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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Happy Birthday, Onkel Carl



Ungewitter
27.03.2001, 20:03
Zum heutigen Hundertsten sollten wir dem Duck-Man gratulieren. Wo auch immer er gerade ist, wir werden noch lange Jahre an ihn denken, und ich werde an jedem seiner Geburtstage eine seiner Geschichten lesen. Durch die Ducks hat er sich unsterblich gemacht, und somit müssen wir auch jedes Jahr seinen Geburtstag feiern !

Erstaunlich übrigens, dass man in der Tagespresse kein Wörtchen darüber findet. Nicht mal in der FAZ. Hat PaTrick Bahners Urlaub ? Egal, Happy Bithday, Carl. Ich trink einen auf Dich !

Zynicus
28.03.2001, 00:04
Auch von mir "Happy Birthday" (wenn auch eine Stunde zu spät ;) ):
Ungewitter, gestatte, daß ich dir widerspreche: "Die Welt" vom Dienstag, S.31 "Ententanz: Zum 100. Geburtstag von Carl Barks", über die halbe Seite, weil mit Comic aus dem Thanks-Buch (und sehr durchwachsener Kritik darüber!). Gibt´s möglicherweise auch auf deren Webseite, bin aber jetzt zu faul zum suchen.

Micha
28.03.2001, 09:33
Original erstellt von Zynicus:
Auch von mir "Happy Birthday" (wenn auch eine Stunde zu spät ;) ):
Ungewitter, gestatte, daß ich dir widerspreche: "Die Welt" vom Dienstag, S.31 "Ententanz: Zum 100. Geburtstag von Carl Barks", über die halbe Seite, weil mit Comic aus dem Thanks-Buch (und sehr durchwachsener Kritik darüber!). Gibt´s möglicherweise auch auf deren Webseite, bin aber jetzt zu faul zum suchen.

Voilà der Link und natürlich der Artikel:
http://www.welt.de/daten/2001/03/27/0327ku243308.htx


Ententanz

Zum 100. Geburtstag von Carl Barks

Weit draußen, irgendwo im Universum, gibt es einen Asteroiden, der den Namen von Carl Barks trägt. Ein Sternenforscher hat ihn nach dem Zeichner benannt. Der gute Stern am Firmament. Den größten Teil seines Lebens verbrachte Carl Barks, der im letzten Jahr starb und am Dienstag seinen 100. Geburtstag feiern würde, in Anonymität, bekannt nur als "the good artist" von Disney. So konnte er seine bürgerliche Öffentlichkeit erschaffen, die in all ihrer Liebenswürdigkeit ihresgleichen sucht. Der gute Zeichner formte Entenhausen, die Stadt und den Erdkreis, nach seiner Fasson. Immer neue Figuren scharte Barks um Donald Duck, um mit seinen Geschichten alle menschlich-allzumenschlichen Regungen auszuloten. Mit Dagobert Ducks Geldspeicher werden die Geldkreisläufe unserer Wirtschaft auf die Spitze getrieben und zugleich ad absurdum geführt.
In Entenhausen gibt es Fortschritt und Zukunft nur mit Hilfe von Enten; schon Hunde stehen für Stillstand und Verbrechen. Die Ducks bleiben, wie sie sind: Der Mythos macht sie unbeweglich, und gerade das sichert ein Dasein, das wir alle lieben und verehren, selbst wenn der gute Zeichner nicht mehr da ist, sondern auf seine Stadt und seine Leser hinabschaut. Irgendwo im Universum, weit draußen. krei


Bereits am 24. März erschien der folgende Artikel:
http://www.welt.de/daten/2001/03/25/0325kfi242809.htx

Donalds unbekannter Vater

Carl Barks war für die Leser bloß "der gute Zeichner". Der Erfinder von Entenhausen blieb lange ein Künstler ohne Namen. Am 27. März wäre er 100 Jahre alt geworden

Von Klaus Theweleit

Nicht nur der Hollywood-Film, auch die Comic-Produktion der 30er- und 40er-Jahre hatte ihr Studio-System. Es bildet die Folie für Carl Barks' Laufbahn, so, wie sie Michael Barrier in "Carl Barks. Die Biographie" (Brockmann und Reichelt, 39,80 Mark) beschreibt. Dass Walt Disney nur ein Name ist für die vielen Zeichner, die Hand an seine Figuren leg(t)en, weiß inzwischen jeder. Walt selbst interessierte sich fast ausschließlich für den Zeichentrickfilm, als Carl Barks, der profundeste Zögling seiner Studios, seine ersten eigenen Storys zeichnete. Der Disney-Film "Dumbo" war ein Erfolg gewesen, aber "Fantasia" sowie "Pinocchio" Misserfolge. Disney suchte nach Ausgleich, u. a. durch die Walt-Disney's-Comics; eine Heftserie, die das MickeyMouse-Magazin ablöste, das 1940 sanft entschlief. Doch nicht einmal in den Disney Studios wurden die Donald-&-Dagobert-Strips produziert, sondern in Lizenz von der Western Publishing Company in Los Angeles. Carl Barks arbeitete ab 1942 für dieses Studio von Comiczeichnern. Vertrieben wurden die Hefte von der Dell Company. Bei der Western war es üblich, die Storys von Spezialisten überarbeiten zu lassen, wie die Drehbücher bei United Artists, Paramount oder MGM. In den regelmäßigen Meetings bei Studiochefin Eleanor Packer musste jeder Zeichner seine Story laut vorlesen; dann wurde sie zerpflückt ... oder auch nicht. Barks erlangt im Lauf der 40er den Status, seine Entwürfe nicht mehr vorzeigen zu müssen: "der Dalai Lama unter den Studioschreibern", wie etwa Hitchcock später bei der Universal, nachdem er den Eingriffen von Darryl Zanuck entkommen war.
Während seiner ganzen 25 Jahre bei der Western bleibt Barks ein Künstler ohne Namen, immer an der Armutsgrenze, nie Urlaub, 25 Jahre Plackerei. Seine Ehefrau Garé, Landschaftsmalerin, hilft bei den Bildhintergründen. Ausgebeutet worden sei er nicht, sagt er. Was er gemacht hat, habe seinen Fähigkeiten entsprochen. Wer z. B., sagt Barks, hätte das in einem marxistischen Land tun können: seinen Fähigkeiten entsprechend leben. Wenn er es nicht zu einer eigenen Comicfirma gebracht habe, sei das seine Schuld. Eine Kritik nur: Zu viele Leute hatten ihre Finger im Spiel, jeder wollte was abhaben, es blieb nicht viel übrig für den Erfinder, den grandiosen Zeichnungsbeamten. Ein wenig "Donald" klingt da durch ... nur dass der unermüdliche Entenmann wirrer ist in seiner Art von Stetigkeit, ko(s)mischer ...

Ab Mitte der 50er verlieren seine Storys und Zeichnungen an Spannkraft, findet Michael Barrier. Abnutzungserscheinungen, auch Einsprüche von Müttern, die monieren, Donald und die Neffen würden sich zu oft streiten. Der Verleger gibt Weisung an Barks, so etwas abzustellen ... zunehmend die Lust verloren.

Barks, der 99 Jahre alt wurde, widerspricht solcher Einschätzung nur halb, fügt aber hinzu: Früher wurde ich mit dem feinsten Papier von Strathmore ausgestattet; jetzt, Anfang der 60er, geben sie mir eine Art Altpapier aus Deutschland, in dem Stift und Feder stecken bleiben ... die Verlagsbranche spart. Vertraute Melodien in den Ohren heutiger Studioangestellter, Hersteller von Music-Clips, TV-Serien, CDs.

Michael Barriers Buch ist jenseits billigen Superstarkults, liebevoll, kritisch und gut recherchiert, einschließlich Barks "Discographie". C. B., ein Zeichner mit Höhen und Tiefen, den "größten Meister" des Jahrhunderts kann man sich schenken; das Lob der Leser, die den "good artist" unter den anonymen Zeichnern der Ducks herausfanden, ist exakt genug. Carl war der Beste unter diesen. Und konnte so gut deshalb sein, weil er Teil einer ganzen Reihe von Erfindern war, die das Comiczeichnen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts zu einer medialen Hochblüte trieben ... neben einigen Psycho-AnalytikerInnen die einzigen, die die Ausrufung des 20. zum "Jahrhundert des Kindes" beim Wort und ernst genommen haben. Völlig vermessen, einen aus diesen Hunderten herausheben zu wollen, und garantiert nicht im Sinne von Barks, der sich genau als Teil dieser Erfinderkultur sah.

Ein Handbuch, ein Wegweiser durchs Ducksche Labyrinth für alle, die es politisch haben müssen, ist "Dagobert und Donald Duck. Welteroberung aus Entenperspektive" von David Kunzle (Fischer TB, 16,90 Mark). Und ein Buch über die Grenzen der Ideologiekritik; insofern immer noch ein "Lehrstück". Wenn wir Dagoberts Initialen (Uncle Scrooge) nehmen und sie dann als Uncle Sam lesen (was von Barks beabsichtigt war), dazu Donald und die Kinder im Fähnlein Fieselschweif als das militärische Personal, das in den einzelnen Storys die amerikanischen Verfahren der Welteroberung durch Kolonisierung und Cola-nisierung, wie Kunzle sagt, propagiert und (nur manchmal) auch parodiert, dann sind Barks Geschichten eine Art Blaupause der Pläne des Pentagon für die Zeit von 1945 bis zum Vietnamkrieg. Anhaltspunkte für diese Sicht in den Storys gibt es reichlich. In der Tat füttert Barks ständig Zeitungsaktualitäten aller Art in seine Storys ein; die politischen sind dabei allerdings ein Fundus unter anderen; gehören für mich eher ins Kapitel "Präzision im Alltäglichen". Der Amerikaner Kunzle sieht das anders; er schaut durch ein Riesenteleskop auf die Boxringpanels ... eine Riesenlupe ... und er sieht lauter großen, Kalten Krieg sieht Dagobert und die Macht der amerikanischen Konzerne. Okay. Aber wenn die Panzerknacker, die schon wieder den Geldspeicher bedrohen, als Ausdruck der "amerikanischen Angst vor der kommunistischen Expansion" gesehen werden, lachen da nicht die Hühner, besonders die wunderbar viereckigen aus dem Duck-Abenteuer "Lost in the Andes" (Im Land der viereckigen Eier), die Kunzle als Modell US-amerikanischer Kolonialpolitik etwa in Peru entstellt. Barks' Kunst nähere sich "jenen Phantasiegebilden, die sich selbst widerlegen". Aber nein, das gerade tun sie nicht. Die exakte Leichtigkeit von Barks Zeichnungen, rhythmisiert vom unwiderstehlichen Gekicher und aufscheinenden Augenglanz der Leser, widerlegt ihrerseits solchen Ideo-Blick.

Fürs "Ästhetische" erklärt Kunzle sich typischerweise unzuständig, um dann "formale Schlichtheit und mühelose Lesbarkeit" von Barks zu loben, sowie den "(natürlich) kindlichen Zeichenstil, der jedoch eine gewisse Finesse aufweist, besonders was die formale Beziehung zwischen Bildern oder Bildsequenzen auf der einen Seite (die Montage) betrifft, die ihre eigene Ästhetik hat".

Wow! Kindlich, oder Finesse? Formale Schlichtheit oder artistische Montage? Zufällig schließt sich das aus. Quack. Es ist genau anders: Wer in den 40ern in den Staaten und in den 50ern bei uns mit Carl Barks in die Donalds tauchte, lernte mit dem Schweifen und Springen des Auges von Bild zu Bild Schnitttechniken ... Verschiebung des Blickpunkts, Halbtotale, Großaufnahme, Achsensprung, Beleuchtungswechsel: die Figuren im Schattenriss. So ist das erste Bild bei Barks, das Dagobert Duck zeigt, in "Christmas on Bearmountain", 1947, eine klare "Citizen Kane"-Einstellung.

Es ist aber einfach nach wie vor so, dass Leute, die sogar Bücher über Comics schreiben, die grundlegenden Verfahren des Filmschnitts für "kindlich" erklären. Alle die Ellipsensprünge (die angeblich Godard erfindet in "Außer Atem") hat das "schlichte Kindergemüt" in den 17 Jahren davor bei Carl Barks unter der Hand aufnehmen können, eine Gehirnmassage, kaum geringer, als die durch die Computermonitore in den 80ern, 90ern, jetzt.

Nützliche Details aber doch: Kunzle weist nach, dass die Tilgung politischer Zusammenhänge in den sonst so gelobten Übersetzungen von Erika Fuchs nicht gebrochen ist: Abwürfe von Napalm zwischen Dagobert und den Panzerknackern, Marinesoldaten, die die Ducks im Innern Afrikas befreien, Enten im Nahen Osten, die Araber aus ihren Häusern vertreiben, sind im Deutschen unkenntlich gemacht. Besonders bedauerlich die Umbenennung des Dollars der Urfassungen in den Taler der deutschen Versionen. Barks arbeitete gerade nicht mit einer Phantasiewährung. Comic war eine der neuen Halluzinationen fürs Erblicken des Realen. Und führte keinen Krieg.

Klaus Theweleit ist Schriftsteller und Professor für Kunsttheorie an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Karlsruhe.



[Dieser Beitrag wurde von Micha am 28. März 2001 editiert.]

Gyro
28.03.2001, 12:36
Ein Hoch auf Unca Carl auch von mir!

Wenn die Medien nicht soo viel ueber seinen Geburtstag berichtet habe, liegt das sicher daran, dass erst kuerzlich seinem Tode so ausfuehrlich gedacht wurde.
Idealerweise muessten beruehmte Leute wohl ein Lebensalter erreichen, das einem ganzzahligen Vielfachen von 25 plus 12,5 Jahren entspricht. Dann wären die Jubiläen ideal verteilt.