Und hier wieder, da ich im Augenblick nichts besseres zu tun habe und im Forum seit Tagen weitgehend Windstille herrscht, ein Schwärm-Thread über ein altes Lustiges Baschentuch - diesmal wieder unter der Hunderter-Marke angesiedelt.


LTB 86 - Aus dem Leben eines Milliardärs:

Rahmengeschichte
Text: -
Zeichnungen: Giancarlo Gatti

Onkel Dagobert und der "Hecker"!, 32 S.
Text: Giorgio Pezzin
Zeichnungen: Marco Rota

Der Klub der Besserungswilligen, 27 S.
Text: Jerry Siegel
Zeichnungen: Giancarlo Gatti

Onkel Dagobert und der Fluch des Goldes, 45 S.
Text: Jerry Siegel
Bleistiftvorzeichnungen: Romano Scarpa, Tuschezeichnungen: Sandro Del Conte

(Bank-)Krach im Hause Duck, 32 S.
Text: Danilo Forina
Zeichnungen: Luciano Capitanio [letzte Seite: Sergio Asteriti]

Das Ende eines Traumes, 7 S.
Text: -
Zeichnungen: Tony Strobl

Ideen muß man haben!, 1 S.
Text: -
Zeichnungen: Santiago Scalabroni

Onkel Dagoberts schwimmende Raffinerie, 62 S.
Text: Giorgio Pezzin
Zeichnungen: Giorgio Cavazzano

Das schicksalsschwere Horoskop, 31 S.
Text: Jerry Siegel
Zeichnungen: Giancarlo Gatti

Die Rahmengeschichte ist Mumpitz: ein Ghostwriter der Panzerknacker (was man zwar sofort sieht, aber direkt erst ziemlich spät auf S. 119 erfährt), der Onkel Dagobert Geschichten für dessen geplante Memoiren vorliest. Manche Geschichten folgen ohne Rahmengeschichte aufeinander, auf S. 118-120 erfolgt das letzte richtige Zwischenstück (auf S. 223 gibt's dann noch eine sinnlose Seite). Passieren tut rein gar nichts! die Panzerknacker setzen einen Ghostwriter auf Dagobert an, und es passiert überhaupt nichts! Auf S. 119 tauchen die Jungs in einem Bild zum ersten Mal auf, um von ihrem Ghostwriter-Spion zu erfahren, daß "[n]ichts zu machen" sei. Im nächsten Panel lamentiert Opa Knack noch ("Mist! Keiner hilft einem! [...]"), und das war's dann. Har, har, har! Nie war eine Rahmengeschichte überflüssiger.

Ansonsten geht es in diesem LTB gut los: Onkel Dagobert und der "Hecker"! handelt davon, daß Lutz Langfinger, genannt der "Hecker", kriminelles Gehirn und eine Art von "Einbruchstheoretiker" (Onkel Dagobert), in Entenhausen auftaucht. Der Alte wittert natürlich Gefahr für seine Spargroschen und versucht Neffe Donald beim "Hecker" einzuschleusen...
Die Geschichte ist intelligent geschrieben und durchdacht, wenngleich man aus dem Ganzen wohl noch mehr herausholen hätte können als man ohnehin schon hat. Aber gut.
Der Name Rota bürgt für Zeichnungen erster Güte; es ist allerdings eine frühere Phase Rotas, in der den Zeichnungen noch etwas von italienischer Dynamik eigen ist, die Rota in seinem späteren, Barks angenäherten Stil weitgehend abgelegt hat. Es ist natürlich auch so sehr ansprechend.

Der Klub der Besserungswilligen ist nicht sooo schlecht und taugt noch als nettes Häppchen für zwischendurch: Bertel will den Panzerknackern, die ihm auf den Keks gehen, "Manieren beibringen" und heuert zu diesem Zweck einen Trupp, die "Besserungswilligen" an. Die einzelnen Szenen sind sich nicht unwitzig, wirkliche Überraschungen gibt es in der Geschichte allerdings nicht.
Der Gatti-Stil, obgleich nicht ohne eigenen Reiz, ist insgesamt anspruchslos und eintönig und nur in Maßen genießbar.

Scarpa ist nach Rota der zweite Höhepunkt dieses LTBs: Onkel Dagoberts Schätze erheben sich gegen ihn: das Geld formt sich zur Kralle, zur Faust, zum Pfeil und zur Walze; es gibt auch einen Geld-, einen Gold- und einen Diamantenriesen. Onkel Dagobert erfährt, was hinter dem "Fluch des Goldes" steckt...
Die zeichnerische Umsetzung ist vorzüglich und fängt die bedrohliche Atmosphäre aufs beste ein. Die Geschichte stammt vom selben bekannten Autor wie die vorherige und wie die letzte in diesem LTB. Man merkt die gemeinsame Urheberschaft auch allen dreien irgendwie an, da es doch so etwas wie einen "Siegel-Stil" des Erzählens gibt, wie auch ein "Pezzin-Stil" existiert. Man fragt sich dann, ob es Gattis Zeichnungen sind, die die anderen beiden Geschichten so herunterreißen, und umgekehrt hier die Zeichnungen Scarpas, die aus der Geschichte ein edles Menü machen. Aber ich glaube doch, daß der "Fluch des Goldes" als Geschichte sich von den andern beiden abhebt; daß die Geschichte als solche erst durch gute Zeichnungen wirklich wirkt, ist klar.

(Bank-)Krach im Hause Duck ist lahm. Düsentrieb wird von den Panzerknackern entführt, die mit Hilfe einer Erfindung von ihm an der Börse triumphieren. Onkel Dagobert geht pleite. Das Ganze zieht sich erzählerisch eher so hin, man liest es nicht unbedingt voll des brennenden Verlangens, wie es denn nun weitergeht; teilweise ist die Geschichte auch wirr.
Die Zeichnungen sind kindlich und in ihrer Schlechtigkeit wiederum nicht ohne Reiz, dennoch müssen sie als ungenügend betrachtet werden. Der Ausdruck ist hölzern, Proportionen und Bewegungen stimmen nicht, die Posen der Figuren sind, wenn sie halbwegs gut sind, von Barks abgezeichnet. Als Barks-Kopien sind mir aufgefallen: Onkel Dagobert in mehreren Panels auf S. 126f. und S. 128, Panel 6. Dann Donald auf S. 129, Panel 1, S. 131, Panel 2, S. 132, Panel 4-6, S. 145, Panel 2. Ferner Tick, Trick und Track auf S. 132, Panel 1. Die Liste ist wohl unvollständig, sehr viel sieht abgezeichnet aus. Die ganze Geschichte fällt unter die Rubrik "Kopisten am Werk". Vermutlich hat das vor Menschengedenken im HD schon mal einer analysiert.
Nun gut, Capitanio hat noch in all seiner Schlechtigkeit Charme - aber dennoch! Kaum zu glauben, daß das der Vetter von Cavazzano ist.
Man hat an die Geschichte noch eine Seite Asteriti angehängt, die aber nicht zur Rahmengeschichte gehört, sondern den Schluß der Geschichte nochmals streckt und ihm eine zusätzliche Pointe verleiht. Keine Ahnung, was das soll.

Dann kommen ein belangloser Siebenseiter von Strobl und ein Einseiter, der vom Witz her gar nicht so schlecht ist und auch zeichnerisch passabel ist.

Endlich geht's wieder vernünftig weiter, und mit Cavazzano erhält dieses LTB seinen dritten Höhepunkt. Eine der großen "technischen" Geschichten Giorgio Pezzins: Onkel Dagobert läßt sich eine riesige "schwimmende Raffinerie" bauen, mit der er auf den Weltmeeren herumtuckert und das Öl, das aufgrund von Tankerunglücken im Wasser schwimmt, abschöpft wie Rahm. Klaas Klever will ihm die Suppe versalzen und heuert zu diesem Zweck die Panzerknacker an. Es fehlt nicht an lustigen Elementen, wie einer "Talerfolter", mit der die Panzerknacker seelische Grausamkeit gegenüber Dagobert an den Tag legen.
Niemand ist besser geeignet als Cavazzano, diese Art von Geschichten zeichnerisch umzusetzen, und die Geschichte - aus Cavazzanos technoider Zeichenphase in den 70ern - ist eine einzige Augenweide.

Das schicksalsschwere Horoskop, mit dem dieses LTB ausklingt, ist zwar noch lesbar, aber doch eher schwächlich: Onkel Dagobert läßt sein Geld in ein "unauffindbares Versteck" verfrachten, verliert aber dann sein Gedächtnis. Gatti nervt inzwischen extrem: die Zeichnungen wirken lieblos und bei manchen Szenen auf eine geradezu hanebüchene Weise unrealistisch.

Fazit: Trotz der Durchhänger aufgrund der drei klasse Geschichten: Pezzin/Rota, Siegel/Scarpa und Pezzin/Cavazzano ein lesenswertes Baschentuch.