Die neue Sonne
Eines der denkwürdigsten Hefte des Neos-Serie liegt mit der Ausgabe Februar 1959 vor uns. Schon in den Eingangsbildern zeigen sich die Digedags beeindruckt, ja sogar sprachlos! Für die Lacher sorgt Sinus Tangentus, dessen intellektuelle Verfassung besser als die körperliche ist.
Dig und Dags "Waschraumgespräche" tendieren dann doch schon sehr fort von der tatsächlichen Geschichte auf dem Planeten Erde, zumindest wenn man betrachtet, unter welchen Voraussetzungen die UdSSR und die sozialistische Staatengemeinschaft entstanden sind. Unter dem Strich bleibt jedoch die Vision eines friedlichen und freiwilligen Zusammenschlusses kleinerer Länder.
Doch der dramatische Höhepunkt des Heftes ist nicht die nachfolgende Agentenintrige gegen Bhur Yham, sondern die Ankunft auf einem Planeten, der seinem Namen alle "Ehre" macht: "Nucleon"! Dieses Thema kann, auch 59 Jahre nach dem verabscheuungswürdigem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, die nicht im Geringsten durch die Verkürzung eines entschiedenen Krieges entschuldigt wird, nicht zu den Akten gelegt werden. Die Gefahr ist durch das Ende des kalten Krieges nicht verschwunden, sie ist auch nicht geringer geworden. Die mahnenden Worte, die wir auch dem Mosaik entnehmen, sind natürlich nicht nur an jene zu richten, die noch immer einem begrenzten Einsatz von Atomwaffen gegen sogenannte "Schurkenstaaten" zusprechen. Nicht weniger gefährlich ist das atomare "Nachrüsten" anderer Länder und die mangelnde Sicherheit, Wartung und Kontrolle der Atomwaffenarsenale der ehemaligen Sowjetunion.
Einen umfassenden und gleichzeitig schockierenden Überblick zum Thema findet sich auf einer von Gabriel Huber gestalteten Website.
Zu besprechen ist natürlich auch die gesamte Atom-Euphorie, die in der DDR der 50'er Jahre mit dem Buch "gigant atom" (Böhm/Dörge) ab 1956 den friedlichen Einsatz der Atomenergie propagierte. So wundert es nicht, dass auf Nucleon bereits, nur 7 Jahre nach der ersten Zündung einer Wasserstoffbombe auf der Erde, die Lösung für die Beherrschung der Kernfusion bereits im Tresor eines ingstornigen, aber deshalb nicht weniger toten Wissenschaftlers liegt. Tatsächlich ist man auch nach knapp 50 Jahren in der Forschung zur Entwicklung einer künstlichen Sonne auf der Erde zwar vorangekommen, doch gleichfalls noch genauso weit entfernt. Wer sich mal recht anschaulich mit den Vorgängen in der Sonne vertraut machen möchte, dem empfehle ich diesen Vortrag von Prof. W. Hampel anläßlich eines Schülertreffens am Max-Plank-Institut für Kernphysik Heidelberg (11/2002).
Interessant zum Heft-Thema ist auch die Problematik des Planeten Nucleon selbst (mal ganz ohne Politik und Atomkrieg). Dort hat man ja das Problem, dass, in diesem Fall wegen der "absterbenden" Sonne(n), eine Vereisung des Planeten von beiden Polen aus, eingetreten ist. Ich denke, dieser Regieeinfall kam den Mosaik-Machern auch nicht so ganz von ungefähr. In besagtem Buch "gigant atom", wird auf den Seiten 285-286 das dringende Interesse, nicht nur der UdSSR, beschrieben, die arktische Frostgrenze gen Norden zu verschieben, um somit in Sibirien, Kanada und Alaska den Menschen mehr Lebensraum geben zu können. Das kurze Kapitel läßt sich hier nachlesen. Dass die Umsetzung eines solchen Projektes mittels Damm nicht weniger verheerende Folgen für das Weltklima hätte als der Einsatz einer künstlichen Sonne, dürfte den Wissenschaftlern heute vermutlich auch klarer sein als 1958 (3. verbesserte Auflage von "gigant atom").
Ach ja, und dann die Börse. Wie sagt man so schön? "Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen." Und die DDR-Wirtschaftslenker saßen nicht im Glashaus, sondern in einem gläsernen Palast! Will sagen, es gab weder in den 50'er Jahren, noch derzeitig eine wirkliche Alternative zur regulierenden Funktion einer (wie auch immer gearteten) Börse. Das ändert aber nichts daran, dass meine persönlichen Zukunftsvisionen sehr wohl ohne eine solche Einrichtung (im heutigen Sinne) auskommen. Die Börse als Instrument, erfolgversprechenden und innovativen Unternehmen entsprechendes Kapital zu verschaffen - oder sie auch wieder aus dem Rennen zu werfen, sie für Fehlleistungen zu bestrafen, ist sehr wirksam. Aber, und da stimme ich dem Mosaik zu, sie hat nicht minder viele Schattenseiten und die Logik des Kapitalflusses widerspricht IMHO nicht weniger oft dem gesunden Menschenverstand, als es die Planwirtschaft in ihren 5- und 7-Jahresschritten auf ihre Weise tat. Im nachfolgenden Link steht einiges über die Geschichte der Börse (Von den Messen zur Börse, Die erste Aktie, Große und kleine Börsenskandale, Die deutschen Börsen).
Beilage zu Heft 27: Der achte März. Dieser Tag kam unaufgefordert jedes Jahr, unerbittlich. Nichts gegen die Ehrung der Frauen - aber Feierlichkeiten waren nie mein Ding. Doch zum Glück uferte das auch nie so weit aus wie bei "Klaus und Hein". Man bedenke: ".... noch lang bevor die Stadt erwachte ...". Die Ursprünge des Internationalen Frauentags liegen in der Arbeiterinnenbewegung des 19. Jahrhunderts. Damals hatten Frauen und besonders Arbeiterinnen immer wieder in Streikaktionen für verbesserte Arbeitsbedingungen, aber auch für mehr soziale Gerechtigkeit gekämpft. Zum ersten Mal wurde der Frauentag offiziell am 8. März 1911 begangen. Auf Initiative von Clara Zetkin hatte dies die 2. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz im Vorjahr beschlossen. Damals ging es hauptsächlich um das Frauenwahlrecht, aber auch um Antimilitarismus, Arbeitsschutz, Gleichstellung am Arbeitsplatz, Achtstundentag, Mutter- und Kinderschutz und die Festsetzung von Mindestlöhnen.
Nach dem zweiten Weltkrieg war der Internationale Frauentag in den sozialistischen Ländern ein offizieller Feiertag mit Blümchen für die werktätigen Frauen und "Muttis".
Was im Februar 1959 sonst noch so passierte:
- Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin entscheidet, daß die Streitkräfte der Bundesrepublik mit Atomwaffen der USA ausgerüstet werden dürfen.
- Das Bundesverteidigungsministerium bestellt 96 "Starfighter" in den USA.
- Im Regierungsbezirk Düsseldorf wird erstmals in der Bundesrepublik ein Radargerät zur Geschwindigkeitskontrolle auf den Straßen eingesetzt.
- In Kuba übernimmt der Revolutionsführer Fidel Castro das Amt des Ministerpräsidenten.
- In der Schweiz wird nach einer Volksabstimmung, an der nur Männer beteiligt sind, die Einführung des Frauenwahlrechts abgelehnt.
Weitere Berliner Schlagzeilen des Monats:
Wer eine brauchbare Anleitung für gymnastische Übungen sucht, wer über ein Stückchen Seife nachgrübeln möchte, wem nach spiralförmig verpufftem Wasserstoffgas ist und wer Radioaktivität für eine Rundfunksendung zum Mitmachen hält, der kommt um "Die neue Sonne" nicht herum.
- Nichts Erwähnenswertes, obgleich der Februar 29 Tage hatte.
Mit Orlandos Sicht der Dinge sind wir immer auf der Sonnenseite des Lebens und auf der Homepage von Tangentus wird der Inhalt wie immer auf den Punkt gebracht.
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