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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Spirou & Fantasio: Die Gruft derer von Rummelsdorf



garyhobson2002
11.05.2008, 15:39
Wie gefällt euch denn der neue Band der One-Shots-Reihe von Tarrin & Yann?

Hier mal eine Kritik von mir, die meinem Blog entstammt (http://coolcritics.blogg.de/eintrag.php?id=132):

Vor Kurzem ist nun der dritte Band aus der Spirou & Fantasio-"One Shots"-Spezialreihe erschienen, in der jeder Band von einem jeweils wechselnden Zeichner/Autoren kreiert wird. Und das ist auch gut so, da die bisherigen Auswüchse zwar einen interessanten, alternativen Blick (Die steinernen Riesen von Yoann & Vehlmann wirkten fast skizzenhaft und Die Sümpfe der Zeit von Frank LeGall ist im Stil der Ligné Claire gemacht) samt gar nicht mal sooo schlechten Storys boten, insgesamt aber einfach nur ansatzweise für die regulären Spirou-Abenteuer geeignet gewesen wären.
Das Beste vorweg: Der vorliegende Band Die Gruft derer von Rummelsdorf von Fabrice Tarrin & Yann (welcher jahrelang eng mit Franquin u.a. am Marsupilami arbeitete) ist zweifellos bislang der Beste der One-Shots und der Einzige, der tatsächlich im Stil der École Marcinelle gezeichnet wurde.

Ein kurzer Abriss der Story: Der Comic beginnt damit, dass ein Expeditionsteam in Nepal vergeblich versucht, irgendwelche Gebirgshöhlen zu erkunden - mit von der Partie ist Steffani, die Foto-Journalistin, die in Aktion Nashorn von Franquin eingeführt wurde und zuletzt in den Bänden von Tome & Janry auftauchte.
Sie versucht ihren Auftraggeber zu überzeugen, dass nur Spirou und Fantasio der Expedition zum Erfolg verhelfen können.
Als Nächstes sehen wir unsere beiden Titelhelden in dem klassischen blauen Turbot (der hier ominöserweise Turbo genannt wird - deutscher Übersetzungs/Continuity-Fehler?) nach Rummelsdorf rasen.
Der Graf hat sie angerufen und habe - mal wieder - eine unglaubliche Entdeckung gemacht.
Als die beiden ankommen finden sie das Schloss des Grafen von Rummelsdorf fast in Schutt und Asche vor. Er eröffnet den beiden, dass dies nur durch eine Fehldosierung bei einem seiner Experimente mit Pilz-Extrakten passiert, aber ja gar nicht so wild sei - viel wichtiger sei, dass durch die Explosion alte Katakomben unter dem Schloss freigelegt wurden, die einem Vorfahren des Grafen als Laboratorium dienten.
In der Gruft war auch eine jahrhunderte alte kleine katzenartige Sphinx, die immer noch lebendig ist, eingesperrt, die einen Narren am Grafen gefressen zu haben scheint, da dieser ihrem Herrchen, seinem Vorfahren, so ähnlich sieht.
Steffani stößt hinzu und schließlich machen sich Spirou, Fantasio, Steffi und der Graf mit dem Zyklomobil und bestimmten, für die Expedition hilfreichen Pilzextrakten auf den Weg nach Tibet, um das Grab einer alten ägyptischen Prinzessin wiederzufinden, die angeblich immer noch perfekt erhalten sein soll - und dabei finden sie heraus, dass der Vorfahre des Grafen etwas mit dem Grab der Prinzessin zu tun gehabt hat...

Wie gesagt, ich halte diesen Band für den bislang Besten der One-Shots-Reihe und wenn ich die Wahl hätte, würde ich mir wünschen, dass Fabrice Tarrin & Yann in Zukunft auch die reguläre Serie übernehmen würden (obwohl ich ja eigentlich immer noch auf die unwahrscheinliche Rückkehr von Janry als Zeichner der Serie hoffe).
Trotzdem ist auch dieser Band noch davon entfernt, ein "sehr gut" zu erhalten.
Erstmal das Positive: Der Zeichenstil von Tarrin wirkt wie eine Mischung aus Franquin und Janry, (Tarrin wuchs als Kind/Jugendlicher mit den Comics von Tome & Janry auf und entdeckte danach erst die franquinschen Spirous) womit er wahrlich den Geist der École Marcinelle bewahrt. Trotzdem wirken einige Zeichnungen noch etwas grob und unausgereift, nicht so routiniert - vor allem, wenn die Perspektive der Figuren entfernter zu sein scheint, wirken sie ein bisschen "verstümmelt" und "degeneriert", so als ob Tarrin eben noch nicht so recht wusste, welchem Spirou-Stil er nun mehr folgen soll, ob Franquin oder Janry, statt - wie es sowohl Franquin, als auch Janry, als sie die Serie übernahmen, gemacht haben - einen eigenen Stil zu entwickeln, der dennoch das Bekannte der Optik beibehält.
Allerdings muss man zugeben: Wenn man die Spirou-Erstlinge von Franquin und Janry mit ihren späteren, routinierteren Werken vergleicht, merkt man auch dort, dass manche Figuren noch etwas unbeholfen gezeichnet wirkten und sich der eigene, sichere Stil erst im Lauf der Zeit ausgeprägt hat.

Sehr nett für langjährige Fans der Serie ist, dass es viel Bekanntes zu sehen gibt: Das Schloss des Grafen, das Zyklomobil, der blaue Turbot, der Zyklostrahler, diverse Einwohner von Rummelsdorf wie Herr Federkiehl, Herr Salberich oder Wachtmeister Wastl sowie natürlich Steffani. Das verleiht dem Comic gleich den nötigen Hauch von Nostalgie, den treue Fans bei Morvan & Munuera fast immer vermissen mussten.
Gleichzeitig wurde aber z.B. mit der kleinen Sphinx ein eigenes, originelles Fabelwesen im Stil des Marsupilamis von Franquin und des Schnüffelschweins von Tome & Janry kreiert.

Kommen wir zur Geschichte an sich: Tarrin war bei seinem One-Shot von der Prämisse ausgegangen, das dieser direkt im Anschluss an QRN ruft Bretzelburg von 1963 spielt.
Darum bat er den Comic-Veteranen Yann, einen Schüler Franquins, der sich jedoch schnell als besserer Geschichtenerzähler herauskristallisierte und deswegen als Szenarist für diverse Comic-Serien, u.a. für Franquins eigene Marsupilami-Serie, arbeitete, um ein modernes, unterhaltsames Szenario im Retro-Stil.
Herausgekommen ist eine unterhaltsame, nette Geschichte, die auch ein paar richtig gute Gags, wie es sich für einen Semi-Funny gehört, zu bieten hat, die allerdings auch streckenweise etwas überstürzt und unmotiviert wirkt.
Tarrin vermisste bei vielen späteren Spirous nach QRN laut eigener Aussage das Abenteuer-Feeling, welches erst mit Tome & Janry wiederkehrte.
Und so wird hier etwas krampfhaft versucht, eine Abenteuer-Geschichte in Form der Expedition nach Nepal mit einem humorvollen "Heimat"-Szenario um die Gruft bzw. den Vorfahren des Grafen von Rummelsdorf zu verbinden. Da der Comic aber die Standard-Länge besitzt, gelingt weder das eine, noch das andere ausgesprochen gut. Hier hätte vielleicht eine deutlichere Entscheidung in die eine oder andere Richtung als Ausrichtung der Geschichte gut getan.
Schön finde ich, dass man bei Spirou und Steffani endlich mal eine kleine Liebelei andeutet, weniger schön dagegen, dass man Fantasio als angeblich Schwulen darstellt, der in Folge dessen eifersüchtig auf Steffani ist. Zwar sollte so eine Thematik im neuen Jahrtausend tolerant auch in Comics verarbeitet werden können, doch da der Comic ja nostalgisch an die 60er Jahre Phase der Serie anknüpfen soll, finde ich diese Andeutung von Homosexualität etwas deplatziert.
Das ist genau wie die Andichtung einer homosexuellen Beziehung von Sherlock Holmes und Dr. Watson in den Kriminalromanen von Arthur Conan Doyle. Zwar durchaus vorstellbar, vielleicht ja sogar - ebenso bei Spirou & Fantasio - naheliegend, aber eben unpassend im Kontext der Gesamtserie.

Auch habe ich den Grafen, der gerade zu Franquin-Zeiten immer, obwohl er stets eigenbrödlerisch und exzentrisch war, etwas sehr Edles, Gehobenes, Wohlsituiertes an sich hatte, noch nie so übertrieben überdreht erlebt.
Darum wirkt so Einiges, trotz der richtigen, typischen Zutaten, ein wenig fremd.
Es ist wie als ob ein Meisterkoch seinem Lehrling die richtigen Zutaten für ein exquisites Mahl hinlegt und der Lehrling dann daraus ein eben Solches kreieren soll, ohne das genaue Rezept für die Zubereitung zu kennen.
Tarrin & Yann haben also schon den richtigen Ansatz, wie ich mir die Zukunft der regulären Spirou-Serie vorstellen würde, müssten aber noch an der Ausarbeitung feilen.
Da dies wohl leider eh nicht passieren wird, also dass sie den regulären Spirou übernehmen, sind das natürlich pure Gedankenspielereien, dennoch sollte sowas auch in die Bewertung eines One-Shots miteinfliessen, auch wenn diese nur "individuelle Momentaufnahmen" des Spirou & Fantasio-Universums darstellen.

Fazit: Die Gruft derer von Rummelsdorf ist bestimmt kein perfektes, neues Spirou & Fantasio-Abenteuer, bietet aber für Fans der klassischen Spirou-Abenteuer Dank vielen alten Bekannten ein unterhaltsames Nostalgie-Werk. Potentielle Neueinsteiger sollten aber trotzdem lieber mit Comics von Tome & Janry oder Franquin beginnen.

Was haltet ihr von den Zeichnungen und der Story des neuen One-Shots?

Derma R. Shell
13.05.2008, 10:07
Ich bin auch völlig begeistert von dem Band, endlich mal wieder ein echtes Spirou-Highlight in bester Tradition.

Vielleicht kann sich Carlsen ja bei anhaltendem Lob für den Zeichner endlich zur Weiterführung der spritzigen Serie Violetta ( Violine ) entschliessen.
Zwar stammen in dem 3. Band nur noch die ersten 16 Seiten von Tarrin, weil dieser sich mit Autor Tronchet uneinig wurde, aber auch die Arbeit des Nachfolgezeichener Krings ( der mit dem "Soda"- Aprilscherz ) kann sich durchaus sehen lassen.

imported_beatleswerner
21.05.2008, 20:00
Im Grund wußten wir es alle seit den 50iger Jahren, Spirou und Stefanie stehen sich nahe. Sie ist die wahre Freundin des Helden. Und Fantasio ist nicht homosexuell, er mag sie einfach nicht - er mochte sie noch nie!

Stefanie ist etwas zu modern gezeichnet, ansonsten ist es ein sehr schöner Comic

imported_No Elmars
14.08.2008, 11:27
Für mich nicht nur der bislang beste One-Shot (übrigens eine tolle Idee, die man ja auf einige andere Serien ausweiten könnte), sondern der beste Spirou seit Fournier, bzw. Chaland.

Als Franquin-Fan ist es für mich traurig zu sehen, wie an dieser Serie herumgepfusht wird. Man sollte doch glauben, daß es 1-2 talentierte Leute in der Scene gibt, die das Zeug und das Interesse haben, eine solche Serie dauerhaft weiterzuführen.
(Schade, dass ich nicht zeichnen kann.)

Kaschi
25.08.2008, 21:52
Ich vermute ja eher, dass Steffanie sich durch die Verkaufsrechte an ihrem Marsupilami-Film zu dem entwickelt hat, was man eine "gute Partie" nennt - und irgendwie muss der Schlauberger Spirou ja all seine Abenteuerreisen finanzieren, wo er doch offenkundig seinen Hoteljob losgeworden ist.
:)

Rainer2009
07.03.2009, 15:39
Hi.
Interessante Diskussion...

Ich bin auch jemand, der in den 70er Jahren die Franquin S&F Versionen geliebt, verschlungen und vergöttert hat.
Leider (Wirklich leider) ist es dabei geblieben.

Dann las ich "Die Gruft derer von Rummelsdorf" und habe mich neu verliebt. Der Zeichenstiel ist genial, das Scenario super... Ich dachte "Wow, warum haben die nicht direkt Tarrin zur Weiterführung der Serie genommen?".