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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nochmal kurz: Frank Miller's 300



Hank
31.07.2000, 10:31
Nicht zuletzt auf Grund von Beiträgen in diesem Forum habe ich mir dieses Werk vor einigen Wochen endlich besorgt und muß sagen, dass ich alle positiven Kritiken hier bestätigt fand. Nur eine Frage bleibt für mich (Frank?): Wer hat das übersetzt und warum steht's nicht drin?

Frank Neubauer
01.08.2000, 00:09
@ Hank
Freut mich natürlich, dass Empfehlungen aufgegriffen werden. Leider fehlen in Alben von s&l manchmal gewisse Angaben. Soweit ich mich erinnere hat Rossi Schreiber diesen Band selbst übersetzt.

Joshua
03.08.2000, 10:26
Bitte um Entschuldigung, falls es sich hierbei um eine alte Kamelle handelt; aber: Selbst die Fachzeitschrift für Geschichte "Geschichte lernen" lobt 300 in allen Tönen. Wer es nachlesen möchte:
Uwe Walter: Der finstere Leonidas. Die Thermopylen-Kämpfer als moderne Comic-Helden. In: Geschichte lernen 13 (2000), Heft 75, S. 4-5.

ilex
03.08.2000, 15:34
300 wird auch in dem Ausstellungskatalog Anticomics sehr positiv dargestellt.
Beide Autoren übergehen aber IMO die Probleme, die sich aus Millers Interpretation ergeben. Und ich denke das sind nicht gerade wenige. Deshalb würde mich interessieren, ob jemand eine echte Kritik dazu kennt?

Frank Neubauer
03.08.2000, 16:11
@ Ilex
Leider kenne ich besagten Katalog nicht. Kritik an Millers Geschichtsklitterung gab es einige. In den USA konzentrierte sie sich aber hauptsächlich auf die vermeintliche Homophobie des Autoren. Es wäre daher schön, wenn du etwas näher auf einzelne Punkte eingehen könntest.

ilex
07.08.2000, 14:30
Ups, da habe ich einmal aus dem Gedächtnis zitiert und den Titel sofort falsch geschrieben. Ich meinte: "Antico-mix". Antike in Comics, hg. v. Tomas Lochmann, Basel 1999. Die Ausstellung war vom 31.3.-26.9.1999 in Basel und Anfang dieses Jahres in Tübingen. Der Abschnitt über Millers 300 findet sich in Gerold, Susanne u. Rottenecker, Gerd, USA und Antike - Auf der Suche nach dem verlorenen Mythos, in: "Antico-mix", 150-152.

Für problematisch halte ich das Heldenbild, das Miller in der Figur des Leonidas (auf Kosten der historischen Überlieferung) zelebriert, sein Spartanerbild allgemein, das Perserbild, das Frauenbild und die Darstellung des Verräters (Ephialtes).
Mir ist schon bewußt, daß Miller kein Historiker ist ... Aber wenn er ein solches Thema wählt, bietet es sich einfach an, seine Darstellung auf dem Hintergrund der historischen Überlieferung zu hinterfragen.
Z. B. das Leonidasbild: Miller stilisiert Leonidas zu dem einsamen Helden und Kämpfer, der seine Entscheidung gegen alle Widerstände durchsetzt und durch den Opfertod von ihm selbst und 300 von ihm Abhängigen den Widerstand des freien Griechenlands gegen das dekadente Persien inspiriert. Und an einigen Punkten dieser Darstellung kann man IMO durchaus von Geschichtsklitterung sprechen. Ein Beispiel dafür ist der Tod des persischen Gesandten. Leonidas erwähnt, daß die Athener den Gesandten abgewiesen hätten und stürzt (offensichtlich auf eigene Verantwortung) die Perser zu Tode.
Die Ermordung des Gesandten ist nämlich nicht einzigartig. Die Athener haben die zu ihnen geschickten Boten den Felsen herabgestürzt (Herodot VII 133). Im Gegensatz zu den Athenern haben die Spartaner zur Buße, weil sie glaubten, unter dem Zorn einer lokalen Gottheit zu leiden, zwei Männer zum persischen Großkönig geschickt, der sie von der Blutschuld freisprach und sie wieder gehen ließ! (Hdt. VII 134ff.) - Das paßt nun aber nicht zu Millers Bild des unnachgiebigen Spartaners. -
An dieser Stelle wird auch deutlich, wie sehr die Spitze gegen die weichlichen Athener ins Leere läuft. Dieser Vorwurf ist offensichtlich von modernen Vorurteilen geprägt. Emotionalität, die heutzutage wohl homosexuellen Männern im besonderen Maße unterstellt wird, paßt scheinbar nicht in das Heldenbild, das Leonidas verkörpern soll. Entsprechend ist ja auch der "heroische" Abschied von seiner Frau gestaltet. Außerdem fielen Gesandtschaften im 5. Jh. v. Chr. nicht mehr in den Aufgabenbereich der Könige (in Sparta gab es ein Doppelkönigtum), sondern in die Verantwortung der Ephoren, 5 jährlich per Akklamation gewählten Männern, die u. a. die Kriegsführung der Könige überwachten. Es handelt sich bei ihnen nicht um eine dekadente Priesterkaste. (Miller zeichnet übrigens mindestens 9 Priester, die er als Ephoren bezeichnet.) Ich würde gerne wissen, warum Miller in Frage stellt, daß Leonidas offiziell in Abstimmung mit den Ephoren die Thermopylen besetzte. Herodot VII 175 spricht auch von einer Beratung der Hellenen und einem gemeinsamen Beschluß.
Bezogen auf die graphische Gestaltung räume ich gerne ein, daß die Darstellung der persischen Soldaten als gesichtslose Horde effektvoll ist, aber doch auch ein bißchen arg klischeehaft. Es bleibt mir ein Rätsel, warum der persische Gesandte gepierct ist. Und ich bezweifle nach wie vor, daß selbst ein spartanischer König Gesandte nackt empfängt. (Ich habe allerdings noch keinen Beleg dafür.)

Ich hoffe, mein Beitrag ist jetzt nicht zu ausufernd, aber 300 beschäftigt mich halt schon eine ganze Weile..

Hank
11.08.2000, 00:48
@ilex
Ich fand Deine Ausführungen nicht zu ausufernd, sondern im Gegenteil, sehr informativ.
Für mich stand (und steht) allerdings im Vordergrund der Spass beim Lesen - und den hatte ich allerdings. Ich muss gestehen, dass ich die historische Ungenauigkeit bzw. die künstlerische Freiheit durchaus in Ordnung finde und mich nicht großartig damit auseinander gesetzt habe. Allerdings fand ich Deine Ausführungen interssant, ohne dass ich allerdings deswegen meine Meinung darüber ändere.
Trotzdem: Danke für die Info!