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Thema: Comic-Stammtisch: Freddy Lombard

  1. #26
    Moderator Finix Comic Club Avatar von joox
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    Bin internettechnisch wieder einsatzbereit!!!

    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Erst diese Wesenszüge der Protagonisten verleiht m.E. der Serie die Abnabelung zu den klassischen Abenteuer-Serien.

    Selbst durch die zeichnerische Weiterentwicklung oder die ein oder andere Persiflage, denke ich wäre dies Chaland alleine nicht möglich gewesen.
    Da bin ich deiner Meinung hip! Der stärkste Kontrast zu den klassischen Figuren besteht im teilweise doch recht negativen Beigeschmack, den unsere "Helden" beim Leser hinterlassen. Die oft unangenehm bösartigen cholerischen Anfälle Sweeps oder auch die besserwisserische Arroganz Freddys (zugegeben für Diana hab ich eine grosse Schwäche, da sind mir keine derart unangenehmen Züge aufgefallen) beugen einer unbekümmerten Identifikation mit dem Helden vor, da Chaland hier nicht den gängigen Mustern folgt. (Z.B Spirou=ersthafter, ausgeglichener Könner & Fantasio=zerstreuter, aber liebenwerter und phantasiebegabter Chaot)
    Menschliche Schwächen wurden bisher bei den Helden positiv konnotiert. Allein der Bösewicht war die negative Projektionsfläche für den Leser. Bei Chaland ist das so eindeutig nicht mehr der Fall. Teilweise sind einem vor allem die männlichen Helden auch nicht ganz geheuer.
    Innerhalb des narrativen Aufbaus fallen mir vor allem recht gewagte Schnitte auf, die den Hang des Lesers nach Kausalität umschiffen und der Lektüre oft ihre Leichtigkeit nehmen.
    Eine "bewusste Abnabelung" im bereich des Artworks sehe ich eben vor allem im Retro-Ansatz. (Gerade wenn ich mir unsere Modernisierungsdebatte im Zusammenhang mit Spirou in Erinnerung rufe, kann ich mir vorstellen, dass ein solcher Retroansatz auch heute noch recht kontrovers aufgenommen würde...??)
    Bei den Kurzgeschichten spricht einerseits die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit thematisch schon für sich, andererseits besteht in F-52 ein auffällger Kontrast zwishcen dem Symbol der Fortschrittsgläubigkeit dem Atomflugzeug, dem Retrolook und der im blutigen Finale endende Darstellung menschlicher Abgründe...eine Mischung, die mMn ins Auge stechen MUSS.
    Ein besonders wichtiger Punkt der "Abnabelung" für mich ist auch ganz besonders der allgegenwärtige "ironisierende" Unterton des Textes.
    Ich finde der Satz aus deiner Bio bringt es sehr gut auf den Punkt:
    ...als auch eine ironische Persiflage der traditionellen Inhalte: Fortschrittsgläubigkeit, moralische "Sauberkeit", Konservatismus, Prüderie und Verklemmtheit. Er überzeichnet dabei seine Darstellungen oft dermassen krass, daß sich schnell die Lächerlichkeit dieser Klischees entlarvt.
    Geändert von joox (04.07.2007 um 16:44 Uhr)

  2. #27
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Ja kaschi!



    So muss ein Comic, bzw. ihre Charaktere angelegt sein, damit ich diesen nostalgischen Touch durchbrechen kann.

    Witzig ist, das es Chaland geradezu darauf anlegt, seine Werke als Hommage der guten alten Zeit zu präsentieren, es aber im Detail dann schafft sich stark von dieser zu distanzieren.

    Das gelingt teilweise anderen Comics, die weitaus moderner sein wollen bei weitem nicht so gut.
    Oftmals versuchen dann die Zeichner dem Comic lediglich ihren Stempel aufzudrücken und dem Leser rein durch abgedrehte Illustrationen das Gefühl von Andersartigkeit, Modernität oder was auch immer zu vermitteln.

    Dabei schlummert insgeheim eine grundsolide - gar brave Storyline im Innern des Comics und der Leser wird noch mit allzu prüden Charakteren gelangweilt.
    Viele Superhelden-Comics funktionieren bestens nach diesem Strickmuster!


    Ich möchte Chaland wirklich nicht zu weit in den Himmel loben, aber er hat es schon in seinen jungen Jahren perfekt verstanden einen Dissens zwischen Handlungszeit und Ort auf der einen Seite und seinen Protagonisten zu schaffen, der nun dem Leser dieses besondere Ambiente vermittelt, einer Geschichte zu folgen die vordergründig klassische Form vorgaukelt, tiefer betrachtet aber von sehr modernen Strukturen durchzogen ist!

    Umso trauriger macht die Tatsache, das dieser Könner schon mit 33 Jahren verstarb!
    Geändert von hipgnosis (05.07.2007 um 18:57 Uhr)

  3. #28
    Moderator Finix Comic Club Avatar von joox
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    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Ich möchte Chaland wirklich nicht zu weit in den Himmel loben, aber er hat es schon in seinen jungen Jahren perfekt verstanden einen Dissens zwischen Handlungszeit und Ort auf der einen Seite und seinen Protagonisten zu schaffen, der nun dem Leser dieses besondere Ambiente vermittelt, einer Geschichte zu folgen die vordergründig klassische Form vorgaukelt, tiefer betrachtet aber von sehr modernen Strukturen durchzogen ist!
    Aber Hallo! Ich glaube selbst in heutigen Zeiten würde es relativ herb rüberkommen, wenn in einem Comic mit Funny-Ästhetik plötzlich ohne jegliche ironisierende Verharmlosung der Held wegen Pädophilie eingesperrt wird. Das hat mich neben dem Aussetzen behinderter Kinder, dem blutreichen Showdown etc. etc. bei F-52 doch stark mitgenommen. Ich schätze damals hat das seine Wirkung noch weniger verfehlt, ebenso wie die sexuelle Belästigung Dianas durch den Vorgesetzten. Ziemlich heisse Eisen die Chaland da in Comicform anfasst!

    Daher auch von mir:

    Geändert von joox (06.07.2007 um 09:57 Uhr)

  4. #29
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    Mit Tim und Struppi habe ich ja bekanntlich nicht so viel am Hut. Und auch die frühen Spirou (Jijé-Phase) haben mich keineswegs so begeistern können wie die von Franquin.

    Ich fürchte, ohne Verwurzelung in diesen Serien zündet Freddy Lombard nicht so recht. Wenigstens geht es mir so. Eure Analysen kann ich dabei durchaus nachvollziehen (Verwendung/Weiterentwicklung der Ligne Claire bei gleichzeitiger Brechung mit etlichen ihrer "Gesetze"). Aber ohne tiefere Anbindung an die traditionellen Vorbilder will sich bei mir die emotionale Wirkung/das Vergnügen nicht recht einstellen.

    Der Elefanten-Friedhof gefällt mir dabei von der Geschichte her noch am besten, die Fotoplatten-Story finde ich schon etwas weniger stimmig (s.o.), wenn auch toll gezeichnet, und F-52 ist einfach absurd. Insbesondere mißfällt mir dabei das nicht weiter problematisierte Motiv, das geistig behinderte Kind gegen ein anderes auszutauschen. An dieser Stelle habe ich durch meinen Zivildienst bei der Lebenshilfe (80er Jahre) sehr wohl einen emotionalen Anknüpfungspunkt.
    Geändert von Kaschi (06.07.2007 um 12:11 Uhr)

  5. #30
    Mitglied Avatar von lucien
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    Chaland ist hat meines Erachtens schon in der Geschichte "Der Elefanten-Friedhof" ein erwachsenes Publikum angesprochen.
    Zeichnerisch spricht er natürlich ein Publikum an, welches seine Comicsozialisation mit der Ligné Claire erfahren hat, stösst dieses aber auch in diesem Punkt ein wenig vor den Kopf.
    Gerade bei der Darstellung ausgeübter Gewalt erinnert er mich an ältere Comicstrips (z.b. Popeye, wobei ich da nicht so firm bin).

    Mit der Handlung geht er aber deutlich neue Wege. Ich habe den Comic F-52 zu diesem Stammtisch das erste mal gelesen und ich war wohl ähnlich berührt wie Kaschi, Joox und Hip.
    Die Skrupellosigkeit der Eltern hat auch mich sehr berührt.

    Weitere "heisse Eisen" die Chaland in dieser Geschichte anpackte sind ja schon erwähnt worden, mir ist noch die deutliche gesellschaftliche Trennung (sowohl praktischer Natur durch die verschiedenen Flugklassen, als auch von der Form der Konversation) innerhalb des Mikrokosmos Flugzeug aufgefallen.

    Chaland riß meines Erachtens bewusst viele Themen an und brachte sie für den Leser zu keinem katharsischen Ende, ausser denen dass die Mutter ihr Kind wieder hatte und die eigentlich sehr egozentrisch dargestellte Großfamilie beweist Familäre Tugenden in dem sie das abgeschobene Kind aufnimmt. Mit diesen und den anderen Themen, so zumindest meine Interpretation, mochte er den Leser über das Ende des Comics hinaus beschäftigen und eine über die Unterhaltung hinausgehende Auseinandersetzung mit dem Medium und seinen Inhalten schaffen.

  6. #31
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    Mißfallen hat mir nicht, daß Chaland skrupellose Eltern zeigt.

    Mißfallen hat mir Chalands Gedankenlosigkeit im Umgang mit geistiger Behinderung!

    In seiner Geschichte ist das Kind mit Down-Syndrom nichts als nervig: es gibt nur unverständliche Laute von sich, es schmiert mit dem Eis herum ...

    Verzeihung, aber Kinder (wie Menschen allgemein) mit einer geistigen Behinderung erfordern zwar zumeist viel Zuwendung, haben aber auch vieles zu bieten, was wir sog. Nichtbehinderten längst verlernt haben. Davon ist aber bei Chaland nichts zu sehen. Die "Göre" ist bei ihm einfach nur lästig und sonst nichts. Klar, sie abzuschieben ist auch bei Chaland nicht besonders nett ...

    Zur Verdeutlichung krame ich mal wieder eine Passage aus Storms Schimmelreiter hervor, die ich damals als Zivi in die dortige Hauspostille gesetzt habe:
    Und Elke öffnete die Tür und ließ das Kind hinaus. Als sie dieselbe wieder geschlossen hatte, schlug sie mit einem Ausdruck des tiefsten Grams die Augen zu ihrem Manne auf, aus denen ihm sonst nur Trost und Mut zu Hilfe gekommen war.

    Er reichte ihr die Hand und drückte sie, als ob es zwischen ihnen keines weiteren Wortes bedürfe; sie aber sagte leis: "Nein, Hauke, laß mich sprechen: das Kind, das ich nach Jahren dir geboren habe, es wird für immer ein Kind bleiben. O lieber Gott! es ist schwachsinnig; ich muß es einmal vor dir sagen."

    "Ich wußte es längst", sagte Hauke und hielt die Hand seines Weibes fest, die sie ihm entziehen wollte.

    "So sind wir denn doch allein geblieben", sprach sie wieder.

    Aber Hauke schüttelte den Kopf: "Ich hab sie lieb, und sie schlägt ihre Ärmchen um mich und drückt sich fest an meine Brust; um alle Schätze wollt' ich das nicht missen!"

    Die Frau sah finster vor sich hin: "Aber warum?" sprach sie; "was hab ich arme Mutter denn verschuldet?"

    - "Ja, Elke, das hab ich freilich auch gefragt, den, der allein es wissen kann; aber du weißt ja auch, der Allmächtige gibt den Menschen keine Antwort - vielleicht, weil wir sie nicht begreifen würden."

    Er hatte auch die andere Hand seines Weibes gefaßt und zog sie sanft zu sich heran: "Laß dich nicht irren, dein Kind, wie du es tust, zu lieben; sei sicher, das versteht es!"

    Da warf sich Elke an ihres Mannes Brust und weinte sich satt und war mit ihrem Leid nicht mehr allein. Dann plötzlich lächelte sie ihn an; nach einem heftigen Händedruck lief sie hinaus und holte sich ihr Kind aus der Kammer der alten Trin' Jans und nahm es auf ihren Schoß und hätschelte und küßte es, bis es stammelnd sagte: "Mutter, mein liebe Mutter!"

    So lebten die Menschen auf dem Deichgrafshofe still beisammen; wäre das Kind nicht dagewesen, es hätte viel gefehlt.
    Reclam-Ausgabe, S.116

  7. #32
    Moderator Finix Comic Club Avatar von joox
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    Hi Kaschi, hier tust du Chaland mMn aber Unrecht. In meinen Augen ist die Art und Weise wie das behinderte Kind hier platziert wird alles andere als gedankenlos.
    Sicherlich ist die Darstellung verkürzt und schemahaft, aber wir befinden uns in Medium Comic, da ist der Rahmen zu begrenzt um alle Charaktere breit auszuarbeiten.
    Auch muss dem Leser in diesem knappen Raum unmissverständlich beigebracht werden, dass das Kind geistig behindert ist (ich muss zugeben, ich habe
    es erst nach der zweiten od. dritten Seite so richtig gemerkt..)
    Das Augenmerk Chalands liegt eben mMn nicht direkt auf dem Kind, sondern es handelt sich um eine herbe Kritik am Selbstverständnis der bürgerlichen Gesellschaft
    und ihrem Wahn einer "Vorzeige-Familie" bei der hauptsächlich der Schein zählt! Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Ehepaar sich freut, dass die
    blonde Isadora gerade äußerlich so gut zu ihnen passt und prompt noch eine passende Brille aufgesetzt bekommt.
    Zu deinem Argument der Nervigkeit noch: Hast du in F-52 ein Kind entdeckt, dass nicht total nervt bzw. ziemlich bösartig ist. (Das beschränkt sich auch nicht nur auf die Kinder.)
    Ich glaube Chaland hat versucht hier die von der bürgerlichen gesellschaft krampfhaft vertuschte negative Seite die jedem Menschen eigen ist penetrant hervorzukehren
    und dem Leser als Spiegel vorzuhalten...

  8. #33
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    Das mag hier ja für die vertuschten negativen Seiten der bürgerlichen Gesellschaft durchaus zutreffen. Da gefällt mir die Stoßrichtung von Chaland. Aber: ein behindertes Kind als lästig zu zeigen - und nur als lästig, deckt doch nichts Vertuschtes auf, sondern bedient - vermutlich unbeabsichtigt - gängige Vorurteile gegenüber Behinderten.

    Zum begrenzten Raum für eine ausführlichere Charakterisierung: wenn das bedeutet, daß ein behindertes Kind nicht in seiner Liebenswürdigkeit, sondern nur in seiner Beeinträchtigung gezeigt werden kann - ja, dann muß man eben ein solches Thema nicht anfassen! Wäre die kleine Sheila übrigens nicht so eindimensional dargestellt worden, wäre die Ungeheuerlichkeit des Verhaltens der Eltern noch viel schärfer zum Ausdruck gekommen.
    Geändert von Kaschi (06.07.2007 um 20:50 Uhr)

  9. #34
    Mitglied Avatar von Mick Baxter
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    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Ich möchte Chaland wirklich nicht zu weit in den Himmel loben
    Dorthin haben ihn seine Fahrkünste gebracht.

  10. #35
    Mitglied Avatar von Matbs
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    So, nach ´ner vollen Woche endlich mal wieder Zeit, was zu schreiben:

    Zum Zeichnerischen hab´ ich mich ja schon geäußert, das ist ziemlich perfekt, von meiner Seite nichts zu mäkeln.
    Was jedoch den Inhalt von Chalands Werken angeht, da geht es mir hin und wieder ein bisschen so wie Kaschi (wie konnte das nur passieren..? ), und ich bin etwas irritiert.
    Zum einen wäre da die Anlage von Chalands Figuren. Da hört man ja immer mal wieder, dass die aufgrund ihrer negativen Charaktereigenschaften realistischer seien, als ihre klassischen Vorbilder, aber ich bin mir da gar nicht so sicher - vielmehr sind m.M.n. viele von Chalands Figuren letztlich genauso überzogen und stilisiert wie ein Tim oder ein Spirou, bloss dass sie eben ins völlig andere Extrem schlagen: Wo der pfiffige Reporter oder der rothaarige Page zu gut sind, um wahr zu sein, ist so mancher Charakter von Chaland tief in seinem inneren so monströs, dass er auf mich nicht minder realitätsfern wirkt (Das gilt vor allem für Figuren, bei denen man von ihrer narrativen Funktion her eigentlich erwarten würde, dass sie positiver besetzt sind - Schurken dürfen ruhig monströs sein, da gehört das sogar zum guten Ton). So erweist sich beispielsweise sein Detektiv Bob Fish in der Auflösung seiner Abenteuers als gierig und zutiefst unethisch, der kleine Albert ist im Grunde seiner Seele ein grausames und selbstgerechtes Ungetüm, und (um mal wieder zurück zu Freddy Lombard zu kommen) Sweep ist ein so gewaltiges Riesenarschloch, dass es an sich völlig unverständlich ist, warum er überhaupt Freunde hat.
    Natürlich ist das letztlich von Chaland so gewollt, und stellt einen faszinierend vielschichtigen Kommentar über den Unterschied von Schein und Sein im Comic wie auch im realen Leben dar, nichtsdestotrotz sind mir seine Sympathieträger manchmal dann doch einen Tick zu unsympathisch, auch wenn das letztlich meinen Lesegenuss nicht entscheidend beeinträchtigt.

    Etwas anders verhält es ich da bei Chalands Neigung, Vorurteile und Dünkel der fünfziger Jahre scheinbar völlig ernsthaft und ohne moralische Wertung in seine Arbeiten einzubauen. Entsprechend finden sich hier immer wieder Aussagen, die mit einem modernen Weltbild unvereinbar sind, und die scheinbar völlig unkommentiert "at face value" zu nehmen sind. Kaschi hat in diesem Zusammenhang schon die sicherlich politisch unkorrekte Darstellung der kleinen Sheila erwähnt, noch unangenehmer finde ich es aber im Fall des immer wider in seinen Werken auftretenden Rassismus - bei Freddy Lombard noch relativ subtil, beispielsweise in der Darstellung vieler Afrikaner im Elefantenfriedhof, in anderen Arbeiten (die bereits erwähnten Titel Bob Fish und der kleine Albert sind mit ihrem "Chinesenhass" gute Beispiele) dagegen sehr deutlich (und eigentlich deutlich jenseits der Schmerzgrenze).
    Natürlich ist mir auch klar, dass Chaland wahrscheinlich kein Rassist war, sondern vermutlich die Ungeheuerlichkeit dieser Konzepte unkommentiert für sich selbst sprechen lassen will, um damit die "gute alte Zeit" zu kritisieren, beziehungsweise ihren Nimbus der Beschaulichkeit ironisch zu brechen. Nichtsdestotrotz löst sein bewusster Verzicht auf die Standards moderner Political Correctness bei mir immer ein sehr deutliches Gefühl des Unbehagens aus, wenn in seinen Arbeiten darüber stolpere.
    Aber hey, Chaland macht nun mal keine "feelgood-Comics", entsprechend gehört das vielleicht dazu...
    Geändert von Matbs (07.07.2007 um 11:01 Uhr)

  11. #36
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    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    Was jedoch den Inhalt von Chalands Werken angeht, da geht es mir hin und wieder ein bisschen so wie Kaschi (wie konnte das nur passieren..? ), und ich bin etwas irritiert.
    Und ich dachte, jezz gibbet 'ne volle Breitseite ...

  12. #37
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    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    Kaschi hat in diesem Zusammenhang schon die sicherlich politisch unkorrekte Darstellung der kleinen Sheila erwähnt, noch unangenehmer finde ich es aber im Fall des immer wider in seinen Werken auftretenden Rassismus - bei Freddy Lombard noch relativ subtil, beispielsweise in der Darstellung vieler Afrikaner im Elefantenfriedhof, in anderen Arbeiten (die bereits erwähnten Titel Bob Fish und der kleine Albert sind mit ihrem "Chinesenhass" gute Beispiele) dagegen sehr deutlich (und eigentlich deutlich jenseits der Schmerzgrenze).
    Natürlich ist mir auch klar, dass Chaland wahrscheinlich kein Rassist war, sondern wahrscheinlich die Ungeheuerlichkeit dieser Konzepte unkommentiert für sich selbst sprechen lassen will, um damit die "gute alte Zeit" zu kritisieren, beziehungsweise ihren Nimbus der Beschaulichkeit ironisch zu brechen.
    Ja, nur mit dem Unterschied, daß Rassismus bei Chaland auf die Vorbilder verweisen kann und damit den von Dir benannten kritischen Effekt erzeugen KÖNNTE. Vorurteile gegenüber Behinderten jedoch tauchen bei den Vorbildern m.W. nicht auf. Soweit ich weiß, ist Behinderung dort überhaupt kein Thema, zumindest kein zentrales. Allerdings habe ich da keinen Gesamtüberblick. Somit entfällt diesbezüglich der Effekt. Nein, ich denke, hier war's wirklich Gedankenlosigkeit.
    Geändert von Kaschi (07.07.2007 um 10:54 Uhr)

  13. #38
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Wie gesagt, ich denke nicht, dass sich Chaland dabei so spezifisich auf bestimmten Vorbilder stützt, sondern vielmehr auf die Alltagskultur der 50iger Jahre, in der (gerade geistig) Behinderte nicht mit allzuviel Verständnis rechnen durften.

  14. #39
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    ... wobei diese Vorurteile weder in den 80ern zu Chalands Zeiten noch heute etwa verschwunden wären.

  15. #40
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Was Chaland ja möglicherweise damit anprangern wollte (zumindest hoffe ich das...).

  16. #41
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    Aufgrund von Zeitproblemen hinke ich gnadenlos hinterher.
    Also macht Euch nichts draus, wenn ich den Fluss Eurer interessanten Diskussion durch einen kleinen Einschub dämme, in welchem ich mich noch mal meinem anfangs erwähnten Vergleich des ersten Freddy-Albums zu Tim im Kongo widme:

    Der Elefanten-Friedhof!
    Beim Titel des Freddy Lombard-Band Nr. 1 (den vorher veröffentlichten one-shot vergessen wir mal für ein paar Minuten) werden Vorstellungen um einen legendenumwaberten Fundort unermesslichen Reichtums geweckt.
    In jedem zweiten Tarzan-Film wird von skrupellosen Glücksrittern über dessen geographische Lage spekuliert, aber auch genuine Comic-Helden wie Tiger Joe lecken sich alle zehn Finger nach dem natürlichen Elfenbeinlager.

    So bestimmt bereits der Titel des ersten Albums die Richtung, die Chaland mit seiner Serie (zumindest anfangs) einzuschlagen gedenkt: Das klassische Abenteuer soll erneut zu Ehren kommen, doch in einer Zeit in der die weißen Flecken auf den Landkarten Afrikas immer spärlicher gesät sind.
    Und da Lombards Expedition zum schwarzen Kontinent folglich nicht in die 80er passt, versetzt uns Chaland einfach ein paar Jahrzehnte zurück, in eine Zeit, in der derartige Abenteuer zwar auch nicht mehr allzu häufig ausgelebt wurden, aber als Lesefutter durchaus noch en vogue waren.

    Leser und Figuren Chalands treten ihre Zeitreise also gemeinsam an.
    Letztere haben den Wertewandel der auf die 40er und 50er folgenden Jahrzehnte in ihrem zeitlichen Taschenuniversum unbeschadet überstanden und verbreiten völlig ungeniert politische Unkorrektheiten, die mitunter an den Ur-Tim auf seiner Reise durch Belgisch-Kongo erinnern.
    Klar, dass das unsere Sensibilitäten berührt.
    Wahrscheinlich, dass Chaland genau dies beabsichtigt.
    Indem er sich der Gedankenwelt einer vergangenen Zeit annähert, ja, nahezu angleicht, weckt er unsere durch die Wertevermittlung nachgelagerter Zeit geschulten Sensoren, stellt sie sogar hin und wieder auf "Alarm".
    Auch eine Art zu verhindern, dass wir uns schnarchend durch seine Alben quälen!

    Erinnern wir uns an das bereits genannte Tim-Album:
    Selbst in der gesäuberten Version ballerte unser Held gedankenlos in der Gegend rum und richtete quasi en passant eine Hekatombe unter afrikanischen Wildtieren an (Comic-Seite 16 des Tim-Abenteuers, aktuelle Version).
    Dass er dem Kongolesen paternalistisch und ungefragt mit Rat, aber ohne Tat bei einer von ihm selbst verursachten Zugentgleisung zur Seite oder besser: voran steht, belegt dessen kolonialistische Unbekümmertheit: Ohne sich selbst an der Wiedergutmachung des von ihm verursachten Unfalls zu beteiligen, erteilt Massa Tim Anweisungen und schimpft diejenigen - in trauter und herablassender Einigkeit mit Struppi - Faulpelze, die sich genauso wie er vor dem Anpacken drücken (Comic-Seite 20).

    Selbst, wie sagt man so schön: ironisch gebrochen, geht’s bei Freddy Lombard eigentlich nicht viel wilder zu (Ausnahme: siehe unteres Ende dieses Absatzes): Auch bei ihm findet man die sich in nahezu jedem Afrika-Abenteuer als notorische Feiglinge auszeichnenden schwarzen Träger (immer wenn’s gefährlich wird wollen die sich - in diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes - in die Büsche schlagen), die Freddy mit einer dem Leser wenig überzeugend anmutenden Rede zu glühenden Verehrern seiner Person werden lässt (in dieser Rede liegt eine von den erwähnten "ironischen Brechungen").
    Gebrochen wird aber noch mehr, ironisch und mit Traditionen. So ist der Anblick von von wilder Schießerei niedergestreckten Afrikanern (Comic-Seite 19 des ersten Lombard-Abenteuers in Album 1) wohl nur ausgesprochenen Zynikern ein Lachen wert.
    Da beginnt man die dann doch etwas klinischere Tim-Welt zu vermissen.

    Ohne den Holzhammer als legitimes Mittel ironischer Brechung grundsätzlich in Frage zu stellen, sei im Hinblick auf diese Szene mal dahin gestellt, ob Einsatz desselbigen immer angebracht ist.

    Und da kaschi und Matbs bezogen auf das letzte Album im Grunde genau das gleiche dikutieren, habe ich wieder den Anschluss gefunden.
    Geändert von felix da cat (07.07.2007 um 16:57 Uhr)

  17. #42
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Eieiei - da haben wir ja wieder mal ein heisses Eisen im Feuer

    Grundsätzlich ist nicht alles Gold was glänzt und die o.g. "Lobhudelei", bezog sich auch mehr auf das Können eines sehr jungen Autors und Zeichners, einen derart eigenen Stil zu finden, der gar teilweise prägend für andere Künstler wurde.

    Das kann man Chaland nicht absprechen.

    Natürlich muss das nicht zwangsläufig dazu führen, daß man auch von den Geschichten selbst begeistert ist - beim Kritikteil waren wir nur noch nicht - der kommt noch, bzw. ihr habt ja schon damit begonnen.
    Diesmal bin ich wenigstens nicht der Erste der damit voranprescht!

    Bevor ich mir aber Gedanken dazu mache, wie und was mir alles nicht gefallen hat, noch eine Bemerkung zu kaschi´s Kritik bezgl. Behinderten.

    Ich kann nur für mich persönlich hier sprechen - aber das möchte ich wie immer in aller Ehrlichkeit tun.
    Ich kenne Behinderte, habe schon einiges mit ihnen erlebt und weiss das sie immer möglichst "normal" behandelt werden wollen.
    Das habe ich versucht mir zu Eigen zu machen und nun müssen sie sich genauso von mir "verkackeiern" lassen wie eben auch jeder Andere.
    Um es zu verdeutlichen - ich mache genauso meinen Spass mit ihnen, nehme sie aber Ernst- was nicht bedeutet, daß man besonders behutsum mit ihnen umgehen müsste, sprich mit "Samt-Handschuhen", denn das wollen sie nicht!
    Eben so wie ich auch Nicht-Behinderte behandle - "hart aber herzlich"

    Damit bin ich bisher sehr gut gefahren und man freut sich dementsprechend wenn ich da bin.

    Selbstverständlich mache ich keine Verarsche in bezug auf Ihre Behinderung - aber als Menschen sind sie mir nicht mehr aber auch nicht weniger wert wie alle anderen.

    Daher habe ich auch überhaupt keine Probleme, daß in einem Film oder Comic prinzipell Behinderte gezeigt werden und diese vielleicht sogar negativ charakterisiert werden - warum auch nicht, es gibt unter ihnen genauso viel Idioten wie unter den "Normalos".
    Man muss nicht immer wenn ein behinderter Mensch gezeigt wird - den Mitleids-Modus aktivieren. Das nervt ihn und andere auch!

    Die Frage die ich mir nun stelle um wieder auf´s eigentliche Thema zurückzukommen ist, geht Chaland in seiner Darstellung der kleinen Sheila wirklich zu weit und beruht seine Charakterisierung wirklich nur auf Vorurteilen?

    Ich muss es selbst noch mal genau studieren.

    Wenn dem so ist - dann wäre das mies - und würde mich auch ärgern.
    Mir ist das beim ersten Lesen allerdings weit weniger bewusst geworden als z.b. die Tötungsszene beim Elefantenfriedhof oder generell das Behandeln der Eingeborenen.

    Nochmal weil es so ein brisantes Thema ist - ich möchte es nicht bagatellisieren - aber generell würde ich auch eine "normale" Darstellung eines Menschen mit Behinderung im Comic nicht grundsätzlich ablehnen.

  18. #43
    Moderator Finix Comic Club Avatar von joox
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    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    Nichtsdestotrotz löst sein bewusster Verzicht auf die Standards moderner Political Correctness bei mir immer ein sehr deutliches Gefühl des Unbehagens aus, wenn in seinen Arbeiten darüber stolpere.
    Aber hey, Chaland macht nun mal keine "feelgood-Comics", entsprechend gehört das vielleicht dazu...
    Seh´ich eigentlich genauso..

    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Die Frage die ich mir nun stelle um wieder auf´s eigentliche Thema zurückzukommen ist, geht Chaland in seiner Darstellung der kleinen Sheila wirklich zu weit und beruht seine Charakterisierung wirklich nur auf Vorurteilen?
    Ich würde sagen: Nein. Wichtigstes Wirkinstrument Chalands ist mMn das Schocken bzw. Brüskieren seines bürgerlich-verklärten Lesers. Da muss er zwangsläufig teilweise etwas grober hinlangen...
    Allerdings kenne ich mommentan nur Freddy L., Bob Fish und Klein Albert muss ich mir unbedingt noch zulegen...

    Zitat Zitat von Kaschi Beitrag anzeigen
    Zum begrenzten Raum für eine ausführlichere Charakterisierung: wenn das bedeutet, daß ein behindertes Kind nicht in seiner Liebenswürdigkeit, sondern nur in seiner Beeinträchtigung gezeigt werden kann - ja, dann muß man eben ein solches Thema nicht anfassen!
    Also Kaschi, da gehst du mir eindeutig zu weit. Das hört sich ja böse nach Zensur an...
    Mal ehrlich, um nochmal auf hips Gedanken anzuknüpfen. Ich hätte eindeutig wie du was dagegen, wenn hier ausschließlich nur das behinderte Kind negativ dargestellt würde. Aber gerade bei Chaland gilt: Gleiches Maß für alle! Mir ist beim Lesen nicht zuletzt vor allem auch der blonde "Engel" Isadora mächtig auf den Keks gegangen...

  19. #44
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Und da Lombards Expedition zum schwarzen Kontinent folglich nicht in die 80er passt, versetzt uns Chaland einfach ein paar Jahrzehnte zurück, in eine Zeit, in der derartige Abenteuer zwar auch nicht mehr allzu häufig ausgelebt wurden, aber als Lesefutter durchaus noch en vogue waren.
    Das klingt so ein bisschen so, als ob Chaland die fünfziger spezifisch für den Elefantenfriedhof gewählt hätte, aber das ist ja eindeutig nicht der Fall - wenn man mal das früher entstandene Testament des Gottfried von Bouillon zur Hand nimmt, sieht man ja auch dort schon die Verortung in dieser Epoche.

    Übrigens müsste man vielleicht auch überlegen, ob hier nicht auch einige Spirou-Abenteuer etwas Pate gestanden haben -zumindest von der narrativen Struktur erinnert mich die Expedition eher an Goldminen und Gorillas oder Aktion Nashorn denn an Tim im Kongo.


    Zitat Zitat von joox Beitrag anzeigen
    Also Kaschi, da gehst du mir eindeutig zu weit. Das hört sich ja böse nach Zensur an...
    Mal ehrlich, um nochmal auf hips Gedanken anzuknüpfen. Ich hätte eindeutig wie du was dagegen, wenn hier ausschließlich nur das behinderte Kind negativ dargestellt würde. Aber gerade bei Chaland gilt: Gleiches Maß für alle! Mir ist beim Lesen nicht zuletzt vor allem auch der blonde "Engel" Isadora mächtig auf den Keks gegangen...
    Letzten Endes muss ich dann auch sagen, dass ich bei allem Unbehagen doch mit joox und hipgnosis übereinstimme - hier kommt tatsächlich praktisch niemand gut weg, entsprechend geht das letzlich wohl ok, besonders weil hier (im Gegensatz zu einigen der Rassismusbeispiele) die schlimmsten Figuren am Ende ja ihre gerechte Strafe erhalten.
    Überhaupt muss man sagen, dass es hier wahrscheinlich keine andere Art der Darstellung gegeben hätte (das ist so ein bisschen wie seinerzeit bei Kaschis Indianer-bei-Lucky-Luke-Beschwerde) - wäre Sheila nicht behindert, wäre der (wichtige) Plot mit der Vertauschung kaum nachvollziehbar - und sie ausschließlich positiv als niedlichen lieben kleinen Sonnenschein darzustellen, hätte weder in den Grundton des Albums gepasst (das wäre einfach zu klebrig-süß für den ätzenden Chaland, noch wäre es mit Sheilas tatsächlicher Rolle vereinbar gewesen, die ja wohl auch aufgrund der Sachzwänge eines Albums vor allem als Plotelement angelegt ist.

  20. #45
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    1. Von Mitleid oder Samthandschuhen für Behinderte habe ich nicht gesprochen. Wohl aber davon, daß sie nicht auf ihre Behinderung reduziert werden sollten.

    2. Zensur würde verbieten bedeuten. Ich habe lediglich kritisiert, nicht nach Verbot geschrien. Das muß doch erlaubt sein.

    3. Nochmal: wenn Chaland Heldenverehrung und Rassismus aufs Korn nimmt, zielt er damit auf gängige Klischees ab, die in Comics üblich waren. Das aber trifft beim Thema "Geistiger Behinderung" nicht zu. Ob er an dieser Stelle gleich noch veraltete und überkommene Einstellungen jenseits der Comic-Welt aufs Korn nehmen wollte, halte ich für sehr spekulativ, ja für unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist für mich, daß Chaland hier nicht sensibilisiert genug gewesen ist. Eine ironische Brechung kann ich an dieser Stelle beim besten Willen nicht erkennen. Damit bedient er hier entsprechende Vorurteile.

    Warum sollten nicht auch große Comic-Zeichner in ihren Werken Schwächen offenbaren? Damit wird das Werk von Chaland doch nicht in Bausch und Bogen verdammt, genausowenig wie an bereits genannter Stelle das Werk von Morris/Goscinny.

  21. #46
    Moderator Finix Comic Club Avatar von joox
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    Ich kann mich natürlich auch irren, aber mir kommt es so vor, als wäre Kaschis Reaktion genau das, was Chaland mit seiner "Unsensibilität" beim Leser provozieren wollte, da fragt es sich halt ob der Begriff "Schwäche" hier überhaupt passt......von der Wirkabsicht her gesehen, trifft die provokante Verkürzung eher voll ins Schwarze...

  22. #47
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    Theoretisch kann es natürlich sein, daß jede Schwachstelle (bzw. vermeintliche Schwachstelle) eine unglaublich subversive, abgefeimte, verdrechselte Hinterlist des Meisters um drei bis vier Ecken herum ist.

    Allein, ich mag's nicht glauben. Ich glaube, es ist viel einfacher: der Meister macht auch mal Mist ...

  23. #48
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Ich habe mir die betreffenden Szenen nochmal angeschaut!

    Ich mag es nicht bewerten - es wäre mir einfach zu spekulativ.
    Chaland bewegt sich in seinen Arbeiten derart oft in Grenzregionen - auch des guten Geschmacks - das er hier vielleicht wirklich ein kleines Stück zuweit vorgeprescht ist.
    Ob er es wirklich rein zur Leserprovokation einsetzte, bezweifle ich allerdings auch etwas.
    Wenn man es wirklich so intendiert, dann muss man sich auch gewahr sein, was man mit so einem brisanten Thema anfasst.
    Da hätte ich zumindest eine intensivere Aufarbeitung von Sheila vorausgesetzt - aber die kann ich nicht erkennen.

    Sie dient vielmehr einzig und allein als Storyelement wie Matbs es geschrieben hat.
    Insofern kann man auch kaschis Bedenken sehr gut verstehen.

    Hier zeigte der Künstler wenig Sensibilität - und dies muss man als ambitionierter Autor/Zeichner eben auch beherrschen.
    Nur provokant polarisieren ist eben auch nicht die Quintessenz des Genies!

  24. #49
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    Zitat von Matbs:
    Das klingt so ein bisschen so, als ob Chaland die fünfziger spezifisch für den Elefantenfriedhof gewählt hätte, aber das ist ja eindeutig nicht der Fall - wenn man mal das früher entstandene Testament des Gottfried von Bouillon zur Hand nimmt, sieht man ja auch dort schon die Verortung in dieser Epoche.
    War nicht so gemeint. Dachte, im Zusammenhang mit dem vorhergehenden Absatz käme das 'rüber ...

    Davon ab gibt es ein paar Beispiele dafür, dass das ursprüngliche Konzept eines One-Shots schon mal über Bord geworfen werden kann, sobald aus diesem eine Serie wurde, sogar was das zeitliche Setting betrifft:
    So geschehen z.B. bei der Bob DeMoor-Serie von Cori, dem Schiffsjungen (als der zum Serienheld wurde wechselte er nicht nur in ein späteres Jahrhundert, er wurde auch verjüngt; in D kennt man nur die Serie, nicht den One-shot) und Umpah-Pah (o.k., ich gestehe: in diesem Fall war der One-shot nur ein zum Zeitpunkt des Beginns der Serie unveröffentlichter Try-out).

    Zitat von Matbs:
    Übrigens müsste man vielleicht auch überlegen, ob hier nicht auch einige Spirou-Abenteuer etwas Pate gestanden haben -zumindest von der narrativen Struktur erinnert mich die Expedition eher an Goldminen und Gorillas oder Aktion Nashorn denn an Tim im Kongo.
    Jepp.
    Mein Vergleich bezog sich hauptsächlich auf den ähnlichen Wertekanon.
    Es gibt auch einige darüber hinaus gehende gemeinsame Motive (wie z.B. den in beiden Abenteuern auftretenden Missionar, der den Eingeborenen zivilen Benimm und Gottesfurcht lehrt), aber schon allein die Tatsache, dass das Freddy-Abenteuer im Gegensatz zur Tim-Story einen konsequent verfolgten "roten Faden" besitzt, rückt sie unter erzähltechnischen Gesichtspunkten stärker in die Nähe von Spirou.

  25. #50
    Mitglied Avatar von lucien
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    Chaland erwähnte in einem Interview mit Horst Berner einmal, dass er eine Zeitlang bekannt dafür war sich morgens beim Zähneputzen einen Charakter auszudenken (zumindest sinngemäß so, da ich das entsprechende Interview aus einer Comicforum-Ausgabe nicht vorliegen habe).

    Demnach interpretieren wir Leser vielleicht etwas zuviel in die Protagonisten von F-52, insbesondere der Darstellung des behinderten Mädchens.
    Ich glaube dass Chaland die Herzlosigkeit, Infamie und soweiter der begüterten Eltern darstellen wollte und als Verstärker eben das Mädchen einsetzte. Ein Statement zum Umgang unserer Gesellschaft (bzw. zu der Zeit in der F-52 entstandt) mit Menschen mit Behinderungen sehe ich nicht im Vordergrund.

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