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Bernd Glasstetter
18.12.2010, 00:53
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Serienmörder haben es Peer Meter angetan. Zusammen mit der preisgekrönten Zeichnerin Isabel Kreitz erschien im Herbst bei Carlsen eine Graphic Novel über die letzten Monate des berühmtesten deutschen Serienmörders Fritz Haarmann. Davor schrieb er Szenario und Text eines Comics über die Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried mit dem Titel Gift (http://www.splashcomics.de/php/rezensionen/rezension/11302)(Reprodukt) (http://www.splashcomics.de/php/rezensionen/rezension/11302) und 2011 wird ein Comic über den schockierenden Serienmörder Karl Denke erscheinen. Vasmers Bruder, so der Titel, ist von David von Bassewitz gezeichnet und wird derzeit in Fortsetzungen im monatlichen Magazin COMIX vorabgedruckt.

Die Ursprünge zu dieser "Serienmörder-Trilogie", wie Meter die drei Bände zusammenfasst, liegen aber schon viel weiter zurück. Bereits vor zwanzig Jahren, 1990, war Haarmann ein Thema. Damals startete der Bremer Szenarist den ersten Versuch, die haarsträubende Geschichte des homosexuellen Kriminals, der von 1918 bis 1924 in Hannover mindestens 24 junge Männer ermordete, in Comicform darzustellen. Der Zeichner hieß Christian Gorny. Die Umsetzung war auf mehrere Bände ausgelegt. Aber es blieb bei einem unfertigen Projekt, denn nach dem ersten Teil war Schluss. Die Zeit war nicht reif für Autorencomics oder Graphic Novels. Auch dass Gorny seinen extravaganten, großzügig kritzeligen Zeichenstil für Band 2 radikal auf Mainstream umstellte, half nichts. Carlsen zog den Stecker. Aber da Serienmörder es, wie eingangs erwähnt, Peer Meter angetan haben, holte er viele Jahre später das Konzept wieder aus der Schublade.

Zum Glück, muss man sagen, denn der zweite Anlauf mit den filigranen Bleistiftzeichnungen von Isabell Kreitz ist wirklich äußerst gelungen. Die einzelnen Panels sind so detailverliebt, dass man jeder Seite die tiefgehenden Recherchen anmerkt, die angestellt wurden. Fast schon fotorealistisch ist die Altstadt des Hannovers der 1920er Jahre umgesetzt. Die Bilder sind so akribisch und akkurat, dass die Personen schon wieder ein wenig wie Fremdkörper und manchmal etwas statisch und emotionslos daher kommen. Der Stil ist einerseits beeindruckend in seiner Klarheit und überzeugenden Präzision, anderseits hat er etwas von Malen nach Schulbuch, wirkt tendenziell brav und bieder. Durch seine realistische Genauigkeit und die beobachtende Sichtweise wird das schreckliche Thema jedoch goutierbar. Vieles wird von Isabell Kreitz nur angedeutet. Und das ist gut so, denn es erhöht die Subtilität des Comics. Man stelle sich das einmal vor: Haarmann war schizophren, schwul, ein Agent Provocateur im Dienste des örtlichen Diebstahlkommissariats, arbeitete als Detektiv und lebte in einer beispiellosen Doppelrolle als Ermittler und Mörder mitten in der Gesellschaft. Seine Opfer brachte er nicht nur um, er zerlegte sie fachmännisch in Einzelteile, verkaufte das gute Fleisch an Hannoveraner Bürger, verarbeitete den Rest zu Wurst und schmiss unbrauchbare Überreste in die Leine.

Die in sieben Kapiteln erzählte Geschichte Haarmanns wird ergänzt durch einen Artikel von Peer Meter über die historische Situation nach dem Ersten Weltkrieg, die Lebensumstände des Serienmörders und die Belege aus der wahren Geschichte. Ebenfalls finden sich Vorstellungen der wichtigsten Personen. Insgesamt sehr brauchbare Zusatzbeiträge, die das Gesamtpaket gut abrunden.



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