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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Auf Splashcomics: Nur keine Sentimentalitäten! [Splashcomics - Rezensionen]



Bernd Glasstetter
24.12.2010, 23:10
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Carl Barks war schon zu Lebzeiten eine Legende. Er gilt weltweit als der beste Duck-Zeichner und -Szenarist. Er war der GDA, der Good Duck Artist, der mit seinen besonderen Geschichten alle prächtig unterhielt. In Deutschland allerdings entwickelte sich ab den 1950er Jahren eine Besonderheit. Wenngleich Barks'sche Stories auch hierzulande als die besten angesehen werden, gibt es eine ziemlich große Anhängerschaft, die einer bestimmten Übersetzerin ebenso stark huldigt. In keinem anderen Land wird den Barks-Übersetzungen so viel Bedeutung beigemessen wie in good old Germany. Und das hat seinen Grund: Dr. Erika Fuchs.

In einem äußerst flott geschriebenen Stil beschreibt Fachmann Ernst Horst, der Gründungsmitglied und Ehrenpräsiderpel der Deutschen Organisation der nichtkommenziellen Anhänger des lauteren Donaldimus (D.O.N.A.L.D.) ist, wie es dazu kam, dass mit Dr. Erika Fuchs, eine studierte Dame mit Doktortitel, Chefredakteurin einer Kinderzeitschrift wie Micky Maus wurde und über viele Jahre Heft um Heft übersetzte. Als Naturtalent, das Hochliteratur und lebendige Alltagssprache liebte, schuf sie kleine Sprechblasenmeisterwerke, deren Einflüsse bis heute in den einschlägigen Feuilletons zu spüren sind. Sprüche wie Daniel Düsentriebs Dem Ingeniör ist nichts zu schwör gerieten zu geflügelten Wörtern.

Fuchs-Übersetzungen gelten bei den eingefleischten Donaldisten- und Hardcore-Fans als das Nonplusultra. Dabei sind ihre Übertragungen vom Barks'schen Englisch ins Deutsche keinesfalls originalgetreu. Sie übersetzte viel, und sie übersetzte vor allem alles. Anglizismen waren ihr ein Gräuel. Ein klar im Bild erkennbares Käse-Ketchup-Sandwich wurde von ihr Wurststulle genannt. Wenn Tick, Trick und Track in der Hamburger-Imbissbude das bekannte Hackfleisch-Lieblingsmenü amerikanischer Kids verzehren, wird dies in der Übersetzung als Obsttörtchen ausgewiesen. Kreativität und Einfallsreichtum war Trumpf. Allerdings darf man ruhig die Frage stellen, warum es so toll sein soll, wenn restlos alles eingedeutscht wird? Zum einen war es in den Fünfzigern und Sechzigern des vorigen Jahrhunderts einfach Usus, dass vieles eingedeutscht wurde, also eher "normal", wie auch in der Literatur (Dean Moriarty besucht in Jack Kerouacs Unterwegs nicht die Fisherman's Wharf in San Francisco, sondern die "Fischermann Werft in San Franzisko"), zum anderen sind die Geschichten und Wortschöpfungen von Carl Barks nicht so schlecht, dass man sie derart umschreiben muss. Das Besondere an den Fuchs'schen Texten ist, dass sie wirklich Entenhausen nach Deutschland verlegt haben. Amerikanische Bräuche wurden ignoriert, wo es ging. Wenn die Ducks beispielsweise im Panel klar erkennbar mit einem Hockeyschläger losziehen, wird im Text trotzdem behauptet, dass sie zu einem Fußballspiel gehen.

Nur keine Sentimentalitäten! ist im Grunde eine Lobpreisung der Übersetzungskünste von Dr Erika Fuchs, die weit über das hinaus ging, was ein Übersetzer normalerweise tut. Sie dichtete, sie erfand und sie schrieb neu. Immer wieder belegt Ernst Horst mit akribisch recherchierten Beispielen, wie genial die Fuchs doch war. Bei der Lektüre des Buches, wenn man als Leser all die kleinen fitzeligen Details und Anekdoten aneinandergereiht bekommt, beschleicht einen jedoch das Gefühl, dass vieles, was Erika Fuchs so schrieb, lediglich von den Umständen diktiert war. Sie übersetzte unter Zeitdruck. Sie recherchierte nicht direkt, sondern bediente sich ihres Gedächtnisses oder dem Fachwissen ihres Mannes. Es hing außerdem von den Inhalten ab. "Komische Geschichten hat sie besonders amüsant übersetzt, reine Abenteuergeschichten haben sie weniger inspiriert", so Horst.

Dabei fallen Dinge an ihrer Arbeitsweise auf, die eigentlich negativ ausgelegt werden könnten. Donald Ducks Nachbar Jones wird zum Beispiel nicht konsistent übersetzt. Zunächst heißt er durchaus treffend Meier, weil es sich bei Jones im Englischen um einen Allerweltsnamen handelt. Später heißt er dann aber Knackfuß oder Zorngibel oder Knoll oder Schorsch Schurigl oder Nebelsiek oder Rolnik. Dieses Wirrwarr kommentiert Horst in seiner süffisanten Art treffend mit: "Das sind mehr Namensänderungen als uns The Artist Formerly Known as Prince bisher zugemutet hat. […] Sie hat den Jones immer wieder übersetzt und alsbald wieder vergessen".

Viele Geschichten hat Fuchs zwei Mal übersetzt. Mal sind die neuen Texte ähnlich, mal beinhalten sie völlig andere Worte. So wird auch der Hund der Ducks, Bolivar, auf Deutsch mal so und mal so genannt. Man kann das damit entschuldigen, dass Erika Fuchs über einen sehr langen Zeitraum übersetzt und sich nie um Konsistenz geschert hat. Schließlich erschienen die Barks-Geschichten in der Micky Maus oder dem Donald Duck Sonderheft auch nicht chronologisch.

In einem Kapitel (Einfache Leute aber herzensgut) geht Horst durchaus selbstkritisch auf die Donaldisten ein, für die nur Barks und auf Deutsch nur Fuchs zählt. "Man muss den Donaldismus an seinen Erfolgen messen und nicht an seinen Misserfolgen", meint er und schließt das Kapitel mit Theodore Sturgeons Gesetz, das besagt, dass neunzig Prozent von allem Schrott ist. "Das gilt auch für den Donaldismus. Das gilt sogar für die Fuchs-Übersetzungen." (Seite 285).

Das Buch ist mit rund 250 Zeichnungen von Carl Barks und den zur jeweiligen Passage passenden Fuchs-Sprechblasentexten sehr gut illustriert. Die einzelnen Kapitel stehen für sich und sind allesamt in einem modernen, spaßigen Stil verfasst, bei dem der Autor sich und seine Lebenserfahrungen nicht außen vor lässt. Denis Scheck bringt es mit seiner Klappentext-Bewertung des Buchs als "blitzgescheites, kurzweiliges Grundlagenwerk" ziemlich genau auf den Punkt. Ernst Horst hat jedoch die leicht irritierende Tendenz, dass er wirklich jedes halbwegs markante Wort im Internet, vor allem bei Wikipedia, recherchiert hat. Letztlich wirkt genau dies etwas ermüdend, und die große Kunst dabei scheint eher zu sein, mit welcher Penetranz er dies gemacht hat. Es ist schön, wenn man erfährt, dass Hahnenklee keine Blume, sondern ein Stadtteil in Goslar im Harz ist, aber es ist nicht ganz klar, was Horst damit wirklich aussagen will. Mal beweisen seine Beispiele, dass Erika Fuchs kongenial mit Worten jonglierte (manchmal auch unfreiwillig), mal beweisen sie genau das Gegenteil.

Knapp 40 Seiten widmen sich damit, wie man mit Fuchs-Zitaten durch Leben schreiten kann. Statt einem Spruch von Goethe, Schiller oder Shakespeare, könnte man berühmte Worte von Dr. Erika Fuchs anwenden. Hier versteigt sich der Autor über die Maßen in durchaus lustige Interpretationen, die aber etwas übers Ziel hinausschießen. Sprüche wie "Graf Zeppelin wurde ausgelacht" oder "Können Sie den Quatsch verstehen? - Nicht die Bohne!" sind halt kein "Dem Ingeniör ist nichts zu schwör" (der auch nicht direkt von Fuchs stammt, sondern aus einem Lied von Heinrich Seidel) - und schon gar kein "Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage" (Shakespeare) oder "Da steh' ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!" (Goethe)

Es gibt einen brauchbaren Anhang mit Hinweisen, auf die Primärliteratur, also die Comics mit Original-Fuchs-Texten, jede Menge Zitat- und Bildnachweise oder weitere Leseempfehlungen.





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