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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie weit darf man gehen?



Manaking
25.11.2013, 23:33
Ich bastle gerade an einem historischen Comic. Grob- Wikinger überfallen Mainz.

Die Idee ist, dass die Wikinger bereits seit einer Weile Plündern, und mehr und mehr Verschleißerscheinungen auftreten. Sie sind langsam erschöpft, fern von zuhause, isoliert in einem fremden Land und langsam empfinden sie mehr und mehr Gleichgültigkeit gegenüber ihren Opfern. Bis sogar einige Wikinger soweit gehen Männer und Kinder abzuschlachten und die Mädchen und Frauen zu vergewaltigen.

Ich habe mir lange Gedanken darüber gemacht wie Wikinger damals vorgegangen sind, und Berichte aus der Zeit sind sehr einseitig, so, dass ich nicht verallgemeinern will.

In der Geschichte soll es dann unter den Wikingern zum Streit kommen nachdem eine kleine Gruppe wirklich bis zum extremsten gegangen ist.

Mein Problem ist jetzt wie weit darf man gehen. Wo liegt die Schmerzensgrenze? Wie weit soll ivh gehen. Vergewaltigung, verbrennen von Kindern. Das finde ich zusätzlich erschwerend, da ich vor allem beim zeichnen sehr realistisch bin. Und da mache ich mir schon Gedanken.

Vieleicht hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen. Habt ihr Ratschläge? Gedanken? Ideen?

Ölpferd
25.11.2013, 23:41
Deine Frage ist falsch gestellt.
Sie müsste heißen: Wie weit kann ich gehen, ohne (x) zu verschrecken."

Für x dann bitte: Verlag, Stammleserschaft, eigene Familie? einsetzen. Eventuell noch Vater Staat bezüglich Zensur.

Davon abgesehen kann man diese Themen auch gut behandeln ohne sie direkt zu zeigen/zeichnen.
Das ist meist sogar eindrucksvoller.

Wenn du aber wirklich überzeugt davon bist wie du etwas umsetzen möchtest, dann mach es. Selbstzensur ist m.M.n. das falscheste was man tun kann.

Sanchez
26.11.2013, 00:24
Bis sogar einige Wikinger soweit gehen Männer und Kinder abzuschlachten und die Mädchen und Frauen zu vergewaltigen.

Soweit ich das gelesen habe war das die normale Vorgehensweise . Es soll mal einen Wikingerkönig gegeben haben der als kinderfreundlich galt weil er darauf verzichtet hat die Neugeborenen und Kleinstkinder in die Luft zu werfen und mit dem Schwert auf zu spießen , was damals ein sehr belibter Zeitvertreib war ( natürlich nur mit den besiegten ) .


Ich habe mir lange Gedanken darüber gemacht wie Wikinger damals vorgegangen sind, und Berichte aus der Zeit sind sehr einseitig, so, dass ich nicht verallgemeinern will.

In der Geschichte soll es dann unter den Wikingern zum Streit kommen nachdem eine kleine Gruppe wirklich bis zum extremsten gegangen ist.

Den Streit musst du aber gut begründen . Einfach nur , das die Einen nen Moralischen bekommen ist etwas dünn .


Mein Problem ist jetzt wie weit darf man gehen. Wo liegt die Schmerzensgrenze? Wie weit soll ivh gehen. Vergewaltigung, verbrennen von Kindern. Das finde ich zusätzlich erschwerend, da ich vor allem beim zeichnen sehr realistisch bin. Und da mache ich mir schon Gedanken.

Das ist eine sehr schwere Frage . Da ist zum einen der Standpunkt : Was darf ich , was erlaubt mir die Gesellschaft . Der Nachteil ist , das wenn du dich nach der Gesellschaft richtest du dich zu ihrem Kasper machst . Wenn du es so machst wie du es selbst für richtig hällst kannst du im Extremfall ins Gefängnis kommen . Das sind die zwei Extreme . Du musst dich fragen was du eigentlich machen willst ! Wofür willst du das Projekt machen . Was willst du den Leuten sagen ?

Bei manchen Entscheidungen ist man extrem einsam . Ich kann dir nur raten hör auf dein Bauchgefühl , denn der Kopf wird zu sehr von außen beeinflusst .

Manaking
26.11.2013, 00:55
Man muss bei Berichten auch überlegen von wem diese stammen. Es ist nicht unrealistisch, dass die Opfer die Angreifer brutaler beschrieben haben. Auch ist in Betracht zu ziehen, dass Wikinger als Händler bekannt waren. So sind Wikinger auch friedlich vorgegangen, wenn sie bezahlt wurden. Hierauf wollte ich den Konflikt zwischen den Plünderern aufbauen.


Was ist, wenn die Plünderungen immer schwieriger werden, weil einige Städte Verteidigungsanlagen aufgebaut haben? Folglich gehen die Wikinger immer behutsamer vor und geben sich schnell mit den hohen Bezahlungen zufrieden.

Wenn ich an dieses Thema denke geht mir vor Allem Berserk (Manga) durch den Kopf. Dort wird schon extrem die Grenze ausgereizt, aber das gleicht der Manga dadurch aus, dass der Rest des Mangas extrem anspruchsvoll und komplex ist. Da stellt sich bei mir die Frage, wie gut ist der Rest meiner Geschichte, dass ich nicht auf diese eine Szene reduziert werde?

Ich danke euch für eure Gedanken. Das hat mich auch auf ganz neue Gedankengänge gebracht.

Jenny
26.11.2013, 06:50
Zwei Überlegungen von mir:

Derzeit kann es gar nicht brutal genug sein, gerade im (halb-)historischen Genre. Eimerweise Blut, pittoresk fliegende abgetrennte Körperteile, Verwundungen bis auf die Knochen, Gruppenvergewaltigungen, nicht mal Kinder oder gar Hunde sind mehr sicher (und das sogar bei FSK 12). Sobald du ins historische Metier gehst, erwartet die Leserschaft genau das. Und wenn ich mir "Spartacus - Blood and Sand" angucke, dann ist der einzige Anspruch, der darüberhinaus angestrebt wird, die adelnde Präsenz einer knielangen Toga und ein paar ästhetischer Bilder. So schrecklich hoch liegt die Messlatte da nicht.

Überlegung eins: Willst du das? Wenn ja, dann würde ich sagen, hau rein, mit einem Auge auf FSK und Zensur.

Überlegung zwei: Wenn du das nicht willst, musst du dir klar machen, dass du damit vermutlich die Zielgruppe enttäuschst. Ich persönlich vertrete da sicher eine Minderheit, aber ich finde die guten alten Schnitte und das Grauen, das sich im Kopf abspielt, viel wirkungsvoller als den großzügigen Gebrauch roter Farbe, und ich empfinde die Tendenz, immer noch einen draufsetzen zu wollen ("Bloodiest movie ever!"), als ermüdend. (Wenn etwas in den frühen Neunzigern schon in Hot Shots parodiert wurde, wie kann es sich dann 2013 immer noch für voll nehmen? Danke, Breaveheart.) Die bildende Kunst hat alle Grenzen doch längst ausgereizt. Explizit dargestellte Gewalt hat für mich mittlerweile nur noch etwas Anbiederndes. Wenn man Fan von Fantasy und Historie ist, hat man es einfach schon in allen Facetten gesehen. Ich wüsste wirklich kaum, welche Grenze man da noch überschreiten könnte.

dino1
26.11.2013, 07:12
Genau wie Jenny es sagt.

Wenn du allerdings Freude dran hast blutiges Gemetzel zu zeichnen, dann mach das. Für die Geschichte an sich ist es nicht nötig alles im Detail zu sehen. Finde das bringt die Handlung keinen Deut voran. Ein Porno ist auch nicht erotisch, nur weil man alles zu sehen bekommt.

Fumetto
26.11.2013, 07:44
Scott McCloud hat mal geschrieben, dass bei Comics das das Wichtigste ist, was der Leser nicht sieht und was er durch Induktion ergänzen muss. Gerade bei Gewaltdarstellungen würde ich ihm da voll zustimmen. Es ist ja viel schwieriger, im Comic eine Gewalttat nicht direkt darzustellen. Der Franzose Francois Bourgeon z. B., der zwei große historische Serien gezeichnet hat, hat dafür ein sehr gutes Gespür. Schau mal hier:

12537

Mayaca
26.11.2013, 08:28
Du musst wissen was und wohin du mit deiner Geschichte willst und wen du erreichen willst, vielleicht erwarten ja gerade Leute die Wikingergeschichten lesen eine solche Darstellung von Gewalt. Induktion eignet sich bei Gewalt dann am besten wenn es um suspense geht wie bei einem Thriller oder Krimi, wenn du plünderne Wikinger zeigen willst die über Dörfer herfallen besteht meiner Meinung nach bei Induktion die Gefahr das es am Ende zerstückelt oder Zensiert wirkt.

tillfelix
26.11.2013, 08:32
Scott McCloud hat mal geschrieben, dass bei Comics das das Wichtigste ist, was der Leser nicht sieht und was er durch Induktion ergänzen muss. Gerade bei Gewaltdarstellungen würde ich ihm da voll zustimmen. Es ist ja viel schwieriger, im Comic eine Gewalttat nicht direkt darzustellen.
Nuja, ich finde es persönlich eher schwierig, eine Gewalttat ansprechend darzustellen, aber das mag an meinen unzulänglichen Fertigkeiten in dem Bereich liegen.

Prinzipiell isses in meinen Augen eine Frage des Niveaus, auf dem man sich bewegen möchte. Zeigt man die Vergewaltigung eines Kindes im Bild und wie einer schwangeren Frau ein Schwert zwischen die Beine gerammt wird, dann ist das bildlicher Horror und schockiert direkt. Man läuft allerdings Gefahr, dass es ins trashige abrutscht. Zeigt man diese Szenen nicht bzw. off-panel, also lediglich die Reaktionen der Umstehenden und der Leser muss sich seine eigenen Bilder machen, dann fordert man ihn mehr und erreicht vielleicht eine etwas größere Nachhaltigkeit. Die zweite Möglichkeit ist natürlich, um die Geschichte zu verkaufen, die sauberere, einfachere Lösung.


Bei manchen Entscheidungen ist man extrem einsam . Ich kann dir nur raten hör auf dein Bauchgefühl , denn der Kopf wird zu sehr von außen beeinflusst .
Recht hat er.

Manaking
26.11.2013, 09:42
Ich persönlich fühle mich sehr unwohl eine Vergewaltigung zu zeichnen. Das ist ja der Grund dieser Diskussion. Ich oute mich sogar als Zuschauer der Spartacus Reihe, allerdings sehe ich diese Reihe auch weniger als historische Serie an. Da will ich auf keinen Fall hin.

Ich denke in ganz besonders dramatischen Szenen kann man Blut und Gewalt zeigen, nur sollte man das dann auch geschickt anstellen. Es muss auch nicht detailiert werden. Jedoch will ich nicht darauf reduziert werden. Ich habe Scott Mcleod auch bei mir im Regal, und er sagt auch, man solle neue Wege beschreiten.

Game of Thrones beispielsweise macht das sehr geschickt. In der ersten Staffel wird Tyrion auf eine große Schlacht geschickt, er bekommt aber einen übergebraten und Ende vom Lied ist, wir sehen nur was vor und was nach der Schlacht passiert. Die Schlacht selbst wird übersprungen. Für die Dramatik war das in Ordnung. Aber in Staffel 2 war es unabdingbar die Schlacht zu zeigen, oder in Staffel 3 die blutige Hochzeit. Hätte man diese pikanten Stellen übersprungen wäre das ganze Szenario unglaubwürdig. Aber die Serie hat sich mit der Darstellung von Vergewaltigung und Kindermord zurückgehalten, obwohl beides in gewaltigem Ausmaß stattfindet im Verlauf der Handlung. Das ist ganz gut so.

Hat einer mal die Serie Vikings gesehen? Die ist nach meinene ersten Konzepten entstanden und hat mir quasi das meiste geklaut. Aber die Serie zeigt sehr deutlich worauf ich hinaus will. Ich möchte die Wikinger als Menschen zeigen. Mich mit ihrer Kultur auseinander setzen, und auch zeigen, dass sie mehr als Plünderer waren. Sie waren auch händler, sehr spirituell und auch sehr familiär. Ich will auch den Konflikt mit dem Christentum zeigen und wie Wikinger nach und nach verschwinden.

Wie ich letztendlich vorgehen werde, soll mir hier keiner vorkauen. Ich wollte lediglich ein Brainstorming hier machen, um das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Ich finde das ist bisher auch ganz gut gelaufen. Da haben sich schon viele geäußert (mehr als zu meinen ersten Seitenentwürfen :(). Großen Dank an alle hier.

Jenny
26.11.2013, 10:00
In der ersten Staffel wird Tyrion auf eine große Schlacht geschickt, er bekommt aber einen übergebraten und Ende vom Lied ist, wir sehen nur was vor und was nach der Schlacht passiert. Die Schlacht selbst wird übersprungen. Für die Dramatik war das in Ordnung.

Das hatte aber mehr Budget-Gründe. :D Im Comic kostet eine Schlachtszene ja Gott sei Dank nicht mehr als eine Bettszene! :lol:


Aber die Serie hat sich mit der Darstellung von Vergewaltigung und Kindermord zurückgehalten, obwohl beides in gewaltigem Ausmaß stattfindet im Verlauf der Handlung. Das ist ganz gut so.

Das ist eindeutig aus Zensurgründen passiert. Ähnlichen Zwängen unterliegst du im Comic. In Romanen - grade bei GRRM - geht es da erheblich übler zu.

Die Vikings klingen tierisch spannend und in eine ähnliche Richtung sehe ich dich auch gehen. Bin sehr gespannt, was du draus machst. Ach, ich kenn das, wenn jemand dein Zeug vor dir veröffentlicht. ;) Aber im Medium Comic wäre das doch ein tolles supplement.

horst
26.11.2013, 10:45
Wen du den Comic originär bei einem deutschen Verlag
für den deutschen Markt unterbringen möchtest, dann
lass' es bleiben (also die explizite Darstellung). Die
Vordergründigkeit würde dir sicher sofort als Effekthascherei
und "wenig wertvoll" ausgelegt werden.

Weil gerade Deutschand "political correctness" durch
und durch. Die Distanzierung von Gewalt wird hier
"meistens" mit der Distanzierung der Darstellung
von Gewalt auf dieselbe Ebene gestellt.

Nimm als Beispiel, wie sehr Deutschland für Gleichberechtigung,
gegen Todestrafe, Folter etc. ist, und wie wenig davon wirklich
gezeigt wird. Hast du z. B. schon einmal im deutschen
Fernsehen eine öffentliche Hinrichtung (Aufhängen,
Steinigung etc.) gesehen, aus einem der Länder, mit
denen wir täglich in Beziehung stehen (geschäftlich und
politisch)? Sicher nicht!

----

Denkst du hingegen darüber nach, was in Deutschland
"machbar" ist, dann lasse deiner Vorliebe den freien Raum.
Auch mit dem Hintergedanken (falls dieser Comic ein großer
und kommerziell erfolgreicher sein soll) das ganze wieder
zu re-importieren. Denn Gewaltdarstellungen aus dem
Ausland, die kaufen wir Deutschen wiederum sehr gerne
ein! Vor allem, wenn diese Darstellung im Ausland schon
erfolgreich war! ;)

Maidith
26.11.2013, 11:25
Ich zeichne ebenfalls an einem Comic und habe mir eine ähnliche Frage gestellt wie du, Manaking -

und bin zu dem Schluß gekommen, dass der Comic die Zielgruppe, die er von Anfang an hat, auch später noch beibehalten können sollte. D.h. wenn etwas FSK 12 beginnt und ich es als 10jähriges Kind lese und mag, würde es mich doch sehr abschrecken, wenn der 2. Band derselben Serie auf einmal FSK 18 wäre!

Manchmal, wie zB bei Milo Manara ist's klar, da gibt's Sex und Gewalt gleich von Anfang an. Da weiß man, worauf man sich einläßt.
Meinen Comic jedoch habe ich als "FSK12" begonnen und will ihn auch so beenden. Also:


Zeigt man diese Szenen nicht bzw. off-panel, also lediglich die Reaktionen der Umstehenden und der Leser muss sich seine eigenen Bilder machen,

finde ich die beste Lösung!

Manaking
26.11.2013, 13:08
Ich habe George R. R. Martins Romane als Hörbücher verschlungen, damals hatte ich Probleme mit den Augen und konnte nicht lesen, und bestimmt waren das meiste budget-entscheidungen, aber das macht das ganze auch so interessant. Eine Produktion hat ein begrenztes budget. Da ist es dann wichtig das Geld richtig zu verteilen. Man hättte da sicher eine riesige braveheartmäßige Schlacht finanzieren können. Aber das hat man nicht. Man hat das Geld in gute Schauspieler, glaubwürdige Settings etc. Gesteckt. Und das Resultat beweist, es kommt gut an.

Wenn man aber schaut worum es Martin geht, nämlich Krieg von all seinen Seiten zu betrachten, ist es wichtig auch das Blut vor Augen zu haben. Martin bringt sehr viele Eindrücke aus dem Vietnamkrieg mit. Ich selbst habe während meines Grundwehrdienstes viel mit Soldaten, die im Ausland waren gesprochen. Ich lese auch viel über den Kosovo, Afghanistan und den Irak. Da geschehen unglaublich schreckliche Dinge, die leider auch menschlich sind. Und genau das möchte ich einfangen, ich denke aber nicht, dass ich dazu jetzt eine Vergewaltigung ins Detail zeigen muss. Ich bin ein ungeheurer M.A.S.H. fan, und gerade da gibt es unglaublich viel das passiert. Da werden Leichen Fliesbandweise durchs Bild gezogen. Trotzdem sieht man keine Details. Die wirkliche Dramatik wird psychologisch über das Verhalten der Protagonisten transportiert, und das gleichzeitg mit einer unfassbar mitreißenden Komik.

Betrachtet man die jüngere Generation, so stumpfen wir doch gegenüber der fiktiven Gewaltdarstellung ab. Ich differenziere direkt von realer Gewalt. Das hat auch mit der Entwicklung von immer ausgeklügelteren Special effects und besserer Computertechnik zu tun. Ein Uraltschinken, der vor Jahrzehnten total eklig war, ist für die Zuschauer heute eher zum lachen, da die Effekte heute glaubwürdiger aussehen als damals. Was aber wirklich zeitlos sein kann, ist die Psyche der Charaktere. Deswegen ist ein Dostojewski noch heute so fesselnd wie früher. Weil der Fokus eben auf der psychologischen Ebene liegt. Deswegen finde ich M.A.S.H. auch zeitlos.

@FSK- Ich finds auch schrecklich wenn es ein hin und her gibt. Da will ich auch konsequent auf einer Ebene bleiben.

Zeit
26.11.2013, 13:16
Mal angenommen, du musst dich nicht nach FSK und Geschmack richten: stell dir die Frage nicht. Wenn du dich unwohl dabei fühlst, das Explizite zu zeichnen, dann reicht vielleicht die sich ausbreitende Blutlache und Fingernägel, die sich in den Boden krallen. Überlass es dem Leser, was konkret passiert.

Andererseits, imho, wenn bestimmte Gewalt- und Sexhandlungen in Filmen oder Comics ausgeblendet (zB Tür fällt zu hinter zwei sich entkleidenden Liebenden) oder künstlerisch 'verfremdet' dargestellt werden (zB abgetrennte Gliedmaßen sieht man nur als Schatten an der Wand), dann komm ich mir als Zuschauer oder Leser manchmal verarscht vor.

Ich lechze nicht danach, solche Bilder zu Gesicht zu bekommen - im Gegenteil, ich bin sogar ziemlich empfindlich - aber wenn es nicht gut gemacht ist und sich ins Gesamtbild einfügt, dann werde ich aus dem Erlebnis herausgerissen und denke aktiv "ach ja, auf diese Art und Weise hat das also noch FSK 16 bekommen" oder "hier waren sich die Schauspieler wohl zu schade für"...
Wenn die ganze Geschichte visuell mit großer Sorgfalt und Detailreichtum dargestellt ist, dann wirken plötzlich eingesetzte Zooms und Crops unangenehm, in meinen Augen.

Wenn die explizite Darstellung deine Aussage an dem Punkt unterstreicht, dann solltest du nicht aufgrund der Meinungen anderer davor zurückschrecken. Ich hab mir die Skizzen der ersten Seiten angesehen, kann aber noch nicht direkt erkennen, ob es ein Comic über die Wikingerkultur sein soll, also es eher distanziert erzählt wird oder ob die Emotionen der Charaktere eine größere Rolle spielen, insbesondere ob du einen oder einige Charaktere herausstellst, die die Geschehnisse reflektieren. Die Frage der Perspektive find ich für die Explizitheit nicht unwichtig.

Manaking
26.11.2013, 15:26
Hey Zeit. Bei bestimmten Dingen geht es dir auch mal so. ZB wenn in Filmen erschreckend viele Schnitte sind oder es zu verwackelt ist. Ein schönes Beispiel wie man es richtig machen kann sieht man in Old Boy, wenn der Protagonist sich mit einem Hammer einer Horde stellt. Da passt es einfach zur dramatik der Handlung.

Bei einer Vergewaltigung will ich nicht so weit gehen. Das kann ich nicht.

Ich glaub die Kunst ist, das gesunde Gleichgewicht zwischen Detailreichtum und versteckten Andeutungen zu finden. Das kann auch durchaus ein Stilmittel sein, um die detailreicheren Stellen zu verstärken. Wenn ich die ganze Brutalität in weniger wichtigen Stellen nur andeute, treten die Stellen, an denen ich detailierter bin viel besser hervor. Das können erzählerisch wichtige Wendepunkte sein.

Riana
26.11.2013, 17:46
Schön dass du Mash erwähnst, dass wollte ich nämlich auch gerade als Beispiel anführen, wie man ohne Splatter und sehr wenigen Kampfszenen eine sehr eindrückliche Anti-Kriegserie machen kann. Das Ganze wird noch verstärkt, in dem es mit sehr viel Albernheit kontrastiert wird - und das könnte vielleicht auch für deine Geshcichte ein probates Mittel sein. Nicht unbedingt mit Klamauk - aber ein Wikinger, der erst leutseelig handelt, beim leser Sympathien sammelt und dann wild beim Massaker mitmachthinterlässt auf jeden Fall einen stärkeren Eindruck als der tumbe Haudrauf-Krieger.

Gena
26.11.2013, 19:37
Was die Historie anbelangt, würde ich mir keine so großen Sorgen um die Darstellung der Wikinger machen. Egal ob Römer, Spartaner, Ritter, Viktorianer oder Wikinger, da darf man in der Popkultur so viel falsches, krudes Zeug erzählen, dass es schon manchmal weh tut - Hauptsache, die Story funktioniert.
Gedanken würde ich mir eher um das Lokalkolorit machen, also um Mainz. Wenn du deine Geschichte im Frühmittelalter spielen lässt, musst du dich auch mit der Geschichte der Stadt auseinandersetzen, selbst wenn dein Comic zum Schluss in Richtung "alternate history" geht. Es ist nie verkehrt, sich über die Befestigung der Stadt, den damaligen Aufbau, die Gesellschaft und die Herrscherstruktur zu informieren (Wer regiert wie? Welche besonderen Persönlichkeiten gibt es, die eine Rolle spielen könnten? Gibt es Anekdoten, die durch das Auftauchen der Wikinger eine völlig neue Bedeutung bekommen?). Solche Sachen machen eine Geschichte zu einer guten Geschichte. Recherche ist wichtig, Recherche muss sein ;)

Mayaca
26.11.2013, 21:20
>Bei einer Vergewaltigung will ich nicht so weit gehen. Das kann ich nicht. <

Wenn Du schon Filme als Referenz angibst schau Dir mal IRREVERSIBLE von Gaspar Noe an, die Szene am Anfang der Story zum Ende des Films dauert zwölf Minuten ist kaum auszuhalten, was eventuell auch beabsichtigt ist,überlagert aber gleichzeitig durch seine intensive Wirkung den ganzen Film.
(Noe hat die Story vielleicht auch dshlb rückwärts erzählt).
Es ist ein Thema mit dem man sehr sensibel umgehen muss und wenn es die Geschichte nicht unbedingt verlangt kann man es anreissen oder erwähnen.

Manaking
27.11.2013, 03:12
@Riana
Das ist ein ganz guter Ansatz, funktioniert mit meiner Geschichte aber nicht so ganz. Der zweite Hauptfigur, die selbst eine tragische Hintergrundgeschichte hat, soll aber ein wenig Humor mitbringen. (Ein freigelassener Kriegssklave aus Damaskus- angelehnt an Ibn Fahadlan, auf dem auch der 13. Krieger basiert)

@Gena
Ich recherchiere schon seit fast drei Jahren. Gelesen habe ich schon eine Menge. Ich habe mir auch schon Klöster ausgesucht, wo ich anfragen wollte ob ich mir die Zwecks Recherche näher anschauen kann. Auch will ich noch Mainz persönlich besuchen, u.a. auch das Archiv dort. Aber das ist erstmal noch Zukunftsmusik.

Mainz habe ich aus mehreren Gründen gewählt. So hat Mainz im Laufe der Geschichte viele Namen gehabt. Da kann ich mit spielen. Und Mainz ist eine der wenigen Städte, die sich selbst einigermaßen gegen Wikinger gewehrt haben. Damit will ich arbeiten. Die Historie der Stadt passt perfekt in meinen Plot.

Häufig passe ich Kleinigkeiten an, wenn es mir passt. So wird es bei mir viele Tattoos geben, die wurden bisher nicht eindeutig geklärt.Auch verwende ich Drachenköpfe an den Schiffrümpfen, die es bisher nur auf Abbildungen gibt. Auch beim Schicksal um Haithabu werde ich improvisieren. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Ich will keine 100% historisch korrekte Geschichte, aber eine, die so hätte durchaus stattfinden können.


Historiche Figuren oder an historische Figuren angelehnte Figuren wird es mehr als genug geben.
U.a.:
-Harald Klak (der Vater meiner Hauptfigur)
-Ein fiktiver Bruder von Harald Klak angelehnt an Rorik
-Ludwig der Fromme (kleiner Cameo)
-Meine zweite Hauptfigur ist ein Hybrid aus Ibn Fahadlan und Ahmat Ibn Tulun

@myaca
Wow, das hört sich echt krass an, und weiter bewerten kann ich das nicht. Aber da es nur im Prolog solch eine Szene gibt, will ich es nicht dermaßen auf die Spitze treiben, dass es alles folgende überschattet.

Towbson
27.11.2013, 10:25
interessante diskussion. bin gespannt wie du das behandelst.
da hier ja schon alle blickwinkel erläutert wurden, kann ich nur sagen, dass mir ein paranormal activity film mehr angst gemacht hat
als einer dieser saw filme. spartacus hab ich nach der ersten staffel aufgehört. sah zwar gut aus aber dann hat man sich satt gesehen.
bei thrones ist das anders. ich glaube hier ist es die möglichkeit das jede minute einer der, ans herz gewachsenen, personen die szene nicht überlebt.

gutes gelingen dir

Pats Reiseabenteuer
27.11.2013, 11:18
Überlegung zwei: Wenn du das nicht willst, musst du dir klar machen, dass du damit vermutlich die Zielgruppe enttäuschst. Ich persönlich vertrete da sicher eine Minderheit, aber ich finde die guten alten Schnitte und das Grauen, das sich im Kopf abspielt, viel wirkungsvoller als den großzügigen Gebrauch roter Farbe, und ich empfinde die Tendenz, immer noch einen draufsetzen zu wollen ("Bloodiest movie ever!"), als ermüdend. (Wenn etwas in den frühen Neunzigern schon in Hot Shots parodiert wurde, wie kann es sich dann 2013 immer noch für voll nehmen? Danke, Breaveheart.) Die bildende Kunst hat alle Grenzen doch längst ausgereizt. Explizit dargestellte Gewalt hat für mich mittlerweile nur noch etwas Anbiederndes. Wenn man Fan von Fantasy und Historie ist, hat man es einfach schon in allen Facetten gesehen. Ich wüsste wirklich kaum, welche Grenze man da noch überschreiten könnte.

Mir geht es auch so, du bist nicht allein.
Mich stört bei Games of Thrones auch die Blutrünstigkeit, Martin macht es sich mit den vielen Morden auch zu leicht.
Und das größte Schrecken zeigt man im Lazarett, wenn die Menschen begreifen, welche Konsequenzen welche Verletzung hat.

tillfelix
27.11.2013, 11:31
Das stimmt, der Fall-Out ist viel erschreckender als die Tat selbst. Für den Täter wie für das Opfer.
Weil er auch langwieriger ist in der Regel.

Coffeehouse
27.11.2013, 11:52
Das Thema mit den Speeren und den Babies hatten wir doch schon mal. Mir macht das Bauchschmerzen, speziell auch als Vater eines Dreijährigen. Ein bisschen frage ich mich auch was ich von den Aussagen a la "Ach, ich will das eigentlich nicht zeigen, das ist so schrecklich, aber ich muss es doch tun um der Geschichte Willen ..." halten soll. Das wirkt auf mich nicht glaubwürdig.

Und wenn man für das, was man eigentlich zeigen will, ins Gefängnis kommen würde, wie Sanchez es formuliert, dann finde ich das, gelinde gesagt, bedenklich. Da seh ich nicht unsere demokratische Gesellschaft als Geisterfahrer sondern den einzelnen, der solche Bedürfnisse äußert.

Manaking
27.11.2013, 12:31
Darum geht es nicht wirklich coffeehouse.
Es geht um eine realistische Darstellung von Menschen mit all unseren Fascetten.

Warum bei Martin jederzeit Charaktere sterben können, liegt am gleichen Drang nach Realismus, den auch ich verfolge. Wirklich schreckliche Dinge passieren.Da hab ich persönlich, als Medizinstudent schon viel miterlebt. Und im realen Leben passieren diese Dinge ganz unvorhergesehen und plötzlich. Auch im Krieg kann jeder sterben. Das reale Leben hat keine Hauptfiguren, die sicher bis zum Ende überleben. Manchmal sind Menschen einfach fort, ohne, dass es Sinn ergibt, und oft bleiben wir mit Fragenbzurück die nie geklärt werden.

Menschen gehen in den Krieg. Und Menschen tun dort schreckliche Dinge, wie eben vergewaltigen und morden.

Martin selbst hat mal gesagt: Menschen sind nicht nur schwarz oder weiß. Sie können in den Krieg ziehen und dort Helden sein, aber sie können dann trotzdem ihre Frau zu tode schlagen.

Ich habe vor ein paar Jahren diesen Artikel gelesen, kann gar nicht oft genug darauf verweisen:

http://m.spiegel.de/politik/ausland/a-429640.html#spRedirectedFrom=www&referrrer=

Mir geht es nicht darum eine Vergewaltigung zu zeigen. Ich will richtige Menschen zeigen. Von ihren guten und schlechten Seiten. Wenn man das wirklich versuchen will, kommt man gar nicht drum herum sich auch mit diesem Aspekt der Menschlichkeit auseinander zu setzen.Totschweigen ist da keine Option.

Sinn dieser Diskussion ist es diese sehr starken Aspekte des Lebens zu betrachten, und sich zu überlegen, wie man sie gleichzeitig respektvoll wie auch damaturgisch gut in einer Geschichte verarbeiten kann. Und ich finde das Brainstorming hier unglaublich inspirierend, trotz der doch eigentlich sehr starken Thematik. Was wohl daran liegt, dass selten so offen darüber diskutiert wird.

Ich habe hier keine neuen Informationen gewonnen, dafür aber viele neue Betrachtungsweisen, viele davon waren zwar schon vorher in meinem Kopf, mir aber noch nicht so bewußt, und das finde ich für ernsthaftes Geschichten erzählen wirklich wichtig. Das findet man selbst in den besten Foren ganz selten.

Elif
27.11.2013, 13:01
Und wenn man für das, was man eigentlich zeigen will, ins Gefängnis kommen würde, wie Sanchez es formuliert, dann finde ich das, gelinde gesagt, bedenklich. Da seh ich nicht unsere demokratische Gesellschaft als Geisterfahrer sondern den einzelnen, der solche Bedürfnisse äußert.

Hm. Ich würde immer damit aufpassen, solchen Leuten, die fiktiv auf übertriebene Brutalität stehen, indirekt zu unterstellen, dass sie die Grenze zwischen Fiktion und Realität nicht kennen. Ob man selbst so etwas anschauen möchte oder geschmackvoll findet, sei dahingestellt, auch, dass der Gesetzgeber bei der Veröffentlichung entsprechenden Materials irgendwann einlenken muss, sehe ich ein. Aber prinzipiell finde ich eigentlich, dass es gerade gut ist, wenn Menschen ihre Abgründe erforschen und in kreativer Weise verarbeiten.

Coffeehouse
27.11.2013, 19:30
Also geht es jetzt doch darum darauf zu "stehen"? Wer darauf steht, dass Babies auf Speerspitzen geworfen werden, hat mindestens einen an der Waffel. Das Thema fällt für mich auch nicht in den Bereich künstlerischer Freiheit oder Kreativität.

Ich dachte die Diskussion ging darum, ob eine Geschichte erfordern kann so etwas explizit zu zeigen.

Jenny
27.11.2013, 20:14
Das fürht jetzt natürich weg vom Medium Comic, aber wenn in "Spartacus" Körperteile in Zeitlupe fliegen, dann hat das doch nichts mit den kreativen Grenzen zu tun, die der Regisseur austesten will um seine persönlichen Abgründe zu erforschen, sondern mehr damit, dass die Zielgruppe das irgendwie geil findet, oder? Da ist es zu aufgespießten Babys doch bloß noch ne Frage der Hemmschwelle.

Sobald ich als Konsument das Gefühl habe, mir wird grade die zwangsweise Auslotung meiner menschlichen Abgründe verordnet (in ästhetischer Zeitlupe), werde ich persönlich ungehalten.

Gena
27.11.2013, 20:26
@Gena
Ich recherchiere schon seit fast drei Jahren. Gelesen habe ich schon eine Menge. Ich habe mir auch schon Klöster ausgesucht, wo ich anfragen wollte ob ich mir die Zwecks Recherche näher anschauen kann. Auch will ich noch Mainz persönlich besuchen, u.a. auch das Archiv dort. Aber das ist erstmal noch Zukunftsmusik.

Mainz habe ich aus mehreren Gründen gewählt. So hat Mainz im Laufe der Geschichte viele Namen gehabt. Da kann ich mit spielen. Und Mainz ist eine der wenigen Städte, die sich selbst einigermaßen gegen Wikinger gewehrt haben. Damit will ich arbeiten. Die Historie der Stadt passt perfekt in meinen Plot.

Häufig passe ich Kleinigkeiten an, wenn es mir passt. So wird es bei mir viele Tattoos geben, die wurden bisher nicht eindeutig geklärt.Auch verwende ich Drachenköpfe an den Schiffrümpfen, die es bisher nur auf Abbildungen gibt. Auch beim Schicksal um Haithabu werde ich improvisieren. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Ich will keine 100% historisch korrekte Geschichte, aber eine, die so hätte durchaus stattfinden können.


Historiche Figuren oder an historische Figuren angelehnte Figuren wird es mehr als genug geben.
U.a.:
-Harald Klak (der Vater meiner Hauptfigur)
-Ein fiktiver Bruder von Harald Klak angelehnt an Rorik
-Ludwig der Fromme (kleiner Cameo)
-Meine zweite Hauptfigur ist ein Hybrid aus Ibn Fahadlan und Ahmat Ibn Tulun

Oh, gut, dann hast du da ja schon einiges an Informationen beisammen!
Ich empfehle dir noch einen Besuch im Museum für Antike Schifffahrt (http://web.rgzm.de/museen/museum-fuer-antike-schiffahrt-mainz.html), wenn du schon vor Ort bist. Dort sind zwar keine Wikingerschiffe zu sehen, aber die Rekonstruktionen der römischen Schiffe sowie die ganzen antiken Überreste dürften dir einen interessanten Einblick in den Schiffsbau geben. Gegebenenfalls sind auch noch Ausstellungen im Landesmuseum Mainz (http://www.landesmuseum-mainz.de/enid/2) und im Römisch-Germanischen Zentralmuseum (http://web.rgzm.de/) weitere Anlaufstellen für dich.

jo b.
27.11.2013, 22:14
Ich kenne kein anderes Medium, in dem diese (pauschale) Frage schwieriger zu beantworten wäre ... denn in keinem anderen Medium geht meiner Meinung nach die Schere der darstellbaren Welten weiter auf. Es ist eine Frage in welcher Welt man sich bewegt, wie weit man gehen kann. Es ist ein Zusammenspiel von Kontext, Erzählung, Stil, Art der Darstellung und Gefühl.
Und genau daher kann Dir hier auch niemand wirklich helfen bei dieser Entscheidung. Denn es sind genau solche Entscheidungen, die Deine zu schaffende Welt überhaupt erst definieren.

Und genau darum geht es meiner Meinung nach auch, diese höchst persönlichen Welten, die aus einem Zusammenspiel vieler Faktoren kreiert werden. Das ist was das Medium für mich so interessant macht.

Wenn ich jetzt einen Tipp geben soll, eine gewisse Auseinandersetzung mit der Frage ist gut, aber letztendlich: Hör auf Deinen Bauch!

........

Was ich bisher hier gelesen habe, hast Du schon viel recherchiert und gehst, so wie mir scheint, mit einiger Sorgfalt und Ernsthaftigkeit an die Sache. Daher könnt ich mir vorstellen, dass Deine Welt für dieses Projekt auch eine sorgfältige und ernsthafte sein wird.

Mein persönlicher Geschmack, der Dir aber Schnuppe sein sollte ist: Eine solche Welt verträgt nicht viel Gewaltdarstellung und wenn, dann nur an sorgfältig ausgewählten dramaturgisch Handlungsrelevanten Stellen. Wie weiter vorne schon angemerkt wurde, eine zu blutrünstige Darstellung wirkt in so einer Welt, auch meiner Meinung nach, schnell einfältig und primitiv. Aber wie gesagt, das ist individuelles subjektives Geplänkel und sollte Dich besser nicht interessieren.

Zeit
27.11.2013, 23:07
Eine solche Welt verträgt nicht viel Gewaltdarstellung und wenn, dann nur an sorgfältig ausgewählten dramaturgisch Handlungsrelevanten Stellen. Wie weiter vorne schon angemerkt wurde, eine zu blutrünstige Darstellung wirkt in so einer Welt, auch meiner Meinung nach, schnell einfältig und primitiv. Aber wie gesagt, das ist individuelles subjektives Geplänkel und sollte Dich besser nicht interessieren.

In welche Welt, wenn nicht in eine annähernd realistische, passt denn die Darstellung von Gewalt besser? Es ist, wie Manaking sagt, es geht darum Menschen mit allen Facetten darzustellen und von diesen Facetten gerade die Gewalt, Gewalt- und Machtausübung gegenüber Schwächeren auszuklammern, finde ich total abwegig. Gerade wenn die Geschichte aus der Sicht einer der Figuren erzählt wird.

Wahrscheinlich würde ich sie in einer prämodernen Geschichte sogar vermissen, wenn der Autor sich dafür entscheidet, sie möglichst vorsichtig und FSK-relevant abzuhandeln. Sorry, aber ich les das dann nicht. Ich meine nicht, dass ein abgetrennter Arm in vier Panels die Hauptrolle spielen muss oder dass man en detail eine gewaltsame Penetration zeigen muss. Aber wenn eine Frau vergewaltigt wird, dann wird sie vergewaltigt und kriegt keinen Klaps auf den Hintern. Und wenn ein Kind aufgespießt wird, dann wird es aufgespießt. Und wenn die Hauptfigur das sieht, dann möchte ich es auch sehen.

Elif
28.11.2013, 00:13
Also geht es jetzt doch darum darauf zu "stehen"? Wer darauf steht, dass Babies auf Speerspitzen geworfen werden, hat mindestens einen an der Waffel. Das Thema fällt für mich auch nicht in den Bereich künstlerischer Freiheit oder Kreativität.

Ich dachte die Diskussion ging darum, ob eine Geschichte erfordern kann so etwas explizit zu zeigen.

Mir ging es bei dem Einwurf nur darum, dass ich es bedenklich finde, wenn du indirekt behauptest, dass die Einstellung zu fiktiver Gewalt, egal wie ekelhaft sie dir vorkommen mag, grundsätzlich etwas mit der Einstellung zu realer Gewalt zu tun hat. Wer "darauf steht", dass in einem Comic Babies auf Speerspitzen geworfen werden, egal ob um der besonders gut illustrierten Grausamkeit der Antagonisten willen oder weil er es einfach so witzig findet, der kann doch trotzdem ein liebender Familienvater sein. Wer Tarantino-Filme cool findet, steht trotzdem nicht auf echte Morde - da zieht doch einfach jeder woanders seine Schmerzgrenze, an der er die Übertretung unserer gesellschaftlichen Konventionen nicht mehr unterhaltsam findet.

jo b.
28.11.2013, 00:33
In welche Welt, wenn nicht in eine annähernd realistische, passt denn die Darstellung von Gewalt besser?

Das muss jeder für sich selbst erörtern. Ich werfe mal itchy und scratchy in den Raum, um ein Beispiel zu nennen, das wahrscheinlich alle hier kennen. (Auch wenns in erster Linie Animation ist)
Ich habe auch extra ausdrücklich dazu geschrieben, dass es sich bei der Aussage um meinen persönlichen unwichtigen Geschmack handelt.

Und Du hast da was falsch verstanden. Wenn in einer Geschichte Gewalt vorkommt, dann ist das so. Dann wird aus einer Vergewaltigung auch kein Klaps. Die Frage war aber doch, ob das 1:1 dargestellt werden darf/muss?
Auch im Comic hast du x Möglichkeiten Gewalt zu inszenieren, dass muss nicht unbedingt eine explizite Darstellung ihrer sein.

Riana
28.11.2013, 10:20
Da bin ich Jo B. Meinung. Je stärker die Abstraktion, desto weniger werden die Handlungen und die Handelnden als real wahrgenommen.

Asterix ist ja, wenn man es genau nimmt, auch ein Blutbad, und trotzdem lesen wir es alle recht wonnig mit unseren Lütten zusammen (Hinkelsteine auf Men...äh, Römer, die Prügelnden ahaben dabei auch noch eine Menge Spaß bei, und Verprügeln ist eine adequate Problemlösung.. je länger ich drüber nachdenke, desto mehr wundert es mich, dass man den kleinen Gallier noch nicht als jugendgefährdend eingestuft hat :))

Ob jetzt jemand seine Abgründe erforscht, oder sie schon mal einstudiert (ich sach nur Mangamörder von nebenan) oder einfach eine Geschichte erzählen will oder das Comicforum mal so richtig schocken möchte - das sieht man halt den Zeichnungen alleine nicht an. Deshalb ist es imho sehr schwer, da eine sinnvolle Diskussion drauf aufzubauen.

Towbson
28.11.2013, 11:14
hat hier jemand eigentlich schon den film "drive" genannt?
ich finde hier ist die gewalt ein paradebeispiel der charakterisierung einer person.
vorsicht spoiler.
in der fahrstuhlszene ist man genau gleich erschrocken wie die nachbarin. es schiessen einem die gleichen
gedanken durch den kopf wie ihr.
spoiler ende
sicher fragt man sich ob es wirklich nötig gewesen wäre solche eine szene zu bringen.
aber es hat hier eine wirkung darauf wie man den hauptcharakter im nachfolgendem sieht.
und das ist viel mehr kunst wie die angesprochenen zeitlupen von jen.

Coffeehouse
28.11.2013, 11:53
Mir ging es bei dem Einwurf nur darum, dass ich es bedenklich finde, wenn du indirekt behauptest, dass die Einstellung zu fiktiver Gewalt, egal wie ekelhaft sie dir vorkommen mag, grundsätzlich etwas mit der Einstellung zu realer Gewalt zu tun hat. Wer "darauf steht", dass in einem Comic Babies auf Speerspitzen geworfen werden, egal ob um der besonders gut illustrierten Grausamkeit der Antagonisten willen oder weil er es einfach so witzig findet, der kann doch trotzdem ein liebender Familienvater sein. Wer Tarantino-Filme cool findet, steht trotzdem nicht auf echte Morde - da zieht doch einfach jeder woanders seine Schmerzgrenze, an der er die Übertretung unserer gesellschaftlichen Konventionen nicht mehr unterhaltsam findet.

Natürlich lässt sich das nicht eins zu eins übertragen, aber wenn jemand die gesellschaftlichen Konventionen so weit sprengt, dass er aufgespießte Babies witzig findet, dann finde ich das trotzdessen bedenklich. Und nein, ich glaube nicht dass du einen Vater findest, der sowas lustig findet. Es sei denn er ist komplett gestört.

Wenn sich Fiktion und Realität immer trennen lassen wie Ying und Yang, dann bräuchte es nach deiner Definition überhaupt keine Einschränkungen und damit auch keinen Jugendschutz zu geben, was Sanchez ja im übrigen möchte, wenn ich mich Recht erinnere.

Gesellschaftliche Konventionen sind nicht immer komplett richtig, aber es gibt einen Konsens-Rahmen in dem sich die Gesellschaft bewegt und der ein produktives Miteinander ermöglicht. Da steckt auch schon ein bisschen Sinn hinter. Es geht nicht immer nur darum, die Selbstverwirklichung von Individuuen einzuschränken aus Selbstzweck oder Boshaftigkeit.

jo b.
28.11.2013, 11:55
@ Towbson
Genau so ist es. Wenn in einer Geschichte, eine explizite Gewaltszene dramaturgisch schlau platziert ist, so kann sie die Geschichte, Spannung und die Stimmung ungemein voran treiben. Aber sowas hat aber eben nur den gewünschten Effekt, wenn sie aus der übrigen Inszenierung herraussticht. Wenn jetzt aber in jeder 2. Szene die abgetrennten Arme und Innereien nur so durch die Gegend fliegen (am besten noch in Zeitlupe, bzw über mehrere Panels episch ausgebreitet), dann wirkt es flach und eher trashig.

Nein, von Drive hab ich bislang nur gehört... anschauen?

jo b.
28.11.2013, 12:10
Je stärker die Abstraktion, desto weniger werden die Handlungen und die Handelnden als real wahrgenommen.

Das seh ich nicht mal so, ich denke nicht, dass das so einfach ist. Nehmen wir mal beispielsweise Larcenets "Der Alltägliche Kampf". Da haben wir eher cartoonig gezeichnete Figuren. Wenn man aber 2-3 Seiten gelesen hat, bekommt man ein Gefühl für die Tiefe seiner Welt. Nach ein paar weiteren Seiten merkt man, wie tief und realistisch auch die Charaktere sind. Wenn in dieser Welt dann auf einmal explizite Gewalt zu sehen wäre, so würde mich das weit mehr erschüttern, als in einem weit aus realistischer gezeichneten Superheldencomic. Das meinte ich damit, dass man im Comic so sehr unterschiedliche Welten schaffen kann.

Elif
28.11.2013, 12:39
Wenn sich Fiktion und Realität immer trennen lassen wie Ying und Yang, dann bräuchte es nach deiner Definition überhaupt keine Einschränkungen und damit auch keinen Jugendschutz zu geben, was Sanchez ja im übrigen möchte, wenn ich mich Recht erinnere.
Ich denke, dass in dieser Hinsicht verschiedene Menschen sehr unterschiedlich sind. Manche können da strikt trennen, andere nicht. Deswegen finde ich einen Jugendschutz (und auch das komplette Verbot von gewissen Dingen) gerechtfertigt, um diejenigen zu schützen, für die eine Trennung schwierig ist - auf der anderen Seite würde ich aber niemanden in irgendeiner Weise verurteilen, wenn er im stillen Kämmerlein Brutalitäten, die wir uns nichtmal vorstellen mögen, vor sich hin malt.


Gesellschaftliche Konventionen sind nicht immer komplett richtig, aber es gibt einen Konsens-Rahmen in dem sich die Gesellschaft bewegt und der ein produktives Miteinander ermöglicht. Da steckt auch schon ein bisschen Sinn hinter. Es geht nicht immer nur darum, die Selbstverwirklichung von Individuuen einzuschränken aus Selbstzweck oder Boshaftigkeit.
Da hast du nicht ganz verstanden, was ich meinte. Die Sache ist, dass du bei der Übertretung der Grenzen recht willkürlich eine Linie ziehst, bei der du Leuten Gestörtheit unterstellst.
Es gehört doch ganz eindeutig zum Konsensrahmen unserer Gesellschaft, dass man keine anderen Menschen tötet - trotzdem ist es allgemein akzeptiert, Mord in fiktiven Darstellungen sogar in gewisser Weise zu glorifizieren (siehe Tarantino-Beispiel, oder meinetwegen auch Dexter). Ein großer Teil unserer Gesellschaft kann sich von Filmen wie Saw unterhalten lassen, in denen es eigentlich nur um blutrünstige Verstümmelungen geht. Warum gerade derjenige, der dann einen Schritt weiter macht, so dass er auch Brutalität kleinen Kindern gegenüber unterhaltsam findet, gestörter sein soll, als der Rest, das erschließt sich mir nicht. Letztlich sind all diese Dinge in der Realität kein bisschen akzeptiert.

Jenny
28.11.2013, 12:45
hat hier jemand eigentlich schon den film "drive" genannt?
ich finde hier ist die gewalt ein paradebeispiel der charakterisierung einer person.
vorsicht spoiler.
in der fahrstuhlszene ist man genau gleich erschrocken wie die nachbarin. es schiessen einem die gleichen
gedanken durch den kopf wie ihr.
spoiler ende
sicher fragt man sich ob es wirklich nötig gewesen wäre solche eine szene zu bringen.
aber es hat hier eine wirkung darauf wie man den hauptcharakter im nachfolgendem sieht.
und das ist viel mehr kunst wie die angesprochenen zeitlupen von jen.

... die ich wahrlich nicht als Kunst sehe, sondern als... Kunsthascherei. ;)

Das, was du ansprichst, ist der Punkt. Gewalt als Charakterisierung bin ich zu einem höheren Maße gewillt hinzunehmen, weil sie einfach einem Zweck dient. In den meisten Zusammenhängen, die ich so sehe, gerät sie zum Selbstzweck (und ist davor auch nicht gefeit, wenn sie wirklich noch eine weitere Funktion zu erfüllen hat).

Spong
28.11.2013, 13:48
ich fand DRIVE sehr konsequent und ehrlich. Ich fand auch die Gewalt absolut eingebettet in die Geschichte.

Ansonsten bin ich froh, dass ich meine Gewaltphantasien nur im öffentlichen Nahverkehr habe und nicht in meinen Stories. Klingt echt kompliziert hier.

Jenny
28.11.2013, 15:07
Wat?! Wenn die KVB dich ärgert, dann fahr mal aufm Jülicher Land Bus!

Jot
28.11.2013, 22:24
hat hier jemand eigentlich schon den film "drive" genannt?
ich finde hier ist die gewalt ein paradebeispiel der charakterisierung einer person.
vorsicht spoiler.

Hier ist Gewalt doch eher das Paradebeispiel, wenn man als Autor keine Idee für einen Film hat, einen hervorragenden 70er Streifen 1:1 kopiert und ihn durch die darstellung der Gewalt "modernisiert".
Original Gucken!
http://ia.media-imdb.com/images/M/MV5BMTY0NTIxMzI4MV5BMl5BanBnXkFtZTcwMTMxODkyMQ@@._ V1_SY317_CR5,0,214,317_.jpg

Ich freu mich schon von meinen Buddies zum remake vom Forbin Project mit Will Smith reingezogen zu werden.
Das Original ist übrigens ein grandioses Beispiel, wie man mit einem Minimum an Gewaltdarstellung das maximum rausholt
http://astrobioloblog.files.wordpress.com/2011/04/colossus-assassinations.jpg

ric_the_rat
29.11.2013, 04:12
"Du kannst den Menschen aus dem Krieg herausnehmen, aber nicht den Krieg aus dem Menschen" hat mal irgendwer gesagt, aber ich hab vergessen wer.


Die Wikinger waren nunmal in ihrer Rolle als Plündernde Truppe eine grausame Nummer, und ich stelle mir dann immer die Frage, wie es überhaupt soweit kommen kann. Welcher Trigger ist hier im Spiel, wenn Väter zu Mördern an Kindern werden? Ist da nicht vorher irgendwas passiert?


Ich hab nun definitiv kein Problem mit Schockszenen, aber ich z.B. empfinde es als gnadenlose Effekthascherei und langweilig, wenn der Fokus auf der Darstellung von Gewalt liegt, weil das zu Lasten der Geschichte geschehen muss. Der Erfolg Tarrantinos geht zuletzt nicht (!) auf die Darstellung von Gewalt zurück, sondern auf die Geschichten, wie sie erzählt sind, und in welchem die völlig ausufernde Gewalt sich selbst zuspitzt und verselbständigt. Das kann man dann zeigen, muss man aber nicht.


Wenn ich selbst mit solchen Fragen konfrontiert bin, muss ich mich auf das verlassen, was ich selber vertrage oder erzählen will, denn ich bin dann diejenige, die dafür gerade stehen und (im wirtschaftlichen wie psychischen Sinne) die Konsequenzen tragen muss.
Wie viel Krieg habe ich selbst in mir drin, und warum will ich Rache für was? Wie viel Krieg steckt NICHT in mir drin, und wie kann ich Gewalt abhaben, wenn sie mir persönlich passiert? Solche Fragen muss ich mir dann stellen und beantworten können, ein einsamer Weg, freilich.
Als Geschichtenerzähler macht man im Prinzip den selben Prozess durch wie ein Schauspieler, der seine Rolle IST. Zumindest ist das ratsam. Und die Kunst ist es dann, diese Dinge zu zeigen, sodass beim Leser oder Seher genau das ankommt, was in so einer Figur passiert. Insofern kann man da genau so weit gehen, wie man diese Übertragung von Emotion hinbekommt.


Es gibt da einen dänischen Film, nennt sich "Walhala Rising", der ganz gut veranschaulicht, welche Prozesse da ablaufen (und wie es aussieht). Aber die Dänen haben diesen ganz anderen Ansatz, die fühlen sich dann wohl, wenn es Anderen noch schlechter geht als einem selbst, sagte Lars von Trier mal. Wir haben in D-Land eine etwas andere Komfort-Zone. Und die US-Leute ebenso, weil die mit den Konsequenzen ihres Nord-Süd-Konflikts immer noch nicht durch sind. Da gehört Ballern zum Alltäglichen, so wie bei uns das Muss einer Versicherungspflicht oder die Diskussion um "das Recht auf". Das macht es so schwer, es irgendwem recht zu machen.
Und damit komme ich auf den Punkt: der einzige Mensch, dem man es "recht machen" kann, ist man selber. Die Grenzen des Machbaren liegen immer da, wo das eigene Herz sitzt. Wenn die Interessanz einer Wikingergeschichte eben genau den Fokus hat, den inneren Zwist durch zu viel Gewalt zu beleuchten, macht es durchaus Sinn, als Kontrapunkt zur Gewalt die Vorzüge des Handels zu zeigen, und dies dann als Massstab zu nehmen, zu zeigen, was zu zeigen ist.


"Warum ist Handel besser als Gewalt?" sollte da die Frage lauten, und als Gradmesser für den Kontrapunkt Gewalt im Gleichgewicht bleiben. Auch in der Wirtschaft wird mit nicht eben soften Bandagen gekämpft, nicht alles ist da eine Frage der Fairness. Handel hat nur den Vorteil, dass sie schonender ist für das Menschenmaterial. Muss man aber so erst mal fühlen können. In einer überbevölkerten, hungernden Zivilisation aber schwierig. "Wirtschaft, Liebe und Krieg sind dasselbe" sagen die Japaner, und haben da nicht ganz unrecht.


Und freilich ist es vielleicht auch eine Frage, nicht wie weit man gehen soll oder kann, sondern wie weit man gehen WILL. Das Zeigen von Gewalt in indirekter Weise kann viel erschütternder sein, als die direkte Zurschaustellung, weil man die Konsequenzen besser ins Bild rücken kann.
Realität ist immer subjektiv, weil sie mit der individuellen Wahrnehmung zu tun hat, welche wiederum mit dem persönlichen Erfahren zusammenhängt. Wenn meine Welt aus Gewalt und Vergewaltigung besteht, ist meine Wahrnehmung eine ganz andere, als wenn ich Gewalt nie erlebt hätte. Erlebe ich diese Art Gewalt aber in einem Film oder Buch, und wird sie gleichzeitig nicht als "gut" bewertet, sondern als Grund für Konsequenz und Handlung, erzeugt sie "Zeugenschaft", und verletzt somit die Komfortzone nicht. Ein aufgespießtes Kind kann man dann also tatsächlich zeigen, wenn man die Erinnerung des Täters (Ursprung der Gefühle) kennt: z.B. das massenhafte Sterben der eigenen Kinder. Und in diesem Moment wird das dann kein Splatter, sondern einfach nur eine fürchterliche menschliche Tragödie, die in einer Spirale der Gewalt endet.
Menschen ticken, was sehgewohnheiten betrifft, kulturell sehr unterschiedlich. Aber unsere psychischen Mechanismen sind immer dieselben. Sich daran zu erinnern, dass es die Aufgabe des Storytellers ist genau diese Mechanismen bloss zu legen wenn es um die Art des Erzählens geht, kann da sehr hilfreich sein.

Coffeehouse
29.11.2013, 11:55
Die Intention ist sehr wichtig. Will ich die Gewalt zeigen als Kritik oder Mahnung an eine bestimmte Sache oder will ich die Gewalt zeigen weil ich sowas gerne sehe und sie glorifiziere. Kriegsfilm vs. Anti-Kriegsfilm quasi. Bei Tribute von Panem sterben auch junge Kinder durch Speere und andere Dinge und der Film ist ab 12, weil er die Gewalt, die ein oppressives Regime einfordert, massiv kritisiert. Mein Eindruck war nur, dass manch einer eher zur Seite der Gewaltverherrlicher zählt oder einfach aus Trotz gegen gewisse gesellschaftliche Regeln bestimmte Tabus brechen möchte.

Selbst bei Star Wars bringt Annakin massenweise kleine Padawans um. Es wird klar, was er macht, aber man muss es nicht im Detail zeigen. So würd ich das auch mit den Wikingern lösen.

Themistokles
29.11.2013, 14:03
Nicht nur die Wikinger. Beim Lesen solcher Artikel braucht man keinen Comic oder Film. Aus der Wikipedia:

Sacco di Roma
Der Sacco di Roma (ital.), die Plünderung Roms und des Kirchenstaates ab dem 6. Mai 1527 durch deutsche Landsknechte und spanische und italienische Söldner gilt, über die italienischen Kriege hinaus, als ein Höhepunkt der Gewaltexzesse im Krieg durch von ihrer Führung nicht kontrollierbare Söldnerheere. ...............

Wer Lust hat kann den Artikel, bei Wikipedia, weiterlesen und mit Google Bildmaterial betrachten.

-Nietzsche-
29.11.2013, 18:01
Ja, ist alles schön & gut, aber das Thema VERMARKTUNG geht hier jetzt echt ein Bisschen unter...
Wenn das Comic ab 18 ist, bist Du nämlich praktisch auf dich alleine gestellt. Insofern stellt sich die Frage, ob Du schon einen expliziten Vertriebsweg in's Auge gefasst hast. Wenn ja, richtet sich der Inhalt ausschließlich danach. Falls Du von vorn herein den Guerilla-Vertriebsweg in Eigenregie wählst, brauchst Du dich natürlich in keinster Weise zurücknehmen. Mein eigenes 18er Comic (THEMISKYRA!) läuft praktisch nur über Mundpropaganda (Bekannte von Bekannten usw.)

Gena
29.11.2013, 18:10
Die Frühe Neuzeit war für sich genommen ein einziger Höhepunkt an Gewaltexzessen. Der Sacco di Roma ist da nur ein Beispiel von vielen. Die Berichte und Zeichnungen über die Englischen Bürgerkriege sind ebenfalls sehr detailreich an Grausamkeiten. Die Eroberung Südamerikas oder die Bartholomäusnacht wären zwei weitere Beispiele. Von der Gewalt im 20. Jahrhundert erst gar nicht zu reden. Traurige Wahrheit: Krieg und Grausamkeiten gab es immer.

Tierquälerei ist übrigens auch nichts Neues; Stichwort: Das große Katzenmassaker (https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Darnton#The_Great_Cat_Massacre_.281984.29)

Zur Diskussion "Was geht, was geht nicht" passen zwei aktuelle Kommentare über den Comic "Crossed":
http://www.comicforum.de/showthread.php?70882-Welche-Comics-habt-ihr-heute-gelesen-Der-gro%DFe-Review-Thread&p=4761455&viewfull=1#post4761455

Manaking
03.12.2013, 21:08
Passend zum Thema:

http://robot6.comicbookresources.com/2013/12/original-killing-joke-art-reignites-debate-about-torture-scene/?utm_source=twitterfeed&utm_medium=twitter

Zerobrain
04.12.2013, 11:46
Ich denke mal die Ausgangsfrage lässt sich nicht endgültig beantworten. Wie hier im wesentlichen schon gesagt wurde, ist das Meduim Comic in dieser Beziehung kaum engeren Regeln unterworfen. Rein rechtlich sind die angesprochenen Themen an sich allerdings bereits im kritischen Bereich, da je nach Auslegung theoretisch sogar strafgesetzliche Konsequenzen drohen können (StGB §131 - Gewaltdarstellung / §184 folgende - Pornografie). Zusätzlich kommt dann der Jugenschutz ins Spiel - konkret die IMHO schwammige Indizierungspraxis der BPjM. Je nach Kontext kann ein und die selbe (sexuelle/gewaltbezogene/..) Darstellung z.B. indizierungswürdig sein, während sie unter anderen Voraussetzungen als mehr oder minder harmlos bewertet wird.

Ausgehend von diesen Rahmenbedingungen ist sicherlich einiges erlaubt, wie man ja auch an einigen hier genannten Publikationen sehen kann.
Ich denke, alles was zu sehr ins Voyeuristische geht, läuft Gefahr dass es im Licht des (geächteten) Selbstzwecks erscheint. Wo da bei den verschiednenen Sachen die Grenze liegt, dürfte wiederum auch zielgruppenabhängig sein. Grundsätzlich sollte die Darstellung von sexueller Gewalt und auch Gewalt gegenüber Kindern, mit der entsprechenden Sorgfalt machbar sein, gerade im Hintergrund einer realistischen historischen Darstellung. Ob das nun den Geschmack der Leser trifft, steht wiederum auf einem ganz anderen Blatt.

@Manaking: gutes Beispiel. Im amerikanischen Mainstream gehen Blut und Möpse offenbar gar nicht, während hierzulande da kein Hahn nach krähen würde. Wobei ich da auch sagen muss, dass die zensierte Version möglicherweise sogar besser funktioniert. Ist halt die Frage, ob das nun eine zweckmäßige Selbstzensur war, oder eine prüde Vorgabe vom Verlag - hab ich jetzt in dem Artikel nicht näher nachvollzogen.