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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Editorial "ZACK" #7/17



efwe
24.06.2017, 11:58
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EfWe


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

als ich Ende Mai erfahren habe, dass Pierre Seron gerade mal 75-jährig nach längerer schwerer Krankheit verstorben ist, hat mich das sehr traurig gemacht. Nicht nur, weil Pierre für mich einer der am meist unterschätzten franko-belgischen Zeichner ist, der mit seinen Minimenschen einen Klassiker geschaffen hat, sondern auch, weil wir uns seit meinen Anfängen beim Reiner-Feest-Verlag Ende der 1980er Jahre persönlich gut kannten. Als 1990 absehbar war, dass der Feest-Verlag das Jahresende nicht mehr erleben würde, und ich mit der Absicht liebäugelte, einen eigenen Comic-Verlag zu gründen, hat er bei Dupuis, dem damaligen Lizenzgeber der Minimenschen, massiv interveniert, um zu verhindern, dass die Serie an Ehapa übergehen würde, sondern bei dem neu zu gründenden Verlag unterkommen könnte. Schließlich ist alles dann doch ganz anders gekommen und Pierre und ich konnten bis 1995 beim Ehapa Verlag weiterhin erfolgreich zusammenarbeiten. Bis eben zu jenem unglückseligen Tag, als Die Minimenschen im Wettbewerb zwischen Carlsen und Ehapa unter die Räder kamen. Obwohl das Abenteuer „Semic“ Carlsen bereits in den 1980er Jahren gezeigt hatte, dass franko-belgische Comics am Kiosk keinen leichten Stand haben, wollten es die Hamburger in den 1990er Jahren noch einmal wissen und versuchten erneut, unter dem Obertitel Carlsen Super Comics bestimmte Serien aus Frankreich am Kiosk zu platzieren. Ehapa hatte das nach den Erfahrungen mit Die großen Flieger- und Rennfahrer-Comics, Die großen Edel-Western u.a. immer abgelehnt, weshalb die Franzosen Carlsen gerne folgten und die Rechte u.a. der Minimenschen für Ehapa nicht mehr erneuert wurden, damit sie Teil der Carlsen-Reihe werden konnten. Die Carlsen Super Comics gab es dann genau ein Jahr lang – 1997 – und wurden nach 12 Ausgaben wieder eingestellt. Drei davon waren ältere Abenteuer der Minimenschen gewesen. Da Ehapa nach dem Vertragsverlust gezwungen gewesen war, die Restbestände der Backlist zu vernichten, was keine Option war, oder binnen eines Jahres abzuverkaufen, war der Markt mit mehreren tausend Alben der Minimenschen zum Ramschpreis geflutet worden. Damit war eine bis zuletzt erfolgreiche Serie – jeder Band verkaufte knapp 7–10.000 Exemplare – für den deutschen Markt verbrannt. Es dauerte dann auch drei Jahre, bis Salleck sich daran traute, Die Minimenschen zumindest fortzusetzen. Pierre hat nie verstanden, wieso man seine umsatzstarke Serie so behandelt hat. So wie er auch nicht verstanden hat, warum er den Abschlussband um die kleinen Menschen nicht mehr bei Dupuis, seinem Heimatverlag, veröffentlichen konnte, sondern dafür bei einem anderen Verlag unterkommen musste. Letztendlich war es auch sein früherer deutscher Verleger Ehapa, der sein Werk um die Minimenschen mit einer eigens editierten Gesamtausgabe würdigte. Und wahrscheinlich war es für Pierre eine Art Genugtuung, dass Dupuis diese Maxi-Ausgabe dann für den franko-belgischen Raum übernommen hat. Die letzten Jahre seines Lebens waren schwere Jahre. Von einer schweren Krankheit gezeichnet, war er als Pflegefall ans Bett gefesselt und konnte nicht mehr arbeiten, was sicher mit ein Grund ist, dass er alle seine Originalseiten verkaufen musste. Möge er nun in Frieden ruhen.

In diesem Sinne


Georg F.W. Tempel
Chefredaktion

Pickie
24.06.2017, 12:39
Pierre hat nie verstanden, wieso man seine umsatzstarke Serie so behandelt hat.

Weshalb hat Dupuis denn eine umsatzstarke Serie so behandelt, hat das vielleicht sonst jemand verstanden?

efwe
24.06.2017, 13:10
Bei Dupuis war er an sich nicht der beliebteste. Das muss noch in der Vergangenheit begründet gewesen sein. Es gab wohl Probleme mit Franquin, die Seron aber auch nie verstanden hat. Jedenfalls scheint Franquin ein Veto eingelegt zu haben, als Seron als einer seiner Nachfolger an "Spirou" im Gespräch war. Weshalb Fournier dann den Zuschlag bekam.

EfWe

Pickie
24.06.2017, 13:21
Interessant, es hat also kräftig gemenschelt ...

efwe
24.06.2017, 14:23
Er fand es halt seltsam, weil Franquin für ihn die Uniformen der Minimenschen entworfen hat, aber dann plötzlich behauptet hat, dass Seron ihn kopieren würde. Alles sehr seltsam..

EfWe

Pickie
24.06.2017, 14:34
Tja, Künstler eben ...

Wäre Seron 'ne Frau gewesen ...

HerrHase
28.06.2017, 10:17
Finde die Editorials in letzter Zeit sehr interessant, da efwe sich inzwischen traut, in deutlichen Worten aus dem Nähkästchen (seiner Zeit als Verlagsangestellter) zu plaudern. (Ist da eine Vertragsklausel abgelaufen? ;) ) Mir war bislang nie klar gewesen, dass Carlsen Ehapa die Minimenschen-Lizenz abgejagt hatte, dachte immer diese Special-Comics-Veröffentlichungen wären so ein Ding am Rande gewesen, das nichts mit der Ehapa-Lizenz zu tun gehabt hätte. Muss aber auch sagen, dass ich die Special-Comics-Alben damals nie irgendwo am Kiosk oder im Supermarkt gesehen habe, nur im Bahnhofsbuchhandel.

efwe
28.06.2017, 11:22
Na ja, es muss halt einen Anlass geben, um so etwas zu erzählen. Im selben Zug ist auch die Lizenz für "Largo Winch" abhanden gekommen. Und dafür haben wir dann etwas später versucht, den "Kleinen Spirou" für den Kiosk zu bekommen. Wir waren da einige Male in Marcinelle (und dabei sehr gut essen ...:)). Hat ja dann aber doch nicht geklappt. Auch zu "Blake & Mortimer" gab's Diskussionen mit Casterman...

EfWe

Anselm Blocher
28.06.2017, 23:25
Auch zu "Blake & Mortimer" gab's Diskussionen mit Casterman...

Casterman? Wohl eher das Dargaud Imprint (oder wie immer das heißt) "Blake & Mortimer"?

Mick Baxter
28.06.2017, 23:46
Es gibt offenbar noch andere (http://kultureshoot.com/aventures-de-blake-mortimer-testament-de-william-s), die "Blake et Mortimer" bei Casterman vermuten.

efwe
29.06.2017, 07:28
Stimmt. Mein Fehler, sorry.

EfWe

PhoneyBone
05.07.2017, 11:25
Hier noch einige Informationen zum Übergang von Franquin zu Fournier (auf niederländisch) http://www.stripspeciaalzaak.be/Toppers/Robbedoes/Robbedoes_074.htm