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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Auf Splashcomics: David Boring [Splashcomics - Rezensionen]



Bernd Glasstetter
08.01.2011, 23:20
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David Boring (man soll nicht vom Namen auf den Charakter schließen, aber hier ist er vordergründig Programm) liebt Ärsche. Anders, als die autobiografischen Figuren von Robert Crumb, die teilweise ihren ganzen Kopf zwischen den Hinterbacken draller Frauen versenken, lässt es Daniel Clowes seinen David subtiler angehen. Es ist dieser bestimmte Frauen-Typ, dem Davids Obessionen gelten: sehr weibliche Proportionen, unschuldig und unnahbar, mauerblümchensüß und mit einem wohlgeformten, großen Hinterteil ausgestattet. Viel mehr als die Sehnsucht nach solchen Frauen scheint ihn im Leben jedoch nicht wirklich anzutreiben.

Seine Geschichte erzählt David per Voice-Over selbst. Als der Comic eröffnet und der Leser ihn zum ersten Mal sieht, hat er bezeichnenderweise gerade Sex. Im folgenden drehen sich die Gedanken des Protagonisten immer wieder um wollüstige Dinge. Aber auch um die Suche nach dem wahren Ich seines Vaters, der ein Comic-Zeichner war (eine gut gemeinte Anspielung an den alten Superman-Zeichner Wayne Boring), und dessen Superhelden-Comics, die in einer fiktiven Ausgabe namens The Yellow Streak and Friends Annual abgedruckt wurden. David hat seinen Vater nie getroffen.

Clowes erzählt aber nicht nur die Leidensgeschichte eines heranwachsenden jungen Mannes, das wäre zu simpel. Er packt jede Menge leserbetörenden Stoff in seinen Dreiakter, der zeitweise zur Crime-Story mutiert (wer schoß auf David Boring und warum?) um sich letztlich in ein ausgefeiltes Psychodrama zu verwandeln, das von unerfüllter Liebe und der Suche nach dem Sinn des Lebens bestimmt wird.

Die Geschichte erschien ursprünglich in Fortsetzungen in den Nummern 19 bis 21 der Heftserie Eightball als Nachfolger der inzwischen verfilmten Storyline Ghost World, die auf Deutsch ebenfalls bei Reprodukt veröffentlicht wurde. Auch David Boring ist dafür prädestiniert, verfilmt zu werden. Clowes hat die Geschichte nicht nur formal, sondern auch optisch bereits so ausgelegt. Die Bildfolgen sind cineastisch. Es gibt ein paare kleine zusätzliche grafische Spielereien zum eigentlichen Comic: ein Filmplakat (Liebe am Abgrund), Kinoaushangfotos und sogar einen Abspann. Dieses Bildmaterial und ein paar Schnipsel aus dem Yellow Streak-Comic sind, anders als der schwarzweiße Comic selbst, in Farbe gestaltet.

Die Story erschien in den USA zum Ende des vorigen Jahrtausends. Eine leichte Millenniumsparanoia durchzieht den Plot, die mit Abstand, also aus heutiger Sicht, weniger unheimlich wirkt als möglicherweise vor zehn Jahren. Warum David Boring erst eine Dekade später den Weg nach Deutschland findet, bleibt angesichts des Kalibers dieser Graphic Novel ein Rätsel. Daniel Clowes schreibt vielschichtige Stories wie ein Breat Easton Ellis, inszeniert sie filmisch wie ein David Lynch und erteilte sich mit Ghost World und David Boring endgültig selbst den Ritterschlag zu einem der herausragendsten Szenaristen zeitgenössischer Autorencomics.




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