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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Comics im Deutschunterricht



Joshua
28.01.2001, 10:38
Comics waren schon immer Bestandteil des Deutschunterrichts - aber in welcher Form? Grauenhafte Strips von unterbezahlten Pseudo-Graphikern, die das Deutschbuch aufpäppeln sollten, haben dieses Medium im Unterricht oft zur Farce gemacht. Ansonsten wären da noch Asterix & Co., sozusagen "wertvolle" Comics, die man Kindern gerne zumuten darf.
Aber was ist mit Comics für Schülern der Oberstufe? Mit anspruchsvoller Comicliteratur? Mit einer Einführung in die Möglichkeiten und Spielarten dieses Mediums? Davon wurde uns nichts berichtet.
Mein Anliegen: Ich sammle didaktische Vorschläge, wie man das Medium Comic im Oberstufenunterricht erarbeiten könnte. Ich suche Tipps oder Themen, die man in der Schule umsetzen könnte. Bitte lasst eurer Kreativität freien Lauf. Besondere Literaturtipps zu dem Thema sind ebenfalls willkommen!
Didaktische Grüße.

Brian May
28.01.2001, 12:36
Ich glaube, die MArvelcomics der Sechziger sind ganz gut, da darin die antikommunistische Propaganda und Ideologie zum Ausdruck kam. Sehr gut, nicht nur für den Deutschunterricht (auch Geschichte etc.).
Ich bin grad am Lesen von Reinhard Schweizers "Idiolgie und Propaganda in den Marvelcomics", wo das Thema sehr gut getroffen wird. Kann ich nur empfehlen.

Sarah
28.01.2001, 17:04
Leider erinnere ich mich kaum noch an Details, aber eine frühere Deutsch Lehrerin gab ihren LK-Schülern mal die Aufgabe eine Comic-Version von Kafkas "Der Prozeß" zu interpretieren bzw. mit der Kurzgeschichte zu vergleichen. Ich glaube sogar der Comic wurde von Crumb gezeichnet.....
Dabei war es vor allen Dingen auch erlaubt zu erwähnen, was dem Zeichner nicht so gut gelungen ist usw.
Diese vergleichende Arbeitsweise zwischen Kurzgeschichte/Roman und Comicadaption finde ich gar nicht mal schlecht, es gibt, glaube ich, vor allen auch den Schülern, die nicht soviel mit Comics am Hut haben, die Chance auf einen grünen Zweig zu kommen....:)

Joshua
29.01.2001, 07:49
@Brian: Yo, mein Freund! Auch ich habe das Buch mit Begeisterung gelesen; auch stimme ich dir zu - da sind gute Möglichkeiten.
@Sarah: Eine gute Idee!! Der Comic wurde, glaube ich, nicht von Crumb gezeichnet. Wichtig ist aber: Du hast mich auf einen weiteren Gedanken gebracht.
Bitte noch mehr Ideen!!!
Dankbare Grüße.

Sezza
29.01.2001, 23:44
Es gibt einen Band mit kafkaesken Storys von Crumb (Titel ist mir entfallen) und das Buch "Kafka-Gibs auf und andere Erzählungen" illustriert von Peter Kuper - Carlsen 1997 - 32,00 DM - in dem "Der Prozeß" NICHT vorkommt. Die Story ist wohl doch von Crumb.

Der Letter-Man
02.02.2001, 16:19
"From Hell" wäre zwar eher was für Sozialkunde oder aber Geschichte, aber wenn`s schon um das Thema Comics im Unterricht geht, möcht ich das dann doch mal vorschlagen. Erstens: geile Geschichte, zweitens spannend aufbereitet und auch nett gezeichnet... :hallo:

Geier
07.02.2001, 15:35
Wäre auf jede Fall interessanter als dieses langweilige Kafka-Zeugs ...

Sezza
07.02.2001, 17:55
Jau, zugestimmt !!! KAFKA :rakete: :rakete: :rakete:

Gnorf
08.02.2001, 12:10
Na, na, na, Kafka ist doch kein langweiliges Zeug.Alte Literatur muss doch nicht immer unbedingt langweilig sein. Klar, in der Schule mussten wir manchmal so alte Kamelle lesen, aber es gibt Ausnahmen. Z.B. lese ich gerne die Bücher von Friedrich Dürrenmatt.Und Comicziechners wie z.B. Herge, der in seiner Jugen Büchern von Alexander Dumas oder von Viktor Hugo. Hmmm...David Mazuchelli hat einen guten Comic gemacht, nach der Geschichte von Paul Auster "Stadt aus Glas" und ein Kritiker hat sogar begeistert geschrieben, das Comics besser sind, wenn die nach einer Roman adaptiert werden als Filme.

Schwarze Katze
08.02.2001, 12:36
Comics im Unterricht?
Naja, bis auf ein wenig Eigeninitiative (Klausurersatzarbeit in Englisch zum Thema Comics und diversen Kurzvorträgen), Peanuts-strips im Englischbuch und einer kurzen un grauenhaften Einführung in Deutsch (wir mussten ein Tarzancomic zusammenstellen) war da nicht viel.
Aber ich kann von mir selbst sagen, dass ich so einige "Comichasser" (besser gesagt Leute die überhaupt keine Ahnung hatten und deshalb meinten Comics wären Schrott) bekehrt habe - das war echt schwer und hat 'ne Menge Nerven gekostet!

Wie wär's mit Preacher für den Religionsunterricht? *ggg*

dinter3
08.02.2001, 16:41
hauptsache GRIMM wird in den deutsch lehrplan aufgenommen!

Geier
08.02.2001, 16:49
Bei der Rechtschreibung sicher net !

Der Letter-Man
09.02.2001, 21:13
:herz: Jaaaaa! Preacher in den Religionsunterricht! Der Papst wird so schockiert sein, daß er sich zur Frau umwandeln läßt, die dann exkommuniziert wird, nur damit er DAS nicht miterleben muß. Hehehe.... Gerne wird der Verlag bereit sein, einmal probeweise alle 14 Paperbacks als Leseexemplare zur Verfügung zu stellen. Wie wär`s mit einer (hihi) bayerischen Schule... :D

Der Letter-Man
09.02.2001, 21:16
:eek: Da fällt mir ein: den EXTREMIST würden wir auch gleich mitschicken, hehe :scool:

Joshua
13.02.2001, 06:57
In der Tat hatte ich wenigstens an einige PREACHER-Auszüge gedacht. Schließlich handelt es sich um Schüler der Oberstufe. Im Religionsunterricht wäre das unangebracht, denn es geht mir nicht um reine Illustration (oder Provokation), sondern um das Medium Comic selbst, das hier in seiner Machart analysiert werden soll. STADT AUS GLAS ist übrigens ein guter Tipp. Dankbar wäre ich noch für methodische Hinweise.
Thanx.

Klopfer
28.02.2001, 20:29
In einem Deutsch-Lehrbuch, das ich mal hatte, war eine Seite aus der MAD abgebildet. Thema war wohl Bildung von Sätzen wie "Du weißt hundertprozentig, daß du dein Leben gefährdest, wenn du dieses grüne Zeug aus dem Kühlschrank ißt" oder so ähnlich (kann mich an den Wortlaut nicht erinnern...), und da war dieser Auszug ideal.

Joshua
11.04.2001, 13:41
Wollte den Thread noch einmal hochbringen, denn ich könnte weitere Tipps gut gebrauchen - die Arbeit ist in vollem Gange.
Grüße.

FilthyAssistant
11.04.2001, 22:20
wie stellt ihr euch das eigentlich vor, comics im unterricht?
soll jeder sein eigenes exemplar mitbringen?
wo kriegen dann die eins (zB preacher) her, wos keine comic-shops gibt? ausserdem würden sich viele schüler (bzw deren eltern) weigern, comics für den unterricht selbst zu bezahlen...
und leihexemplare sind doch sehr unrealistisch...

und wie soll das dann ablaufen? einer liest den text laut vor, die andern kucken die bilder mit?
ausserdem hätten viele doitsch-lehrer ihre probleme damit, ein graphisches werk zu interpretieren/analysieren, sollen die sich mit dem kunstlehrer zusammentun???

petra
21.04.2001, 15:41
@Joshua: Will Eisner wäre sicher gut geeignet - die späteren Sachen, nicht der Spirit - aber leider sind die meisten seiner Comics hierzulande vergriffen. Vielleicht ließe sich mit Kopien ja was machen.... Von Eisner gibt's auch zwei Sekundärbände: »Mit Bildern erzählen« (Comics and Sequential Art) und »Grafisches Erzählen« (Graphic Storytelling). »Comics richtig lesen« von Scott McCloud kann als Unterrichtsmaterial sicher auch nicht schaden.
Gruß (und viel Erfolg!) Petra

s.dinter
23.04.2001, 23:00
der gute alte robert crumb hat mal eine adaption von sartres "ekel" (hieß doch so, nicht wahr?! bin mir nicht ganz sicher) gemacht, die ziemlich klasse ist. in einer der letzten ausgaben von WEIRDO. und eisners MOBY DICK adaption ist sicherlich auch einen blick wert - es ist weder ein meisterstück dieses großartigen zeichners, noch eine wirklich gelungene literaturübersetzung (hat halt auch EXTREM weniger seiten als der roman), aber vielleicht ist gerade das von interesse, von wegen umsetzung/verkürzung/redaktion. oder so. in deutschland ist meines wissens nach noch nicht viel sekundärliteratur zu diesem thema erschienen, da wäre wahrscheinlich eckart sackmann der richtige ansprechpartner (falls er gerade in der laune ist). in den usa gibt es da mehr, ich erinnere mich an ein werk aus einer university press, daß sich um die darstellung geschichtlicher zusammenhänge im comic kümmerte - der titel liegt mir gerade nicht auf der zunge, aber ich schau mal nach, irgendwo liegt’s. ist halt in englisch.
darf ich zu guter letzt komplett unbescheiden auf die serie MABUSE (edition zwerchfell bei carlsen - www.zwerchfell.de (http://www.zwerchfell.de) und www.carlsencomics.de (http://www.carlsencomics.de) ) hinweisen? für den deutschunterricht möglicherweise als fortsetzung einer literarischen (pulp-)vorlage interessant. hat auch sonst ein paar ganz gute stellen.

LuG
23.04.2001, 23:14
Hähä, ich erinnere mich noch an ein Deutsch-Lesebuch aus meiner Schulzeit. Darin war eine Seite einer Neal Adams/Denny O'Neil-Batman-Geschichte abgedruckt (aus der berühmten Joker-Story). Das didaktische Ziel war es: "Wie kann Batman diesem Konflikt anders als mit Gewalt lösen?" Ich hab mich damals schon kaputtgelacht!

Aber mal im ernst: Der von Petra erwähnte Scott McLoud-Band ist sicherlich ein guter Tipp, schafft er doch eine kommunikationstheoretische Grundlage auf höchstem und neuestem Niveau. Geschichtliche Grundlagen findet man in dem von Andreas C. Knigge geschriebenen Standardwerk "Comics - derUntertitelistmirgeradeentfallen), ein rororo-Taschenbuch.

Äußerst beliebt im Geschicht-Unterricht ist wohl auch Art Spiegelmans "Maus" (ebenfalls Rowohlt). Eher was für die fortgeschrittene Kunststunde (und zudem seit Jahren vergriffen) dürfte "Feuer" von Matotti sein.

Was ich persönlich ja immer interessant finde ist ein Ansatz, wie man ihn bei Corto oder "Young Indiana Jones" findet: Eine Person findet sich an den Brennpunkten der Weltgeschichte in diesem Jahrhundert wieder und kommentiert diese aus einem sehr persönlichen Blickwinkel (die "Young Indy"-Comics hatten großartige Nachworte von Kurt Busiek).

Und schließlich: Der große alte Barks! Seine Reiseabenteuer sind nicht nur aufgrund der Recherchearbeit (ausschließlich "National Geographic") interessant, sie bringen den Lesern auf unterhaltsame Art Wissen näher. Oder wie Don Rosa mal sagte: "Ich habe im Laufe der Jahre mehrere Archäologen getroffen, die mir bestätigt haben, dass sie ihren Beruf auf Grund der Donald Duck-Stories von Onkel Carl ergriffen haben. Was werden dann eigentlich die Kinder von heute? Grimmige Vigilanten?"

s.dinter
24.04.2001, 08:30
... das buch von dem ich spruch ist von Joseph Witek und heisst COMIC BOOKS AS HISTORY - The narrative art of Jack Jackson, Art Spiegelman and Harvey Pekar (University Press of Mississippi, 1989) und dröselt sehr fein und verständlich die Umsetzung von Geschichte in Comics auf. Zeigt dabei eine Menge Kniffe über Erzählstruktur und Erzählerposition. Und das passt ja zum Deutschunterricht. Sollte man über die Fernausleihe kriegen können. Denk ich. Und dann gibt’s ja noch die vielgeschmähten ILLUSTRIERTEn KLASSIKER, da sind wohl auch ein paar Perlen dabei...

Manxman
02.05.2001, 08:00
Du redest sicher von dem letzten run der Illustrierten Klassiker, oder? Die mit den tollen Künstlern, Peter Kuper etc. Wo kriegt man da eigentlich Exemplare her?

Mit der Auswahl von Adaptionen wäre ich vorsichtig. Comics sehen im Vergleich zur Literatur doch oft blass aus. Was ich empfehlen kann sind die Tardi-Krimis. Der macht aus normalen Krimis grafische Juwelen. Es gibt sogar einen Analyseband, der die unterschiedlichen Stilmittel von Buch und Comic vergleicht (120, Rue de la gare, wenn ich mich nicht irre.) Ist aber preislich leider indiskutabel.

Mit Provokationen a la Preacher tut man sich eher keinen Gefallen, obwohl Garth Ennis und Steve Dillon das Medium wirklich perfekt nutzen. (Hab ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich mit der deutschen Übersetzung gar nicht glücklich bin?)

Ein toller Comic zum Analysieren ist "Poison River" von Gilbert Hernandez. Die ersten 10 Seiten sind schon wahnsinnig stimmungsvoll. Da sagt ein Bild echt mehr als viele Autoren auf 2 Seiten.

das'A'
12.05.2001, 12:44
ist echt ein thema für sich das ganze...!!! das problem ist jedoch, WIE die comics eingesetzt werden sollen.

1. als literarische vorlage (in normaler text-analyse)?
2. als literatur-adaption (vergleich bildliche umsetzung/ orginale-text)?
3. als erklärender fachtext (vgl McCloud oder Eisner)?
4. in pädagogischer rangehensweise (wie z.B. isabell kreitz "ohne peilung" o.a.)?

am vielseitigsten und spannendsten lassen sich comics m.e. jedoch einsetzen, wenn man sie
5. als zeitdokumente liest, denn da kann man auch "extremere" (d.h. nicht gerade konservative-deutschlehrer-fähige) comics aufführen.
zeitdokumente sind u.a. alte superhelden (die ganze Anti-**** -Propaganda-Geschichte), aber auch jene comics, die während des nationalsozialismus zur überläufer-werbung verteilt wurden (andererseits auch "vater und sohn", wenn man die tragische geschichte von erich ohser erklärt).

zeitdokumente können auch die 50er EC-Comics sein, wenn man sie mal in ihrem historischen zusammenhang betrachtet.

soweit ich mich erinnere, wird deutsch-unterricht nach genres sortiert. warum also nicht mal eine Unterrichts-Einheit Science Fiction, Fantasy etc...?

Foto-Love-Stories werden den Kids ja auch manchmal (aus Anbiederung) angeboten. Die meisten Formen der "trivialen" Bild-Literatur aber sind immer noch bähbäh.
Es gibt halt immer noch diesen bildungsbürgerlichen Literatur-Unterricht, aber keine zeitgemäße "Medien-Kunde", die z.B. auch visuelle Kommunikation mal systematischer thematisieren könnte.
Diese ganzen 68-Lehrer haben ihren "Lehrlings-Comic" oder "Asterix im Hüttendorf" doch längst dem mentalen Altpapier überantwortet. Mit Hypertexten können sie nix anfangen und Graphic Novels kommen auch an den Unis nicht vor.

Wenn ich weiter drüber nachdenk, rege ich mich auf. (Habe übrigens meine Examensarbeit darüber geschrieben, aber das ist auch schon ein Weilchen her...)

Mick Baxter
22.05.2003, 01:07
Posting zur Rettung dieses Threads vor der alleszerstörenden Macht der SysOps.