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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wallace Wood



Manx cat
15.06.2014, 08:56
Helmut Kronthalers Artikel in der Sprechblase 230 ist ja sehr lesenswert, aber manchmal nervt mich die grenzenlose Verehrung von Wallace Wood, vor allem, wenn in einem Beisatz auf zeitgenössische Graphic Novels verwiesen wird, die im Vergleich ja oft so "schwach gezeichnet" sind. Das macht ja nicht nur Helmut Kronthaler, das habe ich von Wood-Fans schon oft gehört. Wallace Wood war sicher ein Ausnahmezeichner, ich mag ihn gerne, aber lieber lese ich die Geschichten von Harvey Kurtzman, der mit seinem reduzierten Strich wesentlich lesefreundlicher war und auch deutlich moderner.
Aber das ist Geschmacksache. Was ich nicht so mag, ist das undifferenzierte Abwatschen von neueren Graphic Novels. Was meint er mit schwach gezeichnet? Ulli Lust? Mawil? Robert Crumb? Trondheim? Sfar? Volker Reiche? Es gibt noch andere Ansätze, als möglichst detailreich und realistisch zu zeichen. Wenn ich heinen Comic kaufe, dann messe ich den Wert des Comics doch nicht unbedingt an den Arbeitsstunden, die der Zeichner am Schreibtisch zugebracht hat? Sicher hat Wood mühevoll Details in seinen Bildern herausgefrickelt, aber wenn Sfar mit seinen Skizzen ebenso überzeugend ans Ziel gelangt, dann hat das einfach den gleichen Wert. Natürlich gibt es Comics, die lahm gezeichnet sind, aber auch Wood kann eintönig werden.

Und sind die Shock-Stories wirklich so großartig und besser als gutgemeinte, aber langatmige Graphic Novels? In den 50er-Jahren waren sie sicher einzigartig, aber sie waren eben auch preachy und manchmal auch aufgesetzt politisch korrekt. Die Macher von EC wirken manchmal auch selbstgefällig, als wären sie die einzigen, die alles blicken. Dabei waren viele EC-Geschichten außerhalb dieses Preachy-Kontextes ja wirklich auch destruktiv. Es wirkt ein bißchen wie die Ironie a la Southpark, dass gerade in den schlimmsten Horrorheftchen auch die eindeutigsten humanistischen Aussagen gemacht werden. Vielleicht waren Woods und William Gaines Geschichten in diesem Kontext zu plakativ, vielleicht vermutete man Ironie. Vielleicht wollte man sich auch nicht von Horrorschund-Schreiberlingen sagen lassen, was richtig ist und was falsch.

Mayaca
15.06.2014, 10:14
Immerhin ist Wally Wood das rote Daredevil-Outfit zu verdanken. Alles andere ist Geschmackssache.

Frank1360
15.06.2014, 11:30
Das Gedankenspiel mit WW als Prinz Eisenherz Zeichner fand ich sehr interessant. Aber dazu waren die Macher letztendlich wohl nicht mutig genug.

Zur Diskussion heutige Comics - Comics von 1930-1970. So was in der Richtung hatten wir ja schon beim GN Thread.

- Was Anspruch betrifft gibt es heute deutlich mehr Auswahl (früher konnte man die Autoren an einer Hand abzählen: Will Eisner, Hugo Pratt, ...)

- Abenteuercomics wie Tintin, Asterix, Carl Barks Enten, die man quasi immer wieder lesen kann, gibt es heute mMn nicht mehr

- zu den GNs: Es gibt viel Herausragendes (Jimmy Corrigan, Asterios Polyp, Hicksville, Der Alltägliche Kampf, …), aber auch viele , die auf der aktuellen Welle mitschwimmen wollen (darunter die vielen unsäglichen Literaturadaptionen)

- zu den Zeichnungen: Ich würde hier zwischen gewollt oder nicht gekonnt trennen; ein Musterbeispiel hierfür ist Joann Sfar, dessen Zeichnungen auf den ersten Blick ziemlich einfach aussehen, und deren Genialität sich dann erst dem geübten Blick entfalten (wen ich zur anderen Fraktion schreibe ich jetzt mal nicht, um nicht wieder einen Shitstorm einzuleiten)

Mayaca
15.06.2014, 12:07
Naja, vielleicht ist es auch die Art der Rezeption von GN's, die sauer aufstösst. Wenn es in Tageszeitungen um Comicbesprechungen geht sind es ausschliesslich GNs, die Besprechung fast immer eine Lobhudelei und an Superlativen wie " Meisterwerk" wird auch nicht gespart. Die GN ist wie das zurückgebliebene Kind das man übermütig beglückwünscht wenn es mal geschafft hat seinen eigenen Namen fehlerfrei zu schreiben.
Warum sich einige an GNs abarbeiten liegt möglichweise daran die Deutungshoheit über Comics nicht den "Anderen" überlassen zu wollen.
Wirklich erwachsen ist der Comic erst dann wenn sich Comickritiken in großen Zeitungen nicht wie Werbetexte lesen sondern als tatsächliche Kritiken.
Was die EC Hefte angeht gibt es hier Licht und Schatten, im Allgemeinen sind sie mir für Horrorcomics zu sehr mitText zugepflastert und sie mir nicht so recht zu funktionieren scheinen(Horrorcomics deshalb, weil ich nur diese mein eigen nenne).

Gerhard Förster
15.06.2014, 13:00
He, das ist ja mal eine richtig anspruchsvolle Diskussion. Super!

Nichts gegen Deine Kritik einzuwenden, Manx cat! Aber ich nehme jetzt mal an, dass sich Helmut Kronthaler nur auf schwache Graphic Novels bezogen hat, nicht auch auf Meisterwerke (ich finde, hier passt der Ausdruck wirklich) wie den Comic von Uli Lust oder Robert Crumbs Geschichten.

Manx cat
15.06.2014, 13:04
- zu den GNs: Es gibt viel Herausragendes (Jimmy Corrigan, Asterios Polyp, Hicksville, Der Alltägliche Kampf, …), aber auch viele , die auf der aktuellen Welle mitschwimmen wollen (darunter die vielen unsäglichen Literaturadaptionen)



Gerade bei Hicksville kann ich mir gut vorstellen, dass sich die Geister scheiden. Das ist für mich die prototypische Graphic Novel, bei der die Zeichnungen dilletantisch aussehen, das Endergebnis aber trotzdem Substanz hat. Ziemlich interessantes Buch. Die restlichen Beispiele, die du aufzählst, sind aber über jeden Zweifel erhaben.
WW als Eisenherz-Nachfolger wäre interessant gewesen, aber ich halte Fosters Entscheidung auch für nachvollziehbar, wenn auch bedauerlich. Ich weiß ja nicht, wie verlässlich Wood zu diesem Zeitpunkt noch war.
Ich denke aber, Wood hätte die gleichen Geschichten zeichnen müssen wie Murphy. Und John Cullen Murphys Eisenherz ist erst richtig gut geworden, als er ihn alleine schreiben durfte. (Nur meine MEinung, aber inzwischen glaube ich sogar, dass Gerhard mir mit dieser Aussage recht gibt.)

Gerhard Förster
15.06.2014, 16:03
Und John Cullen Murphys Eisenherz ist erst richtig gut geworden, als er ihn alleine schreiben durfte. (Nur meine MEinung, aber inzwischen glaube ich sogar, dass Gerhard mir mit dieser Aussage recht gibt.)

Sorry, aber soweit geh ich eigentlich nicht. Ich nehme Murphy ohne Foster zwar tatsächlich (wie ich in der neuen SB schrieb) in Folge der Bocola-Ausgabe viel positiver wahr wie früher, doch Foster war schon ein besserer Geschichtenerzähler als Murphys Sohn Cullen (der für seinen Vater die Textarbeit erledigte), obwohl Cullen zweifellos gute Ideen hatte. Mein Paradebeispiel ist die lange Story, in der Camelot von Mordred erobert und von Arthur zurückgewonnen wird. Da hätte man viel mehr draus rausholen können. Stellt Euch vor, wie das ist, wenn ein so legendäres Königshaus fällt, was das alles für Folgeerscheinungen hat. Die Murphys haben hier die Chancen viel zu wenig genutzt. Und obendrein ist Mordred ein dermaßiger Klischeeschurke, dass er mir schon bei Foster auf den Keks ging.

Das ist zumindest meine Meinung. Ansonsten kann ich Fosters Entscheidung für Murphy schon auch nachvollziehen. Ihm ging´s um Zuverlässigkeit und Kontinuität. Die wäre bei so einem Querdenker und unruhigen Geist wie Wood wohl nicht so sehr gegeben. Irgendwie kann ich mir nicht mal recht vorstellen, dass Wood einfach Fosters detaillierte Scribbles brav in Reinzeichnungen umsetzt, so wie Murphy das machte. Von seiner Probeseite ist ja nur das Scribble bekannt, das aller Wahrscheinlichkeit er selbst machte.

Peter L. Opmann
15.06.2014, 17:10
Für diskussionswürdig halte ich Woods Beitrag zu "Daredevil" (oben mal kurz erwähnt). Da hätte ich gern mehr gesehen; er hat zumindest einen ziemlich realistischen - also nicht zu übertriebenen - Superhelden hingekriegt. Leider weiß ich gerade nicht, warum Wood gleich wieder ausgestiegen ist, ob Marvel zu wenig gezahlt oder er die Deadlines nicht geschafft hat. Aber daß Könner wie er reguläre Heftserien gezeichnet haben, ist sonst auch nur sehr selten vorgekommen, meine ich.

Mayaca
15.06.2014, 17:29
Es ging wohl um mehr Arbeit bei stagnierendem Lohn ,fehlender Anerkennung und wer weiß was sonst noch. Das es gleichwertige, wenn nicht bessere Zeichner in Heftserien gab bewies Gene Colan eindrucksvoll.
So etwas läuft aber immer eher auf Glaubensfragen hinaus.

Peter L. Opmann
15.06.2014, 18:55
Ich bin Fan von Gene Colan und finde auch, daß er seine Sache bei "Daredevil" sehr gut gemacht hat (und John Romita zuvor übrigens ebenfalls). Was ich sagen wollte, war: Ich hätte gern gesehen, wie sich Wally Wood macht, wenn er mal wenigstens zehn Ausgaben "Daredevil" gezeichnet hätte.

Zyklotrop
26.06.2014, 05:08
In den 50er-Jahren waren sie sicher einzigartig, aber sie waren eben auch preachy und manchmal auch aufgesetzt politisch korrekt.

Gemessen an den damaligen politischen Verhältnissen in den USA? Sicherlich nicht, ganz im Gegenteil. Auch dezidiert antirassistische Geschichten wie das berühmte "Judgment Day" (Weird Fantasy 18) waren wohl weit mehr rebellisch denn Anpassung an den damaligen Zeitgeist.


Es gibt noch andere Ansätze, als möglichst detailreich und realistisch zu zeichen.

Natürlich. Bei Wäscher z.B. hat man das Argument in führnehm-intellektuellen Comicleser-Kreisen meistens leider nicht gelten lassen. ;)

Akkonak08
27.06.2014, 12:40
Wäscher wollte aber doch wohl realistisch und nicht reduziert zeichnen. Das Ergebnis war dann schon eher Unvermögen als bewusste Entscheidung.

Frank1360
27.06.2014, 13:30
Wäscher wollte aber doch wohl realistisch und nicht reduziert zeichnen. Das Ergebnis war dann schon eher Unvermögen als bewusste Entscheidung.

Böse!

Das erinnert mich an eine Folge vom Literarischen Quartett, in der Ranicki Alexander Kluges Lebensläufe ähnlich abgekanzelt hat:
"Man hat gesagt, dass seine "Lebensläufe" im Stil der Rollenprosa abgefasst wurden. Aber wenn man sich seine späteren Werke anschaut, dann waren sie genauso schrecklich geschrieben. Ich glaube der kann gar nicht anders schreiben".

Manx cat
27.06.2014, 14:43
Gemessen an den damaligen politischen Verhältnissen in den USA? Sicherlich nicht, ganz im Gegenteil. Auch dezidiert antirassistische Geschichten wie das berühmte "Judgment Day" (Weird Fantasy 18) waren wohl weit mehr rebellisch denn Anpassung an den damaligen Zeitgeist.


Mit aufgesetzt politisch korrekt meinte ich nicht, dass die Comics dem Mainstream entsprachen, sondern dass sie plakativ waren und nach einem simplen Gut/Böse-Schema erzählten. Das hat natürlich den gewünschten Effekt und funktioniert, aber ist doch sehr simpel. Wenn Helmut Kronthaler sagt, dass die EC Comics modernen Graphic Novels mindestens ebenbürtig sind, dann ist das eine sehr verkürzte Aussage. Was diese Comics haben ist allerdings eine enorme nostalgische Strahlkraft. Ich finde eigentlich deren Schematismus weitaus interessanter als die vermeintliche Innovationskraft. Ich mag diese Variation des Immergleichen bei maxilmaler handwerklicher Perfektion. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich nicht mehr als ein paar Geschichten am Stück ertrage.

Manx cat
27.06.2014, 14:48
Wäscher wollte aber doch wohl realistisch und nicht reduziert zeichnen. Das Ergebnis war dann schon eher Unvermögen als bewusste Entscheidung.

Wäscher hat schon bewusste Reduktion betrieben. Allerdings gefällt er mir gerade in den unter Zeitnot entstandenen LEhning-Heftchen am besten. Schwarzweiß ist er übrigens um einiges besser als in Farbe. Ließ mal die frühen 200er-Sigurd Hefte, wo Walter Kellermann und Wäscher sich ablösten. Wäscher macht hier einen um Lichtjahre besseren Eindruck. Wenn ich mich allerdings längere Zeit nicht mit Wäscher beschäftige und dann ein schlecht koloriertes Großband aus den 60er JAhren in die Hand nehme, zweifle ich manchmal selbst am Meister. Aber nur kurz.

Zyklotrop
27.06.2014, 17:09
Ups. Das war eigentlich nur als süffisante Zwischenbemerkung gedacht, eine weitere Wäscher-Diskussion wollte ich nicht im Wood-Thread anzetteln. ;)


sondern dass sie plakativ waren und nach einem simplen Gut/Böse-Schema erzählten.

Das ist seit jeher einer der häufigsten Vorwürfe gegenüber der Trivialliteratur, aber man muß hier auch fragen: warum? Spätestens seit dem Comics Code war ein solches Schema geradezu aufgezwungen. Das war im konkreten Fall zwar noch nicht so, aber die Comic-Hatz war schon lange im Gange.

Jerry Cotton-Autor Heinz-Werner Höber hat mal geschrieben, daß er sehr wohl versucht hat, auch mal darzustellen durch welche Schicksalsschläge jemand auf die schiefe Bahn geraten ist etc., solche Stories wegen "zu sympathischer Verbrecher" aber sofort indiziert wurden. So blieb es dann eben bei absolut bösen Klischeeschurken. Und den Autoren blieb bis heute der Vorwurf, sie wären nicht fähig Kriminelle differenzierter darzustellen.

Mayaca
27.06.2014, 17:51
Der heutigen Aufnahme als Erwachsenencomics können die E.C. Geschichten nicht stand halten da sie ausschließlich für Kinder und Jugendliche konzipiert wurden.
Das war es auch was E.C. später das Genick brach.

Zyklotrop
27.06.2014, 18:01
Äh... ich würde allen drei in diesen beiden Sätzen enthaltenen Behauptungen heftig widersprechen. ;)

Mayaca
27.06.2014, 19:02
Das darfst du ruhig.

Akkonak08
27.06.2014, 22:15
@ Myaca: Kannst Du Deine Aussage zur Zielgruppe, z.B. mit einem Zitat von Gaines oder Feldstein belegen ?

Akkonak08
27.06.2014, 22:16
Ich mag diese Variation des Immergleichen bei maxilmaler handwerklicher Perfektion. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich nicht mehr als ein paar Geschichten am Stück ertrage.

Finde beide Sätze sehr richtig !

Manx cat
27.06.2014, 22:40
Jerry Cotton-Autor Heinz-Werner Höber hat mal geschrieben, daß er sehr wohl versucht hat, auch mal darzustellen durch welche Schicksalsschläge jemand auf die schiefe Bahn geraten ist etc., solche Stories wegen "zu sympathischer Verbrecher" aber sofort indiziert wurden. So blieb es dann eben bei absolut bösen Klischeeschurken. Und den Autoren blieb bis heute der Vorwurf, sie wären nicht fähig Kriminelle differenzierter darzustellen.

Seltsam. "Richtige Romane" wie z.B. Dürrenmatts "Der Richter und sein Henker" hatten solche Probleme nicht. Und auch volkspädagogische Bücher wie "Rolltreppe abwärts" nicht. Was unterscheidet eigentlich Heftchenromane von Büchern? Und wie ist diese Wahrnehmung entstanden?

Manx cat
27.06.2014, 22:49
Das ist seit jeher einer der häufigsten Vorwürfe gegenüber der Trivialliteratur, aber man muß hier auch fragen: warum? Spätestens seit dem Comics Code war ein solches Schema geradezu aufgezwungen. Das war im konkreten Fall zwar noch nicht so, aber die Comic-Hatz war schon lange im Gange.


Daran zweifle ich. Will Gaines war in den Senatanhörungen der 50er JAhre zuversichtlich. Letztlich waren es die Bedingungen der Distributors, die nur noch Comic Code zertifizierte Bücher vertrieben, die EC Comics den Garaus machten. Generell waren es nur ein paar Jahre der Repression, die Amerika erdulden musste. Schon in den frühen 60ern begannen LEute wie Hitchcock oder Kubrick mit präzisen Subversionen, die ein enormes Echo hinterließen. Bei Comics dauerte es halt noch ein paar JAhre mehr.

Und was schwarzweiß-gezeichnete Trivialkischees angeht: Die sind unabhängig vom Code gewesen (vermute ich). Erstens waren EC-Comics kompromisslos, zweitens sind die Code-Comics nichtmal mehr schematisch im platten Gut-Böse-Schema, denn das Böse war so zahnlos geworden, dass es nicht mehr wahrgenommen wurde.

Mayaca
27.06.2014, 23:12
Nun, in meinen Heften redet die Hexe in ihrer Einleitung die Leser mit Kiddies an(z
B. THE HAUNT OF FEAR-A LITTLE STRANGER,THE HAUNT OF FEAR-GRIM FAIRY TAIL). Ist gerade ein bischen dünn, für mich stand meine Aussage aber auch nie im Zweifel. Soweit ich weiß ging es in der Anhörung auch nur um die Auswirkung auf Kinder und Jugendliche, wozu der Schmonz wenn die Hauptzielgruppe Erwachsene gewesen wären?

Zyklotrop
27.06.2014, 23:19
Soweit ich weiß ging es in der Anhörung auch nur um die Auswirkung auf Kinder und Jugendliche,

Das hat leider nichts mit der ursprünglichen Zielgruppe zu tun, den schmutzigen Trick mit dem "Jugendschutz" benutzt auch die deutsche Bundesprüfstelle immer wieder, um eigentlich nur für Erwachsene bestimmte Medien unter der Umgehung der Gesetze für Kunst- und Meinungsfreiheit indizieren zu können.

Zyklotrop
27.06.2014, 23:24
Was unterscheidet eigentlich Heftchenromane von Büchern?

Bis auf den Umschlag: nichts. Das merkte man noch nie deutlicher als heute, wo der ehemals bevorzugt in Heftform veröffentlichte Trash wie Vampirromanzen (um nur ein Beispiel herauszugreifen) in Buch- und Taschenbuchform die seriösen Buchhandlungen erreicht und damit den Heftroman großteils verdrängt hat.


Und wie ist diese Wahrnehmung entstanden?

Durch jahrzehntelange mediale Hetze und die dadurch verbreiteten Vorurteile.

Manx cat
28.06.2014, 08:44
Das hat leider nichts mit der ursprünglichen Zielgruppe zu tun, den schmutzigen Trick mit dem "Jugendschutz" benutzt auch die deutsche Bundesprüfstelle immer wieder, um eigentlich nur für Erwachsene bestimmte Medien unter der Umgehung der Gesetze für Kunst- und Meinungsfreiheit indizieren zu können.

Man sollte sich gedanklich aber schon in die Zeit zurückversetzen, in der der Jugendschutz eingeführt wurde. Die Heftchen waren das erste Medium, das ungefiltert und direkt in die Hände von den Jugendlichen ging. Da wollten Erzieher und Verantwortungsträger halt ein Wörtchen mitreden.
(Ich rede hier ausdrücklich von deutschen Comics der 50er Jahre, aber es gibt sicher Analogien zu Amerika.)
Das hat sich erst geändert, als man merkte, dass Comics
a) einen kulturellen Mehrwert haben
b) auch für Erwachsene von Interesse sind.
Das halte ich für eine ganz normale Evolution. Daher ist es nicht in jedem Fall angebracht, von Zensur zu sprechen.

Mayaca
28.06.2014, 09:42
Ich glaube wir sollten die Hauptzielgruppe der E.C. Comics aus den fünfziger Jahren nicht mit denen verwechseln die die ersten Nachdrucke in den Siebziger lasen.

Zyklotrop
28.06.2014, 22:47
Das verwechseln wir nicht, wir schweifen nur ein bißchen ab und vermischen die Themen. ;) Trotzdem sind auch hier logische Zusammenhänge gegeben, die amerikanische Comic-Hatz hat durchaus jene bei uns beeinflusst. Auch wenn es die EC-Comics bei uns damals gar nicht gegeben hat, Dr. Wertham wurde auch in deutschen Medien gerne zitiert.

Wie so manchesmal muß ich manx_cat widersprechen: die deutsche Zensur ist erst einigermaßen von den Comics abgerückt als andere, noch schrecklichere "Jugendgefährdungen" wie Fernsehen, Möpse-Illustrierte, freie Liebe und Co. aufkamen. Mit einem angeblich entdeckten kulturellen Mehrwert der Comics hat das leider wenig zu tun. Den hat der Großteil der Bevölkerung wahrscheinlich bis heute nicht bemerkt. Heutzutage hat sich die Zensur mehr auf Computerspiele eingeschossen, denen wie früher den Heftromanen zu Unrecht die Freiheit der Kunst abgesprochen wird. :(

Akkonak08
29.06.2014, 05:15
Horror Videofilme waren Anfang der 80er in Deutschland auch ein beliebtes Feindbild der Jugendschützer, sicher nicht ganz zu Unrecht. Die legendäre TV-Doku "Mama, Papa, Zombie" dazu gibt` s mittlerweile auf YouTube.

Akkonak08
29.06.2014, 05:18
Was mir in dem Zuge noch einfällt: Gerhard F. hatte doch mal geschrieben dass er einen zweiten EC Artikel bringt???

frank1960
29.06.2014, 05:33
Horror Videofilme waren Anfang der 80er in Deutschland auch ein beliebtes Feindbild der Jugendschützer, sicher nicht ganz zu Unrecht.

Ich erinnere mich an den Schrott, der aus Italien per Video zu uns rüber schwappte: 'Sado-Stoß das Tor zur Hölle auf' oder 'Man Eater', der doch tatsächlich zeigte, wie der Menschenfresser einer Schwangeren das Ungeborene aus dem Leib riss und es danach verspeiste. Ich glaube sogar (schon lange her), ganz ohne entscheidende Schnitte. Wo war da der Jugendschutz? Die Richtlinien sind manchmal nicht nachzuvollziehen.

Akkonak08
29.06.2014, 10:09
Die Beschlagnahmungen, Strafanträge und Indizierungen kamen, aber erst nachträglich.
Richtiger Schrott war auch "Ein Zombie hing am Glockenseil". Da gibt es im ganzen Film keine Zombies und von der Endsequenz fehlen auch im Directors Cut die zum Verständnis nötigen letzten Bilder.

Manx cat
29.06.2014, 10:26
Ich erinnere mich an den Schrott, der aus Italien per Video zu uns rüber schwappte: 'Sado-Stoß das Tor zur Hölle auf' oder 'Man Eater', der doch tatsächlich zeigte, wie der Menschenfresser einer Schwangeren das Ungeborene aus dem Leib riss und es danach verspeiste. Ich glaube sogar (schon lange her), ganz ohne entscheidende Schnitte. Wo war da der Jugendschutz? Die Richtlinien sind manchmal nicht nachzuvollziehen.

Ja, immer die Italiener.
Dies ganzen Maneater, Glockenseil-Zombie und Kannibalen-Reißer sind aber dann trotzdem recht schnell auf der BPS-Liste gelandet und teils sogar beschlagnahmt worden. Das hat nichts mit Richtlinien zu tun, sondern damit, dass die Videokassetten eine zeitlang unter dem Radar geflogen sind. In den 80er JAhren ist das dann aber recht schnell geändert worden, nach diversen hysterischen Spiegel-Artikeln, dem Film MAma-Papa-Zombie usw.
Auch ein funktionierender Jugendschutz kann halt nicht verhindern, dass an der einen oder anderen Tanke Alkohol an Minderjährige verkauft wird.

Frank1360
29.06.2014, 12:07
Interessant an der Sache ist, dass es für reine Textbücher eigentlich überhaupt keine Zensur/Indizierung oder sonstiges gibt.
Rein theoretisch könnte sich ein 9-jähirger Sachen wie Jack Ketchum, Richard Laymon oder Tess Gerritsen kaufen.

Akkonak08
29.06.2014, 12:27
War nicht "American Psycho" mal indiziert?

Frank1360
29.06.2014, 12:30
War nicht "American Psycho" mal indiziert?

Stimmt! Anscheinend ist das auch hier ziemlich willkürlich.

Manx cat
29.06.2014, 12:39
Das liegt wohl an dem Nichtvorhandensein von Antragstellern.

Manx cat
29.06.2014, 12:42
Interessant ist in dem Zusammenhang die Begründung für die Ablehnung des Indizierungsantrags für Bullenklöten. Habe ich vor ein paar JAhren schon mal abgetippt für einen anderen Thread. Sinngemäß heißt es da, dass die Indizierung nicht nötig ist, da es sich eindeutig um karrikierende Darstellungen handelt. Im Klartext: Ein realistisch zeichnender Ralf König hätte vielleicht Schwierigkeiten bekommen.

Frank1360
29.06.2014, 13:21
Interessant ist in dem Zusammenhang die Begründung für die Ablehnung des Indizierungsantrags für Bullenklöten. Habe ich vor ein paar JAhren schon mal abgetippt für einen anderen Thread. Sinngemäß heißt es da, dass die Indizierung nicht nötig ist, da es sich eindeutig um karrikierende Darstellungen handelt. Im Klartext: Ein realistisch zeichnender Ralf König hätte vielleicht Schwierigkeiten bekommen.

Das ist aber schon eine merkwürdige Argumentation. Dann dürfte man z.B. auch die Filme von Tarantino nicht indizieren/beschneiden, denn mehr Karikatur geht ja eigentlich nicht.

frank1960
29.06.2014, 13:28
Dann dürfte man z.B. auch die Filme von Tarantino nicht indizieren/beschneiden...

Allein dafür, dass Tarantino Travolta wieder zum Star gemacht und Jackson als ewigen Schwätzer etabliert hat, sollten seine Filme komplett indiziert werden.

Akkonak08
29.06.2014, 14:22
Allein dafür, dass Tarantino Travolta wieder zum Star gemacht und Jackson als ewigen Schwätzer etabliert hat, sollten seine Filme komplett indiziert werden.

LOL, ja, das stimmt :D

Die "wichtigsten" Italo-Horror/Exploitation Filme hatten wir mal im Rahmen eines Projekts an der Uni gesehen und medienwissenschaftlich untersucht. Mittlerweile ist es ja kein Problem mehr, ungeschnittene Fassungen zu kriegen. Da waren einige Filme mit sehr faszinierender Atmosphäre dabei, z.B. "Cannibal Holocaust" von Deodato. Aber eben auch richtiger Schrott, der weder gruselt noch von der Story her zu überzeugen weiß (z.B. "Ein Zombie hing ...")
Ich kann gut verstehen, dass man in den 80ern - ich bin 83 geboren :-) - so einen Dreck nicht in den Regalen der Videotheken haben wollte.

Frank1360
29.06.2014, 14:55
Kennt ihr die Filme von Jörg Buttgereit?

frank1960
29.06.2014, 15:18
Noch nicht, aber Ich wollte mir schon länger 'Captain Berlin versus Hitler' zulegen.

Akkonak08
29.06.2014, 15:19
Logo.
Wobei der es geschafft hat unter dem Schutzmantels der Begrifflichkeit "Kunst" zu stehen.

FilthyAssistant
29.06.2014, 15:49
exisitiert ja mWn auch nur als abgefilmtes theaterstück und nicht als "richtiger" film.

Akkonak08
29.06.2014, 16:08
Vermutlich geht es in diesem Zusammenhang eher um "Nekromantik". War ja ein - gewollter - Aufreger und Tabubrecher.

Frank1360
29.06.2014, 16:38
Vermutlich geht es in diesem Zusammenhang eher um "Nekromantik". War ja ein - gewollter - Aufreger und Tabubrecher.

Ja!

- Nekromantik 1/2

- Schramm

- Der Todesking

Buttgereit dürfte ja so ziemlich der einzige deutsche Autor/Regisseur aus diesem Bereich sein, der auch International bekannt ist.

Mayaca
29.06.2014, 17:03
Es fängt mit Wallace Wood an & am Ende landet man bei Jörg Buttgereit-das nenn ich mal einen twist.
Ist "Captaim Berlin" nicht irgendwie auch als Comic erschienen?

Manx cat
29.06.2014, 19:17
Hier ist der abgetippte Beschlusstext aus dem Buch "Comic: zensiert!" über "Bullenklöten":



"Das Buch ist Kunst im Sinne des Art. 5 GG 1 Abs.2 [...]
Nach der Rechtsrechung des ... ist Kunst das Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Phantasien des Künstlers zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden.
Nach dieser Rechtsprechung ist das vorliegende Werk unzweifelhaft als Kunst einzustufen. In exzellenter Zeichnung pointiert der Künstler Alltagssituationen aus dem Homosexuellen-Milieu. Seine ... "Knollenmännchen" zeichnen sich durch ihre jeweiligen Charaktere aus ... auf der einen Seite der feingeistige Konrad ... auf der anderen Seite der sexbesessene Paul.
...
Dabei macht der Künstler auch auf heutzutage immer wieder vorzufindende Vorurteile gegenüber Homosexuellen aufmerksam. Gerade Konrad, der sich Gewissensbisse darüber macht, dass er sich in den 17jährigen Klavierschüler Mathias verliebt hat, wird vorgeworfen, einen fünfjährigen Jungen sexuell missbraucht zu haben. Er wird von dem Vater des Jungen brutal misshandelt, ohne dass dieser sich eine Minute lang die Mühe macht, die Vorgänge aufzuklären. Das Comic-Buch enthält viele Varianten menschlichen Lebens, die alle durch selbstironische Überzeichnung Einfühlungsvermögen in den homosexuellen Alltag vermitteln.

Das 12-er Gremium verkennt nicht, dass es ihm ... aufgegeben ist, zwischen Kunstschutz und Jugendschutz abzuwägen.
Denn nach der Entscheidung des BVG vom ... ist nicht nur die künstlerische Aussage, sondern auch seine reale Wirkung zu berücksichtigen.
...
Das Gremium ist der Auffassung, dass es sich keineswegs um Pornographie handelt.
...
Isoliert betrachtet sind sicherlich manche Zeichnungen sicherlich so gestaltet, dass man sie als pornographisch bezeichnen könnte. Doch es ist bei einem Werk stets der Gesamteindruck zu berücksichtigen und dieser ... lässt die Beisitzer zu der Überzeugung gelangen, dass hier keine Pornographie vorliegt.

Sofern Paul drastisch sexuelle Vorgänge beschreibt, hält ihm Konrad vor, dass er 'alles durch die Pornobrille sehe'.
...
Das 12-er Gremium verkennt nicht, dass einige Textstellen und auch Abbildungen in dem Buch als äußerst vulgär und drastisch zu bezeichnen sind. Es verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Entscheidung zugunsten des Kunstschutzes nicht bedeutet, dass das Gremium das Buch für Kinder als geeignet ansieht.
...
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass es sich dem äußeren Anschein nach nicht um ein Comic-Buch handelt, zu dem Kinder in erster Linie greifen werden. Jugendliche ... werden zweifelsohne den Satirecharakter dieses Werkes erkennen. Satire ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in überzeichnender, wenngleich auch manchmal geschmackloser Weise Dinge ins Clowneske verzerrt. Bei der Prüfung, ob die karikative oder satirische Form eine solche darstellt, ist zu berücksichtigen, dass es zum Wesen von Karikatur und Satire gehört, mit Mitteln zu arbeiten, die übertrieben und in grotesker oder verzerrender Weise pointieren oder verfremden, weshalb hier ein größeres Maß an Gestaltungsfreiheit zugestanden werden muß [...]. So wie eben Satire alles verfremdet oder überspitzt darstellt, so sind eben auch die Beziehungen zwischen Paul, Konrad, Ramon, Mathias usw. in grotesker Weise pointiert.

Abschließend betont das 12-er Gremium der Bundesprüfstelle noch einmal, dass ... eine Abwägung zwischen Kunstschutz und Jugendschutz stattfinden muss. Hat der Kunstschutz den Vorrang, dann muss ein Werk ohne Vertriebsbeschränkung auf dem MArkt erscheinen können. Eine Entscheidung, ob es in die Hände von Kindern oder Jugendlichen gelangen soll, obliegt dann ausschließlich den Eltern.
[...]" (Zitat Ende, aus: Schnurrer, Spiegel, Seim, Hiebing, Comic: Zensiert)

Manx cat
29.06.2014, 19:31
Also Buttgereit hatte mit Nekromantik 2 in den frühen 90ern ja richtige PRobleme bekommen. Das fand der nicht so witzig. Wenn er das Originalmaterial nicht versteckt gehabt hätte, wäre es wohl vernichtet worden. Das mit dem Freispruch durch Kunst kam dann erst später. (kann man nachlesen in dem Buch "Ab 18" von Roland Seim).

"Captain Berlin" kann ich euch verkaufen. Habe ich 1x angesehen. Die DVD ist liebevoll aufgemacht, es ist auch ein Mini-Comic von Levin Kurio und ein Anhänger mit dabei.

Das mit der Indizierung von Tarantino-Filmen finde ich nicht dramatisch. Indiziert heißt ab 18 und steigert in dem Fall das Interesse an den Filmen doch eher. Dass von "From Dusk till dawn" (eigentlich ein Drecksfilm) so'ne Ab 16-Fassung kursiert, ist ein Kuriosum, das völlig unerheblich ist, denn Ab 18 und uncut gibt's ja auch. Schade ist allerdings, dass die Filmzensur in den letzten JAhren wieder zugenommen hat, was aber nicht wundert nach der Schmuddel-Horror-Welle der letzte JAhre.
Dafür ist das "Texas Chainsaw MAssacre" freigegeben - Wer hätte das vor 3 Jahren gedacht?

Akkonak08
29.06.2014, 19:59
"From Dusk..." ist wie viele Tarantino Filme: Die Einzelteile - hier 1. und 2.Hälfte - passen nicht zusammen.
Warum sprichst Du TCM die Grenze von vor 3 Jahren an? War da was bestimmtes?

Manx cat
29.06.2014, 20:05
2012 kam das TCM vom Index (von der Liste der beschlagnahmten Filme) und wurde in einer hervorragenden Edition herausgebracht. Kurz davor wurde noch geunkt, dass es ein Ding der Unmöglichkeit wäre, den Mechanismus zu durchbrechen, den eine Beschlagnahmung nach sich zieht.
http://bereitsgetestet.de/index.php/special/item/der-fall-texas-chainsaw-massacre-eine-zensurgeschichte.html

Akkonak08
29.06.2014, 20:11
Von den beiden losen Teilen gibt es doch sehr aufwendig gestaltete neue DVD Boxen. Kannst Du die empfehlen?

Manx cat
29.06.2014, 20:23
Also die Box von Turbine von 2012 mit dem Originalfilm kann ich sehr empfehlen. Da sind auch die Specials toll.
Von Teil 2 gab's wohl eine limitierte Fassung, aber der zweite Teil ist eigentlich ein rechter Unfug.

Akkonak08
29.06.2014, 20:32
Aber mit Dennis Hopper !

FilthyAssistant
29.06.2014, 20:58
Es fängt mit Wallace Wood an & am Ende landet man bei Jörg Buttgereit-das nenn ich mal einen twist.
Ist "Captaim Berlin" nicht irgendwie auch als Comic erschienen?

ja, nebenan bei Weissblech-Comics.

Manx cat
30.06.2014, 14:09
BTT



Wie so manchesmal muß ich manx_cat widersprechen: die deutsche Zensur ist erst einigermaßen von den Comics abgerückt als andere, noch schrecklichere "Jugendgefährdungen" wie Fernsehen, Möpse-Illustrierte, freie Liebe und Co. aufkamen. Mit einem angeblich entdeckten kulturellen Mehrwert der Comics hat das leider wenig zu tun. Den hat der Großteil der Bevölkerung wahrscheinlich bis heute nicht bemerkt. Heutzutage hat sich die Zensur mehr auf Computerspiele eingeschossen, denen wie früher den Heftromanen zu Unrecht die Freiheit der Kunst abgesprochen wird. :(

Als sich nach Werter-Lektüre vor 200 Jahren die jungen Romantiker in JAhren erschossen haben, weil es cool war, wurde Goethe auch zensiert. Das meine ich mit Evolution. Goethe selbst war ja später der Meinung, Romantik sei eine Art Geisteskrankheit. (nur mal, um die Abschweifung in eine andere Richtung zu lenken).

Wenn sich ein junges Medium durchsetzen möchte, dann wird das so lange misstrauisch betrachtet, bis eine wirklich große Menge Menschen aus verschiedenen Schichten diesem Medium Qualität ode Relevanz bescheinigen kann. Was soll man von einem Medium wie Heftchen oder Spielen halten, das aus kommerziellen Gründen von Erwachsenen an Kinder verscherbelt wird?

Und ebenso unklar ist, welche Phase eines MEdiums die spannendste ist:
Heutzutage findest du Graphic Novels in Feuilletons, in den 70ern wurde über die Brachialcomics der Zack-Ära noch die NAse gerümpft. Und noch früher haben die Hersteller amerikanischer Zeitungscomics über die comic-books für Kinder die NAse gerümpft.
Und waren nicht die coolen C64-Spiele, wie das indizierte RiverRaid, die beste und inspirierendste Phase von Computerspielen, die es je gab? MAchmal habe ich den Eindruck, eine Gattung, die von allen umarmt wird und ins Museum gestellt wird, ist schon irgendwo tot.

Frank1360
30.06.2014, 15:42
Das mit der Zensur ist mMn ziemlich willkürlich und hängt von aktuellen Ereignissen ab, aus denen dann teils ziemlich krude Zusammenhänge geschaffen werden.
Würde morgen ein Jugendlicher an seiner Schule Amok laufen, und die Polizei würde ne große Punisher Sammlung in seinem Zimmer finden, dann würde Jagd auf
die Comics gemacht werden und große "Experten" würden in den Medien Analysen präsentieren, inwiefern diese die Jugend manipulieren und verderben.

Deshalb sind aktuell auch keine reinen Textbücher im Visier, weil wie schon zuvor angesprochen, kein aktueller Fall vorliegt und diese in gewissem Sinne auch
Narrenfreiheit genießen.
Vieles aus dem Sortiment von Heyne Hardcore, was nun wirklich übelster Splattermüll ohne Handlung ist, hat auf Grund der Unwissenheit der Leute, und der Unantastbarkeit
von diesem Medium, quasi Narrenfreiheit.

Es gibt eben immer noch die vorherrschende Meinung, dass das niveauloseste Textbuch, immer noch anspruchsvoller sein muss, als jedes Comic oder jedes Videospiel.

Manx cat
01.07.2014, 06:59
Was du schreibst, lässt sich aber meines Wissens nach durch keinen Fall belegen. Das letzte mal, dass so eine Hysterie ausbrach, dürfte schon eine ganze Zeit her sein.

Frank1360
01.07.2014, 08:47
Was du schreibst, lässt sich aber meines Wissens nach durch keinen Fall belegen. Das letzte mal, dass so eine Hysterie ausbrach, dürfte schon eine ganze Zeit her sein.

Ja, ich bezog das jetzt auch eher auf Videospiele. Da gab es in den letzten Jahren einige Fälle mit Amokläufen an Schulen, die dann in Zusammenhang mit sog. "Killerspielen" gebracht wurden. Mit teilweise sehr kruden Argumentationen von sog. "Experten".

Wie hier z.B.:

http://www.youtube.com/watch?v=KPHTW1bciao

frank1960
03.07.2014, 18:39
Die "wichtigsten" Italo-Horror/Exploitation Filme hatten wir mal im Rahmen eines Projekts an der Uni gesehen und medienwissenschaftlich untersucht. Mittlerweile ist es ja kein Problem mehr, ungeschnittene Fassungen zu kriegen. Da waren einige Filme mit sehr faszinierender Atmosphäre dabei, z.B. "Cannibal Holocaust" von Deodato. Aber eben auch richtiger Schrott, der weder gruselt noch von der Story her zu überzeugen weiß (z.B. "Ein Zombie hing ...")

Etwas, was diese Filme eint, ist, dass sie meistens extrem spannungsarm sind. Einer der wenigen, vielleicht sogar der einzige, der mir richtig gut gefallen hat, war 'Voodoo - Schreckensinsel der Zombies'. Könnte aber auch aus einer Art Verklärung sich verstehen, denn Ich war gerade aus der Bundeswehr entlassen worden und besuchte das Kino, um mir die Zeit bis zur Busabfahrt zu vertreiben. Vielleicht vernebelte mir damals die Euphorie den Blick...wer weiß...bis heute hab Ich ihn auch nicht wieder gesehen.

Manx cat
04.07.2014, 06:25
Das lässt auf jeden Fall Rückschlüsse auf den Alter zu. ;)

Wie war das eigentlich damals, so zur Fulci-Zombi-Welle, waren diese italienischen Schrottfilme wirklich gleichwertig neben den amerikanischen Mainstream-Filmen im Kino zu finden? Also beispielsweise Saal 1 "Krieg der Sterne", Saal 2 "Geisterstadt der Zombies"?

Kennst du "Im LAuf der Zeit" von Wim Wenders? Der spielt in den 70ern, ist halb-dokumentarisch und handelt von heruntergekommenen Kinos in der Provinz. In einer Szene beklagt sich eine Kinobetreiberin bitterlich, dass nur noch Exploitation zu sehen ist und dass nur noch die niedersten Instinkte angesprochen werden. Sie hatte den Spaß am Medium völlig verloren.

frank1960
04.07.2014, 07:04
Wie war das eigentlich damals, so zur Fulci-Zombi-Welle, waren diese italienischen Schrottfilme wirklich gleichwertig neben den amerikanischen Mainstream-Filmen im Kino zu finden? Also beispielsweise Saal 1 "Krieg der Sterne", Saal 2 "Geisterstadt der Zombies"?

Ganz ehrlich?! Keine Ahnung, Ich war ein zu seltener Gast in modernen Kinos damaliger Zeit; und in unserem dörflichen Filmtempel gab's nur eine Leinwand und die Filme wurden mit einiger Verzögerung gezeigt. Ich kannte die meisten italienischen Machwerke nur vom damaligen exzessiven Video-Konsum.



Kennst du "Im LAuf der Zeit" von Wim Wenders? Der spielt in den 70ern, ist halb-dokumentarisch und handelt von heruntergekommenen Kinos in der Provinz. In einer Szene beklagt sich eine Kinobetreiberin bitterlich, dass nur noch Exploitation zu sehen ist und dass nur noch die niedersten Instinkte angesprochen werden. Sie hatte den Spaß am Medium völlig verloren.

Wim Wenders 'Im Lauf der Zeit' oder 'Der Stand der Dinge' wurden von mir auf Grund enthusiastischer Rezensionen mit einiger Erwartung geschaut. Ich muss aber sagen: Nach Genuss dieser Streifen hatte Ich auch für kurze Zeit den Spaß am Medium verloren ;)

Manx cat
04.07.2014, 12:43
Ja, die Wenders-Filme sind schon recht eigen. "Im LAuf der Zeit" find ich aber ein schönes Dokument über die Kinolandschaft der damaligen Zeit. Die DVD hat übrigens eine gute Audio-Kommentar-Spur. Da erklärt der Wenders dann, warum der Held in die Sandgrube kackt usw. Das ist echt köstlich.

ELDORADO
04.07.2014, 22:34
Wie war das eigentlich damals, so zur Fulci-Zombi-Welle, waren diese italienischen Schrottfilme wirklich gleichwertig neben den amerikanischen Mainstream-Filmen im Kino zu finden? Also beispielsweise Saal 1 "Krieg der Sterne", Saal 2 "Geisterstadt der Zombies"?



Doch, das war schon so. Bis Mitte der 70er dominierten die US-Produktionen keinesfalls die europäischen Kinoleinwände.
Neben den italienischen Genre-Filmen (Western, Krimis, Horror) gab es ja auch vor allem die europäischen Stars wie Belmondo, Louis De Funes oder Bud Soencer & Terence Hill deren Popularität dafür sorgte, dass selbst ihre qualitativ mittelmäßigen Werke zuverlässig ein Millionenpublikum ereichten und eben auch die großen Kinosäle besetzten. Fulcis "Voodoo" -Zombiefilm hatte z.B. auch deutlich mehr als eine Million Zuschauer.

Erst mit dem Aufkommen der ersten echten "Blockbuster" der Kategorie " Weisse Hai" und "Krieg der Sterne" begann sich das aufwändig produzierte amerikanische Kino immer mehr durchzusetzen. Ein paar Jahre lang konnten sich die europäischen Filme und Recken noch behaupten, dann war deren Zeit aber vorbei und der Marktanteil ging stetig zurück. .

Akkonak08
06.07.2014, 14:34
Doch, das war schon so. Bis Mitte der 70er dominierten die US-Produktionen keinesfalls die europäischen Kinoleinwände


Das hat mein Dad (Jahrgang 1958) mir auch so erzählt. Der wurde auch richtig nostalgisch, als ich ein paar Wochen lang diese ganzen Italoschinken, reitende und schwimmende Leichen usw. bei uns rumliegen hatte... :-)

Manx cat
06.07.2014, 16:21
Soweit ich weiß, sind die reitenden Leichen aber spanisch. Außerdem kamen früher keineswegs ständig die Filme, die heute Kultstatus haben. Trotzdem war Euro-Kino der 70er JAhre in vielerlei Hinsicht hervorragend.

So das letzte Aufbäumen des Euro-Kinos hab ich in den 80ern ja auch noch erlebt. Da hatte jeder amerikanische Blockbuster seine italienischen NAchahmer. Ziemlich schnell nach "TErminator" kam da beispielsweise der obskure "PAco-Kampfmaschine des Todes".
Witzig war früher auch, dass die Trailer zu recht derben Filmen völlig unreflektiert in sämtlichen Vorstellungen gezeigt wurden.

Akkonak08
06.07.2014, 16:43
@ Manx da cat: Ja, die "Leichen" sind spanisch - portugiesischer Herkunft. Darum mein Komma nach "Italoschinken".
Mein Dad sagte noch, dass damals teilweise auch ganz alte Filme kommentarlos im Programm waren. Z.B. Ende der 70er im Kinderkino sonntags um 15 Uhr "Heidi" in einer uralten s/w Fassung.

felix da cat
07.07.2014, 15:39
Zitat von Peter L. Opmann:
Für diskussionswürdig halte ich Woods Beitrag zu "Daredevil" (oben mal kurz erwähnt). Da hätte ich gern mehr gesehen; er hat zumindest einen ziemlich realistischen - also nicht zu übertriebenen - Superhelden hingekriegt. Leider weiß ich gerade nicht, warum Wood gleich wieder ausgestiegen ist, ob Marvel zu wenig gezahlt oder er die Deadlines nicht geschafft hat. Aber daß Könner wie er reguläre Heftserien gezeichnet haben, ist sonst auch nur sehr selten vorgekommen, meine ich.

Lee war hocherfreut, dass Wood für Marvel zeichnete und das kann man sogar sehen.
Die Cover von Daredevil 5 (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/c/cc/Daredevil_cover_-_number_5.jpg) und Avengers 20 (http://images.wwcomics.com/images/large/Avr_20_90.jpg)kündigen den "Kunstliebhabern" an, dass Wood-art im Heft zu finden ist. Dass auf einem Titelbild mit einem Zeichner geworben wurde, war damals schon selten genug, dass mit letzteren Fall (Avengers 20) auf den Inker hingewiesen wurde, meines Wissens eine Premiere.

Streit gab es zwischen Lee und Wood, weil der Zeichner nicht nach der "Marvel Method" arbeiten wollte, d.h., dass er nur eine kurze Inhaltsangabe von Lee bekam und ihm selbst das Storytelling oblag. Dass er unter diesen Umständen nur für die Zeichnungen bezahlt wurde und er auch in den Credits nur als Zeichner angegeben wurde, wurmte ihn obendrein. Lee gab nach und ab Daredevil 10 ist Wood als "Scripter" angegeben, doch kam dieses Zugeständnis offenbar zu spät, denn kurz darauf nahm Wood seinen Hut und machte den Weg für den von DC zurück kehrenden John Romita frei. Der wäre vielleicht auch ohne den ganzen Ärger frei geworden, denn Wood war als Zeichner der X-Men vorgesehen.
(Quelle: American Comic Book Chronicles)

Ich vermute mal, dass Wood ein verführerischeres Angebot bekam. Zu Daredevil-Zeiten begann der Verlag Tower Comics seine Markt-Offensive. Dort engagierte man viele Top-Zeichner (Reed Crandall, Gil Kane usw.), darunter einige Abwerbungen von anderen Verlagen. Tower zahlte sehr gut.
Wood wurde für Towers Superhelden-Sparte (T.H.U.N.D.E.R. Agents) engagiert. Ihm wurde bei der Konzeption so viel Freiheit gelassen, seine eigenen Ideen zu verwirklichen, dass ich mir gut vorstellen kann, dass das - neben dem wahrscheinlich höheren Gehalt - der Hauptgrund für seinen Weggang von Marvel gewesen ist.

Peter L. Opmann
07.07.2014, 21:22
Ja, das mit Tower habe ich in "Untold Story" auch gelesen, glaube ich. Anders herum betrachtet: Marvel war zu diesem Zeitpunkt noch nicht Marktführer und mußte wohl auch noch kämpfen, um an DC heranzukommen. Gut, daß Leute wie Romita, Buscema und Colan bei der Stange geblieben sind.

Manfred G
08.07.2014, 10:48
WW als Eisenherz-Nachfolger wäre interessant gewesen, aber ich halte Fosters Entscheidung auch für nachvollziehbar, wenn auch bedauerlich. Ich weiß ja nicht, wie verlässlich Wood zu diesem Zeitpunkt noch war.
Hallo zusammen!
Ich war im Urlaub und lese deshalb jetzt erst dieses Thema...
Zu Wallace Wood als Foster Nachfolger war es wohl auch so das einer der Hauptgründe seine angeschlagene Gesundheit war und Wood nicht als sehr zuverlässig galt...(hatte dies nicht Foster in einem Interview gesagt?)
Bei den EC Comics äußerten sich Gaines und Feldstein in Interviews öfter das sie Comics machen wollten die auch sie gerne Lesen möchten,an eine bestimmte Zielgruppe waren diese nicht gerichtet.Die Science Fiction Hefte Weird Science und Weird Fantasy wurden z.B. weiterhin verlegt obwohl diese fast keinen Gewinn brachten,die verkaufte Auflage war um einiges geringer als bei den Horror-Heften.
Das ein Ray Bradbury seine Zustimmung gab das sein Name auf dem Umschlag abgedruckt wurde lag daran das er diese Comics liebte (sein Agent riet ihm davon ab). Aus heutiger Sicht mag dies alles nicht mehr so großartig sein,aber EC thematisierte in seinen Comics offen den Rasissmus im Land,die Drogenprobleme, die Umweltverschmutzung,die Kommunistenhetze und andere Themen die Kinder sicherlich nicht Interessierten!Der Ku Klux Klan wurde offen angegriffen,man machte sich auch über die Regierung lustig die hinter allem und jeden einen Kommunisten vermutete...(die Redaktion outete sich deshalb in einer Geschichte als Außerirdische).Auch das "Hello Kiddies" in den Heften war natürlich ironisch gemeint.
Kein Wunder das man auch das Mad Heft brachte und es schließlich auf Magazin-Format umstellte.
Gruß
Manfred
Ps.@Gerhard: Wird es den 2ten EC Artikel geben?

felix da cat
08.07.2014, 12:19
Zitat von Peter L. Opmann:
Ja, das mit Tower habe ich in "Untold Story" auch gelesen, glaube ich. Anders herum betrachtet: Marvel war zu diesem Zeitpunkt noch nicht Marktführer und mußte wohl auch noch kämpfen, um an DC heranzukommen. Gut, daß Leute wie Romita, Buscema und Colan bei der Stange geblieben sind.
Ich denke, sie hatten dafür ziemlich gute Gründe, nicht zuletzt die vergleichsweise gute Bezahlung bei Marvel.
Und dann wäre da noch der menschliche Umgang.

John Romita war bei DC über lange Jahre auf das Zeichnen von Romance-Comics festgelegt. Eine Tätigkeit, die ihm nicht sonderlich behagte. Zudem berichtet er, dass er bei DC nahezu völlig ignoriert worden wäre. Wenn er seine Arbeit alle zwei Wochen vorbei gebracht hatte, sei es ihm vorgekommen, als würde man ihn wie einen Leprakranken meiden. Lediglich 2 oder 3 Mitarbeiter hätten ihn gut behandelt. Eigentlich wollte er raus aus dem Comic-Business und in die Werbung. Da hat ihn Lee abgefangen, ihm einige nette Worte über sein Talent gesagt und ihm 250 Dollar die Woche geboten, damals viel Geld und nach Romitas Einschätzung auch nicht weniger als er in der Werbung verdient hätte.
Und obendrein konnte er endlich seine Superhelden zeichnen (was er mochte).

Peter L. Opmann
08.07.2014, 18:25
Ich denke, sie hatten dafür ziemlich gute Gründe, nicht zuletzt die vergleichsweise gute Bezahlung bei Marvel.

Naja, aber wir hatten ja gerade festgestellt, daß sich Wally Wood nicht gut genug bezahlt fühlte - dafür, daß er auch das Storytelling machen mußte. Vielleicht hat er einfach andere Maßstäbe angelegt als etwa John Romita.

Es ist natürlich schwer, die Honorar-Situation bei einem Comic-Verlag einzuschätzen - 50 Jahre später.

felix da cat
09.07.2014, 08:50
Ja, du hast Recht, dass klingt widersprüchlich.
Aber Wood war mit seinem Zeichner-Gehalt bei Marvel wohl einverstanden, fühlte sich nur als Scripter unbezahlt.
Und meine Einschätzung, dass er bei Tower besser bezahlt wurde, rührt daher, dass dort 1. allgemein gut bezahlt wurde und er 2. für die ganze Superhelden-Sparte verantwortlich war. Er zeichnete nicht nur einige Storys, sondern entwarf die Charaktere, Kostüme usw. Zusätzlich bestimmte er die grobe Richtung, in die die Storys gehen sollten (obwohl diese meist von Anderen geschrieben wurden). Er war ein bisschen der "Stan Lee" bei Tower, mit weniger Texter- und mehr Konzeptions-Arbeit (und ich gehe davon aus, dass er aufgrund dieser zusätzlichen Kompetenzen besser bezahlt wurde als bei Marvel)

Nach allem, was ich über die Bezahlung bei Marvel weiß, war die nur in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre schlecht und das aus "gutem Grund". Marvel, damals noch Atlas, stand kurz vor der Pleite und konnte wohl auch nicht viel mehr bezahlen als sie bezahlten.

Da ja spätestens nach der Lee/Kirby-Debatte einige Lee als den "all-around bad guy" ausmachen, hier eine kleine Anekdote, die einiges über seine Einstellung zu den Zeichnern verrät:

Eines Tages in den 1950ern - während der oben angesprochenen Atlas-"Finanzkrise" - soll Marvel-Herausgeber Goodman irgendwo in den Verlagsbüros einen Schrank geöffnet haben. Darin fand er Hunderte von Comic-Seiten. Er fragte Lee, was die da zu suchen hätten und Lee musste eingestehen, dass es sich hier um "Vorräte" handelte. Gezeichnete und bezahlte Seiten von Kurzgeschichten, die nicht veröffentlicht wurden, da die wenigen Hefte, die Atlas noch herausgab, auch ohne diese gefüllt werden konnten. Goodman war sauer, das hier ungenutztes Material herumlag und veröffentlichte dieses (was weniger Arbeit für die freien und angestellten Mitarbeiter bedeutete, vielleicht Entlassungen).
Lee hatte das Zeug in den Schrank verstaut, um genau dies zu verhindern.

Diese Anekdote macht die Runde in der amerikanischen Sekundärliteratur, ich weiß nicht wie "gesichert" deren Wahrheitsgehalt ist, aber sie passt durchaus ins Bild, wenn man Interviews mit einigen der damals aktiven Zeichner liest. Da Goodman als knauserig galt und bei Marvel vergleichsweise gut bezahlt wurde, kann man davon ausgehen, dass sich Lee, der den größten Einfluss auf Goodman hatte, für die Gehälter seiner Zeichner eingesetzt hat.

Peter L. Opmann
09.07.2014, 10:36
@ Felix: Ich kenne nur die Story von dem "warehouse", in dem haufenweise Jack-Kirby-Seiten gelagert wurden, die er damals üblicherweise nicht zurückerhielt. Als Kirby sich dafür einzusetzen begann, sein Artwork wiederzubekommen, stellte sich heraus, daß etliche Seiten fehlten, die irgendwelche Leute inzwischen eingesackt und zu Geld gemacht hatten.

Lee war immer Angestellter und hatte sein - vermutlich ganz ordentliches - Gehalt. Die meisten Zeichner waren freelancer und versuchten, bei Aufträgen immer wieder etwas mehr Geld herauszuholen. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen muß man sicher berücksichtigen, wenn man etwas dazu sagen will, ob jemand bei Marvel gut oder mies bezahlt wurde.

felix da cat
10.07.2014, 09:14
Ich glaube, über den Umgang mit Kirby bei Rückforderung seiner Originalseiten müssen wir nicht lange diskutieren.
Mir ging's um die damalige Bezahlung.
"Gut" und "schlecht", das ist natürlich relativ. Und dass Comicbook-Zeichner in den 1960er Jahren nicht auf Rosen gebettet waren, versteht sich von selbst. Deswegen habe ich den Begriff "vergleichsweise" vor dem "gut bezahlt" gewählt.
Denn zum "vergleichsweise" lässt sich schon einiges sagen, z.B. wenn man diverse Interviews mit Zeichnern dieser Zeit liest, die für mehrere Verlage tätig waren oder eben gleich zu Artikeln über diese Verlage greift. So habe ich z.B. noch nie gelesen, dass Charlton irgendwann einmal irgendjemand gut bezahlt hätte. ;) (der Verlag ist in der Sekundärliteratur schon fast ein Synonym für schlechte Bezahlung). Manche Verlage hatten Editors, die den free lancern Geld abknöpften, "wenn ich Dir einen Job gebe, musst Du mir etwas von Deinem Gehalt abgeben" (solche Typen gab's wohl auch bei DC). Bei Marvel habe ich von solchen Praktiken nicht gelesen.

Peter L. Opmann
10.07.2014, 09:36
Okay, die Diskussion führt schon wieder etwas von Wallace Wood weg.

Was ich gelernt habe, ist, daß in den 60er Jahren (und wahrscheinlich auch davor und danach) Comiczeichner ihre Arbeit in erster Linie als Job betrachtet haben. Wir Fans zeichnen Comics mehr oder weniger aus Leidenschaft, aber die wollten eben mit irgendwas ihre Miete begleichen. Und doch waren hervorragende Künstler darunter...

felix da cat
10.07.2014, 11:31
Wenn man Kinder hat und die Miete zahlen muss ... was bleibt einem dann übrig? Was nicht heißt, dass die Leidenschaft am Zeichnen auf der Strecke bleiben muss. Ich denke, bei Wood (um zum Thema zurückzukehren ;)) hielt die zumindest noch in den 1960ern vor, wie Projekte wie Witzend beweisen. Die Verbitterung (siehe Sprechblase-Artikel) setzte wohl erst später ein.

Manfred G
10.07.2014, 14:31
Was ich gelernt habe, ist, daß in den 60er Jahren (und wahrscheinlich auch davor und danach) Comiczeichner ihre Arbeit in erster Linie als Job betrachtet haben
Hallo!
Zumindest bei EC war es wohl so das dieser Verlag gut bezahlte und Wood auch (wie so manch anderer Zeichner) Spaß hatte an seiner Arbeit.Williamson,Frazetta und andere waren befreundet,halfen sich gegenseitig beim Zeichnen aus.Wood´s Arbeit für Avon war in dieser Zeit um einiges schlechter...

Mayaca
12.07.2014, 12:29
Ich werde meine Fühler doch mal in die Science- Fiction-Richtung ausstrecken. Denn neben Wood hat wohl auch der großartige Al Williamson in dieser Sparte gearbeitet.
P.S. ich hatte mal von EC Sammelbänden gehört die jeweils den einzelnen Zeichnern zugeordnet sind. Sind diese noch aktuell im Handel?

FrankDrake
14.07.2014, 14:07
Allein dafür, dass Tarantino Travolta wieder zum Star gemacht Banause:rolleyes:

"Face off" und "From Paris with Love" sind 2 meiner all time favorites.

frank1960
14.07.2014, 14:39
Banause:rolleyes:

"Face off" und "From Paris with Love" sind 2 meiner all time favorites.

Macht ja nichts! Es muss auch Travolta-Fans geben :tatschel:

Jimbo
15.07.2014, 10:05
Immerhin ist Wally Wood das rote Daredevil-Outfit zu verdanken. Alles andere ist Geschmackssache.

mein Gedanke ^^ kann ich nur zustimmen

Zyklotrop
19.07.2014, 23:28
Leider weiß ich gerade nicht, warum Wood gleich wieder ausgestiegen ist, ob Marvel zu wenig gezahlt oder er die Deadlines nicht geschafft hat.

Woods Version der Geschehnisse liest sich so:

http://www.comicforum.de/attachment.php?attachmentid=14853

felix da cat
21.07.2014, 10:54
In diesem Zusammenhang interessant ist, dass er wenige Jahre später für Marvels Astonishing Tales Doctor Doom (http://1.bp.blogspot.com/-0S7qcpTMVXo/ToPF-CwjQWI/AAAAAAABX5Y/prhut3IhhRk/s1600/01_astonishingtales_01_1970aug_wood.jpg)zeichnete.
Für mich gehört das zu seinen schönsten Nach-EC-Comics (wenngleich auch einige Warren-Stories lesenswert sind).

Zyklotrop
21.07.2014, 13:54
Uuh... die Bonbonfarben auf den Beispielseiten tun in den Augen weh. Das Ganze auf Masterworks-Glanzpapier könnte eine Sonnenbrille beim Lesen ratsam machen. :cool: Wie schön ist dagegen das Beispiel von felix da cat.

Zyklotrop
22.07.2014, 12:42
Dark Horse zeigt bei den "The Chronicles of Conan"-Bänden mit den Reprints der Serie "Conan the Barbarian" vor, daß man trotz des Einsatzes von Glanzpapier und Photoshop-Farben klassische Marvel-Comics nicht zwangsläufig damit ruinieren muß.

http://www.comicforum.de/attachment.php?attachmentid=14876
©Dark Horse

Schöne, satte, natürliche Farben dezent eingesetzt - einfach ein Augenschmaus.

Peter L. Opmann
22.07.2014, 15:33
Zwischen "Doctor Doom" und "Conan" liegen ungefähr zehn Jahre. Ich finde die Conan-Splashpage auch farblich ästhetischer als die von Wood, aber da liegt von vorneherein ein unterschiedlicher Grad an Realismus vor. Und für mich passen die Bonbonfarben durchaus in die Mitte der 60er Jahre. Aber ich muß gestehen, daß ich den Masterworks-Band noch nicht in der Hand hatte; vielleicht könnte ich mir sowas auch nicht über viele Seiten hinweg antun.

Hinnerk
23.07.2014, 00:47
Schöne, satte, natürliche Farben dezent eingesetzt - einfach ein Augenschmaus.

Die Geschmäcker sind verschieden, ich finde die Farbgebung grauenhaft. Grüne Oberschenkel sind kein Augenschmaus. Der Farbverlauf bei Belits Beinen unterscheidet nicht zwischen Stiefel und Beinen.

Manfred G
23.07.2014, 09:18
Das mit den Stiefeln liegt natürlich daran das diese nie ausgezogen wurden und die Haut die Stiefelfarben angenommen hat :D.
Ansonsten stimme ich Hinnerk zu,bestes Beispiel sind meiner Meinung nach die EC Archives Bücher in Farbe.Obwohl man sich pinibel an die Farbvorgaben hält finden einige die Farbgebung der Originale/Nachdrucke als Hefte besser.Ich finde diese Archives-Bücher klasse,daran kann man die miese Farbgebung der Originale sehr gut sehen.Die großformatige Library finde ich auch sehr gut,eben weil diese in schwarz/weiss ist,die Zeichnungen werden nicht mit Farbe "zugekleistert". Der Nachteil war hier allerdings das einige Zeichner ja bewußt ihre Zeichnungen in einem bestimmten Stil angelegt hatten weil diese in Farbe gedruckt wurden.

frank1960
30.07.2014, 13:16
Strange Worlds Vol. 1

Auf dem Titel wird zwar ein Vorwort angekündigt, ist aber eigentlich nur 'ne Werbung für weitere Publikationen aus dem Verlag (wobei der Mann der nicht lacht ein richtiger Appetitmacher ist: Und wieder berichtet eine gemeuchelte Seele von der eigenen Ermordung ;) ). Warum man jetzt auf ein richtiges Vorwort verzichtet hat...? Vielleicht im zweiten Band.

frank1960
30.07.2014, 16:49
Aber wahrscheinlich ist die Eigenwerbung notwendig, weil selbst die kleinen Auflagen nicht ausverkauft werden. Bei Book Pallace werden die Teile in Bündeln verramscht !!!

Hm, Ich dachte immer, die Reihen müssten ganz gut laufen, da manche Ausgaben vergriffen sind und auch Softies veröffentlicht werden. Hoffentlich geht denen nicht die Puste aus! Wär jammerschade...

frank1960
30.07.2014, 17:11
Owei, 67 Pfund sind in der Tat ein 'Big Save'.

felix da cat
05.08.2014, 09:50
Noch ein paar Wood-Raritäten:

Für das überformatige, auf Zeitungspapier gedruckte Wham-o Giant Comics-Heft (1967) zeichnete Wood Radian (im Link gleich unter der Jonah Hex-Abbildung). (http://stendekkk.blogspot.de/2011/09/radian-by-wally-wood-single-comic-book.html)Nur 3 Seiten, aber da diese sehr kompakt bebildert sind, entspricht das in etwa einer 12-seitigen Comic book-story. Es blieb bei einer Ausgabe "Wham-o". Radian wurde meines Wissens nicht an anderer Stelle fortgesetzt.

Wood zeichnete einen Beitrag für die Funnyserie Archie ("Sugar, Sugar"). 1968 war er in Archie's Madhouse Nr. 64 zu sehen. Leider habe ich von seiner Monster of Frankenstein-Parodie nur eine mickrige Abbildung (http://1.bp.blogspot.com/-8eYJdWoXh8E/TiYVTs8SgdI/AAAAAAAATbg/Rw8e7qqsEjA/s1600/Screen%2Bshot%2B2011-07-19%2Bat%2B7.35.24%2BPM.png)im Netz gefunden.

felix da cat
05.08.2014, 09:55
Wer mehr über das obskure Objekt "Wham-o Giant Comics" erfahren möchte (und wer wissen möchte, wer neben Wood noch alles dabei war), hier eine ausführliche und reich bebildert Besprechung (http://majorspoilers.com/comic-book-reviews/retro-review-wham-o-giant-comics-1/). An den tollen Zeichnern kann's jedenfalls nicht gelegen haben, dass eine Nr. 2 nicht erschienen ist.

felix da cat
09.08.2014, 18:41
Sehr interessantes Panel mit Jim Steranko und Paul Levitz (http://www.youtube.com/watch?v=QxPVLaCz8T8), in dem Erinnerungen an Wood ausgetauscht werden und man einiges über den privaten WW erfährt (leider Englisch-Kenntnisse erforderlich!). Teilweise sehr interessante Anekdoten.
Steranko: "I always tried to take Woody out to dinner because I got the feeling, that men can't live on cigarettes alone." ;) (ab 10.17)