Oder allgemein "der Warren Ellis Sammel Thread"? Oderoderoder?

#churchi
26.01.2020, 11:19
Nö, weil es hier nur um die APPARAT Titel von Ellis gehen soll.

Gorgon
26.01.2020, 11:37
Ne das passt schon so. Alle besprochenen Comics gehören zu Apparat wie im Post 1 beschrieben.

joe ker
26.01.2020, 14:24
Eine Kaufempfehlung von joe ker?
Das ... kommt nicht so häufig vor, oder?

:surprise:

Danke. Mit 1000 Grüßen,
JRN

Och, das kommt schon öfter vor, zumindest hier im Dantes Forum.;)

Allerdings habe ich von Apparat nur die beiden obigen, dann noch Narben, den swingenen elektrischen Captain und Gravel bis Band 6 (den hab ich aber sogar doppelt gekauft:rolleyes:) Also wer noch Band 6 braucht und Band 7 abgeben will, PN an mich:D

Ich brauch ja auch noch "Freiraum" für die Comics die ich vorhabe in Erlangen am Dantes Stand zu holen.

So genugdavon, jetzt muss ich mal diese glibbrige Spur aufwischen:p

JRN
26.01.2020, 21:28
Glibberspur -> :titanic:

:D :D :D

Mit 1000 Grüßen,
JRN

JRN
03.02.2020, 13:04
Heute eine neue Rezi von comicleser.de zu Frankensteins Schoß.

Sie ist eigentlich sehr schön, aber arg spoilerbehaftet - also nix für Leute, die sich erst noch überraschen lassen wollen.
[Solche Rezis hießen zu meiner Zeit "Klassikerrezensionen": "Weiß doch eh jeder, worum's geht, also fleißig drauflos gespoilert!"]
Wir haben also einen weiteren "Klassiker" im Programm? Wie schön!

Außerdem wird Josch in der Rezi zum neuen Walt Disney hochstilisiert ... zum übermenschlichen Verleger, der alles selbst und ganz allein macht ...

:elch:

Wer sich jetzt noch zu lesen traut:
Hier klicken (http://www.comicleser.de/?p=8376).

Mit 1000 Grüßen,
JRN
[der nicht Josch ist ... versprochen!]

God_W.
12.04.2020, 18:41
Kurze Frage: Gibt es in den Bänden viele Verweise aufeinander bzw. sollte man beim Lesen eine gewisse Reihenfolge einhalten? Mich würde aktuell nämlich vorrangig Frankensteins Schoß interessieren. Ist der unabhängig lesbar?

#churchi
12.04.2020, 20:21
Kurze Frage: Gibt es in den Bänden viele Verweise aufeinander bzw. sollte man beim Lesen eine gewisse Reihenfolge einhalten? Mich würde aktuell nämlich vorrangig Frankensteins Schoß interessieren. Ist der unabhängig lesbar?

Sind alle voneinander unabhängig zu lesen, ist ein Teil des Konzeptes der Reihe.

God_W.
12.04.2020, 21:02
:thx:

JRN
12.04.2020, 22:35
Auch von mir ein Schild an churchi999 für die schnelle Reaktion:

:thx:

Und God_W. : Wenn Du mehr über das "Apparat"-Konzept wissen wolltest, würdest Du in Vier Singles fündig werden. Darin sind fünf ausführliche Warren-Ellis-Kommentare enthalten, in denen er zur ganzen Reihe sowie zu einzelnen Aspekten ["Das Vorhersehen" (Zukunftsbilder in der Science Fiction), "Die Stadt und das Verbrechen", "Im Flug befindlich" (über Aufbruch und Wiederkehr) und "Der Mann"] Stellung nimmt.
Ich vermute aber, dass Dich inhaltlich die drei längeren Geschichten eher ansprechen werden Äthermechanik geht es um alternative naturwissenschaftliche Konzepte, in Crécy um in die Vergangenheit rückprojizierte Gegenwartsdiskurse] ... von daher ist Frankensteins Schoß eine gute Wahl als erste Wahl ...

Mit 1000 Grüßen,
JRN

God_W.
12.04.2020, 22:46
Na grundsätzlich finde ich das schon alles ziemlich ansprechend. Das Budget ist aber aktuell nicht ganz so hoch und vor allem schon größtenteils verplant davon abgesehen, dass ich sowieso noch viel zu viel Ungelesenes hier habe). Nach der äußerst aufschlussreichen Verlagsumfrage auf Comic.de möchte ich aber den ein oder anderen kleineren Verlag noch ein wenig unterstützen und deshalb wenigstens 1-2 Titel von Euch bestellen diesen Monat. Aufgrund meiner Lovecraft-Affinität wird das sicher "Smaragdgrün" und jetzt vermutlich noch der Band hier, einfach weil ich das Frankenstein-Thema in all seinen Variationen schon seit jeher faszinierend finde.

God_W.
16.09.2020, 17:58
Keine Müdigkeit vorschützen und gleich weiter zum nächsten Set. Genau wie bei Morrison war auch Warren Ellis Teil eines dieser Autoren-Threads. Jetzt habe ich den Transmetropolitan zwar komplett ungelesen hier stehen, aber auf die Schnelle wollte ich den natürlich nicht dazwischenschieben. Zum Glück hat einer meiner aktuellen Lieblingsverlage da gleich einen ganzen Schwung im Angebot und da ich ein großer Verehrer der klassischen Universal-Monster, und von Frankenstein im Besonderen bin, hatte ich da rein zufällig auch was auf dem Lese-K2:


Frankensteins Schoß

https://up.picr.de/39448870ry.jpg

Der Band gehört zu Warren Ellis‘ Gedankenexperiment „Apparat“, in dem er versucht Comics bzw. Graphic Novels in einem Abenteuer- oder auch Gruselstil zu schreiben, wie sich die Neunte Kunst seiner Meinung nach entwickelt hätte, wenn die Erfindung von Superhelden niemals stattgefunden hätte. Eine äußerst faszinierende Ausgangsprämisse wie ich finde.

Ich fand das 52 Seiten starke Heft im Prestige-Format echt toll, bin ich doch bekennender Fan des Original-Werkes von Mary Wollstonecraft Shelley und hier in wundervoll stimmungsvollen Bildern erleben zu dürfen, wie sie von Ihrer späteren Schöpfung als „Tourguide“ eine Führung ganz besonderer Art bekommt hat echt was. Ich kann das Werk bedenkenlos empfehlen und nur nochmal auf das wunderschöne Artwork von Marek Oleksicki hinweisen.

Ellis‘ Versuch den Mythos um das Monster in eine von Mrs. Shelleys realen Reisen einzubinden, hat sie doch zu Lebzeiten mehrere recht erfolgreiche Reiseberichte verfasst, hätte für mich astrein funktioniert und eine perfekte Symbiose zwischen Schauermär und Wirklichkeit geknüpft – tja, wenn da nicht der (wie immer) äußerst versierte und scharfsinnige Übersetzer dazwischen gegrätscht wäre um Ellis Konglomerat an Zusammenhängen im wieder mal äußerst informativen und sauber recherchierten Glossar zu zerpflücken. Aber hey, Spaß gemacht hat’s dennoch. ;)
8/10

Die weiteren „Apparat“-Bände werde ich mir wohl auch noch holen, Captain Swing und die elektrischen Piraten von Cindery Island habe ich mir ebenso auf den Wunschzettel gepackt (verdammt schade, dass das Hardcover hier nicht mehr verfügbar ist) und sollte ich diese Sachen von Ellis allesamt als gut befinden werde ich mir, als Liebhaber der VÖs des Dantes-Verlages, auch sicher noch Narben holen und, wenn mein Lese-K2 wirklich mal signifikant kleiner werden sollte, auch mal in Gravel reinschnuppern.

VG, God_W.

JRN
16.09.2020, 19:05
God_W. :

Du hast das Bändchen endlich gelesen!
Und obendrein Zeit gefunden, ein paar nette Zeilen darüber zu schreiben ...

:thx:

Auch dafür, dass Du in den letzten Tagen in Nachbarthreads und -foren wieder fleißig die Werbetrommel gerührt hast.

Ich habe dabei gelernt, dass Deine Frau lieber Filme guckt als Comics zu lesen?
Falls dem tatsächlich so sein sollte ... Du weißt, dass es zwei durchaus sehenswerte Verfilmungen des Lady-Snowblood-Stoffs gibt (https://www.amazon.de/Lady-Snowblood-DVD-Blu-ray/s?k=Lady+Snowblood&rh=n%3A284266), oder?
Nur OmU zwar, und die "U" vermutlich in Englisch, aber das sollte für Whisky-Freunde ja eigentlich kein Problem sein ...

:D

Mit 1000 Grüßen,
JRN

P.S.: Solltest Du eines Tages doch Deine Abneigung gegenüber Softcovern überwinden, müsste ich Dir solche Nachrichten wie die über Lady Snowblood hier nicht nachreichen ... dazu hat sich nämlich Kai Schwarz in der Reddition # 66 geäußert. Aber, wie gesagt: zwischen Softcover-Deckeln ...

:D

Kai Schwarz
16.09.2020, 19:09
Ups: Was habe ich da wieder erzählt? :)

God_W.
16.09.2020, 19:41
Na, als alter Fan asiatischen Kinos kenne ich die Verfilmungen zur Lady natürlich schon länger (wusste damals nicht, dass die auf Comics basieren) und ich bin mir sehr sicher, dass zumindest eine davon vor Jahren schon auf arte auch mit deutschen Untertiteln lief. Meine Frau liest unheimlich viele Romane, schaut gerne Filme und auch Serien (auch Sci-Fi oder Superhelden), aber mit asiatischem Kino kann sie, bis auf wenige Ausnahmen, kaum was anfangen. In Sachen Comics gibt es da auch nicht viel. Sie liebt von jeher Yoko Tsuno sowie Calvin & Hobbes und vor Kurzem konnte ich sie für die Fables begeistern. Das war allerdings nicht schwer, liebt sie doch seit frühester Kindheit Märchen aus aller Herren Länder und das hat sich sowohl filmisch als auch in Buchform bis heute fortgesetzt.

Was Softcover angeht gehe ich ja schon ab und an Kompromisse ein. Sowohl die Lady, als auch Frankensteins Schoß waren ja nicht zwischen zwei festen Deckeln untergebracht. ;)

Ach ja, es gibt übrigens gaaaanz viele Sachen, die schon erheblich länger auf dem Lese-K2 verweilen als Euer Frankie-Band. :work:

JRN
16.09.2020, 22:33
God_W. :

:tatschel:


Kai Schwarz :

Ich darf Dich [und mich] zur Erleuchtung gewisser wohlmeinender Kreise hier mal zitieren:


Gehen wir nochmal ein paar Jahre zurück: Nach der Einstellung von Banzai! musstet ihr euer Programm neu ausrichten, was sich dann vor allem in einem Anstieg von Boys-Love-Titeln bemerkbar gemacht hat.

Ja. Ab 2005, 2006 waren drei Titel pro Monat von fünfzehn Boys Love. Boys Love hat uns also einerseits lizenzgebertechnisch, andererseits inhaltlich neue Spielräume eröffnet.
Und dann kam ein für mich ungemein wichtiger Moment, als ich in einer Ankündigung in einer Dark-Horse-Preview Lady Snowblood entdeckt habe. Ich mein’, heute gucke ich mir Previews gar nicht mehr an, weil du das Meiste einfach vorher schon im Netz oder in einem Newsletter gesehen hast, aber damals, das weiß ich noch, lag ich da, schlag diese Preview auf und denke: „Lady Snowblood? – Alter! Was ist das denn? Das sieht ja total geil aus! Wie? Was? ‚Klassiker’? ‚Kazuo Koike’? Wie bitte?“ Und in dem Fall bin ich mal sofort ins Netz und habe über ein Kontaktformular auf der Website des Verlages den Zuständigen direkt angeschrieben. Das war einer der seltenen Fälle, wo ich mir mal nicht die existenten Agenturen geschnappt habe, sondern wo ich in dem Moment wusste, in einem Gefühl wie aus dem Nichts, das ich einen Klassiker ausgebuddelt habe.


Schön übrigens, Dich hier im ersten Höllenkreis des Dantes Verlags anzutreffen.

Mit 1000 infernalischen Grüßen,
JRN

joe ker
16.11.2020, 09:06
Frankensteins Schoß von Ellis und Oleksicki (Dantes Verlag)

Hmm, soll ich gleich schreiben das mir das Ding nicht so zusagte oder erstmal die Vorzüge aufzählen?

Wie schon öfter hier gelesen geht es um die Konstellation Byron, Shelley, Wollstonecraft und das daraus resultierende "Der moderne Prometheus". Dieses Szenario ist allerdings mindestens so oft erzählt worden, in unterschiedlichen Medien, wie Frankenstein selbst. Da braucht es dann schon was Originelles oder Neues um mich mitzunehmen. Ellis bringt uns diese Story diesmal durch das Monster, das hier als Erzähler und Führer durch die Geschichte leitet, näher. Dabei gibt es eine durchaus interessante Diskussion zwischen Mary und dem Monster welche entfernt an eine Art Christmas Carol erinnert.
So und das wars dann auch, irgendwie so ungefähr. Wirkt wie ein kleines nettes Kammerspiel, hinterläßt aber bei mir nicht die dichte die ich von so was erwarte.
Zeichnerisch ist das schön düster von Oleksicki, der mir bis dato noch nichts sagte, umgesetzt, allerdings wirkt der komplett Band als spiele er in der Nacht, was er aber offensichtlich nicht tut. Eine Stilistische Nähe zu den üblichen Verdächtigen wie Caceres würde ich mal sagen.

Das Glossar am Ende ist schon sehr informativ, die Anmerkungen des Daueremsigen Übersetzers sind spannend recherchiert, bringen einen aber manchmal doch aus der, nicht gerade langen, Story raus. Klar kann man das alles auch erst am Ende lesen, aber sind wir ehrlich, wer macht das so? :p

Kurz, sehr kurz, kurzweilig ja das lass ich auch noch gelten, aber doch etwas inhaltsleer kommt das Ding daher. Verschmerzbar.

JRN
16.11.2020, 13:24
joe ker :

:thx:

Eine inhaltliche Halbkorrektur von mir:
Die Story spielt im "Jahr ohne Sommer" [sagt Ellis gleich auf der ersten Seite] ... und das ist tatsächlich genau so zu verstehen, wie Oleksicki es gezeichnet hat: in einer Welt im dämmrigen Zwielicht. Das ist vielleicht noch nicht ganz "Nacht", aber fast.
Ich fasse Deine leise "Kritik" an der von Oleksicki gewählten Lichtstimmung demnach als Kompliment "über Bande" auf.

:D

Mit 1000 Grüßen,
JRN

robert 3000
16.11.2020, 14:42
Klar kann man das alles auch erst am Ende lesen, aber sind wir ehrlich, wer macht das so? :p

ICH

Warum? Eben weil ich das gleiche Problem hatte wie du. Sooo viele Anmerkungen, alle interessant und auch lesbar.
Und ich hab mir eben genau das bei diesen Bänden angewöhnt. Und finde das viel besser. Vor allem viel besser lesbar.

Rabbit1958
16.11.2020, 21:18
Ich auch, aus demselben Grund.

joe ker
17.11.2020, 08:38
Dann bin ich doch der Sonderfall, was das Glossar betrifft:p
Wenn ich nicht während dem lesen nachsehe dann schau ich meist gar nicht rein.

Dex_McCroul
17.11.2020, 19:15
Dann bin ich doch der Sonderfall, was das Glossar betrifft:p
Wenn ich nicht während dem lesen nachsehe dann schau ich meist gar nicht rein.

Mensch, Grinseprinz!
Wir kennen uns nun schon so lange aus dem alten PaFo! Lass dir gesagt sein: Die Geschichten aus diesem Kleinod von deutschem Comicverlag darf man ruhig 2x lesen: 1x einfach die Geschichte und DANACH die Anmerkungen, dann nochmal die Geschichte mit dem Hintergrundwissen aus den Anmerkungen.
Ich weiß, dein Lesestapel ist riesig und eigentlich fehlt dir die Zeit dazu. Mir geht es genau so. Dennoch habe ich für mich festgestellt, dass es den Lesegenuss ungemein fördert. Außerdem dürften die Apparat-Sachen die letzten von Josch sein, bei denen die Anmerkungen noch auf den Comicseiten "untergebracht" sind. Bei den neueren VÖs wirst du nicht so einfach in Versuchung geführt, da du bis zum Ende blättern musst.

JRN: Ja, Lesegenuss! Sogar wenn der erste Lesedurchgang der des Korrekturlesens ist. Vor allem dann ist der 2. Durchgang aber eine Wohltat. ;)

JRN
17.11.2020, 21:18
Dex_McCroul :

:thx:

Und richtig: Als ich den fertigen Frankensteins Schoß auf dem Tisch hatte, hab' ich sofort gedacht: "Das mit den Anmerkungen, das geht so ja gar nicht!"
Beim nächsten Telefonat mit Josch meinte er: "Ich hab' mich nicht getraut, dich zu fragen ... aber ich hatte ein ungutes Gefühl dabei."
Daraufhin haben wir uns darauf geeinigt, die Sternchen und die Fußnoten zukünftig wegzulassen und nur noch mit Endnoten zu arbeiten ...
... außer bei Sláine [wo wir den einmal begonnenen Weg nun auch zu Ende gehen werden] und bei Usagi [wo ja eh fast alle Fußnoten von Stan stammen und auch schon im Original vorhanden waren].

Ihr könnt es euch denken: Die Zusatzseiten hinten dran machen die Bände ein paar Euro teurer. Josch wollte, denke ich, erst einmal abwarten, wie die Anmerkungen ganz allgemein so ankommen.
Aber wer ohne sie auskommen würde, der oder die versteht offensichtlich so viel von englischer oder US-amerikanischer Kultur und Sprache, dass er oder sie wahrscheinlich auch die Originalveröffentlichungen lesen könnte.
Und denen, die die deutschsprachige Ausgabe brauchen, sind ein, zwei Euro zusätzlich für ein besseres Verständnis dessen, was sie da eigentlich gerade lesen, offensichtlich nicht zu viel.
Das jedenfalls schließen wir aus dem bisherigen Feedback.

In Frankensteins Schoß ist Ellis jedenfalls unerwartet tief in die Diskussion um die Inspirationsquellen des Byron-Shelley-Kreises eingetaucht, die in der Anglistik nun schon seit Jahrzehnten, ach was: seit Jahrhunderten tobt!
Die von joe ker festgestellte Vielzahl an auch künstlerischen Auseinandersetzungen mit jener Personenkonstellation und ihrer Zeit ist ja nun wahrlich kein Zufall.
Für mich in dieser Form neu [und nicht uninteressant] war Ellis' These, Mary Shelley stünde nicht nur in einer Tradition der Aufklärung, sondern auch in einer Tradition der Alchemie [als Wissenschaft verstanden].
Das ist so wahrscheinlich nicht haltbar [und ich frage mich, was Ennis oder Gaiman daraus gemacht hätten], liest sich aber durchaus anregend, wie ich finde.

Und: Ich hoffe auf eine Neuauflage, in der dann aus allen Fußnoten Endnoten geworden sein werden ...

:D

Mit 1000 Grüßen,
JRN

Dex_McCroul
17.11.2020, 21:48
...

Und: Ich hoffe auf eine Neuauflage, in der dann aus allen Fußnoten Endnoten geworden sein werden ...

:D

Mit 1000 Grüßen,
JRN

Nicht nur du, wie du ja schon seit Erfurt weißt. ;)

joe ker
18.11.2020, 13:35
Mensch, Grinseprinz!
Wir kennen uns nun schon so lange aus dem alten PaFo! Lass dir gesagt sein: Die Geschichten aus diesem Kleinod von deutschem Comicverlag darf man ruhig 2x lesen: 1x einfach die Geschichte und DANACH die Anmerkungen, dann nochmal die Geschichte mit dem Hintergrundwissen aus den Anmerkungen.
Ich weiß, dein Lesestapel ist riesig und eigentlich fehlt dir die Zeit dazu. Mir geht es genau so. Dennoch habe ich für mich festgestellt, dass es den Lesegenuss ungemein fördert. Außerdem dürften die Apparat-Sachen die letzten von Josch sein, bei denen die Anmerkungen noch auf den Comicseiten "untergebracht" sind. Bei den neueren VÖs wirst du nicht so einfach in Versuchung geführt, da du bis zum Ende blättern musst.

@JRN (https://www.comicforum.de/member.php?u=11280): Ja, Lesegenuss! Sogar wenn der erste Lesedurchgang der des Korrekturlesens ist. Vor allem dann ist der 2. Durchgang aber eine Wohltat. ;)

Ein freundliches Hallo von mir, man liest dich ja hier kaum. Warst allerdings zuletzt im PF auch schon nicht mehr so schreibefreudig. Gern wieder mehr von dir!

Ja, der Lesestapel macht mir zu schaffen, aber aktuell nehm ich mir alles an Einzelbänden was da so ungelesen bei mir rumfliegt, vor und komm dadurch zumindest mit dem Vorsatz "mindestens einmal lesen" gut nach. Danach muss ich endlich mal From hell anfangen, da hab ich schon ein schlechtes gewissen das die Bände hier noch ungelesen rumliegen. :rolleyes:

Zur Shelly-Byron-Frankenstein Konstellation empfehle ich gern Gothic von Ken Russel. Sollte man mal gesehen haben!

JRN
18.11.2020, 20:46
joe ker :

Unbedingt!
[Allerdings ist es auch schon wieder dreißig Jahre her, seit ich den Film gesehen habe ... vielleicht sollte ich mal eine Anschaffung auf DVD ins Auge fassen ...]

Mit 1000 Grüßen,
JRN

Karate Lothar
20.11.2020, 19:07
Frankensteins Schoß von Ellis und Oleksicki (Dantes Verlag)

Hmm, soll ich gleich schreiben das mir das Ding nicht so zusagte oder erstmal die Vorzüge aufzählen? ...



Ach komm, jetzt hab dich mal nicht so.

Mit nem ganzen Punkt mehr, als bspw. Burns „Black Hole“, kann dat Dingends so schlecht schließlich net sein.!!


:D :D :D

JRN
27.01.2021, 22:03
So. Hier noch als kleiner Fanservice für alle Langbogenfreunde unter unseren Crécy-Lesern der Vorabdruck einer Anmerkung aus Disenchanted #2 zur Geste, die das Titelbild der regulären Ausgabe des "Apparat"-Titels ziert:


zu Seite 140:

Was Agger hier zeigt, ist der sogenannte „longbowman’s salute“, der in Großbritannien, Australien und einigen anderen zum Commonwealth gehörigen Gegenden das Äquivalent zum „Stinkefinger“ ist. Erstmals dokumentiert ist die Geste in einer Aufnahme der Dokumentarfilmpioniere Sagar Mitchell (1866-1952) und James Kenyon (1850-1925) aus dem Jahr 1901 (zu sehen in dem Zusammenschnitt "Parkgate Iron and Steel Co., Rotherham").

Laut einer urbanen Legende soll die Geste aus dem Mittelalter stammen und wahlweise von walisischen oder englischen Langbogenschützen erfunden worden sein, die damit zum Ausdruck bringen wollten, dass sie noch im Besitz all ihrer Finger (und also kampffähig) seien. Warren Ellis (*1968) behauptet (in seinem "Crécy" von 2007), die Geste sei bereits 1346 in Gebrauch gewesen, bei Pat Mills (*1949) soll sie (in "Sláine – Der Narrenprinz" von 1996) sogar schon 1140 bekannt gewesen sein. (Beide Titel liegen auf Deutsch im Dantes Verlag vor.) Laut einer Quelle aus dem 14. Jahrhundert wurden zum Spannen eines Eibenbogens nicht zwei, sondern drei Finger benötigt. Wahrscheinlicher ist, dass der „longbowman’s salute“ tatsächlich „Mach die Beine breit und lass dich f***en!“ bedeutet (was aber natürlich weniger romantisch klingt).



Mit 1000 Grüßen,
JRN

JRN
15.02.2022, 10:06
Eine kleine und durchaus positive Besprechung von Frankensteins Schoß findet sich im von Thomas Hofmann verfassten Nachwort zur von Uwe Siebert 2020 im Pandämonium Verlag besorgten Neuedition der Frankenstein-Übersetzung von Heinz Widtmann aus dem Jahr 1912 [und zwar auf Seite 208].

33689

Mit 1000 Grüßen,
JRN

Kal-L
26.06.2022, 14:03
Crécy

http://comichunters.net/images/comics/1003c8f1effee3492bd9d670fcb89daf_norm.jpg

Erst neulich hab ich mir den Band in zweiter Auflage auf den Comic Salon geholt, vor allem weil es von Raulo Cáceres gestaltet wurde, den ich spätestens seit Arn sehr zu schätzen weiß (und weshalb ich auch Arn nochmals als limitiertes Variant gekauft habe)

Aber bevor wie abschweifen und das Artwork in den Himmel loben, kommen wir zur Handlung, die erzählt eine Schlacht in Crécy im August 1346 nach, alles aus der Sicht von William von Stonham. Der hier als Erzähler/Geschichtslehrer der etwas anderen Art fungiert und immer den Leser persönlich anspricht.

Mit dem Wissen eines heutigen Menschen erklärt er das Leben auf dem Schlachtfeld, was er für schmutzige Kriegsführung hält. Und natürlich ist es eine Geschichte über „Franzosen und Engländer und warum sie sich hassen, also nicht nur weil sie Frösche fressen sondern auch nach Scheiße stinken" Aber im Grunde hasst der Erzähler alle Menschen und Beleidigungen sind an der Tagesordnung.

Das lockert das ganze Gemetzel am Ende auch auf, und lässt es einen mehr aus einer geschichtlichen Perspektive betrachten.

Und auch hier ist das Glossar von JRN sehr hilfreich bei der Einordnung. Und insgesamt hat das Spaß gemacht zu lesen und zeichnerisch ist es wunderbar anzusehen, wobei ein größeres Format wie andere hier geschrieben haben noch besser gewesen wäre.

JRN
26.06.2022, 19:59
Kal-L :

:thx: :thx:

Ein Extraschild für das Überraschungsmoment dieser Besprechung.

:D

Im Ernst:
Nach den Berichten über russische Soldaten, die sich erlaubt haben, in die Computer der Forscher in Tschernobyl zu kacken, scheint mir Ellis dann doch eine recht zutreffende Beschreibung der Mentalität kriegsführender Nationalisten gelungen zu sein.

Mit 1000 Grüßen,
JRN