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Bernd Glasstetter
18.12.2010, 00:53
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Auf den ersten Blick erweckt der Band Assoziationen zu dem Meisterwerk Persepolis von Marjane Satrapi. Schließlich werden in beiden Bänden, zumindest teilweise, die gesellschaftlichen Strukturen und das Leben in einem nahöstlichen Staat beschrieben. Da enden aber auch schon die Ähnlichkeiten. Ist Persepolis autobiographisch und politisch gefärbt, schildert Meine Beschneidung nur eine Episode, die aber auch sehr politisch ist.

Der Band ist kein Comic im eigentlichen Sinne, da nicht anhand sequenzieller Bilder erzählt wird. Aber er ist auch kein illustrierter Roman. Er ist eine Mischung. Manche Stellen werden nur durch Wörter erzählt, andere nur durch Bilder. Es gibt auch keine Panels, sondern die Zeichnungen schweben quasi frei auf der Seite und es gibt auch so gut wie keine Bildhintergründe. Es werden fast nur Personen gezeichnet. Somit lösen sich Text und Bilder eher ab, als das sie eine Symbiose eingehen. Die Zeichnungen sind dabei ganz in einem reduzierten Cartoonstil gehalten mit übertriebenen Proportionen und kräftiger Aussparung.Vielleicht trifft die Umschreibung es am besten, dass es durchaus ein achtjähriger Junge hätte zeichnen können. Der Inhalt ist aber, obwohl aus Kinderperspektive erzählt, eher für Erwachsene.

Es gibt einen Kinderblick auf die Gesellschaft und den Staat Syrien Anfang der achtziger Jahre. Diese Perspektive bietet humoriges, aber auch erschütterndes, welches leichtfüßig daherkommt. Da wäre zum einen der rabiate Unterrichtsstil. Und zum anderen die Indoktrination der Kinder. Schon in der Schule wird ihnen ein Haß auf den Staat Israel und auf Juden eingeimpft. Das hinterläßt ein sehr mulmiges Gefühl und weckt pessimistische Perspektiven in Bezug auf den Friedensprozeß. Insgesamt wird Syrien als ein rückständiger Staat beschrieben, in dem weder eine Aufklärung existiert, noch Kinder sonderlich beachtet werden. Die patriarchalischen Strukturen lassen keine Nähe zu. Der Vater redet kaum mit seinem Sohn und so unterstützt er noch die Angst des Kindes. Diese Angst kann nur durch Fantasie bewältigt werden, da die Ratschläge anderer nur nutzlos sind. Aber die Fantasie läßt auch zu, dass der kleine Riad enorme Kastrationsängste bekommt.

Das alles wird interessant, sensibel, komisch und wütend erzählt. Es kommt leichtfüßig daher, aber der Leser fragt sich am Ende schon, was man Kindern damit antut, wenn man nicht mit ihnen redet. Mit den großen autobigraphischen Klassikern wie Persepolis oder Blaue Pillen kann es nicht mithalten, aber dennoch ist Meine Beschneidung eine nette und interessante Lektüre.





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