Der Krieg kommt, ganz sicher...

**cyqle** · 22.01.2001, 17:40

Heute Abend lief auf dem polnischen Fernsehsender "TV Polonia" (das ist ein spezieller Fernsehsender für Polen ausserhalb der Landesgrenzen) der historische Kriegsfilm "Gdzie kolwiek pan jest, panie prezydencie" (Wörtlich übersetzt "Wo auch immer Sie sind, Herr Präsident"). Der Film stammt von Europas bisher bestem Regisseur Andrzej Wajda, der auch im letzten Jahr mit einem Oscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.

Der Film ist kein direkter Kriegsfilm. Er ist schwarz-weiß gedreht und spielt in der polnischen Hauptstadt Warschau in den letzten Wochen vor der Übernahme durch die Nazis. Diese haben einige Wochen zuvor ohne jegliche Kriegserklärung Polen überfallen und somit inoffiziell den totalitären Krieg begonnen.

Der Film schildert ganz genau die Abläufe dieser restlichen Stunden. Im Mittelpunkt steht nicht nur die Stadt und ihre Bewohner, sondern vor allem der Oberbürgermeister der Stadt. Ein heiserer, etwas älterer, der die Stadt hochgetrieben hat und sie mit eiserner Faust regierte.

Inzwischen haben die Nazis halb Polen eingenommen, per Luftwaffe zerstören sie alle unterwegs liegenden Großstädte, Fabriken und andere wichtige Objekte. Im Laufe des Films werden andauernd alte historische Aufnahmen gezeigt, die zu dieser Zeit entstanden sind. Besonders schockierend ist eine Szene in der der Absturz einer Fliegerbombe auf einen Bahnhof in der Nähe Warschaus gezeigt wird. Bei dieser Aufnahme sterben hunderte von Menschen, auf der Flucht, sinnlos und ohne jeglichen Zweck, nur damit sie nicht fliehen.

Wie schon gesagt, ist im Mittelpunkt der Oberbürgermeister. Mittlerweile ist die Regierung Polens zusammen mit dem Premier und dem Präsidenten nach Rumänien geflohen, eine Hilfe durch die Alliierten (denn, Polen gehörte zu der Zeit noch zu den vereinten Alliierten) ist nicht mehr einzuschliessen doch trotzdem gibt der Bürgermeister nicht auf. Hektisch muß er innerhalb von wenigen Sekunden drastische Massnahmen ergreifen. Im Mittelpunkt steht die Frage, kapituliert die Stadt oder nicht. Zuerst ist er dagegen. Noch besteht ein großer Teil der Armee, die sich um die Stadtgrenze gewagt hat um gegen die Nazis zu kämpfen. Ausserdem will er die Bevölkerung schützen und die wundervollen Häuser, die die Stadt zu bieten hat. Denn zu dieser Zeit blüht Warschau regelrecht, ganz Polen erlebt in den 30ern seine Blütezeit, eine demokratische-liberale Staatsform, keine Inflation, wenige Arbeitslose, doch mit Hitlers krankhaften Zuckungen stürzt all das in den Bach.

Im laufe des Films kommen die Nazis immer näher. Am Ende kann der Betrachter sehen, wie der Sejm (polnisches Parlament) oder der Weiße Palast zerbombt werden, wie mitten auf der Strasse Nazis umher marschieren und Passanten abknallen, wie die Diplomaten der Botschaften der USA und Englands flüchten.

Eine Kapitulation ist unumgänglich, doch der Bürgermeister bleibt hart. Gegen Ende wird er aber von seinen Stabsleuten überstimmt und sieht es endlich auch ein. Doch die Kapitulation Warschaus ist auch das Ende Polens, mit der Kapitulation beginnt erst der dramatische Teil so richtig aufzugehen, denn nach Polen kommt Tschechien, Jugoslawien, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Spanien, Bulgarien, Griechenland, Russland, etc.

Als die Nazis dann endlich auch alle Fleckchen der Stadt eingenommen haben, Hitler die Belagerungsstätten durchgesichtet hat um dort die Soldaten zu besuchen und seine Hand in die Höhe zu strecken, wird der Oberbürgermeister von Gestapo Leuten abgeschleppt und schliesslich erschossen. Also ein tragisches Ende, wie auch in Wirklichkeit, basierend auf authentischen Szenen.

Der Film ist einfach einzigartig gemacht. In Worten lässt sich das nicht nachvollziehen, da zu viele authentische Bilder aus den 30ern den Betrachter in eine Trance des Grauens treiben.

Ende 1939 ist ganz Polen eingenommen. Offiziell ist die polnische Armee geschlagen, wie auch Frankreich, war sie auf einen Krieg nicht vorbereitet, doch heute wissen wir, dass bis 1945 in ganz Polen hunderte von Untergrundarmeen und Partisanen gegen die Nazis gekämpft haben. Dauernd haben es die Deutschen mit Anschlägen, Attacken und Demgleichen zu tun. Bis 1945 ist vor allem Warschau ein Ort des Grauens, eine Hölle auf Erden, keine Minute ohne Schuss oder Rauch.

Sogar, als die Deutschen schon wissen, dass sie keine Chancen mehr haben, zerstören sie mit Granaten und Flammenwerfern die noch verbliebenen Häuser und Einrichtungen in Warschau, sie demolieren die ganze Stadt und bringen alle Gefangenen um. Am Ende wird auch die berühmte AK (Armia Krajowa) vollkommen ermordet, eine große Untergrund Armee, die hauptsächlich in der Kanalisation tätig war und von Unten die Nazis nörgelte, sowie der Warschauer Aufstand niedergemetzelt. Grund dafür ist auch die großzügige Hilfe der Sowjets. Und zwar KEINE! Diese kommen nämlich Ende des Krieges in Polen bis zur Weichsel vor und zerschlagen dort die deutschen Punkte. Doch anstatt in Warschau einzumarschieren und zu helfen warten sie tagelang und lassen die Nazis morden um ihre eigenen Leute zu schützen, wie sich später herausstellte
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Als dann der Krieg vorbei ist und alles vernichtet, heisst es, die Russen hätten Polen befreit, doch in Wahrheit ist dies nur ein propagandistischer Satz, der eine weitere Zeit des Leidens vorweist. Nach 1945 wird Polen von den Sowjets rekommunisiert, Lenin lässt den Sozialismus einführen, Polen und auch alle anderen osteuropäischen Staaten, verfallen hinter den Eisernen Vorhang und erleben bis zur Wende eine zeit der Toten Haltung und der gravierenden Propaganda. Erst 1981 und später 1989 kann sich Polen endlich von den Klauen befreien um wieder in Frieden zu leben.

Jeder, der sich intensiv mit Politik, Geschichte oder dem Filmgeschehen beschäftigt, der sollte sich diesen Film in einer fachkundlichen Biblitohek oder sonstwo ausleihen. Der Film ist einfach grandios und ein Zeitzeuge schlechthin mit Bildmaterial, die sonst nirgends zu sehen sind!