Sie waren mit der S-Bahn in die Innenstadt gefahren und hatten nicht ein Wort miteinander gewechselt. Nachdem sie in die Bahn in den gleichen Wagon eingestiegen waren, suchten sie sich zwei Plätze, die so weit wie möglich auseinander lagen. Faluun ging fast ganz nach hinten und setzte sich ans linke Fenster in Fahrtrichtung. Zum Teil, weil sie nicht zusammen gesehen werden wollten - man wusste ja nie - aber auch, weil Faluun und Flak sich nie hatten leiden können. Flak hielt sich immer für den Schlausten der Organisation und betrachtete sich als Freund von Archon. Faluun fragte sich, was Archon an Flak fand. So schlau war er auch nicht. Und, am schlimmsten, er durfte ihm Befehle geben. So eine niedere Kreatur wie Flak war eine so große Nummer in der Organisation. Und er, der Stärkste von allen, wurde nur hin und her geschickt. Wie ein Dienstbote, gerade gut genug, um Leute zu killen, die der Organisation gefährlich werden konnten.
Als er sich auf seinen Platz gleiten ließ, fuhr die Bahn bereits mit einem Ruck an. Er war immer wieder erstaunt, wie leise und sanft die Bahn dahinglitt. Nur ein leichtes Heulen war zu hören, dass mit der Beschleunigung lauter wurde und bei der Höchstgeschwindigkeit konstant vor sich herbrummte. Die Person, die ihm in der Vierergruppe gegenübersaß, schaute kurz von einem dicken Buch auf, dass er zwischen Knie und Wand balancierte. Auf dem anderen Oberschenkel lag ein Schreibblock, der mit Kritzeleien übersäht war. Beim genaueren Hinsehen entpuppte sich dieses Geschmiere als hastig aufgeschriebene Rechenformeln. Die Person schaute kurz auf. Ein Jelorianer. Fast hätte Faluun gedacht, er würde Deslain gegenüber sitzen. Doch es war doch nur ein herkömmlicher Student auf dem Weg zur Universität, der sich sofort wieder seiner Lektüre widmete.
Faluun sah zum Fenster hinaus. Die Bahn fuhr an einer langen Straße entlang, die parallel zu den Schienen in die Innenstadt führte. Die Straße war geteert und von Reitern, Passanten und Fuhrkarren bevölkert. Unglaublich, dieser Unterschied. Eine moderne, asphaltierte Straße, die S-Bahn, die ihn an vergleichbare Bahnen in Belgien erinnerte und dazu diese altertümliche Art, sich auf Pferden fortzubewegen. Er dachte unweigerlich an die Erde und an seinen kurzen Aufenthalt in Belgien. Damals saß er auch in so einer S-Bahn, aber der Ausblick war ein anderer gewesen. Auf Belgiens Straßen fuhren keine Karren, sondern Sedans und Lastkraftwagen auf Gummirädern, angetrieben von einem kleinen Fusionsreaktor. Er sah die Leuchtreklamen, die sich auf regennasser Straße spiegelten. Die Shuttles am Himmel. Ein Polizeiwagen bog mit quietschenden Reifen und heulender Sirene um eine Kreuzung im Zentrum von Brüssel und überfuhr fast eine unachtsame Frau mit Telefon am Ohr, die offenbar ihrer Umgebung keine Beachtung geschenkt hatte. Er sah den unbeschreiblichen Wohlstand der Menschen und die unfassbare Selbstverständlichkeit, wie sie diesen Segen hinnahmen und ihre Lässigkeit, mit der sie in dieser Welt herumliefen. Er sah noch den energischen Geschäftsmann, der vor ihm saß und wütend sein Laptop zuschlug, weil ihm eine Mail nicht gefallen hatte. Entrüstet hatte er Faluun angesehen, als hätte er die Mail geschrieben. Faluun erinnerte sich an die pechschwarzen, glatten Harre, das braungebrannte Gesicht aus dem letzten Sommerurlaub, an den grauen Hosenanzug mit der roten Krawatte. In diesem Moment hatte Faluun beschlossen, dass die Menschen diesen Wohlstand nicht verdient hatten, weil sie ihr Glück mit keinem einzigen Verhaltungsmuster zu würdigen schienen. Wenn es eine von Gott erwählte Rasse gab, so sah er es in den grünen Augen des Mannes, dann waren es die Menschen. Was konnte er nicht noch alles in diesen Augen lesen. "Es interessiert mich nicht, dass du in deinem viel zu langem Leben viel zu oft verspottet worden bist! Es interessiert mich nicht, dass deine Schöpfer dich in ein Säurebad schmeißen wollten, weil sie glaubten, du wärest ein Fehlprojekt, dass man schleunigst beseitigen musste! Wie egal ist es mir, dass Archon dich für einen Spottpreis wie eine Billigware vom Grabbeltisch des nächstbesten Discounter erworben hat! Ich scheiße drauf, dass du jahrelang in einer Zelle rumsaßt, gehalten wie ein Tier in einem Zoo ohne Besucher! Es lässt mich völlig kalt, dass man dich auf Knopfdruck über den Jordan schicken kann! Ich pfeif' drauf, dass du nur ein Objekt bist, dass man behält, bis man es nicht mehr braucht, dass man verformt oder nachbehandelt, bis es den Wünschen irgendeines Geisteskranken entspricht! Ich scheiße auf den kleinen, roten Knopf! Ich scheiße auf dich und auf all das, was dir etwas bedeutet! Ich scheiß auf deine Herkunft, deine Geschichte und dein Schicksaal und sei es auch noch so traurig! Du interessierst mich nicht die Bohne, du kannst von mir aus den nächsten Strick nehmen und dich erhängen, solange ich alles habe, was ich brauche!"
Und den Gedanken mit den Strick aufgreifend, grabschte Faluun nach der roten Krawatte des Mannes und hatte ihn in Windeseile stranguliert. Ihm blieb nicht einmal Zeit zum Röcheln. Er ignorierte die schockierten Blicke der übrigen Fahrgäste und nahm den Laptop des Strangulierten an sich, um ihn auch sogleich auf dem Kopf einer belgischen Rotzgöre zu zertrümmern, die ihm schon während der ganzen Fahrt mit ihrem Geheule auf den Sack gegangen war. Es wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf, behütet von Mama und Papa, die er nie hatte! Und es würde alles bekommen, was es haben wollte, inklusive das Recht zu entscheiden, wie seine Zukunft aussehen sollte! Woher, im Teufels Namen, nahm sich dieses Kind das Recht, sich über irgendetwas zu beklagen?! Er, Faluun, hatte wirklich Gründe zum Heulen! Aber beklagte er sich? Sah ihn irgendwer rumjammern?
Der schreienden Mutter stopfte er sofort mit seiner Faust das Maul, auf dass ihr Kopf nach hinten klappte und sie augenblicklich Ruhe gab.
"Um Gottes Willen!", rief jemand.
"Gottes Wille?", rief Faluun zurück. Da war es wieder! Diese Arroganz! Wenn es eine von Gott auserwählte Rasse gibt, dann sind wir es, die Menschen. Den alten Mann, der diesen Satz gesagt hatte, hämmerte Faluun durch die Plexiglasscheibe. Er segelte im hohen Bogen aus dem Zug, landete auf der Straße und wurde von einem LKW überrollt, der nicht rechtzeitig Bremsen konnte. Der nächste Mensch, den er zu fassen bekam, flog gleich hinterher. Dann legte er richtig los und als die Bahn im Hauptbahnhof einlief, hatte Faluun in seinem Wagon kurzen Prozess gemacht. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wie viele Arme er ausgerissen hatte, wie viele Genicke gebrochen, wie viele Augen ausgestochen und wie vielen Schädeln das Gehirn abhanden kam. Alles verschwamm vor seinen Augen. Er war in Rage und rannte Amok durch Brüssel. Er glaubte zu wissen, dass er vom Hauptbahnhof in ein Kaufhaus übersetzte und man das Gebäude ein paar Tage später abreißen musste, weil er mit menschlichen Körpern die Betonpfeiler so schwer beschädigt hatte, dass die Stützkonstruktion erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde und sie das mehrstöckige Kaufhaus nicht mehr halten konnte.
Er wusste heute nicht mehr, warum er damals plötzlich aufgehört hatte, Brüssel zu verwüsten. Er erinnerte sich nur daran, auf einmal in seinem Shuttle zu sitzen. Er erinnerte sich an die Sterne im Frontfenster und den einprogrammierten Kurs im Bordcomputer. Er war auf den Weg nach Hause, falls man dieses Gefängnis ein Zuhause nennen konnte.
Der Jelorianer vor ihm ließ versehentlich sein Buch fallen. Der dumpfe Aufprall hallte in Faluuns Kopf hin und her wie das Pendel einer großen Wanduhr. Es war genau auf seinem Fuß gelandet. Er beugte sich vor und hob das Buch auf, bevor es der Jeloraner erreichen konnte und gab es dem Studenten.
"Entschuldigung", sagte der knapp.
Faluun sagte nichts und schaute wieder aus dem Fenster. Diese Welt, die zur Zeit fortschrittlichste des Imperiums, war im Vergleich zur Erde und im Vergleich zu ihrer eigenen Vergangenheit ein Witz. Und für diesen Witz waren einzig und allein die Djaikos verantwortlich. Diese panisch veranlagten Djaikos waren der Grund allen Übels in der Galaxis. Sie waren es, die jeden technischen Fortschritt, der den Lebensstandard der Bevölkerung anheben könnte, zurückhielten. Daraus ergab sich Not und Unglück und daraus Gewalt. Er betrachtete den Studenten heimlich durch die Spiegelungen in der Fensterscheibe und beschloss, dass jener nichts für Faluuns Vergangenheit konnte. Und heute dachte er anders als noch damals in Belgien. Würde man diesen Studenten von Faluuns Schicksaal aufklären, dann würde er es bestimmt bedauern, vielleicht sogar Anteil nehmen. Er war ein Jelorianer. Er war mehrere Jahre lang durch die Hölle gegangen. Er war nicht dieser arrogante Mensch mit dem Laptop und der roten Krawatte. Ein Jelorianer war Sklave des Imperiums. Er arbeitete hart für andere und verdiente dabei nichts außer vielleicht das Recht im Imperium weiter zuleben. Aber auch nur solange, bis die Djaikos einen Ersatz für dieses Volk gefunden hatte, eines, dass nie sein Gehirn beim Denken benutzte und damit auch niemals auf die Idee kommen würde, Mucken zu machen oder gar die Arbeit niederzulegen. Anstatt des kleinen, roten Knopfes bediente sich Djaiko einer Horde Luxinor, denen das Hirn bereits amputiert wurde. Wenn Djaiko sagte: "Stürzt euch in den Tod!", dann taten sie es auch.
"Entschuldigen Sie", sagte Faluun zum Studenten.
"Was denn?", fragte der.
"Waren Sie während des Krieges auf Jelor?"
Der Student schüttelte den Kopf. Faluun brauchte nicht weiter zu fragen. Wenn er nicht auf Jelor gewesen war, dann saß er hier auf Niovalid die Zeit des Krieges in einem Internierungslager ab, mit welchem verglichen das Wort "Gefängnis" noch ein Begriff unendlichen Luxus darstellte.
"Warum möchten Sie das wissen?"
Faluun sah über die Schulter des Stundenten, wie Flak ihn aufmerksam beobachtete. Faluun vermied es, seinen Vorgesetzten anzusehen.
"Ich bewundere, wie sie hier so ruhig zwischen uns Niovalidern sitzen können, nach allem, was wir euch angetan haben."
Bei diesen Worten drehte sich nicht nur Flak zu ihm um, sondern alle Personen im unmittelbaren Umkreis, die diese Frage gehört hatten. Es war ein Thema, dass auf diesem Planeten totgeschwiegen wurde. Eine Internierung, Konzentrationslager? Das gab es hier nicht! Wir doch nicht! Die anderen Planeten, die vielleicht? Bestimmt sogar! Die, die oder vielleicht sogar die da! Aber wir doch nicht! Aber Faluun hatte nicht vor, dieses Verhalten den Niovalidern anzukreiden. Was dieses Thema betraf waren alle Zivilisationen gleich. Mord und Totschlag waren dann in Ordnung, wenn es sich um glorreiche Siege über einen überlegenen Gegner handelte. Mord und Totschlag gab es aber nicht, wenn man wehrlose Kinder zusammentrat. In seinem langem Leben war das eine der wenigen konstanten Gegebenheiten. Das und der kleine, rote Knopf.
Er versuchte parallelen zwischen den Sudenten vor ihm und dem arroganten Belgier zu finden. Erschüttert stellte er fest, dass sie sich völlig gleich waren. Gut, der Student war ein Jelorianer, von dem Faluun wusste, dass man ihn mit Füßen getreten hatte. Vielleicht hatte er nicht einmal Nachricht davon, was mit Freunden und Familie auf Jelor passiert war. Lebten sie noch? Hatten die Luxinor sie abgeschlachtet? Wurden sie bei der zweiten Invasion getötet? Er saß da so unbeteiligt an seiner Umgebung, wie der Belgier mit dem Laptop in Brüssel. Als würde ihn alles nichts angehen. Wäre es ihm scheißegal, wenn zwei Meter weiter jemand überfallen und verprügelt wurde? Würde er einen Finger Krumm machen? Würde er Faluuns Geschichte wirklich verstehen und Anteil nehmen, oder würde er sie ignorieren, weil er selber genug Probleme hatte, weil er selber genug durchmachen musste? Was unterschied den Belgier eigentlich wirklich von diesem Studenten? Ein Blick in Faluuns Augen hatte gereicht um durchzudrehen, um den Mann zu erdrosseln, bis das Genick mit einem knacken Zerbrach, als würde er einen Besenstiel über dem Knie zertrümmern. Es hatte gereicht, um ihn Amok laufen zu lassen. Er hatte immer noch Bilder des Kindes vor Augen, dem er den Laptop über den Schädel schlug. Er hörte immer noch, wie das Schreien abrupt abbrach, als hätte jemand das Radio ausgeschaltet. Er hatte danach eine tiefe Befriedigung verspürt. Von da an war es ihm klar geworden. Er war zum Töten und ausschließlich dafür erschaffen worden. er war so veranlagt, dass er nicht anders konnte. Nicht die Ausbildung und das Geschwafel von Archon und Flak hatten ihm das offenbart. Es war das Kind, dass er erschlagen hatte. Der Mann mit dem weißen Vollbart und der gelben Regenjacke, den er aus dem Zug vor einen LKW geworfen hatte. Der panische Angestellte im Kaufhaus, der versuchte, sich auf dem Klo einzuschließen, als Faluun in der Herrenabteilung nicht einmal die Modepuppen verschonte. Er hatte den Angestellten trotzdem gefunden, er hatte ihn irgendwie gerochen. Angst war eine starke Emotion und kaum zu übersehen, wenn man Sinne besaß, wie sie Faluun hatte. Er trat die Tür zur Toilette ein, fand den verpickelten, rothaarigen Angestellten, schätzte sein Alter auf achtzehn oder neunzehn und machte sich daran zu sorgen, dass er die zwanzig nicht erreichen würde. Der quiekende Schrei stachelte ihn nur zusätzlich an. Auch ein für den Laden arbeitender Sicherheitsbeamter konnte Faluun mit seiner lächerlichen Pistole nicht aufhalten. Er erinnerte sich noch, wie der Typ plötzlich hinter ihm stand, mit gezückter Waffe. Er hatte keine Warnung ausgesprochen und ballerte darauf los. Eine Kugel zischte vorbei und traf den verpickelten Angestellten in den Oberschenkel. Den Rest versengte er in Faluuns Brust, doch sie hinterließen nur rötliche und bläuliche Blutergüsse auf Faluuns schwarzer Haut, ohne sie wirklich zu durchschlagen. Hätte der Typ auf seine Augen gezielt, wäre er vielleicht zu einem Problem geworden, denn dort war er so verwundbar, wie jedes andere Wesen auch. Doch so konnte Faluun nicht einmal darüber lachen. Weil er sich dem Angestellten widmen wollte, der sich so feige verdrücken wollte und jetzt mit einer Kugel im Oberschenkel heulend neben der Toilette kauerte, entledigte sich Faluun dem Möchtegern John Wayne mit der Luftpeitsche. Sie trennte ihm säuberlich dem Kopf vom Hals und Faluun war verblüfft, wie wenig Blut aus dem Halsstumpf sprudelte. Damit hätte man nicht mal nen kleinen Eimer gefüllt! Dann ließ er von dem Kerl ab und kümmerte sich wieder um den verpickelten Angestellten. Erst versuchte er ihn, in der Kloschüssel zu ertränken, doch er konnte den Kopf einfach nicht tief genug hinunter drücken und das Wasser aus der Spülung lief nicht lange genug für dieses Vorhaben. Vielleicht hatte er zehn oder gar fünfzehn Minuten lang so an dem verpickelten Burschen herumgewerkelt, bis er es aufgab. Er umgriff beide Fersen des Jungen, wobei jener immer noch mit dem Kopf in der Kloschüssel steckte. Die schwarze Baumwollhose rutschte ihm bis zu den Knien runter. Die Haut an den Unterschenkeln war hell und ekelhaft verschwitzt. (Hier muss ich leider zensieren. FK18). So grotesk ließ er ihm im Klo stecken und machte sich auf zu neuen Taten.
Morden ist alles, was ich wirklich kann. Und er empfand nichts für seine Opfer. Er hatte nie etwas empfunden. Heute Morgen noch wollte er einen schweren Blumentopf vom achtzehnten Stock in einen Kinderwagen werfen, nur um das Geschrei der Mutter zu vernehmen. Es war ihm gleich, was sie dabei empfand.
Er betrachtete noch mal flüchtig den Studenten vor sich. Würde sein Genick genau so knacken, wie das des Belgiers? Gäbe es ein anderes Geräusch? Würde es ihm was ausmachen, wenn er den Studenten bei voller Fahrt aus dem Zug warf?
Nein! Ich würde es ziemlich witzig finden!
Der Zug führ an einem Lebensmittelmarkt vorbei. Dutzende Stände verteilten sich mehr oder weniger gleichmäßig auf einem großen, runden Platz umrahmt von Laubbäumen und mehrstöckigen, grauen Häusern. Eines wurde gerade neu gestrichen, an einem anderen machten sich gerade Fensterputzer im Fünften Stock auf einer Plattform zu schaffen, die mit Seilen an das Dach befestigt war. Wenn er den Studenten im richtigen Winkel und mit der richtigen Kraft durch die Zugscheibe pfefferte, könnte er genau die Plattform treffen. Die Fensterputzer würden herunterfallen und auch ins Gras beißen. Das machte drei Tote mit einem Streich bei minimalen Aufwand. Was hielt ihn also ab, sich diesen Scherz zu erlauben?
Würde er das tun, so würde man ihn für unzurechnungsfähig halten. Eine Gefahr für die Organisation. Er durfte doch nicht so einfach tun, was ihm Spaß machte, was unangenehm auffiel! Man müsste ihn beseitigen!
Der Student blätterte um auf eine neue Seite. Faluun würde wirklich nichts dabei empfinden, wenn er ihm den Gar ausmachen würde.
Wie kann ich Mitgefühl und Verständnis von anderen verlangen, wenn ich selbst keines für jene aufbringen kann?
Plötzlich fragte er
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Plötzlich fragte er und er überraschte sich auch damit: "Wie lange waren Sie im KZ?", wieder drehten sich die Niovalider zu ihm. Allen vorweg Flak.
"Was?", fragte der Student.
"Seit der Invasion der Luxinor auf Jelor oder erst, als die Niovalider offiziell in den Krieg eintraten?"
"Letzteres", sagte der Jelorianer knapp. Man merkte, dass ihm das Thema unangenehm war.
Bevor Faluun weiter fragen konnte, hielt der Zug. Faluun schaute hinaus und erblickte ein blaues Schild mit verschimmelten, weißen Lettern. Er war am Hauptbahnhof und musste hier aussteigen. Ruckartig stand er auf, inzwischen wohlwissend, dass sich der Student nicht von dem Belgier unterschied. Wohlwissend, dass es im Universum niemanden gab, der sich für seine Geschichte interessieren würde. Verdammt noch mal, nicht einmal Deslain ging es darum ihm zu helfen, sondern auch der Sohn Gottes war einzig und allein auf seinen eigenen Vorteil bedacht! Er würde ihn ausnutzen wie Archon es tat.
"Tut mir Leid, wenn ich Sie gestört habe", sagte er beiläufig zum Studenten. Der machte nur eine Handbewegung, froh darüber, diese Nervensäge endlich los zu sein. Physik war jetzt wichtiger als die Zeit im KZ. Schließlich konnte noch etwas Anständiges aus ihm werden. Irgendwann erreichte jeder eine Deadline, wo der Zug für ihn abgefahren war und der Jelorianer wollte im letzten Moment noch aufspringen. Nächster Halt: Chashtown! Guter Job, gutes Gehalt, gutes Leben und kein kleiner, roter Knopf, dafür aber ein Hebel mit integriertem Schleudersitz, wenn er seine Arbeit nicht gut machte.
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