Dumme Fragen eines Rookies

[Pym Particle]

Ja, jetzt sind wir in die Weltall-Abenteuer eingedrungen. Das war ja schon teilweise ein Schock. Ich hab mal irgendwo gelesen, dass Hegen gerne die Römer weitergemacht hätte, und dass er von einer Zensurbehörde an die Kandarre genommen worden sei. Diese Weltraumgeschichte ist schon strange, ich glaube, nie vorher oder nachher waren die Digedags so ideologisch (und versteht mich jetzt nicht falsch, die Gesellschaftskritik, die sich durch die ganze Serie zieht, ist für mich mehr als ok, nur hier wird es Kochrezept). Was da teilweise so verbraten wird, lässt schon verstehen, warum Reitberger/Fuchs in ihrem Siebziger-Jahre Standard-Werk die Digedags mit den Lurchi-Comics für Salamanderschuhe verglichen (was ich bisher nie verstanden habe). Ist das irgendwie verbürgt, dass da Druck ausgeübt wurde? Und geht das jetzt bis zur Runkel-Serie in dieser Tonart weiter oder wird das in der Erfinderserie besser?

[Tilberg]

Ja, Druck war immens da. Teilweise ist es ein Wunder, daß trotzdem noch hin und wieder etwas Nettes dabei rauskam in der Weltraumserie. Dieser Druck nahm jedoch zum Ende des Neosaufenthaltes allmählich ab. Bei der späteren Weltraumfahrt (Evolutionsserie) und den zwischengeschalteten und schließlich dominierenden Heften der Erfinderserie ist er schon deutlich gesunken, so daß wieder richtig gute Geschichten mit coolen Charakteren dabei rauskamen.

[Pym Particle]

Danke Tilberg (Superservice wie immer), Deine Tipps werden unseren weiteren Leseplan maßgeblich beeinflussen. Zwischenzeitig werden wir - glaub ich - zur bewährten Runkelserie zurückschwenken. Aber ich muss sagen, die Amerikaserie ist für mich unerreicht. Andererseits ist das die einzige, bei der für mich eigene Kindheitserinnerungen mitschwingen. So was prägt schon natürlich auch immens.

[Bhur]

In den ersten Heften der Weltraum-Serie scheint der Ost-West-Gegensatz schon sehr durch. Doch den Mosaikmachern gelingt es im Laufe der Serie zunehmend, die realsozialistische Wirklichkeit auf die Schippe zu nehmen. Das ist ganz amüsant zu verfolgen. Deshalb lohnt es schon, am Ball zu bleiben. Aber macht ruhig erstmal mit Runkel weiter. Der gefällt deinem Sohn bestimmt besser. Ich glaube aus heutiger Sicht ist die Weltraumserie, speziell die Neos-Hefte, für ein erwachsenes Publikum eher verständlich.

[Pym Particle]

Na, mal schauen. Wir sind heute mit dem ersten Reprint-Band (also den ersten 4 Heften) fertig geworden. Das letzte Kapitel war eh wieder ganz lustig (ziemlich schlimm fand ich persönlich die Geschichte mit dem Planeten Nucleon, da habe ICH Zensurbehörde gespielt). Wir haben noch einen Runkel auf Halde, ein Weltraumband ist auf dem Postweg. Valentin hat heute abend auf meine Frage entschieden, dass er - wenn der Band rechtzeitig morgen eintrifft - gerne mit der Weltraumserie weitermachen würde. Da wollen wir mal schauen...

[Remory]

Mich würde ja mal interessieren, wieso du bei der Geschichte über die zerstörte Welt des Nucleon zensieren musstest. Ich fand das Heft eines der gelungensten innerhalb der Weltraumserie. Ich weiß zwar nicht wie alt dein Sohn ist, aber als ich das Heft damals zum ersten Mal gelesen habe, war ich auch noch´n kleiner Steppke und ich erinnere mich noch gut, wie beeindruckt ich von dieser Geschichte war.

[CHOUETTE]

Beeindruckt hat sie mich auch, als ich sie vorgelesen bekam. Das war noch vor der Schulzeit, also war ich 5 oder 6. Ich war dann doch lieber für die lustigen oder spannenden Hefte zu begeistern. Ein Atomkrieg, der die ganze Bevölkerung auslöscht, war schon harter Tobak. Ich kann Pym sehr gut verstehen, dass er das Heft "zensiert" hat. Ist wirklich nichts für Vorschulkinder.

[thowiLEIPZIG]

Aber wenn Space Mutants die Ninja Turtles mit Plasmakanonen im Kindervormittagsprogramm auf RTL II beschießen ist das weniger Tobak?

[Pym Particle]

Also: Mein Sohn ist 4 1/2. Viele soziale Themen in den Digedags interessieren ihn, so haben wir zB viel über historische Sklaverei gesprochen (von den Römern bis zur Amerikaserie). Was mich persönlich an der Nucleongeschichte stört und zu sehr freien Nachdichtungen bewog, sind der im Unterschied zur unaufdringlichen Gelehrsamkeit anderer Story Lines hoch erhobene Zeigefinger, der absolut negative Grundton der Geschichte und die Schwarz/Weißmalerei (nicht nur in den Uniformen der Aliens). Der Lobgesang auf die "friedliche" Nutzung der Kernenergie erscheint ebenso verstaubt wie die generelle eindimensionale Wissenschaftsgläubigkeit, die einem hier entgegenspringt. Mittlerweile sind wir über die lustigen Verfolgungsjagden in den Folgeheften wieder ein wenig versöhnt, wegen einer Säumigkeit von Amazon aber derzeit wieder bei Runkel am Bosporus.

[thowiLEIPZIG]

Das ist halt Zeitgeist, also damaliger.

[CHOUETTE]

Aber wenn Space Mutants die Ninja Turtles mit Plasmakanonen im Kindervormittagsprogramm auf RTL II beschießen ist das weniger Tobak?

Welchem Teil meiner Äußerung entnimmst du, dass ich für derlei Unfug etwas übrig hätte und solches Zeug gutheißen und für Kinder empfehlen würde?

[Bruno]

Der Lobgesang auf die "friedliche" Nutzung der Kernenergie erscheint ebenso verstaubt wie die generelle eindimensionale Wissenschaftsgläubigkeit, die einem hier entgegenspringt.

Über die Frage der Nutzung der Kernernergie könnte man hier lange debattieren, was aber bei meist vorher verhärteten Fronten sicher wenig Zweck macht.
Aber was verstehst Du unter "eindimensionaler Wissenschaftsgläubigkeit"? Das Wissenschaft zu verschiedenen Zwecken ge- oder mißbraucht werden kann, macht doch gerade dieses Heft deutlich. Oder soll's vielleicht mehr ein Schuß Esotherik sein?

[Tilberg]

Letzteres kann ich Pyms Aussage nicht entnehmen.

Die verquickte Technik- und Naturwissenschafts- und Fortschrittsgläubigkeit zieht sich aber - zeitgeistbedingt, wie Thowi richtig sagte - durch die ganze Neosserie. Für mich am besten symbolisiert durch dieses eine Vorher-Nachher-Panorama, wo man zuerst eine wilde, unberührte Naturlandschaft sieht und dann als leuchtendes (sozialistisches) Ziel die komplett zubetonierte neue Stadt an derselben Stelle. Tenor der Serie insgesamt: Je mehr Technik und je mehr Kunststoff und je mehr Naturbezwingung (und je mehr friedliche Kernenergie), desto besser.

Man kann das den damaligen Machern nicht vorwerfen, i bewahre, so war halt die Zeit. Aber man muß es auch nicht ungebrochen den heutigen Kindern vorsetzen. Insofern kann ich nachvollziehen, wenn Pym hie und da "zensiert", also dem Sohnemann andere Erklärungen für die gezeigten Bilder offeriert, als im Mosaik vorgegeben.

[thowiLEIPZIG]

Welchem Teil meiner Äußerung entnimmst du, dass ich für derlei Unfug etwas übrig hätte und solches Zeug gutheißen und für Kinder empfehlen würde?

Keine Angst, mache ich ja nicht. Aber Kinder sind heute wohl in jedem Alter "abgehärteter", das wollte ich damit sagen.

[Pym Particle]

Über die Frage der Nutzung der Kernernergie könnte man hier lange debattieren, was aber bei meist vorher verhärteten Fronten sicher wenig Zweck macht.
Aber was verstehst Du unter "eindimensionaler Wissenschaftsgläubigkeit"? Das Wissenschaft zu verschiedenen Zwecken ge- oder mißbraucht werden kann, macht doch gerade dieses Heft deutlich. Oder soll's vielleicht mehr ein Schuß Esotherik sein?

Ich will die Frage der Nutzung der Kernenergie ebenso wenig wie Du inhaltlich hier diskutieren, worum es mir beispielsweise geht, ist, dass in dieser Geschichte nur zweidimensional die Frage gestellt wird: kriegerische Nutzung (böse), friedliche Nutzung (gut). Eine dritte Alternative wird gar nicht angedacht, es wird die Frage also nicht in der angemessenen Komplexität gestellt. (Erinnert mich übrigens an Lenins Aussage, Sozialismus ist Elektrifizierung plus Sowjets.) Wenn man jetzt sagt, gut, ein Comic, so denke ich, dass gerade die Digedagsmacher in anderen Geschichten bewiesen haben, dass man komplexe Themen wie Sklaverei oder Rassismus durchaus auch kindergerecht aufbereiten kann, ohne in Schwarzweißmalerei zu verfallen.
Nein, Esoterik ist trotzdem nicht mein Ding.

[Bruno]

Wenn man jetzt sagt, gut, ein Comic, so denke ich, dass gerade die Digedagsmacher in anderen Geschichten bewiesen haben, dass man komplexe Themen wie Sklaverei oder Rassismus durchaus auch kindergerecht aufbereiten kann, ohne in Schwarzweißmalerei zu verfallen.

Aha, verstehe. Wobei in Fragen Aufbereitung des Rassismus im Mosaik auch durchaus kontrovers diskutiert wird. (Darstellung der Schwarzen auf dem Neos; Negierung des Rassismus auch unter der einfachen weißen Bevölkerung Amerikas, statt dessen Konzentration einzig auf Klassenunterschiede).

[Pym Particle]

Hast Du natürlich recht. Und ich gebe auch zu, dass ich immer ein bisschen "zensuriere". Das Wort "Neger" hat natürlich zB 2007 einen anderen Klang als in den 70ern. Und es ist nicht ganz leicht, einem 4jährigen zu erklären, was Sklaverei ist. Aber ich habe einfach subjektiv einen krassen Unterschied empfunden zwischen den bisherigen Geschichten, die ich kannte, und wo sich Leute augenscheinlich bemühten, historisches Wissen kindergerecht und - ja - geschichtskritisch aufzuarbeiten, und der Nucleon-Geschichte, wo ich das Gefühl hatte, he, hier soll jetzt manipuliert werden. Aber vielleicht bin das ja nur ich. Jedenfalls hat es unserer Digedags-Begeisterung keinen nachhaltigen Schaden zugefügt.

[gbg]

Und es ist nicht ganz leicht, einem 4jährigen zu erklären, was Sklaverei ist.

ist es nicht??
lass ihn eurer Wohnzimmer aufräumen, Staub wischen und den Müll wegbringen..., gib ihn nur einmal amTag zu essen und zu trinken und wenn er "rummault" eins aufs selbe, dann weiß er was sklaverei ist

ich weiß nicht schlagen, schlechte Jugend jehabt, macht man heut halt nicht mehr mit seinem nachwuchs

[Pym Particle]

Zurück zu Runkel. In den "Prinzen von Makkaronien" nehmen die Digedags auf eine persönliche Begegnung mit Homer Bezug? Ist das die historisch früheste Episode aus ihrem Leben, oder gibt es noch frühere?

Danke, Bhur! Da haben sie ein paar jahre auf dem Buckel...

[Bhur]

Diese nur erwähnte Begegnung mit Homer ist tatsächlich die historisch frühste Digedaggeschichte.

[Pym Particle]

Heute haben wir sie aber erwischt, den Hegen und den Dräger: Wird da im alten Byzanz Putenbraten serviert... Wo doch schon Valentin weiß, dass der Truthahn erst aus Amerika kam.

[Tilberg]

Uiuiui... der erste Vertrauensbruch... hoffentlich verarbeitet ihr das gut, sonst werdet ihr noch solche Zyniker wie unsereiner.

[phönix]

..., und der Nucleon-Geschichte, wo ich das Gefühl hatte, he, hier soll jetzt manipuliert werden. ....

sicher sollte das auch ein wenig. aber es gibt auch so etwas wie den zeitgeist. und nach dem atombombenabwurf gab es, meiner ansicht nach, geradezu eine euphorie für die friedliche nutzung der kernkraft, die, auch von eigentlich wissender seite, etwas blauäugig forsiert wurde. (atomkraftwerk=lösung aller energieprobleme; atom-u-boote, atomeisbrecher LENIN etc. es gab, glaube ich sogar im bildungsfernsehen des ddr, in einer sendung zum physikunterricht, das bsp. über die sprengung eines kraters mit einer wasserstoffbombe, welcher dann sammelbecken für ein riesiges süßwasserreservat sein sollte - ungeachtet der tatsache, dass man dort noch heute unmengen radioaktivität messen kann.)
und überhaupt hat man damals die wirkung der strahlung wohl allgemein bagatelisiert. - trotz des todes von marie curie. trotz hiroschima!
im zivilschutz ging man, in ost, wie west, davon aus, dass eine plane gegen den ersten radioaktiven staub schon mal ein ganz guter schutz ist. anschließend ein bischen duschen....(und die "strahlende zukunft" liegt vor den überlebenden) in berlin[west] konnte ich einen "luftschutzbunker" besichtigen, der ganz groß gefeiert wurde. die wasseraufbereitung war darin für gerade einmal 14 tage vorgesehen!!!!!! die amerikaner haben nach hiroschima weitere feldversuche mit a-bomben und -granaten gemacht, bei denen sogar die wirkung auf die eigenen soldaten gemessen wurden. und wo die soldaten nicht bei der explosion dabei waren, hat man gar radioaktive präparate gespritzt. - wie gesagt nach hiroschima!

[Casimir]

Ist zwar ein bischen Offtopic - aber um daran mal anzuschließen: ich habe vor kurzem den Troposphärenfunkbunker 302 in Eichenthal (übrigens erst 1986 fertiggestellt) besichtigt, welcher einzig dazu gebaut wurde, die Information, dass ein atomarer Erstschlag erfolgte, an den großen Bruder weiterzugeben. Diese Art von Bunker gab es in Zeiten des kalten Krieges in Ost und in West! Auch hier waren die Lebenserhaltungssysteme nur auf wenige Wochen angelegt, weil davon ausgegangen wurde, dann sei das Schlimmste überstanden. Ein bizarres und vor dem Hintergrund des heutigen Wissens über radioaktive Strahlung sinnloses Bauwerk, deren Besichtigung nur empfohlen werden kann. Ein ersten Eindruck kann man sich auf der Homepage des Betreibers verschaffen: http://www.bunker-302.de/inhalt/

[Pym Particle]

Uiuiui... der erste Vertrauensbruch... hoffentlich verarbeitet ihr das gut, sonst werdet ihr noch solche Zyniker wie unsereiner.

Ach Tilberg, zu Zynismus lassen wir uns da noch nicht hinreißen (obwohl er eher in unserem Naturell liegt). Es macht einfach Spaß, die Meister bei der Arbeit beim Straucheln zu ertappen. Größere Probleme hatten wir ja bei den astronomischen Hoppalas.