User Tag List

Seite 1 von 2 12 LetzteLetzte
Ergebnis 1 bis 25 von 26

Thema: Comic-Stammtisch: Wut im Bauch

  1. #1
    Verstorben Avatar von hipgnosis
    Registriert seit
    03.2001
    Beiträge
    12.932
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)

    Post Comic-Stammtisch: Wut im Bauch

    WUT IM BAUCH






    Orginaltitel: L´Enragé - Dupuis
    - Tome 1 (11/2004)
    - Tome 2 (04/2006)
    Verlag: Edition 52
    Deutsche Veröffentlichung: März 2005 - Juni 2006
    Autor/Zeichner: Baru




    Szenario/Zeichnungen: Baru

    Baru wurde als Hervé Barulea am 29. Juli 1947 in Thil (Meurthe-et-Moselle) geboren.
    In einfachen Verhältnissen aufgewachsen konnte er sein zeichnerisches Talent noch nicht zum Beruf machen. Er arbeitete als Sportlehrer.
    Barus Werke sind von dem Humor Reisers und der graphischen Ausdrucksfähigkeit Munoz beeinflusst. Meist sind es sozialkritische Themen in denen sich Jugendliche/junge Erwachsene im Leben oder Situationen behaupten müssen.
    Sein Veröffentlichungsdebüt erfolgte im Jahr 1982 im bekannten Magazin Pilote.
    Zwei Jahre später wird Quéquettes Blues dem Publikum präsentiert, auch hier bei einem Prominenten Verlag, Dargaud.
    Dieses erste Album von drei, wird 1985 in Angouleme mit dem Prix d´Alfred, dem Preis für das beste Debüt-Album ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erscheint bei Dargaud La Piscine de Micheville.

    Für den Verlag Futuropolis erscheinen bis 1987 die Bände La Communion du Mino und Vive la classe!. Nach diesen Arbeiten entstehen für den Verlag Albin Michel die ersten Arbeiten die auch in Deutschland verlegt werden: Lauf Kumpel! (Cours Camarade!) und Der Champion (Le Chemin de l'Amérique) .
    Der Band Der Champion wurde von Jean-Marc Thevenet getextet, Barus erste Zusammenarbeit mit einem Szenaristen, auch dieses Album wird 1990 beim Comic-Festival in Angouleme mit dem l’Alph-Art ausgezeichnet.

    In den folgenden Jahren entsteht für den japanischen Verlag Kodansha L'Autoroute du soleil, auch für dieses Album wurde er 1995 mit dem Prix l’Alph-Art versehen. Dieses Album erschien zuerst in Japan und danach in Frankreich bei Casterman, auch in Deutschland erlebt dieses Album zwei Verlage, zuletzt hat Carlsen diesen bemerkenswerten Comic neu veröffentlicht.
    In den letzten Jahren erschien die 4-bändige Serie Die Sputnik-Jahre (Les Années Spoutnik), die auch in Deutsch vorliegen, sowie die Bände Sur la route encore und Bonne Année.
    Eine Geschichte aus Bonne Année wurde unter dem Titel "Schönes neues Jahr" im Magazin Strapazin Nr. 58 veröffentlicht.

    Barus letzte Arbeiten die beiden Alben L’Enragé sind in der Edition 52 unter dem Namen Wut im Bauch erschienen.

    [Quelle: Bedetheque.com, Carlsen, Edition52]

    ebenfalls noch nicht in deutsch erschienen:

    - Roulez Jeunesse ! (One-Shot)







    Band 1



    Anton Witkowski sitzt im Gerichtssaal, bevor der Leser erfährt warum (im weiteren Verlauf des Comics kommt es immer wieder zu kurzen Momenten der Gegenwart), kommt eine Rückblende von Anton in seine Jugend.
    Dort sitzt er mit seinem Vater vor dem Direktor seiner Schule, welcher ihm mit dem Schulausschluss droht.

    In der Wohnung der Witkowskis erleben wir die Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn, in der es um die Ablehnung seines Berufswunsches Boxer geht.
    Der Leser bekommt einen Eindruck der grauen Vorstadt und ihrer Hochhäuser von den Bewohnern "Vogelsiedlung" genannt.

    Wir erleben Anton und seinen Freund Mo’ (Mohammed Meddadi) beim Boxtraining, Anton wird als „Aushilfe“ in einem Vorkampf angeheuert und gewinnt durch K.O., das gewonnene Geld legt er seinem Vater auf den Tisch, welcher dies erbost ablehnt.
    In der Schule erhält Anton ein Angebot des windigen Box-Managers Bernier, dieses nimmt er an, ist aber in der Folge unzufrieden da er nur wenige Kämpfe bestreitet.
    Schließlich setzt er Bernier unter Druck und er nimmt teil an einen größeren Kampf, welchen er überlegen gewinnt. Bernier macht ihn daraufhin mit Arzakarian bekannt.
    Dieser bringt ihn nicht nur zur französischen Meisterschaft im Mittelgewicht, sondern auch zum Europameistertitel. Seine Vertragunterzeichnung endet im Streit und Bruch mit seinem Freund Mo’.

    Anton Witkowski macht sich schnell einen Namen durch seinen außergewöhnlichen Boxstil und noch mehr durch seine Provokationen gegenüber der Gegner.
    Arzakarian reist mit Anton nach Amerika um einen der Weltmeistertitel der drei konkurrierenden Verbände zu erringen.
    Damit kommen auch die beiden Promoter Strauss und der Duke (in dem der Leser deutlich Don King erkennen kann) ins Spiel, welche die WM-Gürtel in ihren Reihen halten wollen.

    Durch seine Weltranglistenposition wird Witkowski aber Herausforderer und kann sich den Weltmeistertitel erkämpfen.
    Mit dem Titel ringt Anton immer noch um die Anerkennung seines Vaters, Mo’ mittlerweile bekannter Journalist, schreibt wenig erbauliche Artikel über Anton, welche diesen verständlicherweise wütend machen.
    Gegen Ende des Bandes lernt Anton die Italienerin Anna kennen und lieben.




    Band 2



    Während die Beziehung zwischen Anna und Anton sehr bewegt verläuft, schafft es sein Manager den Kampf um den wichtigen Weltmeistertitel gegen den Schützling des Duke – Evans auszuhandeln.
    In der harten Vorbereitung auf den Kampf söhnt sich Anton mit Mo’ aus. Während seines Trainingslagers sieht er zufällig einen Pornographischen Film in dem Anna mitspielt, daraufhin verlässt er sie und kann trotzdem den Kampf um den WM Titel gewinnen.
    Der Kampf fand in der Vogelsiedlung statt.

    Der Leser erfährt im Rahmen der Gerichtsverhandlung dass Anna von einem Amerikaner der in Diensten des Duke steht bezahlt wurde um Anton psychisch zu schwächen.

    Nach dem Kampf verkriecht sich Anton bei seinen Eltern, bis ihn Mo’ aufsucht. Witkowski beschließt dem Duke weitere WM Titel abspenstig zu machen.
    Kurz nach der Vertragsunterzeichnung ist Anton mit Ricky und zwei Damen unterwegs, Anton geht mit der einen nach Hause, während Ricky noch in eine Kneipe geht.
    Dort kommt es zu einer Schiesserei zwischen dem Wirt und Ricky, welche für beide tödlich endet, hier beginnt für den Leser wieder der Prozess.
    Anton wird von einem Zeugen der Schiesserei angeklagt den Wirt erschossen zu haben. Obwohl es der einzige Zeuge ist und keine gute Reputation hat, wird Witkowski, wohl auch weil er in dem Prozess schweigt, zu 12 Jahren Haft verurteilt.

    In der Folge des Urteils kommt es zu Ausschreitungen in Paris. Mo’ versucht Antons Unschuld zu beweisen, in dem er die Verwicklung des Duke in die Geschichte öffentlich machen will.
    Dazu muss er die Verbindung des einzigen Zeugen zum Duke recherchieren, was ihm mit Hilfe eines amerikanischen Journalisten auch gelingt.
    Anton wird freigelassen und von Anna abgeholt.




    Fin









    [Künstler-Bio + Inhaltsangabe:lucien]





    Link zu unseren Termine + Regelwerk

  2. #2
    Mitglied Avatar von lucien
    Registriert seit
    07.2001
    Beiträge
    2.220
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Baru verlangt dem Leser einiges an Aufmerksamkeit ab. Mir ist beim Schreiben der Inhaltsangabe der häufige Wechsel der Handlungszeit aufgefallen, was diese nicht einfacher gemacht hat.
    Ging es nur mir so oder hatte der ein oder andere auch dieses Erlebniss?

    Zu Beginn der Geschichte ist der Übergang deutlich erkennbar, da Baru ihn auch zeichnerisch darstellt, später wird adäquat eines Filmes einfach über geblendet (sofern man dies so bezeichnet).

  3. #3
    Verstorben Avatar von hipgnosis
    Registriert seit
    03.2001
    Beiträge
    12.932
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Oh - natürlich gab es diese Zeitsprünge.
    Aber da Baru sie ganz bewusst in seine Erzählung einfliessen liess - waren sie mir nicht unbedingt suspekt.
    Aber es stimmt - er arbeitet mit solchen filmischen Techniken wohl desöfteren und wertet die Visualität dadurch noch auf.

    Gerade auf der Originalseite 2 des 1. Albums, fand ich die drei Panels mit Antons Vater - ausgehend von der Szene im Gericht, rücklaufend in die Schulzeit seines Sohnes toll in Szene gesetzt.
    Das witzige daran ist das Baru die Textpassage, sprich die Erzählung darin einfach weiterlaufen lässt, sodaß man als Leser wirklich denkt es würde sich alles in einer Zeitperiode abspielen.

    Das es nicht so ist, zeigen einerseits die Alters-Veränderungen des Vaters und in Panel 1 auch die nur schemenhaft gezeigten Personen in der Verhandlung.

    Das war ein grosser Einstieg in diese ernste Milieu- und auch Sozialstudie!

  4. #4
    Mitglied Avatar von Matbs
    Registriert seit
    05.2004
    Beiträge
    1.942
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Oh, schon Wut im Bauch? Na gut, dann muss ich mich doch mal wieder äussern, zuerst mal mit der allgemeinen Feststellung, dass Baru mit jedem neuen Werk ein Stückchen besser wird.
    Was nicht so bemerkenswert wäre, wenn er nicht spätestens seit Der Champion einer der großen frankobelgischen Comicschaffenden unserer Tage wäre!
    Entsprechend ist Wut im Bauch nicht nur erzählerisch großartig (und das, obwohl man die einzelnen Elemente dieser Boxerstory fast alle schon mal irgendwo gesehen, gehört oder gelesen hat), sondiern markiert auch den bisherigen Höhepunkt von Barus Schaffen als Zeichner - unglaublich, wie sicher er hier zwischen Karikatur und Realismus balanciert (und wie sich sein Stil seit Lauf, Kumpel verbessert hat), und dabei immer genau die richtigen Nuancen trifft, dazu die traumhaften Farben (bestes Beispiel: Der Sonnenaufgang über Rom auf der letzten Seite von Bd. 1), die trotz - oder gerade wegen - der ungewöhnlichen Aufmachung der Bände noch mal besonders zum Tragen kommen.

    Inhaltlich beeindruckt mich vor allem die Authentizität, mit der Endfünfziger Baru die Lebenswelt, den Zorn, und den Ungestüm junger Menschen aus der Unterschicht, die einer ganz anderen Generation als er selbst entstammen, in Szene setzt, da merkt man vielleicht seine Erfahrung als Lehrer, das ist nicht nur ganz nah dran, sondern auch erschreckend aktuell - man vergleiche nur mal die Unruhen nach Witkos Verurteilung in Bd. 2 mit den realen Bildern der Novemberunruhen von 2005 in den französischen Banlieus (wobei das natürlich genau die Zeit war, in der Bd. 2 entstand - also vielleicht auch unter dem Eindruck dieser Bilder).
    Geändert von Matbs (29.08.2007 um 09:52 Uhr)

  5. #5
    Mitglied Avatar von lucien
    Registriert seit
    07.2001
    Beiträge
    2.220
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Als ich den ersten Band von Wut im Bauch das erste Mal las, dachte ich noch "oh schon wieder eine Boxer-Geschichte" von Baru.

    Sein tolles Werk Der Champion hatte ja auch einen Protagonisten der diesen Sport betrieb zum Inhalt.
    Das Baru begeistert von Sport und Physis der Athleten ist, sieht man seinen Bildern meiner Meinung nach an. Die Zeit in der Baru als Sportlehrer tätig war, nutzt er bestimmt auch als Fundus für seine Bilder.

    Das interessante an seiner erzählweise ist aber dass er nicht einfach nur eine "Rise and Fall" Geschichte erzählt, sondern immer soziale und politische Hintergründe verwebt und diese dem Leser gelegentlich (im wahrsten Wortsinne) um die Ohren respektive Augen haut.

    Der junge Anton der nur einen Weg sieht (immerhin sieht er einen Weg, nicht wie viele andere Gleichaltrige aus seinem Umfeld) um zu Anerkennung und ein materiell besseres Leben zu gelangen, ist ja eher ein Antiheld. Trotzdem empfindet der Leser eine gewisse Sympathie, zumindest ich entwickelte sie, mit ihm und seiner Lebensgeschichte.

    Sehr interessant fand ich seine permanente Konfliktsituation mit seinem Vater. Er möchte seine Achtung und Anerkennung haben und sein seiner Meinung nach einziges Mittel was ihm zur Verfügung steht, das Boxen, wird von seinem Vater abgelehnt. Diesen Grundkonflikt verstand Baru auch gerade mit seinen Bildern einzufangen.

  6. #6
    Verstorben Avatar von hipgnosis
    Registriert seit
    03.2001
    Beiträge
    12.932
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Als ich den ersten Band vor einiger Zeit erwarb stach mir besonders der intensive Gesichtsausdruck auf dem Cover ins Auge.

    Gelesen habe ich die Story nun erst, als ich vor kurzem den 2. Band kaufte - welcher auch wieder diesen prägnanten Ausdruck von Wut darstellt.

    Mag man auch die sehr groben Zeichnungen des Covers (fast Scribbles ähnlich) etwas gewöhnungsbedürftig empfinden, muss ich nach dem Lesen der Geschichte erstaunt feststellen, daß man sie gar nicht hätte besser wählen können!

    Die gezeigte Mimik des Hauptdarstellers Anton Witkowski vermittelt dem Leser sehr gut dessen Zorn, die man innerhalb der Storyline aus den verschiedenen Perspektiven zu spüren bekommt.
    Sehr schön ist auch die Variation im Alter des Protagonisten - zeigt Band 1 noch das Abbild eines jungen Heranwachsenden, sehen wir ihn auf dem 2. Band als gestrauchelten Mann, der seine Karriere hatte und sich nun vor Gericht verantworten muss.

    Doch in beiden Gesichtern, die Jahre auseinander liegen spiegelt sich immer noch der identische Ausdruck von Wut, Rebellentum usw. wieder.

    Wie gesagt - sicherlich in der Ausführung nicht eines der schönsten Cover der Comicgeschichte - aber in der Intention der Darstellung bezogen auf den Inhalt der Storyline, sehr beeindruckend!

  7. #7
    Mitglied Avatar von Matbs
    Registriert seit
    05.2004
    Beiträge
    1.942
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Zitat Zitat von lucien Beitrag anzeigen
    Das interessante an seiner erzählweise ist aber dass er nicht einfach nur eine "Rise and Fall" Geschichte erzählt, sondern immer soziale und politische Hintergründe verwebt und diese dem Leser gelegentlich (im wahrsten Wortsinne) um die Ohren respektive Augen haut.
    Stimmt, wobei ich besonders interessant finde, von welcher Warte aus er seine Sozialkritik betreibt - in Frankreich kommt sowas ja traditionell sehr oft aus den Kreisen der linksintellektuellen Eliten, die ihre Sozialkritik mit einer gewissen, aus der Distanz geborenen ideologischen Verbrämtheit "von oben" anbringen.
    Baru hingegen zeigt die Welt aus der "Froschperspektive" der kleinen Leute, seine Welt ist die der Malocher und der Immigranten, der Zechen, Kohelgruben und Vorstädte, deren Befindlichkeiten er thematisert und zeigt.
    Was diesen Ansatz dabei so effektiv ist macht, ist die überzeugende Unmittelbarkeit und Einfachheit, mit der Baru die Gedanken und Gefühle seiner Protagonisten in Szene setzt - Roh, manchmal regelrecht Grobschlächtig, aber immer Authentisch, ist sein Ansatz das direkte Gegenteil zur spitzüngigen und eleganten aber oft eben auch sehr abstrakten und ideologisch abgehobenen klassischen intellektuellen Sozialkritik, wie sie z.B. von Pierre Christin vorgetragen wird.

    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Wie gesagt - sicherlich in der Ausführung nicht eines der schönsten Cover der Comicgeschichte - aber in der Intention der Darstellung bezogen auf den Inhalt der Storyline, sehr beeindruckend!
    Yup, eben ganz Baru: Nicht filigran, keine Gimmicks, einfach nur eine brilliante, fast brachiale Direktheit, die genau zum Sujet passt.


    Noch mal kurz was zur Inhaltsangabe, Ende von Bd. 2:

    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Anton wird freigelassen und von Anna abgeholt.
    Das stimmt so nicht ganz, das Ende ist vielmehr offen. Die letzte Seite impliziert zwar, dass er beim zweiten Versuch in den Wagen steigt, aber genau wissen kann der Leser es nicht. Entsprechend bleibt er mit der Unsicherheit zurück, ob das jetzt gerade ein Happy End war oder nicht -auch das hat mir sehr sehr gut gefallen.

  8. #8
    Verstorben Avatar von hipgnosis
    Registriert seit
    03.2001
    Beiträge
    12.932
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Anton wird freigelassen und von Anna abgeholt.


    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    Das stimmt so nicht ganz, das Ende ist vielmehr offen. Die letzte Seite impliziert zwar, dass er beim zweiten Versuch in den Wagen steigt, aber genau wissen kann der Leser es nicht. Entsprechend bleibt er mit der Unsicherheit zurück, ob das jetzt gerade ein Happy End war oder nicht -auch das hat mir sehr sehr gut gefallen.
    Ich habe es zwar so nur von lucien übernommen - aber ich bin eigentlich auch zu keinem anderen Schluss gekommen, als das er nun doch ins Auto von Anna gestiegen ist.

    Im Endeffekt sehe ich darin schon ein gewisses Happy End - denn sowohl Anna als auch Anton beginnen ein völlig neues Leben.
    Sie die eigentlich beauftragt wurde ihn zu täuschen, sich aber dann doch in ihn verliebt hat - und er, der sein ganzes verkorkstes Leben hinter sich lässt und durch ihre Zuneigung, die er ja erwidert - plötzlich zum ersten Male an ein eigenes Leben ohne Wut und Zynismus denkt.

    Natürlich interpretiert der Leser seine eigene Wahrnehmung dort hinein - es erschien mir zwangsläufig so zu sein!

  9. #9
    Mitglied Avatar von lucien
    Registriert seit
    07.2001
    Beiträge
    2.220
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Zitat:Anton wird freigelassen und von Anna abgeholt.
    Als Verfasser der Inhaltsangabe sehe ich mich genötigt da Stellung zu beziehen. Zum einen versuche ich eine Inhaltsangabe auf das notwendige zu reduzieren (was oft schwer fällt) und oft einfach nur das Ergebnis darzustellen, zum anderen kann man im Rahmen einer Inhaltsangabe auch den Weg zum Resultat beschreiben...

    Kurzum in diesem Fall gehe ich ob des letzten Panels davon aus dass Anton in den Wagen gestiegen ist, da wir nur noch den roten Wagen sehen und von Anton der das erste mal einsteigen (im vorhergehenden Panel dargestellt) ignoriert, auf der Strasse keine Spur mehr zu sehen ist.

    Anton weicht hier von seiner konsequenten Verweigerungshaltung ab und scheint damit einen neuen Weg in seinem Leben zu beschreiten, aus dieser Sicht betrachtet kann man von sogar von einem Happy End sprechen. Wobei die Geschichte um Anton Witkowski m.E. noch nicht an ihrem Ende angelangt ist....

  10. #10
    Mitglied Avatar von Matbs
    Registriert seit
    05.2004
    Beiträge
    1.942
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Zitat Zitat von lucien Beitrag anzeigen
    Kurzum in diesem Fall gehe ich ob des letzten Panels davon aus dass Anton in den Wagen gestiegen ist, da wir nur noch den roten Wagen sehen und von Anton der das erste mal einsteigen (im vorhergehenden Panel dargestellt) ignoriert, auf der Strasse keine Spur mehr zu sehen ist.
    Sieht man noch den Sportwagen? Ich hatte es so in Erinnerung, dass die Strasse leer ist (kann´s aber nicht nachprüfen, weil meine Alben gerade verliehen sind).

  11. #11
    Mitglied Avatar von lucien
    Registriert seit
    07.2001
    Beiträge
    2.220
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    Sieht man noch den Sportwagen? Ich hatte es so in Erinnerung, dass die Strasse leer ist (kann´s aber nicht nachprüfen, weil meine Alben gerade verliehen sind).
    In meiner Erinnerung habe ich einen Wagen gesehen. Bin mir aber nach deiner Aussage unsicher ob mich meine Erinnerung da nicht trügt bzw. ich einfach meine Assoziation hineinfliessen ließ. Kurzum, kann das ganze aktuell auch nicht nachprüfen, evtl. komme ich heute nacht dazu mal in das Album zu sehen.
    Ich gehe aber mal davon aus, dass einer der Teilnehmer hier uns da auch schneller zu einer Aufklärung bezüglich des letzen Panels verhelfen kann.

  12. #12
    Mitglied Avatar von Matbs
    Registriert seit
    05.2004
    Beiträge
    1.942
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Wahrscheinlich diskutieren wir hier alle drauflos, ohne dass überhaupt einer die Bände zur Hand hat...

  13. #13
    Mitglied Avatar von lucien
    Registriert seit
    07.2001
    Beiträge
    2.220
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    @Matbs
    Du hattest recht! Das letzte Panel von Wut im Bauch 2 zeigt die leere Straße auf der vorher die Corvette von Anna mit offenstehender Tür auf das Einsteigen von Anton Witkowski wartete.

    Trotzdem ist in meiner Interpretation des gezeichneten, Anton eingestiegen und die leere Straße symbolisiert den gemeinsamen (?, bei einer möglichen dauerhaften Beziehungsinterpretation bin ich vorsichtig ) Weg von Anton und Anna.

  14. #14
    Mitglied Avatar von lucien
    Registriert seit
    07.2001
    Beiträge
    2.220
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Die Zeichnungen von Baru wurden ja schon von Hip und Matbs ausführlich gelobt (ich kann mich diesem nur anschliessen). Neben seinem einfachen und doch unglaublich elegantem Strich hat mir die Kolorierung hervorragend gefallen. Die Farben unterstreichen die jeweiligen Handlungen bzw. akzentuieren sie entsprechend, wirklich hervorragend.
    Auch der Einsatz des insbesondere bei den Boxszenen omnipräsenten Rot, verleiht der Dynamik, Gewalt und Geschwindigkeit eines Boxkampfes einen erlebbaren Eindruck.

    Boxen ist auch als Zuschauer nicht unbedingt meine erste Wahl, wenn ich mich auch nicht dem "Faszinatum" des ursprünglichen Zweikampfes ganz entziehen kann. Auch Baru scheint hiervon fasziniert, so erscheinen seine Kampfszenen noch viel ausfürhlicher als noch im Album Der Champion.
    Aber er setzt den Boxkampf auch als Allegorie auf das Gesellschaftssystem ein. Die schon erwähnte Aufstiegs- und Fallmöglichkeit und damit verbunden Gute und Schlechte Werte (im Falle von Witkowskis überwiegendem Verhalten, eher letzteres), das überzogene Verhalten von Gesellschaftskreisen denen zuviel Geld zur Verfügung steht, eine gewisse Dekadenz, das Verlassen des Prekariats und die Suche nach Emotionalen Bindungen sind einige der Spektren die auf Anton zutreffen.
    Obwohl der Leser diese Themen und die präsentierte Geschichte so oder so ähnlich in anderen Medien schon behandelt sieht, hat Baru in dem ihm eigenen Erzähl- und Zeichenstil eine tolles Porträt eines zerrissenen Helden abgeliefert.

  15. #15
    Mitglied Avatar von lucien
    Registriert seit
    07.2001
    Beiträge
    2.220
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Na dann mach ich mal weiter
    In der Inhaltsangabe erwähnte ich ja schon die frappierende Ähnlichkeit des Duke mit dem real existierendem amerikanischen Box-Promoter Don King (sein richtiger Name ist wohl Donald King). An dessen Person scheiden sich ja bekanntlich viele Geister und ob seines Bekanntheitsgrades dürfte er wohl auch für Baru eben die Blaupause der Box-Promoter sein.

    Es wird dargestellt dass nicht alleine der Sport ausschlaggebend ist, sondern vor allem die Macht und das Verhandlungsgeschick der Promoter. Der Boxer an und für sich ist nur Teil des Systems der, natürlich schon abhängig von seiner sportlichen Klasse, im Bedarfsfalle ersetzbar ist.
    Droht ein wirklich starker Gegner, wird versucht ihn lange von einem möglichen Titelkampf abzuhalten bzw. in Antons Geschichte ihn entsprechend aus dem Weg zu schaffen.

    Als Leser fragte ich mich gegen Ende der Geschichte wie fiktiv ist diese Geschichte wirklich? Wird in diesen Kreisen auf solch kriminielle Weise vorgegangen?
    Verschiebungen und Geldzahlungen erfüllen selbstverständlich auch einen Kriminellen Tatbetand, aber bewusste Falschaussagen um jemand in ein Gefängniss zu bringen?

  16. #16
    Mitglied Avatar von lucien
    Registriert seit
    07.2001
    Beiträge
    2.220
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Zitat Zitat von lucien Beitrag anzeigen
    Na dann mach ich mal weiter
    In der Inhaltsangabe erwähnte ich ja schon die frappierende Ähnlichkeit des Duke mit dem real existierendem amerikanischen Box-Promoter Don King (sein richtiger Name ist wohl Donald King). An dessen Person scheiden sich ja bekanntlich viele Geister und ob seines Bekanntheitsgrades dürfte er wohl auch für Baru eben die Blaupause der Box-Promoter sein.

    Es wird dargestellt dass nicht alleine der Sport ausschlaggebend ist, sondern vor allem die Macht und das Verhandlungsgeschick der Promoter. Der Boxer an und für sich ist nur Teil des Systems der, natürlich schon abhängig von seiner sportlichen Klasse, im Bedarfsfalle ersetzbar ist.
    Droht ein wirklich starker Gegner, wird versucht ihn lange von einem möglichen Titelkampf abzuhalten bzw. in Antons Geschichte ihn entsprechend aus dem Weg zu schaffen.

    Als Leser fragte ich mich gegen Ende der Geschichte wie fiktiv ist diese Geschichte wirklich? Wird in diesen Kreisen auf solch kriminielle Weise vorgegangen?
    Verschiebungen und Geldzahlungen erfüllen selbstverständlich auch einen Kriminellen Tatbetand, aber bewusste Falschaussagen um jemand in ein Gefängniss zu bringen?
    Jetzt kann ich mich schon selbst zitieren
    In diesem Artikel (sofern man Wikipedia vertraut): http://de.wikipedia.org/wiki/Don_King erfährt man doch einiges über Mister King, was ihn in einem gelinde gesagt etwas zwielichtigem Licht erscheinen lässt.

  17. #17
    Mitglied Avatar von Matbs
    Registriert seit
    05.2004
    Beiträge
    1.942
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Zitat Zitat von lucien Beitrag anzeigen
    Trotzdem ist in meiner Interpretation des gezeichneten, Anton eingestiegen und die leere Straße symbolisiert den gemeinsamen [...] Weg von Anton und Anna.
    Sehe ich auf jeden Fall ähnlich - aber das kleine bisschen verbleibende Unsicherheit macht das Ende doch gleich noch mal ein Stückchen besser, oder?


    Zitat Zitat von lucien Beitrag anzeigen
    Boxen ist auch als Zuschauer nicht unbedingt meine erste Wahl, wenn ich mich auch nicht dem "Faszinatum" des ursprünglichen Zweikampfes ganz entziehen kann. Auch Baru scheint hiervon fasziniert, so erscheinen seine Kampfszenen noch viel ausfürhlicher als noch im Album Der Champion.
    Auch hier geht´s mir ähnlich: Mit Boxen hab´ ich eigentlich nix am Hut, aber bei Baru kommt das ganze so spannend und frisch rüber, dass die Faszination des Autors doch sehr ansteckend wirkt.

    Zitat Zitat von lucien Beitrag anzeigen
    Na dann mach ich mal weiter
    Sorry, ich geb´ mir ja Mühe...
    Ist aber auch mal wieder so ein typischer Fall von "Supercomic, über den niemand reden will" - schade, aber es passiert halt immer mal wieder.


    Zitat Zitat von lucien Beitrag anzeigen
    In der Inhaltsangabe erwähnte ich ja schon die frappierende Ähnlichkeit des Duke mit dem real existierendem amerikanischen Box-Promoter Don King (sein richtiger Name ist wohl Donald King). An dessen Person scheiden sich ja bekanntlich viele Geister und ob seines Bekanntheitsgrades dürfte er wohl auch für Baru eben die Blaupause der Box-Promoter sein.
    Ja, das war sowohl für mich als absoluten Laien sehr offensichtlich - in der Tat hab´ ich mich gefragt, ob dieser eindeutige Bezug nicht vielleicht sogar rechtliche Probleme (spätestens bei einer möglichen US-Veröffentlichung) nach sich ziehen könnte.

    Zitat Zitat von lucien Beitrag anzeigen
    Als Leser fragte ich mich gegen Ende der Geschichte wie fiktiv ist diese Geschichte wirklich? Wird in diesen Kreisen auf solch kriminielle Weise vorgegangen?
    Verschiebungen und Geldzahlungen erfüllen selbstverständlich auch einen Kriminellen Tatbetand, aber bewusste Falschaussagen um jemand in ein Gefängniss zu bringen?
    Na ja, da geht´s ja um Unsummen, und zumindest in den USA ist die Verbindung zwischen Boxsport und organisiertem Verbrechen ja schon fast ein Klassiker. Von daher könnte ich mir schon vorstellen, dass gewisse Bezüge zur Realität hat.


    So, und jetzt noch was Selbstreferenzielles:
    Beim Skarbek-Stammtisch hatte ich Wut im Bauch seinerzeit als Beispiel für die noch bessere Umsetzung eines Handlungselements (in diesem Fall die Verzweiflung des Protagonisten angesichts der Erkenntnis, dass sich seine Geliebte prostituiert) angeführt, deswegen will ich darauf noch mal ganz gezielt hinweisen: Witkos Absturz nachdem er das Porno-Video angesehen hat (irgendwo in Bd. 2, Seitehzahlen kann ich immer noch nicht angeben), ist in seiner emotionalen Intensität einfach kaum zu überbieten, die Wirkung dieses Vorfalls auf den Protagonisten und seine Familie (z.B. die paar Panels, in denen sein Vater sein Gewehr zerstört) hat mich wirklich tief berührt, das ist so unmittel- und nachvollziehbar, dass es bei Lesen fast ein bisschen weh getan hat - eine echte erzählerische Meisterleistung!

  18. #18
    Verstorben Avatar von hipgnosis
    Registriert seit
    03.2001
    Beiträge
    12.932
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    Ist aber auch mal wieder so ein typischer Fall von "Supercomic, über den niemand reden will" - schade, aber es passiert halt immer mal wieder.
    Ja traurig - aber ich bin ja nun auch wieder da!

    Zum Thema Boxen:

    Ich habe mich beim Lesen auch gefragt, ob die ziemlich augenscheinliche Ähnlichkeit gegenüber einer noch lebenden Person - die auch noch in der Erzählung sehr negativ dargestellt wird - nicht juristische Probleme nach sich ziehen kann?
    Die zweite Frage die ich mir stellte - warum hat das Baru so gemacht?
    Ich kann sie mir nicht beantworten, bin ich doch der Meinung er hätte die gleiche Wirkung erzielt, wenn er eine fiktive Person zu seinem Box-Promoter charakterisiert hätte.
    Jedenfalls sehe ich keinen besonderen Vorteil - ausser vielleicht das wirklich jeder einigermassen Box-Interessierte Don King kennt und er sich durch die vielen Stories die sich um ihn ranken, als ein äusserst zwielichtiger Charakter definiert.
    Doch wird die Storyline dadurch glaubwürdiger - ich weiss es nicht - vielleicht nur authentischer, das wird wohl die Absicht Barus gewesen sein.

    Zur Person Don King. Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört mir eine Meinung über bekannte Persönlichkeiten anhand von obskuren Zeitungsberichten oder anderen Presse und Filmorganen zu machen.
    Dem Betrachter wird teilweise ein Bild suggeriert, daß oftmals in keinsterweise belegbar ist - und beschreibt die betreffende Person dann so, wie man sie gerne sehen will.

    Und genau hier sehe ich mich wieder einmal bestätigt.
    Wenn alles über Don King stimmen würde, was mir jemals zu Ohren gekommen ist - und sicherlich gibt es noch tausende andere Verbrechen die er begangen haben soll - dann wundert mich es schon ein wenig, daß die amerikanische Justizia bei ihm wirklich absolut betriebsblind sein sollte.

    Lustig finde ich immer die Berichte, wo er vor einer der zugehörigen Boxverband-Aufsichten Stellung genommen haben soll. Denn diese sind nach Auffassung aller Medien mindestens genauso korrupt!
    Sowieso ist der ganze Boxsport korrupt - natürlich nur dann nicht, wenn ein deutscher Boxer im Ring steht - Armer Sport - arme Sportler!

    Meine Meinung zu Don King.

    Er wird natürlich irgendwelchen "Dreck am Stecken" haben und im Hintergrund zumindest versuchen die Fäden zu ziehen - aber alleine die Tatsache das er seit Jahrzehnten den Boxsport dominiert zeigt doch, daß es genau solche verrückten Personen sind, die zur Selbstdarstellung dieses Sports nötig sind.
    Alleine seine Sprüche und sein Auftreten mit der so markanten "Hochstrom-Frisur" sind bares Gold wert - man will doch gar nicht auf solche Paradiesvögel verzichten.

    Sie bringen reichlich Kohle, eignen sich vorzüglich zum Austeilen und damit zur Ablenkung eigener Misstände - und was noch viel wichtiger an all dem ist, bleiben durch ihn die "echten" Drahtzieher des Sports verdeckt im Hintergrund.
    Also im Grunde ist dieser Mann einfach unbezahlbar!

  19. #19
    Verstorben Avatar von hipgnosis
    Registriert seit
    03.2001
    Beiträge
    12.932
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Wie würdet ihr denn die Plausibilität von Antons Charakter einschätzen?

    Mal abgesehen davon, daß Baru es wirklich meisterhaft versteht die innere Zerrissenheit und aufgestaute Wut seines Protagonisten darzustellen, finde ich es immer auch sehr interessant den Charakter alssolches zu beleuchten.

    Zur Glaubwürdigkeit bedarf es wohl keiner Diskussion.
    Anton wächst als Kind und Jugendlicher in einer Ghettoähnlichen Vorstadtsiedlung auf, in der sicher Gewalt an der Tagesordnung sein dürfte.
    Sein strenger Vater bringt gerade soviel Geld nach Hause, daß die Familie überlebt.
    Seine Mutter scheint die "typische" Hausfrau zu sein, die sich vollkommen den Worten ihres Mannes beugt und eigentlich nur das Beste für ihren Filius will.
    Schöne Szene die einen Blick auf die Stellung der Mutter wirft, findet man auf S. 3 in Bild 5, wo der Vater mit Anton am Tisch - und die Mutter auf einem Stuhl etwas in den Hintergrund gerückt sitzt.

    Auch interessant an dieser Szene ist das Schweigen der Darsteller, daß erst durch die unterwürfige Haltung der Mutter in ihrem Appell an den Sohn gebrochen wird.
    So werden bestimmt oft Gefühle und Konfliktsituationen in ähnlichen Familienverhältnissen lieber "totgeschwiegen" - als sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

    Zuvor sieht man den Vater wie er Anton aus dem Büro des Schulleiters abholt und ihn dann auf der Strasse verprügelt.
    Hierin spiegelt sich auch ein Grossteil der Aggressivität Antons wieder, der zuvor seinen eigenen Lehrer geschlagen hat.
    Sein ganzes Leben scheint nur aus disziplinarischen Massnahmen und Gewalt zu bestehen.

    Da ist der Boxsport natürlich ein hervorragedes Ventil um einen Teil dieser Aggresivität abzubauen. Und darin ist er auch noch super gut, doch ausgerechnet hier begeht der Vater einen Kardinalfehler, indem er das grosse Talent seines Sohnes einfach ignoriert und gegen dessen Willen darauf besteht, daß Anton kein Berufsboxer wird.
    Die folgende Explosion in Anton ist daher durchaus nachvollziehbar.

    Was mich ein wenig irritiert - nicht das es nicht real sein könnte, sondern mehr aus persönlicher Sichtweise - ist das arrogante Verhalten von Anton gegenüber seinen Gegnern und sogar gegenüber seines einzigen Freundes.

    So sehr man sich mit ihm verbunden fühlt, oder besser gesagt sein schweres Los und seine daraus resultierende Wut nachvollziehen kann, so sehr gehe ich auch wieder auf Distanz mit seiner persönlichen Arroganz.
    Im Grunde entwickelt er sich zum eitlen Schnösel, der seinen persönlichen Erfolg über alles stellt und alle Menschen in seiner Umgebung vor den Kopf stösst.
    Am schlimmsten benimmt er sich jedoch dem weiblichen Geschlecht gegenüber - indem er sie wie "Huren" behandelt und sie nach Bedarf einfach wegwirft, sein Gewissen mit einem teuren Geschenk (rote Corvette) beruhigt. Einfach widerlich!

    Auch hierin erkennt man Barus Klasse - der es spielend versteht seiner Hauptperson alle möglichen Charakterisierungen zu verpassen - und diese sehr glaubhaft transportiert.

    Konsequent strickt er das weitere Leben von Anton, der von einem Extrem ins Andere fällt und erst erkennt das sein ganzes Leben nur mehr eine Farce ist, als ihn seine Geliebte Anna hintergeht und seine Welt des Glamours plötzlich ineinander fällt.

    Ich empfinde es als beruhigend, daß Baru ein sehr versöhnliches Ende seiner Geschichte wählt, somit bleibt dem Leser die Hoffnung auf das Gute im Menschen!

  20. #20
    Mitglied Avatar von lucien
    Registriert seit
    07.2001
    Beiträge
    2.220
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Ich habe ja schon weiter oben geschrieben dass der sehr vielfältige Charakter Antons, trotz seines zum Teil üblen Verhaltens eine gewisse Sympathie bei mir geweckt hat.
    Die Zerrissenheit, der Kampf um Annerkennung und Liebe, der Wunsch nach einem Aufstieg im gesellschaftlichen System sind einige der Beweggründe bzw. Handlungsmotive von Anton Witkowski.
    Auch Emotionen und Gefühle spielen zwar eine große Rolle, aber im Rahmen seiner Sozialisation hat er gelernt diese nicht anzusprechen, sondern zu unterdrücken und maximal in verbaler oder tätlicher Gewalt zu verarbeiten.

    Der von Baru dargestelltem Charakter ist für mich absolut glaubwürdig und authentisch, eine gelungene Sozial- und Individuenstudie.

    Ich finde noch bemerkenswert das Baru diesemal einen, zumindest lässt mich der Nachname darauf schliessen, Osteuropäer (vermutlich Polnischer Herkunft) als Protagonisten wählt, nachdem er in den Arbeiten der Champion und Autoroute de Soleil jeweils einen arabischen jungen Mann zum Helden hatte.

  21. #21
    Verstorben Avatar von hipgnosis
    Registriert seit
    03.2001
    Beiträge
    12.932
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Ich nutze meine Zeit für ein abschliessendes Fazit.

    Baru ist mit Wut im Bauch ein Volltreffer gelungen.
    Er erreicht eine unglaublich dichte und authentische Handlung, indem er seinen "Helden" in sehr kritischen Dialog aktueller sozialer Brennpunkte und kommunalpolitischen Thematiken stellt.
    Er beschreibt die schwierigen Lebensverhältnisse in den Vorstadtsiedlungen, welche Probleme von Arbeitslosigkeit, Minderheiten, bishin zu Integrationshintergründen mit sich bringen.

    In diese Welt, wo viele sich oft nur durch Gewalt ihren Platz erkämpfen, wo manchmal die Erziehung der Kinder dramatisch vernachlässigt wird und diese mit überharter Strenge diszipliniert werden, setzt er seinen Protagonisten.
    Die aufgestaute Wut in ihm scheint keinen wirklich zu verwundern, ebenso wie der tiefe Fall nach der überraschenden Karriere nicht verblüfft.
    Vielmehr zeigt es wie schwierig das Leben sich für einen dieser "Underdogs" erweist und wie unsinnig die Theorie ist - alleine der Reichtum könne schon alle Probleme lösen.

    In dynamischen und kraftvollen Bildern unterstreicht Baru seine Geschichte, die so zu einem überzeugenden Sozialdrama mutiert.

    Dennoch schafft er trotz alle Schwierigkeiten und Konflikte, sowohl seiner Geschichte, aber auch seinem Helden und im Endeefekt auch dem Leser, eine gewisse Hoffnung zu verleihen, indem er einen möglichen Weg aus der Misere aufzeigt - und das Ende der Story als mögliches Happy End offenhält.

    Das Werk ist für alle Leser zu empfehlen, die abseites des Mainstream daran interessiert sind, eine anspruchsvolle Story zu lesen, die nicht durch üppige Grafik blendet, sondern schonungslos eine mögliche Realität darstellt.
    Auch stilistisch hat das Comic einiges zu bieten, beginnend mit Tempiwechsel, verschiedentlichen Zeitblenden und den eingeschobenen Presseausschnitten, vor allem aber mit den dynamischen Kampfszenen, die man normalerweise nur von Mangas her kennt, überzeugt der Zweiteiler.

    Eine nicht ganz unbeschwerte, aber dadurch umso eindrucksvollere Lektüre, die auf ganzer Linie überzeugt. 9,2/10



  22. #22
    Verstorben Avatar von hipgnosis
    Registriert seit
    03.2001
    Beiträge
    12.932
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Ich weiss es liegt nun schon etwas länger zurück - aber ich bin schon etwas enttäuscht, daß meine eifrigen Mitstreiter lucien und Matbs noch keine Worte für ihr abschliessendes Fazit fanden.

    In der Hoffnung doch noch ein schönes Fazit aus ihnen herauszukitzeln

  23. #23
    Mitglied Avatar von Matbs
    Registriert seit
    05.2004
    Beiträge
    1.942
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Eigentlich wollte ich mit dem Fazit warten, bis ich meine immer noch verliehenen Bände zurückbekomme und sie noch mal lesen kann - hat aber immer noch nicht geklappt, also bitte:

    Grafisch die beste Arbeit, die Baru bisher abgeliefert hat: Sein typischer, dynamischer Strich erreicht hier neue Höhen und bewahrt sich dabei gleichzeitig eine abstrakte, bewusst etwas rohe Qualität, die nicht nur äußerst intensiv wirkt, sondern die Handlung zudem auch noch bestens unterstützt.
    Wie immer ist Barus Stil unverwechselbar, und nur schwer mit anderen Künstlern zu vergleichen - am ehesten würde ich ihn als die direkte Antithese von Juillard beschreiben: Grob, wuchtig, abstrakt, unmittelbar, dynamisch und hochemotional wo Juillard elegant, naturalistisch, statisch, distanziert und oft etwas unterkühlt wirkt (He. Damit wäre ein weiterer Köder für den bekennenden Juillard-Fan lucien ausgelegt...).
    Dazu eine perfekte Kolorierung mit kräftigen, starken Farben, die ebenfalls wieder bestens zur Handlung passen und dei Geschichte endgültig zu einer wahren Augenweide machen.

    Inhaltlich ebenfalls großartig.
    Weniger, weil die Story so außergewöhnlich wäre, das ist sie - wie bereits mehrfach bemerkt - eigentlich nicht, das gab´s alles so ähnlich schon irgendwo anders. Vielmehr vor allem deshalb, weil die Art und Weise, wie diese Story erzählt wird, eine unglaublich dichte, authentische Atmosphäre schafft, die den Leser direkt und unmittelbar in ihren Bann zieht. Damit beweist Baru einmal mehr, dass er ein wahrer Meister ist, wenn es darum geht, die Lebenswelt von meist jungen Menschen aus der Unterschicht und dem Einwanderermillieu wiederzugeben, und damit einer gesellschaftlichen Gruppe eine Stimme zu verleihen, die ansonsten - auch im Kulturbetrieb der Comicwelt - allzu gerne vergessen wird.
    Insgesamt passen hier ähnliche Adjektive wie bei der grafischen Umsetzung: Direkt, wuchtig, hochemotional, roh, unmittelbar. Super!

    Schließlich noch die Aufmachung, die mir - wie gesagt - ebenfalls sehr gut gefällt und mit ihrem schweren, bräunlichen Papier den Eindruck eines außergewöhnlichen Comics endgültig bestätigt und abrundet.

    Großartige, berührende, anspruchsvolle Comic-Unterhaltung.
    Must Read, Must Buy: 9,5/10

    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Ich weiss es liegt nun schon etwas länger zurück - aber ich bin schon etwas enttäuscht, daß meine eifrigen Mitstreiter lucien und Matbs noch keine Worte für ihr abschliessendes Fazit fanden.
    Sorry, aber wie ich bereits mehrfach erwähnt habe, ist gerade ganz, ganz eng, ich bin furchtbar gestresst, osziliere ständig zwischen verzweifeltze Panik und unrealistischem Optimismus, und hab´ mit meinem Uni-End-Kram und meiner Marathonvorbereitung so viel um die Ohren, dass da halt einfach nicht mehr drin ist.

  24. #24
    Mitglied Avatar von lucien
    Registriert seit
    07.2001
    Beiträge
    2.220
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    @Matbs und Hip
    Danke für die Köder, aber im Normalfall benötige ich die nicht .
    Bei mir war es die letzten Woche ebenfalls sehr stressig, so dass ich nicht immer so konnte wie ich gerne wollte.

    Nun aber zu Baru und Wut im Bauch.

    Ein grandioser Comic in einer ebensolchen Aufmachung. Barus Strich den ich ebenfalls sehr schätze hat in diesen Alben eine Dynamik die der Sportart und ihrer Geschwindigkeit (zumindest in der Gewichtsklasse in der sich Anton boxt) in nichts nachsteht.

    Auch die Kolorierung ist oft treffend wie ein Faustschlag (verzeiht das Wortspiel, ich werde wohl hierfür öfter gerügt), das Rot der Boxhandschuhe, der Autos und der Liebe, einfach aber toll.
    Seine Protagonisten sprechen durch die Umrisslinien der Gesichter und ihrer Mimik. Viele Panels kommen ohne Worte aus und benötigen auch keine. Baru zeichnet die Emotionen seiner Figuren ohne karikierenden zu werden.

    Die Geschichte besticht vor allem durch die Gefühlwelt des Helden und seines sozialen Umfeldes. Die Praktiken in der Geschäftswelt Boxen dienen als Hintergrund ohne einen moralischen Zeigefinger zu heben, der Leser nimmt Anteil an der Zerrisenheit Antons und seiner Suche nach Anerkennung.

    Der hochsympathische Baru, ein im Auftreten bescheidener Mensch mit einer tollen Ausstrahlung, ist auf dem Wege ein Klassiker zu werden. Er schafft es brisante Themen spannend und unterhaltsam aber trotdem nachdenklich zu präsentieren.

    Wut im Bauch erhält von mir 9,2 von zehn Punkten.

    Um noch kurz auf Matbs Vorlage bezüglich Juillard einzugehen, die graphische Antithese gefällt mir gut. Wahrscheinlich schätze ich deshalb beide Künstler gleichermassen, beide ragen über den Durchschnitt hinaus, beide polarisieren und sind in ihren Zeichnungen wirklich gegensätzlich und doch so ausdrucksstark.

  25. #25
    Verstorben Avatar von hipgnosis
    Registriert seit
    03.2001
    Beiträge
    12.932
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Wenn ich mir mal eine kleine Analyse unserer Besprechung erlauben darf!

    Es ist ja mehr als deutlich aus unserer Abschlussbewertung herauszulesen, daß wir alle das Werk von Baru gleich hoch bewerten.
    Festzustellen gilt, daß wir drei auch die einzigen waren die über den Titel diskutierten.

    Obwohl es natürlich nicht repräsentativ ist, könnte man fast bilanzieren, daß solche anspruchsvollen, aber auch in ihrem Stil eigenen Comics, nur von einer Käuferschicht erworben wird, die genau weiss, warum sie diese Werke käuft und recht zielsicher danach Ausschau hält.
    Ich wage die These, daß wir bei solchen Comics eine überwiegend hohe Zufriedenheit bei ihrer Käufergruppe erwarten können, gerade weil sie mit einiger Überlegung hier einkäuft.

    Das unterscheidet solche Autorencomics enorm vom Massenmarkt, wo man selbst öfter mal nach Lust und Laune zugreift, oder einfach nur weil die Bildchen so schön bunt sind!

    Das soll nun kein Qualitätsurteil anderer Genre oder anderer Comics im Allgemeinen sein, aber man bemerkt schon einen sehr deutlichen Unterschied im Kaufverhalten gegenüber den unterschiedlichen Arbeiten.

    Ein untrügliches Zeichen das die Leser solcher Werke meist mit ihnen höchst zufrieden sind, stellt für mich auch die Tatsache dar, daß man sie kaum im antiquarischen Handel erwerben kann. Obwohl hier natürlich auch die geringere Auflagehöhe eine grosse Rolle spielt.

    Zumindest sehr interesant - und wenn man mal für seine eigene Person durch seine Comicregale, -Zimmer, -Hallen, - Kathedralen schlendert und darüber sinniert von welchen Comics man sich trennen könnte, sind diese Werke sicherlich unter den Allerletzten, die man im Leben hergeben würde.

Seite 1 von 2 12 LetzteLetzte

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •  

Das Splash-Netzwerk: Splashp@ges - Splashbooks - Splashcomics - Splashgames
Unsere Kooperationspartner: Sammlerecke - Chinabooks - Salleck Publications - Splitter - Cross Cult - Paninicomics - Die Neunte
Comicsalon Erlangen
Lustige Taschenbücher