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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Auf Splashcomics: Eigentlich ist das Leben schön [Splashcomics - Rezensionen]



Bernd Glasstetter
08.12.2010, 01:11
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Eigentlich ist das Leben schön. Stimmt. Aber wieso gefällt es Seth, dem 1962 geborenen kanadischen Szenaristen und Künstler nicht?

In diesem scheinbar autobiografischen Werk, dessen Titel ein Motto ist, das Seths Mutter oft benutzt hat, als er noch ein Kind war, zeigt Gregory Gallant, wie der Zeichner mit bürgerlichem Namen heißt, dass er "eigentlich" in eine falsche Zeit geboren wurde. Er fühlt sich wie ein lebender Anachronismus, der mit der heutigen Welt nicht richtig klar kommt. Der Comic ist aber nur scheinbar autobiografisch und authentisch, weil Seth später erklärte, dass weite Teile davon erfunden sind. Wie zum Beispiel das Objekt seiner Recherchen, der Zeichner Kalo. Den gab es nämlich nicht. Selbst wenn im Verlauf der Geschichte geschickt eingestreute Hinweise auftauchen, die Authentizität suggerieren, und im Anhang sogar "echte" Cartoons mit Quellenangaben und ein Foto von "Kalo" abgedruckt werden. Damit ist Kalo letztlich so wenig greifbar wie die Sehnsüchte und Begierden der Hauptperson.

In den 1990er Jahren, als Mini-Comics in den USA als Publikationsform für Selbstverleger en vogue waren, startete Seth seine Serie Palooka-Ville. Diese wurde später gesammelt als Eigentlich ist das Leben schön aufgelegt. Seth befand sich da in illustrer Gesellschaft, denn Künstlerkollegen wie Joe Matt (Peepshow) und Chester Brown (Yummy Fur) begannen ungefähr zeitgleich mit dem Publizieren ihrer eigenen, selbstverlegten Comics. Egal, was Seth später gesagt hat, seine Geschichte muss autobiographisch geprägt sein. Der Kumpel, der dem ärmlichen Protagonisten in der Story weiterhilft heißt "Chet" und sieht Chester Brown verblüffend ähnlich. Er selbst scheint dem Seth im Comic, mit Brille, Hut und dem langen Mantel ebenfalls wie aus dem Gesicht geschnitten.

Seths Zeichenstil ist unspektakulär, offenbart aber ein feines Gespür für Design, was ihm später beim Bearbeiten der Gesamtausgabe von Charles M. Schulz" Comic-Strip The Peanuts zu Gute kommen sollte. Die Geschichte ist voller ruhiger Momente, in denen nicht viel passiert, außer, dass Figuren reden oder nachdenklich durch die Gegend laufen. Seine Anatomie stimmt zwar nicht ganz, zum Beispiel zeichnet er viel zu kleine Füße, aber das stört nicht im Geringsten. Immer wieder bringt Seth Gesamtansichten von Landschaften oder Gebäuden oder Gedankenspiele aus dem Off, die nachdenklich stimmen, und schafft eine fast schon bezaubernde Atmosphäre. Unterstützt wird diese durch einen eher ungewöhnlichen Duoton-Druck, schwarzweiß mit einem blaugrünlichen Farbton.

Das US-amerikanische Comic Journal erstellte 1999 eine Liste der 100 besten Comics des 20. Jahrhunderts. Dort landete Eigentlich ist das Leben schön auf Platz 52 und befindet sich damit im Kreise von Werken wie Krazy Kat, Peanuts, Pogo, Maus, Little Nemo in Slumberland und vielen mehr. Wenngleich der Band nicht an die zeitlose Klasse der genannten Comics heranreicht, es ist eine pulsierende, leicht traurige und durch die Bank interessante Geschichte aus dem Leben eines Eigenbrötlers, von dem vielleicht Facetten in jedem von uns stecken.




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